Waldstätten, Alfred, Staatliche Gerichte in Wien seit Maria Theresia. Beiträge zu ihrer Geschichte (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 54). StudienVerlag, Innsbruck 2012. 440 S: Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Verhältnis zwischen Recht und Gericht gleicht dem Verhältnis von Ei und Huhn. Es ist unklar, ob das Gericht nach dem vorhandenen Recht richtete oder ob aus dem Richten des Gerichts das Recht erst entstand. In der jüngeren Rechtsgeschichte wird die zweite Ansicht vielfach favorisiert, doch ist fraglich, ob dies der geschichtlichen Wirklichkeit, in der Institutionen erst allmählich zu einer besonderen Gestalt finden, gerecht wird.

 

Unabhängig von dieser Überlegung lassen sich Gerichte wohl von den ersten Anfängen der Überlieferung an fassen. Sie sind freilich so vielfältig und wandelbar, dass ein verlässlicher konkreter Überblick über die Geschichte der Gerichtsbarkeit und aller ihr angehörigen Gerichte nicht besteht. Umso dankbarer muss die Allgemeinheit für jeden einzelnen Baustein sein, wie ihn für Wien seit Maria Theresia der 1951 geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft ab 1979 als Richter des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, anschließend des Landesgerichtes für ZRS Wien und seit 1993 als Hofrat des Verwaltungsgerichtshofs Österreichs tätige Verfasser beispielhaft vorlegt.

 

Den ersten Anstoß zu dieser wertvollen Studie ergab die Wiedererrichtung des Bezirksgerichts Jofefstadt in Wien am Anfang des Jahres 1993. Da dem Verfasser als historisch interessiertem Richter bekannt war, dass dieses Gericht schon einmal bestanden hatte, forschte er interessiert nach und gelangte unter Verwendung zahlreicher, auch schwer zugänglicher Quellen zu einer umfassenden Beschreibung der Außensicht der gesamten Wiener Gerichtsbarkeit, die das Gewicht statt auf bemerkenswerte Prozesse auf die vielen Organisationsänderungen und ihre Gründe legt. In seinen zwei Teilen stellt das Werk kürzer die ältere Entwicklung vom Regierungsantritt Maria Theresias bis 1848 und ausführlicher die verwickelten Veränderungen von 1848 bis zur Gegenwart (1848-1851, 1852-1869, 1870-1918, 1918-1938, 1938-1945, 1945-1955 und seit 1955) dar und schafft dadurch für weitere Untersuchungen eine verlässliche sachliche Grundlage, für die dem Autor sehr zu danken ist.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler