Behle, Thorsten, Der Magister Walfred von Bologna. Ein Beitrag zu den Anfängen der Bologneser Rechtsschule (= Ius vivens, Abteilung B Rechtsgeschichtliche Abhandlungen 21). Lit-Verl., Wien 2008. II, 215 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wie im Einzelnen aus der Wiederentdeckung der Digesten des oströmischen Kaisers Justinian der Jahre um 530 n. Chr. ein weltweiter Berufsstand mit vielen Millionen Angehörigen und jährlich wohl weit mehr als einer Million Anfängern geworden ist und werden konnte, gehört zu den interessantesten Vorgängen der universalen Rechtsgeschichte. Wie überall sind auch hier die Anfänge besonders bedeutsam. Deswegen verdient eine Untersuchung Thorsten Behles zu den Anfängen der Bologneser Rechtsschule, wenn auch mit einiger Verspätung, zumindest eine kurze Anzeige.

 

Die Arbeit ist die von Horst Hammen angeregte und betreute, vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Gießen im Wintersemester 2005/2006 angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach einer einleitenden Vorbemerkung und den Ziel und Gang der Untersuchung in sechs Kapitel. Nach den (unbekannten) Anfängen der Universität Bologna untersucht der Verfasser die Entstehung der Bologneser Rechtsschule, den Lebensweg des Magisters Walfred von Bologna, den Rechtslehrer Walfred und die Bedeutung der Kurie und der Regularkanoniker für die Entstehung der Bologneser Rechtsschule.

 

Im Ergebnis macht der Verfasser auf der Grundlage der bisherigen Literatur mit Pepo, Albertus, Igenulfus und Rusticus bereits im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts erste Juristen (!) aus, die er wenig später als Rechtskundige oder legis doctores bezeichnet und die nach seiner Ansicht als Wanderlehrer in den Kirchen ihre Dienste anboten. Wenig später begannen Irnerius, Anselmus, Lambertus, Paganus und Johannes Bonus mit dem Unterricht im römischen Recht und begründeten damit schon im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts ein Renommee des Bologneser Rechtsunterrichts, wobei das Kloster San Stefano möglicherweise ein Unterrichtsort war. Im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts wurde nach Meinung des Verfassers dieser Unterricht im römischen Recht entgegen der bisherigen Ansicht ausgebaut und es entstanden im Umfeld der Bologneser Kirche zahlreiche Rechtsschulen.

 

Den sich als erste in Bologna ansiedelnden Regularkanonikern von Sankt Viktor und San Giovanni in Monte schloss sich nach Ansicht des Verfassers insbesondere der auch der vorausgehenden modernen Literatur nicht unbekannte Rechtslehrer Walfred von Bologna als frater exterior an. Mit dem Auftreten der Lehrer Angelus, Johannes Bonus, Albertus und Walfred erhielt der Rechtsunterricht von Sankt Viktor (San Giovanni in Monte) einen eigenständigen Lehrort. Dort traf Walfred mit Gratian und Moyses zusammen.

 

Nach den Forschungen des Verfassers könnte Walfred (mit langobardischem Hintergrund) in Bologna im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts geboren worden sein und der vermögenden Oberschicht mit Grundeigentum angehört haben. Zwischen Mai 1127 und 1146 trat er überwiegend in Bologna, aber auch außerhalb der Stadt als Rechtsberater auf. und stand im Dienste Kaiser Lothars III. (als Hofrichter), eines päpstlichen Legaten in Venedig sowie der Kanoniker von Sankt Viktor (San Giovanni in Monte) und vielleicht des Bischofs von Bologna. Nach dem Verfasser schließt der in den Quellen als magister, iuris peritus, magister, legis doctor, magister, legis doctor, magister, magister legis peritus und weiter mehrfach als magister bezeichnete Walfredus die bisher angenommene Lücke zwischen Irnerius und den so genannten vier Doktoren.

 

Zur Veranschaulichung seiner ansprechenden Überlegungen lichtet der Verfasser (13 bzw. 12) Urkunden vom 15. Mai 1127 (magister Gualfredus Zeuge einer donatio neben presbyteri und einem causidicus), vom 15. Januar 1128 (Walfredo iuris perito Käufer eines Weinbergs), vom September 1130 (magister Gualfredus Zeuge eines Verkaufs), vom 22. Februar/24. April 1132 (Verzicht auf einen Streit in Anwesenheit des Bischofs und auch Vualfredi legis doctoris), vom August 1132 (Verkauf eines Grundstücks iuxta magistrum Walfredum), vom 30. April 1139 (zweiseitig, vendo tibi Walfredo legis doctori), vom 24. Februar 1140 (Walfredus magister Zeuge einer Gabe), (vom 25. April 1141 Walfredus magister legis peritus Zeuge einer Verkaufs), vom 5. März 1143 (magister Gualfredus Zeuge einer Gabe), vom 31. August 1143 (magistri Walfredi neben Graciani et Moysis und andererer prudentum Teilnehmer einer Beratung in Venedig), vom 11. Januar 1144 (in presentia Vualfredi magistri Klage vor Bischof), vom 2. April 1146 (Walfredo magistro Käufer eines Grundstücks) und vom 27. Januar 1151 (Ildebrandus filius quondam Vuafredi magistri Zeuge eines Geschäfts) ab und gibt sie im modernen Transkript wieder. Auf dieser Grundlage ist es jedermann möglich, die wichtige Leistung des Verfassers eigenständig einzuordnen. In jedem Fall ist ihm für seine an diesem Ort kaum mehr zu erwartende interessante Leistung sehr zu danken.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler