Stoll, Katrin, Die Herstellung der Wahrheit. Strafverfahren gegen ehemalige Angehörige der Sicherheitspolizei für den Bezirk Bialystok. (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 1, Band 22). De Gruyter. Berlin 2012. 712 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung der von Ingrid Gilcher-Holtey betreuten und geförderten sowie im Herbst 2008 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld angenommenen Dissertation der Verfasserin. Das Dissertationsthema ist aus von Freia Anders geleiteten Seminaren zu Prozessen über nationalsozialistische Täter in der Bundesrepublik Deutschland und vor dem Landgericht Bielefeld hervorgegangen. Ergebnisse dieser Tätigkeiten wurden im Jahre 2003 in dem Band Bialystok in Bielefeld veröffentlicht.

 

Das vorliegende auf dieser Grundlage aufbauende Werk fand umgehend nach seinem Erscheinen das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Leider konnte der Verlag ihm kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen. Aus diesem Grund muss der Herausgeber mit wenigen Zeilen auf die interessante und gewichtige, in beträchtlichem Umfang auf ungedruckten Quellen beruhende Veröffentlichung hinweisen.

 

Gegliedert ist sie in insgesamt sieben Abschnitte. Nach einer einführenden Einleitung in Fragestellung, Erkenntnisinteresse, juristische Vergangenheitsbewältigung als Forschungsgegenstand, Quellen, Literatur und theoretische Überlegungen untersucht die Verfasserin die Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland im Allgemeinen, strafrechtliche und strafprozessuale Probleme bei der Verfolgung, Bialystok und Umgebung unter deutscher Besatzung, das („Ursprungsverfahren“) Sammelverfahren in Sachen KdS und sehr eingehend die forensische Interaktionsdynamik und juristische Wirklichkeitsrekonstruktion im Bielefelder Bialystok-Prozess. Am Beispiel der Strafsache gegen Dr. Altenloh und andere zeigt sie eindrucksvoll, was besonders engagierte Richter trotz geringen Interesses der Medien in Strafprozessen über in der Zeit des Nationalsozialismus begangene Tötungsverbrechen  unter Berücksichtigung der strafprozessualen  Bestimmungen an vorbildlicher Sachaufklärung leisten konnten, wodurch die Organisation der Deportation von Juden aus dem Bezirk Bialystok erfasst und die Beteiligung der Sicherheitspolizei belegt sowie den Angeklagten konkrete Tatbeiträge nachgewiesen werden konnten.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler