Berlin 1933-1945. Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus, hg. v. Wildt, Michael/Kreutzmüller, Christoph. Siedler, München 2013. 496 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Adolf Hitler begann sein Leben im idyllischen österreichischen Braunau 1889 und beendete es in hoffnungsloser Lage mit gerade 56 Jahren in Berlin, wo ihm im Alter von 43 am 30. Januar 1933 die politische Macht über das Deutsche Reich in die Hände gefallen war. Zwar war der Ort nicht die Hauptstadt seiner nationalsozialistischen Bewegung, aber notwendigerweise das Zentrum seiner totalitären Diktatur. Deswegen ist eine Geschichte Berlins während seiner Herrschaft ein wichtiges historisches Thema, das die als Professor für deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts bzw. als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin tätigen Herausgeber zur 80. Wiederkehr der Bestellung des Parteivorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zum Reichskanzler für ein breiteres Publikum in griffiger Gestalt vorlegen.

 

Gegliedert ist es in chronologisch-systematischer Verschränkung in insgesamt acht Abschnitte, die nach einer kurzen Einführung über Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus mit der Machtübernahme beginnen, für die Oliver Reschke und Michael Wild den Aufstieg der Partei in Berlin detailliert schildern und Daniel Siemens die Prügelpropaganda der Sturmabteilung im „Kampf um Berlin“ beschreibt. Auf dieser zeitlichen Grundlage behandeln die Herausgeber teils selbst, teils durch andere ausgewiesene Autoren nacheinander Herrschaft mit Verfassung und Verwaltung, Wirtschaft einschließlich der Arbeiter und Arbeiterorganisationen sowie der Zwangsarbeit, Gesellschaft mit den Schwerpunkten Erfahrungshorizonte Jugendlicher, Protestantismus, Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft, Widerstand und Blick aus dem Exil und Kultur (Städtebau, Medien, Wissenschaft, Propaganda). Übergreifend werden im Anschluss hieran Terror und Verfolgung erörtert, die Sturmabteilung, Schutzstaffel und Polizei vor allem zwischen 1933 und 1939 in erster Linie gegenüber Juden und Bettlern oder „Asozialen“ anwenden.

 

Am Ende steht auf eher eingeschränktem Raum der wie die nationalsozialistische Vorkriegszeit ebenfalls knapp sechs Jahre wogende Krieg, für den die Bevölkerung mobilisiert wird und danach ziemlich ungeschützt den Bomben ausgesetzt ist. Abgesichert werden die vielfältigen Ausführungen auf mehr als hundert Seiten durch angeschlossene Anmerkungen und Literatur. Das Gewicht der Rechtswissenschaft für Berlin ist dabei insgesamt so gering, dass nicht einmal Carl Schmitt - wie im Übrigen selbst Adolf Hitler (im Gegensatz zu Göring, Heydrich oder Himmler) - auch nur im von Abbe bis Zipfel reichenden Register des eine bisherige Lücke schließenden Werkes begegnet.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler