Deutsches Ortsnamenbuch, hg. v. Niemeyer, Manfred. De Gruyter, Berlin 2012. VII, 756 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Ortsnamen zählen zu den ältesten belegten Wörtern des Deutschen, die teilweise noch weit in die Vorstufe des Germanischen zurückreichen. Ihre Zahl lässt sich auf mehr als 300000 schätzen, auch wenn die Namen von kleineren Örtlichkeiten wie etwa Fluren nicht berücksichtigt werden. Ernst Wilhelm Förstemann (Danzig 1822-Charlottenburg 1906), der 1856 mit seinem Altdeutschen Namenbuch die deutsche Namenforschung und mit seinen deutschen Ortsnamen (1863) die systematische deutsche Ortsnamenkunde begründete, ermittelte in der von Hermann Jellinghaus in den Jahren 1913 bis 1916 herausgegebenen dritten Auflage seines Ortsnamensbuchs für die Zeit vor 1200 wohl knapp 40000 belegte, freilich vielfach wüste, auch oft unbestimmte sowie selbst in der Gegenwart nicht immer sicher erklärbare Ortsnamen.

 

Seitdem ist die Einzelforschung an zahllosen Stellen über den damaligen Stand der Forschung weit hinausgekommen. Der auf dieser Grundlage unternommene Versuch einer umfassenden Dokumentation der deutschen Ortsnamen auf gegenwärtigem Wissensstand ist allerdings aus verschiedenen Gründen gescheitert. Von daher ist ein einheitliches deutsches Ortsnamenbuch in jedem Fall ein interessantes und wichtiges Hilfsmittel der Forschung, das mit dem Interesse von Laien ebenflls rechnen kann.

 

Sein in Greifswald tätiger Herausgeber vermisste nach seinem kurzen Vorwort seit langem ein historisch-etymologisches deutsches Ortsnamenbuch, in dem der gesamte heutige und ehemalige deutsche Sprachraum behandelt wird. Zwar konnten aus zeitlichen Gründen selbst von einer internationalen Gruppe ausgewiesener Namenforscher während mehrerer Jahre nicht alle Ortsnamen dieses Gebietes berücksichtigt werden, doch will das von dem Herausgeber geführte Werk einen repräsentativen Überblick über die Vielfältigkeit der Ortsnamen, ihres Entstehens und Entwickelns bis in die  Gegenwart auf aktuellen Forschungsstand bieten, wobei die statistischen Zentralämter von Belgien, der Schweiz, Österreich, Tschechien, Polen, Frankreich, Luxemburg, Italien, Litauen, Deutschland und Russland hilfreiche Unterstützung durch die Erlaubnis der Verwendung benötigter Daten gewährten.

 

Von Manfred Niemeyer, dem 2007 unter dem Titel Nomen est omen vom Institut für Slawistik in Greifswald eine Festschrift zum 60. Geburtstag überreicht wurde, ist aus dem Jahre 1980 eine nicht für den Austausch bestimmte Greifswalder Dissertation über das Thema Zur Formung des Sowjetunion-Bildes durch das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands „Die Rote Fahne“ und durch das Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands „Vorwärts“ - dargestellt am Beispiel der sowjetischen Verfassungsgesetzgebung von 1918 bis 1937 nachweisbar. Dem folgte 1987 eine Dissertation B über theoretische Aspekte der Sprachkultur und ihre Anwendung auf die phonologische und morphologische Variabilität in der russischen Sprache der Gegenwart. !992 redigierte Manfred Niemeyer für den Rektor der Universität Greifswald bzw. das Institut für Slawistik Beiträge zur Baltistik und Slawistik.

 

Seitdem hat er etwa in Greifswalder Beiträgen zur Ortsnamenkunde 2001 Usedom und Rügen behandelt. 2003 hat er für den Kreis Uecker-Randow eine Quellen- und Literatursammlung zu den Ortsnamen vorgelegt, 2007 für den Kreis Nordvorpommern. Er ist dementsprechend insbesondere für die Grenze zwischen Deutschen und Slawen als vorzüglicher Kenner der Ortsnamen ausgewiesen.

 

Im vorliegenden Werk bietet er zunächst eine allgemeine, gut verständliche Einführung über allgemeine Fragen, die Bildung von Ortsnamen, die unterschiedlichen Namenschichten, die Erforschung von Ortsnamen und die Darstellung der Forschungsergebnisse. Danach schildert er die Einrichtung des Ortnamenbuchs einschließlich des Aufbaus der Artikel und der Schreibung und Lautung. Dem schließt sich das mehr als 3000 Einzelartikel aus der Feder von mehr als 80 Bearbeitern enthaltende Wörterbuch an.

 

Jeder Artikel beginnt mit dem amtlichen Ortnamen. Dem folgen in fünf Gliederungspunkten Angaben zur Einordnung in das Umfeld, chronologisch angeordnete Schreibformen, Deutung, ähnliche Ortsnamen und Quellen- und Literaturhinweise. Zur Darstellung lautlicher Verhältnisse werden in der Regel die Zeichen der International Phonetic Association genutzt.

 

Das Wörterbuch beginnt mit Aachen und endet mit Zwönitz. Erfasst sind nur Orte einer bestimmten Mindestgröße. Für sie schließt das einbändig-handliche, belastbar ausgestattete Werk durch die Verbindung philologischen Wissens mit historischen Entwicklungsdaten als ein neues deutsches Ortsnamenbuch eine auch durch das ältere deutsche Städtebuch und das Handbuch der historischen Stätten  noch nicht beseitigte Lücke..

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler