Gott will Taten sehen. Christlicher Widerstand gegen
Hitler. Ein Lesebuch, ausgewählt, eingeleitet und kommentiert v. Käßmann,
Margot/Silomon, Anke. Beck, München 2013. 479 S., 48 Abb. Besprochen von
Gerhard Köbler.
Jesus Christus hat sich während seines kurzen Lebens für die von ihm bejahten Werte und gegen von ihm abgelehnte Unwerte eingesetzt und dabei seine Überzeugung, Gottes Sohn zu sein und Gott mehr zu schulden als den irdischen Einrichtungen der Menschen, mit dem Leben gebüßt. Seine von ihm und seinen Jüngern im Laufe der Geschichte überzeugten Anhänger wurden anfangs zwar ebenfalls von den Mächtigen bekämpft und verfolgt, gewannen aber noch im Altertum eine führende Stellung in wichtigen Teilen der abendländischen Gesellschaft. Von daher erhob sich vielfach die Frage der Beziehungen zwischen Christentum und Staat, in deren Rahmen die Kirche meist zur Wahrung ihres Einflusses zahlreiche Kompromisse einging.
Von besonderer Bedeutung wurde diese Problematik, als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler des Deutschen Reiches ernannt wurde. Seine Ideologie des Nationalsozialismus beließ zwar der Kirche einen gewissen hergebrachten Raum, verletzte aber deren eigentliche Ziele in vielfältiger Hinsicht. Deswegen ist christlicher Widerstand gegen Hitler auch noch in der Gegenwart eine interessante Thematik, der sich die engagierten Herausgeberinnen in der Form eines grundsätzlich neutralen Lesebuchs aus nähern.
Nach einer Einleitung der in Marburg 1958 geborenen, nach dem Studium der Theologie 1999 zur Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers und 2009 zur Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland aufgestiegenen, 2010 nach der polizeilich festgestellten Straftat einer Autofahrt unter erheblichem Alkoholeinfluss zurückgetretenen und 2012 zur Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 bestellten Herausgeberin, werden mehr als 50 Zeugnisse mit Kommentierungen an bekannter Stelle in chronologischer Reihenfolge vereinigt. Dabei folgen Warnungen und Mahnungen (1932-1934), Proteste und Einsprüche (1335-1937), Ohnmacht und Widerstand (1938-1939), Wege in den Untergrund (1940), Mut und Angst (1941), die Macht des Wortes (1942-1943), Tat und Attentat (1943-1944), im Angesicht des Todes (1944-1945) sowie Freiheit und Schuld (1945-1946) aufeinander. Zeugen sind Hermann Sasse, Jochen Klepper, Wilhelm von Pechmann, Edith Stein, Friedrich Schauer, Friedrich Behr, Marga Meusel, Elisabeth Schmitz, Eberhard Bethge, Clemens August von Galen, Konrad von Preysing, Reinhold Schneider, Karl Barth, Helmut Gollwitzer, Paul Robert Schneider, Theodor Roller, Hebe Kohlbrugge, Marion Yorck von Wartenburg, Maria Grollmuß, Lothar Kreyssig, Theophil Wurm, Magda Trocmé, André Trocmé, Gertrud Staewen, Bernhard Lichtenberg, Madeleine Barot, Sophie Scholl, Helene Kafka, Dietrich Bonhoeffer, Katharina Staritz, Hans Scholl, Alexander Schmorell, Kurt Huber, Hans von Dohnanyi, Christine von Dohnanyi, Theodor Steltzer, Barbara von Haeften, Bernd von Haeften, Elisabeth von Thadden, Freya von Moltke, Helmuth James von Moltke, Heinrich Dalla Rosa, Albrecht Haushofer, Harald Poelchau, Alfred Delp, Carl Friedrich Goerdeler und Kurt Gerstein, deren meist heimliches und nur gelegentlich öffentliches Wirken in Worten aber nicht verhindern konnte, dass die meisten Deutschen als Christen zwischen 1933 und 1945 den nationalsozialistischen Zielsetzungen ungeachtet ihres Widerspruchs zum idealen Christentum bereitwillig Folge leisteten.
Innsbruck Gerhard Köbler