Borgolte, Michael, Stiftung und Memoria, hg. v. Lohse, Tillmann (= Stiftungsgeschichten 10). Akademie Verlag, Berlin 2012. VIII, 445 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die dem Menschen eigenen Fähigkeiten haben es mit sich gebracht, dass er im Gegensatz zu vielen Tieren grundsätzlich, wenn auch in keineswegs allen Fällen, mehr Vorräte unter seine Herrschaft bringen kann, als er jemals zu seinem eigenen Leben gebrauchen kann. Rechtliche Folgen hiervon sind das Erbrecht einerseits und die Stiftung andererseits. Die in dieser liegende Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechtsgeschäft ist bereits dem römischen Recht im Ansatz bekannt und wird durch die christliche Kirche nicht ganz selbstlos gefördert.

 

Prägend für die zahlreichen Arbeiten des Verfassers zu der Verbindung zwischen Vermögensaufgabe und Erinnerungsförderung wurde nach dem kurzen Vorwort des selbst die Dauer der Stiftung eindringlich analysierenden Herausgebers der in Münster nach 1970 erfolgte Wechsel der mittelalterlichen Erforschung des Gedenkens von der personengeschichtlichen Auswertung von Namenslisten zur ganzheitlichen Erfassung einer sozialen Praxis. In diesem Zusammenhang setzte der Verfasser sich 1987 dafür ein, mittelalterliche Stiftungen nicht weiter als Rechtssubjekte der modernen Stiftungsdogmatik anzusehen, sondern als Gaben oder Gabentausche zwischen Stiftern und nachgeborenen Stiftungsempfängern. Dementsprechend eröffnet die entsprechende Studie über die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht den ersten grundlegenden Teil des inhaltsreichen Sammelbands.

 

Nach weiteren vier Aufsätzen über Stiftungen im Spannungsfeld des Mittelalters, die Möglichkeit einer totalen Geschichte des Mittelalters am Beispiel der Stiftungen, eine Zwischenbilanz des Mittelalterprojekts Memoria und das Verhältnis von Stiftung, Staat und sozialem Wandel von der Gegenwart zum Mittelalter bietet der zweite Teil zehn überzeugende Fallstudien über Sankt Gallen, den Übergang von der Antike zum Mittelalter, die Eigenkirche, die Universitätsgründungen in Freiburg im Breisgau und Basel, Papstgräber, Königskanonikat, Heinrich II., die Dauer von Grab und Grabmal und den König als Stifter. Den Beschluss bilden drei interkulturelle Vergleiche und ein Verzeichnis der Veröffentlichungen des Verfassers zum Thema Stiftung und Memoria sowie der bislang erschienenen (neun Bände) der Stiftungsgeschichten. Register der Orte, Personen und Sachen schließen den erfolgreichen Einsatz des Verfassers für Stiftung und Memoria hilfreich auf.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler