Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte zwischen 1928
und 1950, hg. v. Liechtensteinischen Landesarchiv, bearb. v. Frey,
Stefan/Ospelt, Lukas. Chronos, Zürich 2011. 704 S. Besprochen von Gerhard
Köbler.
Im Universum ist Größe meist, wenn auch nicht immer, von
Vorteil. Insofern hat es das zwischen der Schweiz und Österreich gelegene
Fürstentum Liechtenstein, das sich seit 1699/1712 aus den (gekauften)
Herrschaften Vaduz und Schellenberg innerhalb des Heiligen römischen Reiches
entwickelte, 1806 mit dem Untergang des Reiches Souveränität gewann und von
1815 bis 1866 dem Deutschen Bund angehörte, mit seinen 160 Quadratkilometern
und (1938 rund 10000 sowie heute) rund 30000 Einwohnern zumindest nicht leicht.
Es muss seine natürlichen Nachteile durch künstliche Vorteile ausgleichen, was
nicht unter allen politischen Bedingungen gleich gut gelingen kann.
Mit einem diesbezüglichen wichtigen Abschnitt der
Landesgeschichte befasste sich seit 2001 eine unabhängige Kommission, welche
die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über die Landesgeschichte zwischen 1933 und
1945 nach zehnjähriger Arbeit der Öffentlichkeit vorlegen konnte. Sie hielt
einen zusätzlichen Dokumentenband für erforderlich. Er steht nunmehr im
vorliegenden Werk jedermann zur Verfügung.
Die Texte zeigen zum einen, dass Liechtenstein zwischen
Hinwendung zu Adolf Hitlers Nationalsozialismus und Abwehr dieser Gefahr einen
eigenen, sogar einen Putschversuch im Jahre 1939 überstehenden Weg finden
musste und konnte. Sie legen zum anderen auch dar, dass und wie Liechtenstein
durch seine Steuerpolitik zu Lasten seiner Nachbarn erhebliche Einnahmen
erzielte, die ihrerseits ab 1938 für einige Jahre gefährdet wurden. Wenngleich die
Dokumente und ihre Deutung nicht alle Bereiche mit wünschenswerter Offenheit
erfassen, bieten sie insgesamt doch eine gute Grundlage für die Einschätzung
Liechtensteins in einer schwierigen, in ihren Folgen erst allmählich vielleicht
ausklingenden Zeit, nach der sich das kleine Liechtenstein insgesamt wie die
Schweiz den von den großen Nachbarn verlangten, egalitären Regeln unterwerfen
und deshalb zusehen muss, wie es neue Vorteile für sich und seinen weiteren
Bestand inmitten der großen Europäischen Union gewinnen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler