Franck, Lorenz, Juristen und Sachverständige. Der Diskurs um die rechtliche Ausgestaltung des Verfahrens mit Sachverständigen während der Zeit des Deutschen Reiches. Nomos, Baden-Baden 2013. 312 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Da das Sachverständigenwesen rechtshistorisch bislang kaum aufbereitet wurde, ist es zu begrüßen, dass Franck sich im Rahmen seiner Kölner Dissertation dieser Thematik angenommen hat. Im Einzelnen ging es darum, „anhand konkreter Streitfragen darzustellen, welchen Einflüssen das Sachverständigenverfahren seitens beider Lager“ (der Richter und der Sachverständigen) ausgesetzt war. Hierbei wurden berücksichtigt die „spezifisch-dogmatischen Regelungen und Meinungsstände innerhalb des Prozessrechts“ und, anhand zeitgenössischer Bewertungen, das „Stimmungsbild hinsichtlich des Zusammenwirkens von Juristen und Nichtjuristen“ (S. 22). In diesem Zusammenhang werden „stets wiederkehrende Problemkreise umrissen, die den Diskurs mitbestimmten“. In einem ersten Teil untersucht Franck Streitstände und Gesetzgebungsverfahren bis 1877. Als Problemkreise im Verhältnis von Juristen und Sachverständigen werden herausgearbeitet das Abhängigkeits-, Kommunikations-, Konkurrenz-, das Gewissheits- und das Arroganzproblem (S. 66ff.). Bereits am Anfang der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts waren in der Literatur der beiden Gruppen die wichtigsten Gesichtspunkte der Expertenbeteiligung an dem Prozessverfahren beschrieben worden. Es folgt ein Abschnitt über das Gesetzgebungsverfahren zu den Reichsjustizgesetzen von 1877 sowohl für die Civilprozessordnung als auch für die Strafprozessordnung. Die Gesetzgebungsgeschichte wird anhand folgender Kriterien behandelt: Systematik, Beteiligung am Verfahren, Gutachterpflicht, Ablehnung bestimmter Sachverständiger, Bindungswirkung und richterliche Instruktion sowie Sondernormen für einzelne Expertengruppen. Insgesamt ist für die Zeit bis 1877 die „konsequente Nichtwahrnehmung interdisziplinärer Gesprächsangebote“ (S. 133) durch die Juristen kennzeichnend, so dass man insgesamt von „monodisziplinären Diskursen“ sprechen kann. In der Justizkommission des Reichstags waren die Sachverständigen nur durch einen Arzt vertreten, der lediglich in drei Fällen die Prozessordnungen beeinflusste (vgl. S. 101ff., 112ff., 124).

 

Im Abschnitt über „Unmittelbare Folgezeit der Reichsjustizgesetzgebung“ (1877-1933) geht Franck ein auf die Reaktion der Juristen und der Sachverständigen auf das neue Prozessrecht, auf die Debatten über die „Weltfremdheit“ des Richterstandes insbesondere auf dem 30. Deutschen Juristentag von 1910 sowie auf die Sachverständigentätigkeit zwischen 1914 und 1933 (S. 137ff.). In dieser Zeit näherten sich Juristen und Sachverständige in Publikationsmedien und Tagungen „vorsichtig einander“ an (S. 219). In der NS-Zeit erfolgte eine Umbildung des Sachverständigenbegriffs zum Rechtswahrerbegriff (S. 202). Die Sachverständigen wurden in der Reichsfachschaft für das Sachverständigenwesen, über die man gerne noch mehr erfahren hätte, zusammengefasst. Neue Tätigkeitsfelder entstanden für die Sachverständigen als Richter bei den Erbgesundheitsgerichten und als technische Ratgeber im Berufungsverfahren in Patentsachen vor dem Reichsgericht (S. 206ff.). Das Werk wird abgeschlossen mit einem „kurzen Rückblick“ auf das Sachverständigenwesen im Deutschen Reich (S. 217-220), der etwas aussagekräftiger hätte sein sollen, und mit einem kurzen Ausblick auf die Nachkriegsdebatten (S. 220-222). Im Anhang gibt Franck die Gesetzgebungsmaterialien zum Sachverständigenrecht der CPO und der StPO von 1877 wieder (S. 223ff.). Nicht detailliert herangezogen wurden die Materialien zur Reform der Strafprozessordnung in der späten Kaiserzeit (1902-1910), in der Weimarer und in der NS-Zeit (zu letzterem vgl. den Entwurf einer Strafverfahrensordnung von 1939, §§ 189ff.). Insgesamt liegt mit dem diskursgeschichtlichen Werk von Franck ein guter Ausgangspunkt für weitere rechtshistorische Untersuchungen zum Sachverständigenrecht vor, die insbesondere auch die Judikatur des Reichsgerichts zu diesem Rechtsgebiet (vgl. hierzu die Nachschlagewerke des Reichsgerichts zur ZPO und zur StPO) berücksichtigen sollten.

 

Kiel

Werner Schubert