Das Nieder-Ingelheimer Haderbuch 1468-1485, hg. v. Marzi, Werner im Auftrag der Stadt Ingelheim, bearb. v. Grathoff, Stefan (Transkription)/Schäfer, Regina (Übertragung) (= Die Ingelheimer Haderbücher. Spätmittelalterliche Gerichtsprotokolle Band 2). Rheinhessische Druckwerkstätte Alzey, Ingelheim am Rhein 2012. 87 S., fol. 3-285v. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem früheren Reichsvogteigericht hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten Oberhofs, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile der Schöffen zwischen 1398 und 1464 überliefern. Durch ihre Edition seitens Adalbert Erlers sind diese Urteile allgemein zugänglich geworden und haben in gewisser Weise beispielhafte Anschaulichkeit für die mittelalterliche ländliche Rechtspflege erlangt. Neben ihnen haben freilich seit langem zusätzliche Haderbücher aus Ingelheim gestanden, die mangels wissenschaftlicher Ausgabe bis vor kurzem eines der letzten Geheimnisse der germanistischen Mediävistik bildeten.

 

Seit 2010 wird durch den Einsatz der Editoren und ihrer Unterstützer, darunter beispielhaft die moderne Stadt Ingelheim, nunmehr auch dieses an das Licht der Öffentlichkeit gebracht. Einem vorbereitenden Einführungsband folgte 2011 der erste der (vorerst) auf fünf Bände berechneten nahezu monumentalen Edition. Nach einem weiteren Sammelband über Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht steht seit Kurzem auch der zweite Band in Transkription und moderner Übertragung zur Verfügung.

 

Vorangestellt sind ein kurzes Geleitwort des Oberbürgermeisters, eine klare und knappe Einführung des Herausgebers, zwecks Veranschaulichung Abbildungen vierer Seiten der handschriftlichen Vorlage sowie ein Verzeichnis der Namen, Orte und Sachen  von Abend bis Zwilling. Am 27. Januar 1468 hat dann (nach Ausweis von Blatt 3) Mathis Beinling das buch (Gerichtsbuch) öffnen lassen (in der Sache) gegen den kahlen Henne. Am Mittwoch dem 19. Januar (nach dem 22. Dezember 1484) erhebt am Ende auf fol. 285v Hengin Jeger für den Komtur seine dritte (Klage) auf oder gegen Anthis Drapp.

 

Allen Beteiligten ist für ihre mit der Ausgabe verbundene Mühe sehr zu danken. Naturgemäß wird die Transkription wegen der Eigenheiten der Vorlagen vereinzelte Schwächen haben und wird man bei der Übertragung in die heutige Sprache immer wieder auch anderer Meinung sein können. Insgesamt wird man es aber als einen erheblichen wissenschaftlichen Fortschritt ansehen können, dass auf diese Art in mehr als gewichtiger Weise jedem Interessierten zur weiteren Nutzung ein Einblick in die niedere Gerichtsbarkeit des bekannten Ingelheimer Reiches gewährt wird, der freilich auch digital erleichtert werden könnte.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler