Bracton, Henry de, De legibus et consuetudinibus Angliae libri quinque in varios tractatus
distincti, hg. v. Twiss, Travers, Band 5 1882, Neudruck. Cambridge
University Press, Cambridge 2012. CXIII, 523 S. Besprochen von Steffen
Schlinker.
In der Reihe der Rechtsbücher des 12. und 13.
Jahrhunderts nimmt das landläufig Henry de Bracton zugeschriebene Werk De legibus et consuetudinibus Angliae
einen herausragenden Platz ein. Mittlerweile ist bekannt, dass die von ca. 1230
bis ca. 1250 entstandene, aber unvollständig gebliebene Schrift von
verschiedenen Autoren herrührt, deren letzter Bracton gewesen ist. In den
Jahren 1878 bis 1883 hat Sir Travers Twiss den Tractatus in sechs Bänden im
Rahmen der Rolles Series (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores)
publiziert. Mit der vorliegenden Ausgabe, deren fünfter Band hier angezeigt
wird, hat Cambridge University Press von vorneherein keine moderne kritische
Ausgabe schaffen wollen, sondern einen Nachdruck der Edition von Twiss besorgt.
Twiss hatte den lateinischen Text auf der Basis der ersten gedruckten Exemplare
des Traktats von 1569 erarbeitet und mit einer englischen Übersetzung versehen,
so dass der Text zweisprachig erscheinen konnte. Dass nunmehr wieder eine
Studienausgabe in handlicher Form existiert, ist zunächst positiv
hervorzuheben. Angesichts der schwierigen anglofranzösischen Rechtssprache wäre
es allerdings wünschenswert gewesen, dem Text eine Kommentierung oder
wenigstens ein Glossar beizufügen. Dem Text vorangestellt ist immerhin die
fundierte Einführung von Twiss (S. VII-LXXXI).
Inhaltlich behandelt der fünfte Band zunächst
die Problematik des Anspruchs auf Rückgabe von Land gegen den Entleiher oder
Pächter nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Nutzungsdauer (entry, S. 2ff.). Da das königliche
Gericht rund 60 Jahre zuvor, zur Zeit Glanvilles, die Vereinbarungen der
Parteien noch unberücksichtigt gelassen hatte, lässt sich hier die
Fortentwicklung und weitere Ausgestaltung des englischen Rechts beobachten.
Zweitens werden Ansprüche auf Herausgabe von Sachen oder auf Leistungen
thematisiert (rights, S. 78ff.). Den
größten Teil des Bandes nehmen allerdings prozessuale Gegenstände ein. Sehr
umfangreich behandelt Bracton die Gründe, die ein Nichterscheinen vor Gericht
zu entschuldigen vermögen (essoins,
S. 164ff.). Hier stehen die Fälle der Krankheit und der Abwesenheit im
Königsdienst im Mittelpunkt der Erörterung, die zugleich intensive Einblicke in
die Lebensumstände der Beteiligten und die Infrastruktur des englischen
Königreichs erlauben. Ausführlich wird im Anschluss daran die Säumnis behandelt
(defaults, S. 368ff.). Schließlich
findet sich eine kürzere Darstellung zur Einnahme von Augenschein und zur
Vorlage von Sachen (view, S. 461ff.).
Es fehlt hier der Raum, auf die vielfältigen Details hinzuweisen. Sicher ist
jedenfalls, dass der Tractatus insbesondere unter rezeptionsgeschichtlichen
Gesichtspunkten von höchstem Interesse ist und (weiterhin) eine intensive
Erforschung verdient.
München/Würzburg Steffen
Schlinker