Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, Bad 2 1815-1946, hg. v. Wieden, bei der Brage, (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen Band 271). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2013. 481 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Nach Band I des Handbuchs (1500-1806) befasst sich der vorliegende Band mit der Zeit zwischen 1815 und 1946, wobei die Westphälische Ständeversammlung weder in Band I noch in Band II berücksichtigt ist. Das Handbuch ist zweigeteilt: In einem „Schematischen Teil“ bringt es nach einem vorgegebenen „Schema“ Informationen über Staat/Provinz, Verfassung, Landtage, Wahlen und Rechtsvorschriften (S. 13-229). Berücksichtigt sind die Allgemeine Ständeversammlung von Hannover (1815-1866) sowie die Landtage Oldenburgs, Braunschweigs und Schaumburg-Lippes sowie des Landtags des Landes Hannover von 1946. Das Königreich Hannover verzögerte „allein unter dem Gesichtspunkt des Machterhalts“ die „Entwicklung Hannovers zu einem Gesamtstaat und legte die Grundlagen für einen politischen Regionalismus, dessen Wirksamkeit über die staatliche Existenz des Königreichs hinaus bis weit in das 20. Jahrhundert spürbar bleiben sollte“ (S. 258f.). Aus diesem Grunde werden auch die „Provinziallandschaften“ bis 1866 (Calenberg, Lübeck, Hoya, Bremen-Verden, Osnabrück, Hildesheim und Ostfriesland) sowie der hannoversche Provinzlandtag (1884-1933) behandelt. Hinzu kommen die Grafschaft Schaumburg, das Fürstentum Pyrmont und die Landesvertretung der Herrschaft Kniphausen. Die Beiträge des Schematischen Teils bringen u. a. Informationen über die Dauer der einzelnen Ständeversammlungen bzw. Landtage, über eventuelle Fraktionen und über Parlamentarier, das Wahlrecht und die Wahlergebnisse. Nicht jeder Beitrag enthält detailliertere Informationen über die Landtagsprotokolle und Regierungsvorlagen. Abgesehen von Druckausgaben, die im Literaturverzeichnis nachgewiesen sind (S. 447ff.), ist immer noch die archivalische Überlieferung zu berücksichtigen, auf die für das Königreich Hannover nur sehr pauschal verwiesen wird (ausführlicher für Oldenburg, S. 150). Der Essayistische Teil (S. 231-441) befasst sich anhand von Einzelbeiträgen mit den Landtagen bzw. Ständeversammlungen von Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe sowie mit dem hannoverschen Provinziallandtag und den „Provinziallandschaften“ Hannovers. In dem umfangreichen Beitrag über die Allgemeine Ständeversammlung Hannovers geht van den Heuvel auch auf die Zeit von 1814-1819 näher ein, während der das Ministerium in Hannover – darunter auch Rehberg, bekannt auch als Gegner des Code Napoléon – für einen „moderaten liberal-konstitutionellen Wandel“ eintrat (S. 238). Van den Heuvel weist ferner darauf hin, dass die Regierung in der Revolutionszeit (1848-50) weitgehende innenpolitische Reformen verfolgte; in diesem Zusammenhang erwähnt er die „große Justizreform von 1849/1850 (Einführung von Schwurgerichten, Gerichtsverfassungsgesetz, Straf- und Zivilprozessordnung), die „sogar über 1866 hinaus zur wichtigen Vorstufe der Reichsjustizgesetze“ wurde (S. 266). Hingewiesen sei darauf, dass der ehemalige hannoversche Justizminister Adolf Leonhardt preußischer Justizminister von 1868 bis 1879 war und dass er in die 1. BGB-Kommission den hannoverschen Juristen Gottlieb Planck wählen ließ, der maßgeblich das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896 beeinflusste. Rechtshistorisch interessant ist besonders das Fürstentum Ostfriesland (seit 1744 preußisch, 1815 von Preußen an Hannover abgetreten; S. 335-345, M. Hermann), für das 1846 die Erhaltung des „preußischen Rechtssystems in Ostfriesland“ festgeschrieben wurde (S. 343). Von großem Interesse sind auch die Beiträge für Oldenburg (S. 377ff.) und Braunschweig (S. 395ff.); jeweils zweigeteilt für die Zeit bis 1918 und von 1918 bis 1946, denen die Rechtsgeschichte wichtige Justizgesetze aus der Revolutionszeit verdankt. Über den Landtag des 1946 errichteten Landes Hannover, das ab Ende 1946 zusammen mit Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe das Land Niedersachsen bildete, unterrichtet Hermann Butzer. Hingewiesen sei noch darauf, dass alle Beiträge, die sich mit der Weimarer Zeit befassen, auch auf das Schicksal von Parlamentariern während der NS-Zeit eingehen (für den hannoverschen Provinziallandtag S. 356ff.).

 

Die Handbuchbeiträge verdeutlichen – so ausdrücklich für Braunschweig Martin Fimbel, S. 403ff.–, dass die Geschichte der niedersächsischen Landtage zwischen 1815 und 1918 – für die hinsichtlich Braunschweigs eine exzellente Dokumentation vorliegt (S. 401), noch nicht geschrieben sei. Insgesamt stellt das von bei der Wieden herausgegebene Handbuch ein Grundlagenwerk dar, das den Zugang zur Verfassungsgeschichte und zur Geschichte des Zivil-, Straf- und (sonstigen) öffentlichen Rechts insbesondere des 19. Jahrhunderts erleichtert.

 

Kiel

Werner Schubert