Bitter, Albrecht von, Das Strafrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund seiner Zeit (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte 18). Nomos, Baden-Baden 2013. 290 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Strafe und damit das Strafrecht war bereits dem Altertum bekannt, wird aber mit der erstarkenden Allgemeinheit erst am Beginn des Hochmittelalters wieder entdeckt und am Anfang der Neuzeit aus dem gesamten Recht als eigenes Studienfach und Regelungsgebiet - zunächst noch eng verwoben mit dem Strafverfahren - verselbständigt. Im Gegensatz zu den verschiedenen Malefizordnungen, Halsgerichtsordnungen, der Constitutio Criminalis Bambergensis (1507), der Constitutio Criminalis Carolina (1532), dem Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der Constitutio Criminalis Theresiana (1768), dem toskanischen Strafgesetzbuch Leopolds II. von 1786, dem josephinischen Strafgesetzbuch (1777/1788), dem Code pénal (1810) oder dem Strafgesetzbuch Bayerns (1813) entschied sich Preußen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für ein umfassendes, vorsichtshalber als Landrecht bezeichnetes Gesetzbuch. Da sein Titel den Inhalt für den heutigen Betrachter eher verschleiert als enthüllt, ist eine eigenständige Untersuchung über das in Teil 2, Titel 20 enthaltene Strafrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, für das sich nach den Erkenntnissen des Verfassers nicht mehr feststellen lässt, ob Svarez und bzw. oder Klein als körperliche (bzw. geistige bzw. tatsächliche) Schöpfer angesehen werden können, sehr zu begrüßen.

 

Die mit dieser Zielsetzung vorgelegte Arbeit ist die redigierte Fassung der von Mathias Schmoeckel betreuten, am Ende des Sommersemesters 2012 von der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn angenommen Dissertation (über Carl Gottlieb Svarez, Ernst Ferdinand Klein und das Strafrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund seiner Zeit) des Verfassers. Sie gliedert sich klar in drei Teile. Diese betreffen eine Einführung über die wesentlichen Entstehungsphasen des Allgemeine Landrechts, den Forschungsstand, die Quellenlage, die Vorgehensweise, die Präzisierung der Fragestellung und den Gang der Untersuchung, die fremden Einflüsse auf die Gesetzgebung zwischen 1786 und 1794 sowie den Inhalt des Strafrechts vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund.

 

In diesem dritten Teil untersucht der Verfasser den Strafzeck, allgemeine Vorbeugungsmittel, Rechtsfolgen (Strafen wie Genugtuungs- und Exekutionsstrafe, Ehrlosigkeit, körperliche Züchtigung, Strafarbeit und Todesstrafe sowie Sicherungsmaßnahmen), Allgemeinen Teil (Vorsatz, Zurechnung, Strafzumessung, Notstand, Notwehr, Versuch und Vollendung) und Besonderen Teil (Staatsverbrechen Hochverrat, Landesverrat, Majestätsbeleidigung und Privatverbrechen Mord, Totschlag, Selbstmord, Kindermord, Unzucht, Ehebruch, Bigamie, Sodomie, Prostitution, gemeingefährliche Delikte). Insgesamt kann er das Strafrecht des Allgemeinen Landrechts wie die im November 1786 verkündete Leopoldina und das josephinische Strafgesetzbuch als Frucht der Aufklärung ohne Verwirklichung aller dringenden Modernisierungen einordnen. Innerhalb der drei aufgeklärten Strafrechtsgestaltungen schreibt er ansprechend dem Strafrecht des Allgemeinen Landrechts wegen seiner Einbindung in die seinerzeitige Aufklärungsphilosophie nicht mehr und nicht weniger europäischen Modellcharakter zu als den nur wenig älteren Lösungen in Österreich und der Toskana.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler