Breitenbuch, Henriette von, Karl Neumeyer - Leben und Werk (1869-1941). Lang, Frankfurt am Main 2013. 278 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die mit einem Bildnis Karl Neumeyers aus dem Privateigentum Peter F. Neumeyers veranschaulichte, eine bedauerliche wissenschaftliche Lücke sorgfältig und einfühlsam schließende Arbeit ist die von Hermann Nehlsen angeregte und auf Grund eines Herzenswunsches mit besonderem Einsatz betreute Dissertation der in München 1981 geborenen, vor und nach der Promotion als Rechtsanwältin tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich in die drei Teile Karl Neumeyers Leben, Karl Neumeyers Werk, Zusammenfassung und einen aus Quellenverzeichnis mit ungedrucktem Material, einem rund 30 Titel umfassenden Werkverzeichnis sowie Entscheidungen in die wenig umfangreiche sonstige gedruckte Quellen und Literatur einbeziehenden Literaturverzeichnis sowie Abkürzungsverzeichnis bestehenden Anhang.

 

Karl Alexander Neumeyer wurde in München am 19. September 1869 als zweiter Sohn eines in einer seit langem in Pflaumloch als Landwirte und Viehhändler ansässigen Familie in Oberdorf bei Nördlingen im Ries stammenden jüdischen Kaufmanns geboren, stand jedoch dem Judentum bis zur Hitlerzeit distanziert gegenüber, weil ihm nach den sachkundigen Ermittlungen der Verfasserin die heilige Liebe zur Wissenschaft die Religion gewissermaßen ersetzte. Nach der Schule im humanistischen Maximiliansgymnasium und dem nach strafweiser Entlassung wegen einer Kneipe im Passauer Gymnasium mit sehr gut in allen Fächern bestandenen Abitur und dem Studium der Rechtswissenschaft in München, Berlin, Genf und München ab 1879 (so Seite 29!) wurde er auf Grund einer Münchener, 1890 in Genf bearbeiteten Preisaufgabe über die historische und dogmatische Darstellung des strafrechtlichen Bankerotts unter dem 19. Dezember 1891 promoviert. Nach der zweiten, nicht besonders benoteten Staatsprüfung und der Habilitation über die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus am 4. Mai 1901 (Teil 2 1916) wurden ihm am 1. Januar 1908 Titel und Rang eines außerordentlichen Professors und am 1. Mai 1909 (weiter im Range eines außerordentlichen Professors) die durch den Tod des ordentlichen Professors von Seuffert frei gewordene haushaltsmäßige Stelle gewährt, wurde er 1926 zum persönlichen Ordinarius ernannt, wurde er aber 1933 aus rassischen Gründen nach einem studentischen Boykott seiner Vorlesung vom 13. Juni 1933 beurlaubt, mit Wirkung zum 1. November 1933 vom Reichsstatthalter in den einstweiligen Ruhestand und nach Vollendung des 65. Lebensjahrs mit Verfügung vom 23. Oktober 1934 zum 1. November 1934 in den dauernden Ruhestand  versetzt und nahm sich zusammen mit seiner Frau unter nationalsozialistischen Druck der drohenden Beschlagnahme und Versteigerung der Bibliothek und der Ausweisung aus dem Hause in der Nacht vom 16. zum 17. September 1941 mit Gas das Leben.

 

Damit erlitt die die deutsche internationalrechtliche Rechtswissenschaft, wie die Verfasserin im zweiten Teil ihrer Arbeit überzeugend nachweisen kann, einen unersetzlichen Verlust, hatte doch Karl Neumeyer 1910 den ersten, 1922 den zweiten, 1926 und 1930 den dritten und noch 1936 den vierten Band eines internationalen Verwaltungsrechts (sowie 1923 und 1930 zwei Auflagen eines sehr kurzen Grundrisses Internationales Privatrecht) geschaffen, wobei er erstmals den Versuch unternommen hatte, das System eines umfassenden verwaltungsrechtlichen Kollisionsrechts zu erarbeiten. Auf dieser Grundlage hatte er wissenschaftlich wie privat höchstes Ansehen erlangt. Mit seiner Offenheit für alles Wahre und Gute lebte er ein humanistisches Menschenbild, für das Adolf Hitler und seine nationalsozialistische Ideologie immer weniger Raum ließen, so dass Karl Neumeyer und seine Frau schließlich keinen anderen Ausweg mehr sahen als die bewusste Löschung des eigenen beispielhaften Lebens.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler