Tribunal der Barbaren? Deutschland und die Inquisition in der frühen Neuzeit, hg. v. Burkardt, Albrecht/Schwerhoff, Gerd unter Mitwirkung von Bauer, Dieter R. (= Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 25). UVK Verlagsgesellschaftmbh 2012. 450 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Irrgläubigen bekämpft die Kirche bereits seit dem ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteigung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Wegen der als unzureichend angesehenen Wirkungen dieser Maßnahmen werden seit dem 13. Jahrhundert besondere Untersucher wie etwa Konrad von Marburg eingesetzt, aus deren Tätigkeit sich der in Oberitalien von dieser Zeit an sichtbare Inquisitionsprozess entwickelt. In ihm darf der Angeschuldigte in Haft genommen und zur Erlangung eines Geständnisses die Folter angewandt werden.

 

Weil nach ihrer Ansicht die Geschichtswissenschaft das Thema der Inquisition in Deutschland in der frühen Neuzeit lange vernachlässigte, wurde im Tagungshaus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 1. bis zum 4. Oktober 2009 eine Tagung abgehalten, die von em Enthusiasmus getragen war, die zugehörigen Fragen endlich einmal konzentriert und gemeinsam zu diskutieren. Führend war dabei der Sonderforschungsbereich 804 (Transzendenz und Gemeinsinn) an der Technischen Universität Dresden, für dessen Teilprojekt Gottlosigkeit und Eigensinn die Veranstaltung einen wichtigen Beitrag bildet. Die 17 zugehörigen Untersuchungen stellt der vorliegende Band dankenswerterweise der Allgemeinheit im Druck zur Verfügung.

 

Gegliedert sind sie in insgesamt sechs Abschnitte. Nach historiografischen Standortbestimmungen der in Lyon und Dresden tätigen Herausgeber samt einem Vergleich der Inquisitoren im mittelalterlichen Deutschland und in den romanischen Ländern durch Thomas Scharff werden die medialen Repräsentationen der Inquisition im Reich (Flugschriften, diplomatische Beziehungen, antiinquisitorische Publizistik), die Kontrolle von Grenzgängern (Portugal, Lipsius, ein Ketzer aus Münster vor dem Tribunal des Papstes, Kaufleute im Fokus der Inquisition, Alltagsgeschäft des Heiligen Offiziums, Spannung zwischen Kirche und Synagoge), Einflusssphären der Inquisition (Mischehen, Zensur), Sanktionierung religiöser Devianz (Bekämpfung von Täufern und Pietisten in Bern, ein Hexenprozess in Bayern 1721-1723) und Inquisitionsbilder und Inquisitionspraxis im 18. Jahrhundert (totgeborene Kinder von Ursberg, Aufklärung im Werk Friedrichs II.) eindringlich untersucht. Auch wenn dadurch kein zusammenfassendes neues Bild eines als lange vernachlässigt angesehenen Themas gewonnen werden konnte, reichern die vielfältigen neuen, durch ein Orts- und Namenregister aufgeschlossenen Einzelerkenntnisse doch die durch ein Gemälde Eugenio Lucas’ auf dem Umschlag veranschaulichte Vorstellung der Inquisition als eines barbarischen Tribunals weiterführend an.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler