Die Kabinettsprotokolle der Hannoverschen und der Niedersächsischen Landesregierung 1946-1951, hg. vom Niedersächsischen Landesarchiv und vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, eingeleitet und bearb. v. Nentwig, Teresa, 2 Bände (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Band 269). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2012. CII, 902, XXI, 903-1887 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Mit den Kabinettsprotokollen der Hannoverschen und Niedersächsischen Landesregierung bis 1951 liegt nunmehr für ein weiteres Bundesland – erschienen sind bereits Teile der Kabinettsprotokolle für Bayern, Baden, Württemberg-Hohenzollern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin – ein Quellenwerk vor, das auch für den an der Rechtsgeschichte des Landes Niedersachsen interessierten Rechtshistoriker von Wichtigkeit ist. Niedersachsen umfasst die Gebiete der ehemaligen preußischen Provinz Hannover sowie der ehemaligen Länder der Weimarer Republik Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe. Ministerpräsident des Landes war zwischen 1946 und 1951 Hinrich Wilhelm Kopf (SPD), der zunächst einer Allparteienregierung und anschließend einer Koalition (SPD/Zentrum) bis zu den Parlamentswahlen vom 6. 5. 1951 vorstand. Im Einzelnen behandelt Nentwig in der Einleitung in umfangreichen Abschnitten das Kabinett (S. XXXIIIff.), die Rahmenbedingungen des politischen Handelns (S. LIVff.; u. a. Aufgaben des Ministerpräsidenten und des Kabinetts, das Verhältnis zur britischen Militärregierung und die Mitwirkung im Bundesrat). Als Felder politischen Handelns werden – eher zu knapp – beschrieben (S. LXVIIIff.): Wiederaufbau und Neuaufbau, Flüchtlingsfragen, Demontage, niederländische Gebietsansprüche, Bodenreform, Personalpolitik, Entnazifizierung, Verfassungsberatungen, Gründung der Bundesrepublik Deutschland und Landesintegration. Es fehlt ein Abschnitt über den Wiederaufbau der Justiz, dessen personelle Seite sich aus den Kabinettsprotokollen ergibt, da für die Ernennung der Richter und Staatsanwälte zunächst nicht der Ministerpräsident oder der Justizminister, sondern das Kabinett zuständig war (LVIII). Die Edition verzichtet auf einen umfassenden Abdruck des jeweiligen Tagesordnungspunkts: „Personalangelegenheiten“ und beschränkt sich auf eine Dokumentation der Ernennungen der Spitzenbeamten (u. a. Gerichtspräsidenten, Generalstaatsanwaltschaften, Vizepräsidenten, Senatspräsidenten). Die leitenden Beamten sind im ausführlichen Teil „Biogramme“ berücksichtigt (S. 1424-1821), der für die Justizgeschichte Niedersachsens eine wahre Fundgrube darstellt. Beispielsweise bringt die Edition Kurzbiographien der Justizminister Werner Hofmeister (S. 1574f.) und Otto Krapp (S. 1618) sowie des Ministerialbeamten Erich Hornig (S. 1577), der maßgebend an der Ausarbeitung der Reichsnotarordnung von 1937 als Sachbearbeiter des Reichsjustizministeriums beteiligt war und der als Ministerialrat (ab 1952 Ministerialdirigent) an der Stellungnahme Niedersachsens zur Bundesnotarordnung von 1961 (hierzu Hans Christian Schüler, Entstehungsgeschichte der Bundesnotarordnung vom 24. 2. 1961, 2000, S. 100ff.) wohl mitgewirkt hat. Nentwig erwähnt Hornig auch in ihrer Einleitung im Rahmen des Abschnitts „Personalpolitik“ (S. LXXX), in dem sie darauf hinweist, „dass viele Stellen an politisch belastete Kandidaten“ vergeben worden seien (S. LXXX f.).

 

Entsprechend den Editionsgrundsätzen (S. XCff.) werden die Kabinettsprotokolle bis auf den personellen Teil vollständig wiedergegeben, wobei der eigentliche Quellentext im Kursivdruck abgedruckt wird, was die Lesbarkeit der Edition etwas beeinträchtigen dürfte. Der Anhang enthält außer einem Quellenverzeichnis ein nach Sachgruppen gegliedertes Literaturverzeichnis. Ein umfangreiches Personenregister schließt den Teilband 2 ab. Aus welchen Gründen die Edition kein Sachregister enthält, wird in der Einleitung nicht näher erläutert (vgl. S. XCVII). Die Erstellung eines vollständigen Sachregisters wäre wohl auch im Hinblick auf die Vielzahl der Beratungsgegenstände (u. a. der Beratungsgegenstände des Bundesrates) wenig sinnvoll gewesen. Ein Register, das die wichtigsten Gegenstände und insbesondere die Gesetzesvorlagen erschließt (vgl. die Edition der Protokolle des Bayerischen Ministerrats von 1945 an, 1995ff.), wäre dagegen sehr hilfreich gewesen, zumal die Überschriften zu den einzelnen Protokollen nicht auf die hauptsächlich behandelten Beratungspunkte hinweisen. Zusammen mit den archivalischen Sachakten und den Parlamentsverhandlungen ist es nunmehr möglich, der Entstehung wichtiger Gesetze Niedersachsens (etwa der Verfassung, der Flüchtlingsgesetzgebung sowie des Polizeirechts, Kommunalrechts und Bodenreformrechts) und Problemen der Nachkriegszeit (Soforthilfe, Entnazifizierung, Demontage) nachzugehen. Insgesamt erschließt die Edition wichtige Bereiche der Rechtsgeschichte des Landes Niedersachsen, die bisher in einer Gesamtdarstellung noch nicht vorliegt.

 

Kiel

Werner Schubert