Strauch, Dieter, Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500. Eine Quellenkunde (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde 73). De Gruyter, Berlin 2011. XXXVI, 886 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Auch wenn der Ort und die Zeit der Entstehung der Germanen aus den Indogermanen nicht sicher sind, werden Schweden, Norweger, Isländer und Dänen allgemein als über die Germanen mit Deutschen und Engländern verwandt angesehen. Diese abstammungsmäßige Nähe hat die Skandinavier vor allem bis zum zweiten Weltkrieg vielfach nach Deutschland geführt und Deutsche immer auch an Skandinavien interessiert. Für diese Beziehungen sind aus der Rechtsgeschichte besonders die Namen Konrad von Maurer (1823-1902, Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte Band 1ff. 1807ff.), Karl von Amira (1848-1930, Nordgermanisches Obligationenrecht, Band 1f. 1882ff.), Max Pappenheim (1860-1934, Die Entstehung der altdänischen Schutzgilden 1884), Bernhard Rehfeldt (1902-1968, Das ältere westgotische Rechtsbuch 1926) und Sten Gagnèr (Uppsala 1921-München 2000) zu nennen.

 

Das bedeutende Erbe dieser bekannten Gelehrten hat erfreulicherweise Dieter Strauch etwa in seinem 1971 vorgelegten Östgotenrecht fortgeführt. Da es in der Gegenwart jedoch zu verwaisen droht, ist es ein besonderes Verdienst Dieter Strauchs, dass er neben zahlreichen anderen Forschungsgebieten auch das nordische Recht des Mittelalters in einer großen, aktuellen Bilanz auf neuestem Stand im imponierender Breite und Tiefe zusammengefasst hat. Damit findet ein besonders interessanter Teilbereich germanistischer Rechtsgeschichte unabhängig von seiner in Deutschland bedrohten Zukunft eine hervorragende Zusammenfassung.

 

Gegliedert ist die bewundernswerte Leistung außer in eine Einleitung über die Zugänglichkeit der Quellen, den allgemeinen Einfluss des Christentums auf Skandinavien, die Veränderbarkeit des Rechts und über Norwegen, Island, Dänemark und Schweden in 7 Kapitel. Sie betreffen Norwegen (Überblick, Rechtsquellen, Urkunden, literarische Quellen, Faeröer, Orkneys und Shetlands, Hebriden, Man und Irland), Island (Überblick, Rechtsquellen, Urkunden, Sagas) und (das ferne) Grönland (skandinavische Besiedelung, Christianisierung, Verhältnis zu Norwegen, Rechtswesen), Dänemark (Überblick, seeländische Rechtsquellen, schonische Rechtsquellen, Jyske Lov, dänische Stadtrechte, dänisches Vitherlagsret, spätere Gesetze, Dorfordnungen, Urteile, Urkunden, englisches Danelag), Normandie (normannische Landnahme, Ausbreitung des Christentums, Staat, Normannen in England, weitere Entwicklung), Schweden (Überblick, Götarechte, oberschwedische Rechte, Styrilse Konunga och Höfdinga, Landrechte, allgemeines Stadtrecht, königliche Gesetzgebung, Dorfrecht), (das primär finno-ugrische, aber stark von Schweden beeinflusste) Finnland sowie sogar das skandinavische Recht in Russland (Einführung, frühe Tributherrschaft der Wikinger in der Rus’, Überlieferung der Rechtsquellen, Vergleich mit altschwedischem Recht, weitere Entwicklung). Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (687-824) und ausführliche Register (825-886) runden das große, die diffizilen Einzelheiten überlegen beherrschende Werk ab, das die sachkundige Weiterführung über den Verfasser hinaus in jeder Weise verdiente.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler