Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern. Band 3 Die geschäftsführende Regierung Müller 1948-1949, bearb. v. Raberg, Frank und mit einer Einleitung von Klaus Jürgen Matz (= Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern 1945-1952, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Teil III). Kohlhammer, Stuttgart 2013. 445 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Im Anschluss an Band 2 der Protokolle (vgl. W. Schubert, ZRG, Germ. Abt. 127, S. 781ff.) umfasst der vorliegende Band 3 mit 41 Kabinettsprotokollen die Zeit der geschäftsführenden Regierung von Württemberg-Hohenzollern vom 26. 8. 1948-23. 6. 1949. Nach dem Tod des Staatspräsidenten Bock war das Kabinett am 6. 8. 1948 „wegen des fortdauernden Konflikts mit der Besatzungsmacht in der Frage der Demontage“ geschlossen zurückgetreten. Nach der Wahl des CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Gebhard Müller (1953 – Ende 1958 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg; 1959-1971 Präsident des Bundesverfassungsgerichts) zum Staatspräsidenten leitete er die bisherige Regierung geschäftsführend. Das Verhältnis zur französischen Besatzungsmacht entspannte sich erst im Frühjahr 1949, als die Liste der zu demontierenden Betriebe etwa um die Hälfte verringert worden war (S. XII). Die von der Besatzungsmacht geforderte Abschaffung des humanistischen Gymnasiums konnte die Regierung für vier Gymnasien abwenden (S. XIII). „Ganz offenbar nicht wohlgelitten“ war die nach dem Vorbild der ENA 1947 gegründete Verwaltungsakademie in Speyer, die zur „Brechung des Juristenmonopols“ beitragen sollte (S. XIII). Das Kabinett beschloss am 2. 5. 1949, dass höherer Verwaltungsbeamter auch sollte werden können, „wer die 2. Justizdienstprüfung bestanden hat, sofern er einen sechsmonatigen Lehrgang an der Verwaltungsakademie absolviert hat“; die Assessoren sollten von einer „Abgangsprüfung“ befreit sein (S. 336). Am 12. 12. 1948 sprach sich eine deutliche Mehrheit in einer Volksbefragung für die (katholische) Bekenntnisschule aus (1949 bestanden in Württemberg-Hohenzollern 649 katholische, 319 evangelische Volksschulen sowie 86 christliche Gemeinschaftsschulen; S. XIII). Am 15. 10. 1948 wurde im Kabinett das Gnadengesuch des zum Tode wegen Mordes und schweren Raubs verurteilten R. Schuh behandelt. Es wurde von Reinhold Meyer abgelehnt. Die Hinrichtung Schuhs am 18. 2. 1949 war die letzte Vollstreckung eines Todesurteils in Westdeutschland (S. IX, 70). Ausführlich befasst sich Matz in der Einleitung mit der Begründung der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht Württemberg-Hohenzollerns (S. XIVff.). Im Parlamentarischen Rat hatte Justizminister Carlo Schmid erheblichen Einfluss auf das Grundgesetz (u. a. Urheber des konstitutiven Misstrauensvotums). Dem Grundgesetz verweigerten im Landtag zwei Drittel der CDU-Abgeordneten ihre Zustimmung (S. XXf.). Auch die Anfänge der zunächst gescheiterten Verhandlungen über die Bildung eines Südweststaats sind in der Einleitung und in den Protokollen breit dokumentiert (vgl. S. XXIff.).

 

Das Kabinett beschäftigte sich auch im dokumentierten Zeitraum mit mehreren Gesetzesprojekten, die für den Rechtshistoriker von Interesse sind. Zum Dienststrafrecht lag im Januar 1949 ein Entwurf vor (S. 222). Wiederholt befasste sich das Kabinett mit dem Betriebsrätegesetz (S. 30, 56), der Bodenreform (S. 109, 285), den Kommunalgesetzen (S. 43f.), dem Jagdgesetz (S. 326, 387), dem Lastenausgleich (S. 158, 161ff., 181ff.) und mit der Beamtengesetzgebung (S. 288f.). Nicht im Parlament eingebracht wurde der Entwurf zu einem Gesetz über „Schwangerschaftsunterbrechungen aus gesundheitlichen Gründen“, welcher „der herrschenden reichsgerichtlichen Rechtsprechung gegenüber zu einer schärferen Fixierung der zugelassenen Tatbestände und damit zu ihrer Einschränkung“ beitragen sollte (S. 271 f.). Nicht ersichtlich ist aus den Kabinettsprotokollen, welchen Inhalt das Gesetz zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt hatte (S. 192, 267); dies gilt auch für das Ausführungsgesetz zum Kontrollratsgesetz Nr. 45 (Erbhofgesetzgebung). Im dokumentierten Zeitraum trat auch ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in der Strafrechtspflege in Kraft (S. 66). Das Werk wird abgeschlossen mit drei Registern, die kaum Wünsche offen lassen. Es wäre hilfreich gewesen, wenn Raberg in den Anmerkungen auf wichtigere Gesetzesvorhaben etwas ausführlicher eingegangen wäre. Insgesamt spricht der Band viele Themen an, die für die Rechts- und Verfassungsgeschichte der Nachkriegszeit Südwestdeutschlands von Wichtigkeit sind. Nunmehr steht noch der abschließende Band der Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern aus, für den überlegt werden sollte, ob er im Interesse einer umfassenden Erschließung der Protokollinhalte ein gestrafftes Gesamtregister für die Bd. 1-4 erhalten soll.

 

Kiel

Werner Schubert