Bähr, Matthias, Die Sprache der Zeugen. Argumentationsstrategien bäuerlicher Gemeinden vor dem Reichskammergericht (1693-1806). UVK, Konstanz 2012. 316 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Verfasser war on Juli 2008 während dreier Jahre Doktorand an der Graduiertenschule des Exzellenzclusters Religion und Politik der Universität Münster und wechselte anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Barbara Stollberg-Rilinger, von wo aus er seit Oktober 2012 Research Fellow am Institute for British-Irish Studies in Dublin wurde. Die vorliegende Untersuchung ist seine Münsteraner philosophische, anscheinend von André Krischer angeregte und von Barbara Stollberg-Rilinger in Freiheit betreute Dissertation. Sie geht von der These aus, dass gerade Zeugenverhöre vor dem Reichskammergericht ein wichtiges Bindeglied waren zwischen den Ordnungsvorstellungen der ländlichen Gesellschaft und dem, was vor dem Reichskammergericht am Ende praktisch geboten war.

 

Gegliedert ist die Arbeit außer in die bei Ulm im Februar 1525 einsetzende Einleitung über Gegenstand, Fragen, Forschungsstand, Quellen und Aufbau sowie Ergebnisse in vier Kapitel. Dabei beginnt der Verfasser mit einer Quellenkritik zum Thema Zeugenverhöre des Reichskammergerichts und prozessualer Widerstand, in deren Rahmen er Zeugen, Juristen, Ort, Zeit, Protokoll, Eid und Zeugenführer betrachtet. Auf dieser Grundlage vertieft er seine Studien an Hand des verschollenen Szepters der Berkacher Bauern (1698-1702), des Stahlbergs und der armen Witwen (1724-1733) und des Streites um die Esthaler Allmende (1786-1796).

 

Dabei gelingen ihm an Hand seines ausgewählten Materials von rund 40 erstinstanzlichen Untertanenprozessen und mehreren hundert Verhörprotokollen eigenständige neue Einsichten, indem er beispielsweise zeigen kann, dass die Dörfer und Bauern in der ausgehenden Neuzeit den Herren durchaus selbstbewusst gegenübertreten konnten. Im einzelnen Rechtsstreit konnten sie zwecks Beeinflussung des Reichskammergerichts ein Bündel vielfältiger Überlegungen verwenden. Damit errangen sie zwar keineswegs in allen Fällen einen Sieg, doch konnten ihre Vorstellungen im Einzelfall vor den als Mediatoren verwendeten Assessoren durchaus Beachtung erlangen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler