Wejwoda, Marek, Die Leipziger Juristenfakultät im 15. Jahrhundert. Vergleichende Studien zu Institution und Personal, fachlichem Profil und gesellschaftlicher Wirksamkeit (= Quellen und Forschungen  zur sächsischen Geschichte 34). Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig in Kommission bei Steiner, Stuttgart 2012. 174 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das mit einer um 900 n. Chr. im Bereich des heutigen Matthäikirchhofs angelegten slawischen Siedlung beginnende, 1015 als urbs Libzi (Burg der Linden) erstmals erwähnte Leipzig wurde als Folge eines Auszugs von Professoren aus der 1348 eingerichteten Universität Prag Sitz einer eigenen Universität. Es zählt damit zu den ältesten deutschen Universitätsorten. Die allgemeine Kenntnis der Geschichte der Leipziger Juristenfakultät im 15. Jahrhundert beruhte bis jetzt im Wesentlichen auf dem Stand von 1882, wie ihn Theodor Muther 1876 in seinen Beiträgen zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland und Emil Friedberg 1882 in seinem Werk über das Collegium Juridicum darlegten.

 

Die darüber erfreulicherweise deutlich hinausgreifende Studie des Verfassers verdankt nach dem Vorwort ihre Entstehung in erster Linie Dietrich von Bocksdorf, weil bei der Arbeit über ihn dem Bearbeiter bewusst wurde, wie schmal und teils auch unzuverlässig die Grundlagen des gegenwärtigen Wissens sind. Diese Einsicht führte ihn zu dem Plan, aus den zahlreichen und aussagekräftigen, ihm begegnenden vereinzelten Quellenbelegen eine neue, zeitgemäßere, in Einleitung, Entwicklung bis 1463, Umfang und Qualität des Lehrkörpers, römisches Recht in Leipzig, Frequenz, soziale Qualität, äußere Wirksamkeit, sächsisches Recht sowie Zusammenfassung gegliederte Fakultätsgeschichte zu entwickeln. Dies ist ihm überzeugend gelungen.

 

Danach ist spätestens mit dem Wintersemester 1411/1412 von einem gut besuchten Rechtsstudium auszugehen, wenn sich auch eine institutionell-korporative Verfestigung erst seit den 1430er Jahren quellenmäßig nachweisen lässt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts bestand in Leipzig trotz schwacher materieller Ausstattung eine mit Köln und Erfurt zu den angesehensten und besuchtesten Hochschulen des nördlich der Alpen gelegenen Reiches zählende Universität. Das römische Recht fand dabei freilich erst verhältnismäßig spät einen Platz.

 

Im Verfassungsgefüge der Universität nahm die juristische Fakultät eine Sonderstellung ein. In der Intensität der aktiven Hinwendung zur sächsischen Rechtspraxis sieht der Verfasser ansprechend im 15. Jahrhundert ein Alleinstellungsmerkmal. Als Doktoren bis 1463 ermittelt er (im Anhang 1 unter Beschränkung auf die Leipzig betreffenden Angaben) Johannes von Schleinitz, Johannes Tillich, Jakob Rodewitz aus Jena, Konrad Thus aus Nieheim, Stefan Bodeker aus Rathenow, Nikolaus Berger aus Mühlhausen?, Albert Varrentrapp, Gregor Nebelthau aus Leisnig, Christoph von Rotenhan, Johannes den Jüngeren von Weilburg, Franciscus Altenburg aus Mittweida, Peter Klitzke, Konrad Donekorb, Tammo von Bocksdorf, Arnold Hesede aus Hannover, Peter von Schleinitz, Johannes Tornow, Martin (aus) Spremberg, Arnold Westfahl aus Lübeck, Andreas Hasselmann aus Stendal, Dietrich von Bocksdorf, Peregrin von Goch, Johannes Landschreiber von Stein, Johannes Witte aus Braunschweig, Paul Busse aus Halle, Johannes Schwoffheim aus Liegnitz, Johannes Maler aus Stade, Andreas Bodeker/Doleatoris aus Brandenburg, Johannes Zwiesigko aus Wittenberg, Gregor Steinbrecher aus Striegau, Thimo von Paserin aus Luckau, Hermann Steinberg aus Duderstadt, Johannes Scheurl aus Lauingen, Johannes Eberhausen aus Göttingen und Johannes Scheibe aus Leipzig, denen er (im Anhang 2) 19 Gutachten und Urteilssprüche der Leipziger Juristenfakultät bis 1463 gegenüberstellt.

 

Hinzukommt die Edition vierer bedeutsamer Urkunden. Verzeichnisse und Register runden die akribische, eindrucksvolle Studie ab. Sie könnte ein wesentlicher Baustein für eine neue Geschichte der Rechtswissenschaft im deutschen Sprachraum im Mittelalter sein.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler