Steinwascher, Gerd, Das Haus Oldenburg. Die Geschichte
einer europäischen Dynastie (= Urban Taschenbuch 703). Kohlhammer, Stuttgart
2011. 332 S. Besprochen von Gudrun Pischke.
Der Autor hat sich daran gemacht, die vom 15. bis zum Beginn
des 20. Jahrhundert bestehenden europäischen Verflechtungen des nach
sagenhaften Anfängen nach der Mitte des 11. Jahrhunderts an dessen Ausgang
zurück reichenden und heute noch existierenden, jedoch nicht – wie das von
Welfen, Wittelsbachern, Habsburgern oder Hohenzollern – so bekannten Hauses
Oldenburg aufzuschlüsseln. Die Oldenburger waren Grafen (1091/1149-1667),
Herzöge (1774-1815/1829) und schließlich Großherzöge (1815/1829-1918) von
Oldenburg, Herzöge von Schleswig (1460-1663/1866), zunächst Grafen von Holstein
und Stormarn (1460-1474), dann Herzöge von Holstein (1474-1866) sowie Könige
von Dänemark (seit 1448), Norwegen (1450-1814, seit 1905) und Schweden
(1457-1471, 1497-1502, 1520-1521, 1751-1809), Zaren in Russland (1761-1918) und
Könige von Griechenland (1864-1924, 1935-1943, 1947-1967/1974). Dem Leser und
Nutzer wird ein hartes Stück Arbeit abverlangt, wenn er sich durch die seit dem
16. Jahrhundert in den beiden Herzogtümern entstehenden Linien durchbeißen
will, zumal es keine stringenten Nachfolgen gibt, sondern durch das Aussterben
von Linien andere deren Erbe – auch auf Königsthronen – antreten oder durch
Absetzung und Neubesetzung ein anderer Zweig der Dynastie zum Zuge kommt. Das
Labyrinth der Oldenburger Verästelungen, nicht stets geradlinigen Nachfolgen,
Heiraten in den europäischen Hochadel wie auch innerhalb der Oldenburger Linien
sowie Militärlaufbahnen in dänischen, preußischen, russischen und kaiserlichen
Diensten und einiger geistlicher Karrieren lässt sich nicht leicht
durchdringen. Hierbei wären mehr als die fünf beigefügten Stammtafeln (S.
313-316) hilfreich gewesen.
Steinwascher verwendet bei seiner Darstellung einer gewissen
Chronologie, die zunächst dem Ausgreifen nach Dänemark und Schleswig-Holstein
folgt, dann zur Ursprungslinie in der Stammgrafschaft zurückkehrt und dabei
drei Oldenburger auf unterschiedlichen Schauplätzen parallel betrachtet. Nach
der Vorstellung von Oldenburgern als „Herrscher über Schweden“ und „Herrscher
über Russland“ geht nach dem Aussterben des jüngeren Hauses Oldenburg der Blick
wieder zur Stammgrafschaft unter zunächst königlich-dänischer und schließlich
Oldenburg-Gottorfer (jüngere Linie) Herrschaft, um dann „Das Haus Oldenburg und
die ‚Schleswig-Holstein-Frage‘“ zu thematisieren, bevor mit „Gottorfer als
Großherzöge in Oldenburg“ und „Glücksburger als Könige in Kopenhagen, Oslo und
Athen“ der Reigen der Oldenburger Dynasten beendet wird.
Die frühen Oldenburger gehörten „zu den westfälisch/sächsischen
Grafen- und Herrengeschlechtern, die nach dem Aussterben der alten sächsischen
Hochadelsgeschlechter um 1000 mit ihren Burgen die raumbildenden Kräfte wurden,
gezähmt freilich noch von der Gewalt eines Herzogs von Sachsen.“ (S. 16) Wie
andere Grafen- und Herrengeschlechter nutzten auch die Oldenburger Grafen das
nach dem Sturz Heinrichs des Löwen in Sachsen entstandene Machtvakuum zum
Aufbau ihrer Landesherrschaft, die bis 1531 ohne förmliche
königlich-kaiserliche Belehnung blieb (s. S. 66); in den Reichsmatrikeln von
1422 und 1521 allerdings sind sie zu finden. Der Ausbau ihrer Herrschaft führte
– wie bei vielen Adelsfamilien des späten Mittelalters – zur Ausbildung von
Linien durch Teilung des Herrschaftsbereiches: hier zunächst des alten Hauses Oldenburg
in die [ältere] Oldenburger, die Wildeshauser, die Bruchhauser, dann Alt- und
Neubruchhauser, und die ältere Delmenhorster Linie, die – abgesehen von
Wildeshausen (bis 1270) und Bruchhausen (bis 14. Jh.) wieder in einer Hand
zusammen kamen. Dies alles nimmt den kleinsten Teil der Darstellung ein. Im 15. Jahrhundert wurde aus
dem älteren Haus Oldenburg das jüngere Haus Oldenburg (im 16. Jahrhundert mit
den jüngeren Linien Oldenburg und Delmenhorst) und das dänische Königshaus. Von
letzterem zweigten sich die Linien Sonderburg und Gottorf der Herzöge von
Schleswig-Holstein ab.
Nachfolger seines kinderlosen Onkels mütterlicherseits, Adolf
von Schaumburg, Graf von Holstein und Herzog von Schleswig, sollte Christian
von Oldenburg werden. Noch in dieser Nachfolgewarteposition gelangte er 1448
als Christian I. auf den dänischen Königsthron. Weil das dänische Schleswig und
das deutsche Holstein, das mit der Erhebung zum Herzogtum 1474 Reichslehen
wurde, seit 1460 auf immer ungeteilt bleiben sollten, wählten die Adeligen in
Schleswig auch den ersten Dänenkönig und ersten Grafen von Holstein aus dem
Hause Oldenburg zum Herzog von Schleswig. Von den beiden Söhnen des ersten
oldenburgischen Dänenkönigs wurde einer dänischer König; der andere hingegen
übernahm nicht etwa die Herzogtümer, diese wurden 1489/1490 vielmehr geteilt,
und zwar beide in Gemengelage in königliche und herzogliche Anteile; ungeteilt
blieb der Adel, der mit der Huldigung beider Herzöge die Einheit des
Gesamtlehens bewahrte. Herzogliche Residenz wurde Schloss Gottorf, das zur
Bezeichnung der älteren herzoglichen Linie wurde. Als es später drei
erbberechtigte Söhne gab, wurden die beiden Herzogtümer gedrittelt: ein
königliches Drittel und zwei herzogliche Drittel, deren eines blieb der Gottorfer
Linie, aus der im letzen Drittel des 17. Jahrhundert die ältere und die jüngere
Gottorfer Linie wurde, wobei erstere zur russischen Linie wurde, die 1918
endete, und letztere von 1751 bis 1809 die Könige von Schweden und von
1784-1918 die Herzöge respektive Großherzöge von Oldenburg stellte. Das zweite
herzogliche Drittel war die nur kurzlebige Haderslebener Linie (sie ist in der
Stammtafel 3, S. 314, nicht berücksichtigt). Bei einer Teilung des königlichen
Drittels 1564 wurde mit einem Sechstel der Herzogtümer die Linie Sonderburg
„abgeteilt“, die damit nicht mehr an der Regierung der Herzogtümer beteiligt
war (und in der vorliegenden Veröffentlichung mit keiner Stammtafel bedacht
wurde). Auf Grund zahlreicher Nachkommenschaft wurde das Sonderburger Sechstel
1621/22 testamentarisch weiter geteilt. Es entstanden 1. die Linie Sonderburg
(1621/22-1667, Besitz wegen Überschuldung vom dänischen König eingezogen; drei
der fünf Linien dieser Familie endeten im 18. Jahrhundert:
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Franzenshagen, eine katholisch-schlesische Linie
und Schleswig-Holstein-Sonderburg-Wiesenburg; die Linie
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg gab es bis 1931; aus der Linie
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck wurde 1824 durch Übertragung von Schloss
Glückburg durch den dänischen König die jüngere Linie Glücksburg, die in
mehreren europäischen Königshäusern fortbesteht), 2. die Linie AErö (1621/1622-1643),
3. die Linie Nordborg (1621/1622-1669, deren Besitz fiel wegen Konkurses an den
dänischen König, die Linie bestand verarmt bis 1722), 4. die Linie Plön (1621/1622-1722,
bis 1729 mit der Nebenlinie Plön-Rethwisch) und 5. die [ältere] Linie
Glücksburg (1621/1622-1779, deren Besitz fiel dem dänischen König zu, das
Schloss blieb bis 1824 Witwensitz). Die Nachfahren der einstigen Oldenburger
Großherzöge der jüngeren Linie Holstein-Gottorf leben heute in
Schleswig-Holstein.
Die jeweils neuen Herrschaftsbereiche der Oldenburger leitet
Steinwascher mit einem kurzer Abriss zur Geschichte des bisherigen Königtums
bis zur Inthronisierung eines Oldenburgers ein. Es folgen mehr oder weniger
ausführlich deren Leistungen oder auch Scheitern während ihrer Herrschaftszeit,
im 19. Jahrhundert besonders hinsichtlich der Reform- und
Revolutionsbewegungen. Er weist auf die enge Verflechtung der Herzogtümer
Schleswig-Holstein mit dem Königreich Dänemark, dessen Könige bis auf die sich
emanzipierenden Gottorfer Linie die andern Oldenburger Linien eher mehr als
weniger beherrschten und nach Übernahme von deren meistens überschuldeten Anteilen
diese auch in Mittellosigkeit und Bedeutungslosigkeit „entließen“. Steinwascher
wirft im Epilog die Frage auf, ob bei den Oldenburgern überhaupt von einer
Dynastie mit gemeinsamer Geschichte, deren roter Faden bestimmt wird „durch die
Erbfolgeregelungen und Hausgesetze bzw. die Konsequenzen und Zufälligkeiten,
die sich aus ihrem Fehlen oder ihrer machtpolitischen Interpretation ergeben“,
gesprochen werden kann. Dazu weist er auf die Oldenburger Heiratskreise und die
Gegensätze innerhalb der Dynastie und richtet den Blick noch in die Gegenwart.
Auf Stammtafeln und Biografien folgen die Literaturhinweise
in chronologischer Abfolge nach den hauptsächlichen Agitationsbereichen von
Oldenburg als Grafschaft, Herzogtum und Großherzogtum bis zum Königreich
Griechenland (S. 304-310). Eine Karte – „Das
Haus Oldenburg in Europa“ (S. 311) – und Genealogien, das sind eine
Übersicht und vier Stammtafeln (S. 312-316), sowie ein Personenregister (S.317-332)
runden die Darstellung ab.
Bovenden Gudrun
Pischke