Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung Band 22 1969, hg. v. Bundesarchiv, bearb. v. Naasner, Walter/Seemann, Christoph unter Mitwirkung von Fabian, Christine/Rössel, Ute. Oldenbourg, München 2012. 645 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Jahre 1969 erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland ein wesentlicher politischer Wechsel von den konservativ-christlichen Vorstellungen zu sozial-liberalen Zielen. Vorausgegangen war ihm eine große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD als Folge gesellschaftlicher Wandlungen. Angekündigt hatte sich der Wechsel bereits am 5. März 1969, als der Sozialdemokrat Gustav Heinemann gegen die Stimmen der Unionsparteien von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt worden war.

 

Nach der anschließenden Parlamentswahl erwies sich, wenn auch ziemlich knapp, die Bildung einer neuen sozial-liberalen Regierung als möglich. Am 22. Oktober 1969 stand sie nach kurzen Koalitionsverhandlungen fest. Dementsprechend sind die Kabinettsprotokolle des Jahres 1969, die in diesem Band nach beschleunigter Bearbeitung der Öffentlichkeit vorgelegt werden konnten, auch durch diese Veränderung deutlich geprägt.

 

Während am Beginn erfolgreiche Reformvorhaben zum Notstandsrecht, Haushaltsrecht und Finanzverfassungsrecht stehen, treten im Laufe des Jahres die Gegensätze innerhalb der Partner der großen Koalition immer klarer hervor. Innenpolitisch waren die Studentenbewegung und die Verfolgungsverjährung bei nationalsozialistischen Straftaten, außenpolitisch die Nichtverbreitung von Kernwaffen, die Erweiterung der europäischen Gemeinschaften und die Stellung West-Berlins sowie die zunehmende Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik in der dritten Welt besonders bedeutsam. Aus insgesamt 8 im Bundesarchiv aufbewahrten Sammelbänden der 152.-180. und der 1.-10. .Kabinettssitzung bietet die wertvolle Edition in aller Regel den Text der Protokolllausfertigungen, ergänzt ihn durch die Geschäftsordnung der Bundesregierung, die Teilnehmer der Kabinettssitzungen, durch ein Verzeichnis sonstiger namentlich erwähnter Personen und schließt ihn durch verschiedene Indizes auf, so dass mit dem nötigen zeitlichen Abstand ein weiteres interessantes Teilstück eines Grundlagenwerk zur Geschichte der Bundesrepublik verfügbar ist.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler