Grünwald,
Katharina, Das Staatskirchenrecht der DDR im Lichte des Aufeinandertreffens
von katholischer Kirche und Marxismus. BWV Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin
2012. 255 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Religion ist bekanntlich dem Sozialismus Opium für das Volk. Deswegen ist das Zusammentreffen zwischen einer mehr als 1000 Jahre bestehenden Religion und einer praktizierten Form des Sozialismus von besonderem Interesse, weil sich fragt, inwieweit auch die Führer einer weltlichen Ideologie Rücksicht nehmen wollen und können auf die hergebrachten Vorstellungen der von ihnen geführten und gelenkten Menschen, selbst wenn diese sich innerlich bereits erkennbar von diesen verabschiedet haben oder verabschieden. Mit diesem vielfältigen Fragenkreis befasst sich das vorliegende Werk.
Es ist unter Betreuung durch Rosemarie Will an der Universität Berlin während einer als spannend und lehrreich beschriebenen Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl entstanden, im Herbst 2011 fertiggestellt, im anschließenden Wintersemester als Dissertation angenommen und am 18. Juni 2012 verteidigt worden. Es gliedert sich außer in eine Einleitung über Gegenstand und Ziel sowie Säkularisierung und säkularisierten Staat im Allgemeinen und einen zusammenfassenden Schluss in vier Teile. Sie betreffen die katholische Kirche im säkularen Staate, den Marxismus im säkularen Staat, die Entwicklung des Staatskirchenrechts in der DDR sowie die Wende von 1989/1990 und die deutsche Einheit.
In ihrem Kernteil geht die Verfasserin nach Schilderung der Ausgangslage umsichtig auf die Regelungen in den Landesverfassungen, die Verfassung von 1949, die Verfassungswirklichkeit, die Verfassung von 1968/1974 und die anschließende Verfassungswirklichkeit ein. Auf Grund auch ungedruckter Quellen und umfangreicher Literatur kann sie zeigen, dass sich in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Staat und Weltanschauung in der Ablehnung von Religion verbündeten, aber die lange Geschichte nicht gänzlich ungeschehen machen konnten, und dass der Staat die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit praktisch nicht wirklich gewährte. Umgekehrt stellt sie auch überzeugend fest, dass die katholische Kirche in der DDR aus pragmatischen Gründen tatsächliche Beziehungen zu Staat, Partei und Staatssicherheit unterhielt, so dass insgesamt trotz und bei theoretischer Trennung doch ein gewisses menschliches Nebeneinander oder auch Miteinander gelebt wurde und manche Kirchenfunktionäre wohl auch in grauen Zonen mit den Machthabern kooperierten.
Innsbruck Gerhard Köbler