Brauneder, Wilhelm, Quellenbuch zur österreichischen Verfassungsgeschichte 1848-1955, Anhang Ältere Quellen. Manz 2012. VI, 138 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Verfassung ist die Gestaltung und der dadurch entstandene Zustand einer Gegebenheit im Allgemeinen. Insofern hat nicht nur jeder einzelne Mensche eine im Einzelnen ständig wechselnde Verfassung, sondern auch eine Gesamtheit von Menschen oder ein aus ihr im Laufe der Zeit entstandener Staat. Dementsprechend gibt es eine Verfassungsgeschichte Österreichs seit seinen Anfängen, die sich nach allgemeiner wissenschaftlicher Einsicht in einen Abschnitt der bloßen materiellen Verfassung und (ab 1848) der zusätzlichen formellen Verfassung gliedern lässt.

 

Der bekannte und bedeutende Wiener Rechtshistoriker Wilhelm Brauneder hat sich seit seinen wissenschaftlichen Anfängen für die deutsche Rechtsgeschichte in ihrer gesamten Breite interessiert. In diesem offenen Rahmen hat er das erfolgreichste Lehrbuch zur Verfassungsgeschichte Österreichs geschrieben, das unter dem Titel Österreichische Verfassungsgeschichte im Jahre 2009 in elfter Auflage vorgelegt werden konnte, aber in der Gegenwart mit einer neuen Rechts- und Verfassungsgeschichte konkurrieren muss. Ein zugehöriges Quellenbuch lag lange Jahre als universitär vertriebenes Skriptum unterschiedlichen Lehrveranstaltungen zur österreichischen Verfassungsgeschichte zu Grunde und ist nach der universitären Emeritierung des Verfassers - in bearbeiteter, erweiterter und bis 1955 fortgeführter Form - auch als gedrucktes Buch greifbar, das dem grundlegenden Verständnis der Verfassungsentwicklung bis an die die Schwelle des geltenden Verfassungsrechts dienen soll.

 

Es umfasst im Anhang das privilegium minus (1156), das privilegium maius (1358), das pactum mutuae successionis (1703) und die pragmatische Sanktion (1713), die Annahme des österreichischen Kaisertitels (1804), das Ende des Heiligen römischen Reiches (1806), die Deutsche Bundesakte (1815), die landständische Verfassung für Tirol (1816) und die Wiener Schlussakte (1820). Der Hauptteil enthält 48 Dokumente von der Verfassungszusage vom 15. März 1848 über die Aprilverfassung (1848 mit 57 Paragraphen ohne genaue Datierung), den Kremsierer Entwurf (1848/1849, 160 Paragraphen), die Märzverfassung (4. März 1849), die Silvesterpatente (1851), das Oktoberdiplom (1860), die Reichsverfassung (Februarpatent vom 26. Februar) 1861, die Dezemberverfassung vom 21. Dezember 1867), das kaiserliche Manifest vom 17. Oktober 1918, den Staatsgründungsbeschluss vom 30. Oktober 1918, das Bundes-Verfassungsgesetz von 1920, die Verfassung von 1934 das „Anschlussgesetz“ (1938), die Wiederherstellung des Staates (1945), die Wiederherstellung der Verfassung (1945) und den Staatsvertrag von Wien von 1955 bis zum Neutralitätsgesetz von 1955. Damit sind in sehr verdienstlicher Weise alle (57) wichtigen Verfassungsdokumente der Geschichte Österreichs, die überwiegend auch im Internet zugänglich sind, in einem sehr handlichen und überzeugenden schmalen Druckwerk (mit durchschnittlich je 2,5 Druckseiten je Text) zum praktischen Gebrauch zusammengestellt.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler