Zellmer, Elisabeth, Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 85). Oldenbourg, München 2011. VII, 294 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

 

In den letzten 200, 100 oder vielleicht auch nur 50 Jahren der Menschheitsgeschichte hat vielleicht die gewichtigste Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft überhaupt stattgefunden. Dies geschah zwar in ziemlich kurzer Zeit und ohne blutige Revolution, aber in einem tiefgreifenden evolutionären Vorgang. War die Frau um 1900 fast überall noch fest mit Kind und Küche verknüpft, hat sie es 2012 erreicht, dass viele wichtige Stellungen unabhängig von allen sonstigen Anforderungen nach klaren, fast gleichen Quoten auf Männer und Frauen aufgeteilt werden.

 

Aspekte dieses Vorgangs behandelt die 1977 geborene, am Institut für Zeitgeschichte in München von 2006 bis 2010als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätige Verfasserin in ihrer von Udo Wengst betreuten, im Sommer 2010 an der Universität Regensburg verteidigten Dissertation. Sie hat nicht nur das Institut als einen einzigartigen und unerschöpflichen Wissens-Pool, in dem konstruktive Zusammenarbeit keine leere Phrase ist erlebt, sondern konnte dort auch das bayerische Archiv für Frauenbewegung mit Beständen von unschätzbarem Wert für sie nutzen. Zusätzlich erfuhr sie auch ausreichendes Schulterklopfen im richtigen Augenblick ihres fünfteiligen weiterführenden Werkes.

 

Nach einer Einleitung über Thema, Fragestellung, methodisches Vorgehen, Forschungsstand, Quellenlage und Aufbau, hat sie sich nacheinander befasst mit der Lage der Frauen in der Bundesrepublik in den langen sechziger Jahren, mit der Politisierung des Privaten in Zusammenhang mit der vielleicht chauvinistischen Veranstaltung von 1968, mit den frauenbewegten Aufbrüchen in den frühen 1970er Jahren und mit den feministischen Gegenwelten in den späten 1970er Jahren. Am Ende fragt sie nach ersten Schritten zu einer institutionalisierten Frauenpolitik in Bayern. Insgesamt sieht sie ansprechend durch die Aktivität zahlreicher Frauen in der allgemeinen Frauenbewegung die sich seit längerem ankündigende Pluralisierung weiblicher Lebenswege und den damit verbundenen Wandel der früheren, wohl geschichtlich entstandenen Geschlechterordnung beschleunigt.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler