Goez, Elke, Papsttum und Kaisertum im Mittelalter (= Geschichte kompakt). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009. VII, 136 S. Besprochen von Gudrun Pischke.

 

Nach der einführender Fragestellung „Papst und Kaiser – ideologisches Begriffspaar oder realer Gegensatz“ – mit der Schlussfolgerung, dass Regnum und Sacerdotium letztendlich miteinander verbunden blieben – folgt Elke Goez in sechs, sechs- bis zehnfach weiter untergliederten Kapiteln über 15 Jahrhunderte chronologisch der Verbindung von weltlicher und geistlicher Macht zueinander. Dabei werden in etwa parallel laufend sowohl Entstehung und Entwicklung des Papsttums und des Kaisertums dargestellt, letzteres mit der Verlagerung in den östlichen Teil des römisches Reiches, als auch – anknüpfend an das römische Kaisertum, jedoch neben dem oströmischen bzw. byzantinischen – Beginn und Fortsetzung des neuen westlichen, des mittelalterlichen, Kaisertums sowie – vor dem aus der am Ende des 5. Jahrhunderts formulierten Zweigewaltenlehre resultierenden Dauerkonflikt, wer wem übergeordnet sei, – den auch von den Persönlichkeiten der Amtsinhaber geprägten Beziehungen von Papst und Kaiser.

 

„Die Frühzeit“ (Kapitel I) behandelt Entstehung und Konsolidierung des Papsttums vom 1. bis ins frühe 8. Jahrhundert: vom legendenhaften Wirken und Sterben das Apostels Petrus als erstem Papst in Rom und von Christenverfolgungen über kaiserliche Toleranzedikte und erste Kirchenlehrer (Ambrosius von Mailand, Augustinus) bis zur Herauslösung der Päpste aus dem byzantinischen Herrschaftsverband. In der „Zeit der Karolinger“ (Kapitel II) wird aufgezeigt, wie sich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts Päpste und Karolinger annäherten und wie mit der Kaiserkrönung Karls des Großen durch den Papst – das ist neu – im Jahr 800 das westliche, 924 erlöschende Kaisertum begründet wurde. Auf die – rückblickend helle – Karolingerzeit folgte zur Zeit der Ottonen „Das dunkle Jahrhundert“ (Kapitel III) mit einerseits der Wiedererrichtung des mittelalterlichen Kaisertums durch Otto den Großen und die Zentrierung unter seinen beiden Nachfolgern auf Rom und andererseits – und deshalb „dunkel“ – der Bedeutungsverlust der Päpste, die eingesetzt und abgesetzt wurden; die Salierzeit steht „Im Zeichen von Kirchenreform und Investiturstreit“ (Kapitel IV), dem Erstarken des Papsttums – auch durch das Papstwahldekret (1059) – als Gegenpol zum Kaisertum. Es folgt „Die beiden Universalgewalten in der Stauferzeit (1138 bis 1254)“ (Kapitel V). Dass die von 1125 bis 1137 dauernde Herrschaft Lothars III., weder Salier noch Staufer, sondern Süpplingenburger, schwer in eine an Herrscherdynastien orientierte Gliederung unterzubringen ist, zeigt sich auch hier: Lothar III., mit dem letztmalig ein deutscher König entscheidend in ein „Papstschisma“ eingegriffen habe (S. 68), wird im Kapitel über die Stauferzeit im Abschnitt über den ersten Staufer, Konrad III., der nicht mehr zum Kaiser gekrönt worden ist, einbezogen. Versuchte später noch Friedrich Barbarossa Einfluss auf Papstwahlen zu nehmen, so sind es Päpste, die – nicht erst jetzt – deutsche Königswahlen, deren „Sieger“ später zu Kaisern zu krönen waren, zu beeinflussen oder Kaiser über Exkomminikationen (Otto IV., Friedrich II.) gefügig zu machen suchten. Im VI. und letzten Kapitel „Das späte Mittelalter“ blieben die Päpste zwar zunächst ohne kaiserlichen Schutz, denn nach Friedrich II. Tod (1250) wurde über mehr als sechs Jahrzehnte kein Kaiser gekrönt, und dies führte, da der Kaiser als Beschützer des Papstes ausfiel, auch dazu, dass für ein dreiviertel Jahrhundert (1303-1378) Avignon und nicht Rom Sitz des Papsttums wurde, und als Konsequenz kam es während dieses Interregnums zu einer Entfremdung beider Institutionen. Dies setzte sich fort. Die seit dem 14. Jahrhundert gekrönten Kaiser griffen anders als die Kaiser von Otto I. bis Friedrich II. kaum noch in päpstlich-italienische Belange auf der Appenin-Halbinsel ein. In der die deutschen Königswahlen festschreibenden Goldenen Bulle (1356) wurde eine wie auch immer zuvor verlaufende päpstliche Approbation nicht aufgenommen. Das große abendländische Schisma (1378-1417) mit Päpsten in Avingnon, Rom und Pisa, zu dessen Überwindung Konzilien in Pisa (1409) und Konstanz (Weihnachten 1414 - April 1418) einberufen wurden, letzteres von König Sigismund (Kaiserkrönung 1433). In ihrer Zusammenfassung kommt Elke Goez zu dem Schluss, dass sich zum Ende des Mittelalters Papsttum und Kaisertum sehr weit aus ihrer gegenseitigen Abhängigkeit befreit haben, ohne sich gänzlich voneinander gelöst zu haben.

 

Jedem der sechs Kapitel vorangestellt ist eine chronologische Auflistung wichtiger Ereignisse – im ersten Kapitel beginnend im 4. Jh. – wie Konzilien, Kaiserkrönungen, einige Königswahlen, wichtige Papstwahlen, Verträge sowie bedeutende Schriften und Ereignisse. In die Texte der einzelnen Kapitel eingestreut sind einerseits Erläuterungen zu Begriffen wie ‚Zweigewaltenlehre‘, ‚Pipinische Schenkung‘, ‚Kaisertitel‘ oder ‚Filioque-Streit‘ und zu Ereignissen wie zum Tag von Gnesen oder zu Personen wie Gerbert von Aurillac, Leo IX. oder Friedrich Barbarossa; dazu – grau unterlegt (wie auch die Überschriften) und in Übersetzung – Quellenauszüge z.B. zur Kaiserkrönung Karls des Großen, zum Hoftag von Besançon 1156, aus Licet iuris (Hervorhebung der Gottunmittelbarkeit des Kaisers, 1338). Darüber hinaus ermöglichen Randstichworte eine gezielte Informationssuche im Text. Über ein zusammengefasstes, überwiegendes Personen- und geographisches Register mit einigen Sachbegriffen ist der Text weiter zu erschließen; in einer Auswahlbibliographie sind weiterführende Quellen und Literatur zusammengestellt. Hinzu kommen chronologische Verzeichnisse der Päpste und Kaiser. Obwohl die Verfasserin ihre Darstellung im ersten Jahrhundert nach Christi beginnt und hier auch das chronologische Verzeichnis der Päpste (S. 122-125) anheben lässt, beschränkt sie das Verzeichnis der Kaiser auf die westlich-mittelalterlichen (S. 121) vom 9. bis 15. Jahrhundert.

 

Bovenden                                                                               Gudrun Pischke