Ganster, Susanne, Religionsverschiedenheit als Ehehindernis. Eine rechtshistorische und kirchenrechtliche Untersuchung. Schöningh, Paderborn 2013. 351 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Wie Susanne Ganster in der Einleitung des vorliegenden Werkes feststellt, fehlt bislang eine neuere „umfassende kirchenrechtliche und kirchengeschichtliche monographische Untersuchung zur Frage der Entstehung, Entwicklung und heutigen Ausgestaltung des Ehehindernisses disparitas cultus“ (S. 25). Dieser Aufgabe unterzieht sich Ganster in ihrer Würzburger theologischen Dissertation, wenn auch mit einer deutlichen Schwerpunktsetzung für die Zeit ab Erlass des Codex Iuris Canonici (CIC) von 1917, die mehr zwei Drittel des Werkes umfasst. Nicht behandelt werden die Rechtsvorschriften für Ehen mit Angehörigen der lateinischen Ostkirchen und die aktuelle Diskussion „um die besondere Situation, die sich beim Eingehen der Ehe zwischen einem Katholiken und einem Moslem auch aufgrund des muslimischen Rechts ergibt“ (S. 24). Ganster geht auch nicht näher ein auf die Eheverbote im Codex Theodosianus und Codex Iustinianus, in den evangelischen Kirchenordnungen sowie im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im preußischen Allgemeinen Landrecht, dessen Eheverbot zwischen Juden und Christen erst durch das preußische Personenstandsgesetz von 1874 ausdrücklich aufgehoben wurde. Über all diese Fragen unterrichtet umfassend das Werk Markus Langs, Das Eheverbot wegen Glaubensverschiedenheit. Die Entwicklung von den jüdisch-alttestamentlichen Rechtsgrundlagen bis in das Zweite Deutsche Kaiserreich, Münster 2004.

 

Im ersten Kapitel des Werkes Gansters geht es um die Glaubensverschiedenheit als Ehehindernis in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung bis zum Mittelalter (S. 27-90). Nach Behandlung der glaubensverschiedenen Ehe in den biblischen Zeugnissen (Altes und Neues Testament) befasst sich Ganster ausführlich mit dem Verbot und der Sanktionierung der glaubensverschiedenen Ehen in den ersten christlichen Jahrhunderten. In seinem Dekret (um 1140; S. 74ff., 327) unternahm Gratian den Versuch, die weitgehend partikularrechtlichen Bestimmungen zur Frage der Eheschließung zwischen Gläubigen und Ungläubigen zu harmonisieren (S. 75ff.). Hinsichtlich der umstrittenen Frage, wie Gratian glaubensverschiedene Ehen bewertet, stellt Ganster fest, dass dieser wohl von der Ungültigkeit solcher Ehen ausgegangen sei, eine Lehre, die sich bei den nachgratianischen Kanonisten voll durchsetzte (S. 85ff.).

 

Das zweite Kapitel behandelt die religionsverschiedene Ehe nach den Normen des Konzils von Trient und dem Codex Iuris Canonici von 1917 (S. 91-170). Seit der Reformation musste sich die Kanonistik auch mit konfessionsverschiedenen Ehen auseinandersetzen, die grundsätzlich als wirksam angesehen wurden. Die Einführung einer verbindlichen Eheschließungsform durch das Konzil von Trient (Dekret Tametsi; im Gebiet des Deutschen Reichs erst ab 1906 allgemeinverbindliches Kirchengesetz; Constitutio Provida [S. 97ff.]) diente vor allem der Reglementierung und Kontrolle von Eheschließungen eines Katholiken mit einem getauften konfessionell verschiedenen Christen. Nach einem erfolgten Dispens war die Trientinische Eheschließungsform verpflichtend (S. 99). Erst der CIC von 1917 enthält als „erstes universalkirchliches Gesetzbuch“ Bestimmungen zur religionsverschiedenen Ehe (can. 1070), für die weiterhin ein trennendes Ehehindernis mit Dispensationsmöglichkeit bestand. Konfessionsverschiedene Ehen (sog. Mischehen) wurden weitgehend wie religionsverschiedene Ehen behandelt (vgl. can. 1060 CIC), aus heutiger Sicht ein „Affront gegenüber einen nichtkatholischen Christen“ (S. 148). Nach einem längeren Abschnitt über die Praxis der Anwendung der Bestimmungen des CIC (S. 151ff.) befasst sich Ganster im dritten Kapitel mit den eherechtlichen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils und deren Umsetzung durch den kirchlichen Gesetzgeber (S. 171-262). Es folgt ein weiteres Kapitel über das Ehehindernis der disparitas cultus im CIC von 1983 (S. 263-332). Kritisch ist nach Ganster die „mangelnde Differenzierung der Bestimmungen für konfessionsverschiedene Paare einerseits und religionsverschiedene Paare andererseits“ (S. 336) zu beurteilen.

 

Der reichhaltige Inhalt des Werkes wird weder durch ein Quellenregister noch durch ein Sachregister erschlossen. Das Verdienst des Werkes ist darin zu sehen, dass es Ganster gelungen ist, die Quellen zum Ehehindernis der Religionsverschiedenheit bis in die nachgratianische Kanonistik neu zu gewichten. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn Ganster etwas breiter auf die Zeit zwischen dem Trienter Konzil und dem Erlass des CIC von 1917 auch unter Berücksichtigung der deutschen Partikulargesetzgebung eingegangen wäre. Für die Zeit ab dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat Ganster die umfangreichen Quellen zur Neuregelung religionsverschiedener Ehen berücksichtigt. Insgesamt vermittelt das Werk einen umfassenden Überblick über das kanonistische, trennende Ehehindernis der Religionsverschiedenheit bis zur Gegenwart. Für die nicht auf das Kirchenrecht spezialisierten Rechtshistoriker ist vor allem von Interesse das erste Kapitel, das sich mit dem Eherecht der vortrientinischen und vorreformatorischen Zeit befasst.

 

Kiel

Werner Schubert