Göttlicher Zorn und menschliches Maß. Religiöse
Abweichung in frühneuzeitlichen Stadtgemeinschaften, hg. v. Kästner,
Alexander/Schwerhoff, Gerd (= Konflikte und Kultur - Historische
Perspektiven 28). UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2013. 218 S. Besprochen
von Gerhard Köbler.
Zur besseren Bewältigung seines schwer ergründbaren Seines hat der Mensch im Laufe seiner Geschichte einen Gott oder auch viele Götter entwickelt. Damit hat er sich einerseits das Leben erleichtert, als er beispielsweise an ein Ende irdischer Trübsal und einen neuen Anfang in einem schwerelosen Jenseits nach dem Tode hoffen kann. Andererseits hat er gleichzeitig neue mentale Bedrohungen geschaffen, die bei religiöser Abweichung auch umgehend und nachhaltig in Verfolgung und Vernichtung umschlagen kann.
Mit einem einzelnen Raum in einer einzelnen Zeit dieses umfassenderen Themenbereichs befasst sich ein am Sonderforschungsbereich 804 Transzendenz und Gemeinsinn angesiedeltes Projekt, das unter dem Titel Gottlosigkeit und Eigensinn - Religiöse Devianz in der frühen Neuzeit den Umgang mit religiös abweichenden Verhalten in Städten der frühen Neuzeit untersucht. Der vorliegende Band stellt der Allgemeinheit seine bisher ermittelten Teilergebnisse an Hand ausgewählter Querschnitte und Fallstudien vor. Insgesamt vereint er dabei nach einer in systematischer Absicht geschaffenen Einleitung der beiden in Dresden wirkenden Herausgeber zwei Querschnitte und vier Fallstudien.
Für die Querschnitte verfolgt Claudius Sebastian Frenzel den Zorn Gottes in den Polizeigesetzen Ulms an Hand von Gotteslästerung, Zutrinken und Unzucht zwischen 1492 und 1630, während Annette Scherer Nürnberger Strafrechtsguten des frühen 17. Jahrhunderts untersucht. Die Fallstudien betreffen das Schneeberger Kondominat und den Fall Georg Amandus von 1524/1525, Antwerpen zwischen 1562 und 1565, Antoine Lescaille im Basel des 16. Jahrhunderts und Leipzig 1640. Gemeinsam können die Beiträge an Hand von rund 150 im Personenregister erfassten Menschen von damals wie heute die Vielfalt der Abweichungen der Wirklichkeit von dem Idealbild homogener Sakralgemeinschaften und damit eine weitere Facette der Menschlichkeit des Menschen auch in seiner Suche nach Gott oder Göttern eindrucksvoll vor Augen führen.
Innsbruck Gerhard Köbler