Werner, Michael, Stiftungsstadt und Bürgertum. Hamburgs Stiftungskultur vom Kaiserreich bis in den Nationalsozialismus (= Stadt und Bürgertum 14). Oldenbourg, München 2011. 500 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Seit der Mensch mehr Vermögen hat, als er für sich und sein soziales Nahfeld benötigt, hat sich für ihn die Möglichkeit ergeben, anderen den Überschuss ganz oder teilweise aus welchen Beweggründen auch immer zu überlassen. Dementsprechend ist die Stiftung bereits dem römischen Recht bekannt, so dass es kaum überraschen kann, dass sie von der christlichen Kirche gefördert wird und am Übergang vom Frühmittelalter zum Hochmittelalter bereits der Ausdruck Stiftung erscheint. Von der Aufklärung und der Säkularisation eher abgelehnt, wird die zunächst nur als unselbständiger Anhang einer Körperschaft angesehene Einrichtung im 19. Jahrhundert als eigene juristische Person anerkannt (Heise, G. A:, Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts, 2. A: 1816, 23) und in das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1896/2000 aufgenommen.

 

In der Gegenwart ist angesichts beträchtlicher Vermögensmassen die Stiftung auch vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. In diesen Bereich gehört das von Andreas Schulz geleitete Forschungsprojekt Stifter und Stiftungen in Hamburg. In seinem Rahmen wurde der 1972 geborene, als freier Historiker in Dresden lebende, produktive Verfasser im Wintersemester 2008/2009 vom Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Universität Frankfurt am Main mit der vorliegenden stattlichen Dissertation promoviert.

 

Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einleitung über Forschungsobjekte, Leitfragen, Begriffe, Definitionen, Forschungen, Hamburg, Konzeption, Aufbau und (vielfach archivalische) Quellen in drei chronologische geordnete Abschnitte. Der Verfasser beginnt mit der bürgerlichen Stiftungskultur im Kaiserreich, innerhalb deren er bereits jüdischen Stiftern und Mäzenen besonderes Augenmerk widmen kann, erörtert danach Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Weimarer Republik, um mit der Stiftungskultur unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu enden, in der eine weitgehende Übernahme durch den Staat drohte. Im Ergebnis kann er am Ende überzeugend feststellen, dass das auch der Selbstdarstellung dienende Stiften über die 1930er und 1940er Jahre hinweg trotz aller Veränderungen im Kern als bürgerliche Verhaltenspraxis bestehen geblieben ist.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler