Schroeder, Klaus, Das neue Deutschland. Warum nicht zusammenwächst, was zusammengehört. wjs Verlag, Berlin 2010. 249 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Spinnen die Deutschen? Obwohl sie seit zwanzig Jahren vereint sind, betonen sie das Trennende und übersehen das gemeinsam Erreichte. Mit diesen Worten versucht der Verfasser, den Leser aufzurufen und für die Lektüre seiner in acht Kapitel gegliederten Betrachtung einzunehmen.

 

1949 in Travemünde geboren, ist er nach einem Studium von Biologie, Volkswirtschaftslehre und Politik in Berlin seit 1992 mit der Leitung des Forschungsverbunds SED-Staat und der Arbeitsstelle Politik und Technik an der Freien Universität Berlin mit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und ihrem Fortgang verbunden. 1998 legte er eine Untersuchung über den SED-Staat vor, 2000 eine Bilanz zum Preis der Einheit und 2008 die fragende Alternative Soziales Paradies oder Stasi-Staat?. Er ist also für ein Werk, das auf dem Umschlag links eine verkommene, verschlossene Hälfte eines kleinen wohlproportionierten Zweifamilienhauses, rechts die farbenfrohe, einladende, kommunikationsfreundlich modernisierte, das Grün der Natur durch das Metall der Technik ersetzende andere Hälfte zeigt, sehr gut ausgewiesen.

 

Nach einer kurzen Einleitung über zwanzig Jahre Einheit schildert er ohne Bilder oder Graphiken, aber mit einigen Anmerkungen und Literaturhinweisen im Anhang die Vereinigung als Zusammenschluss zweier (in einigen Hinsichten) verschiedenen Bevölkerungen, Befindlichkeiten, die nostalgische Verklärung der DDR als Fiktion im Gegensatz zur defizitären Schlussbilanz als Realität, die beispiellose Wohlstandsexplosion  ohne eigenes wirtschaftliches Fundament, die politische und mentale Spaltung mit schwächelndem Geist des Kapitalismus und die zu Grunde gelegte Distanz trotz Angleichung. Wie eigentlich die meisten großen Staaten der Erde zeigen, ist übereinstimmende Einheit nirgends und niemals sicher zu erreichen. Gleichwohl sind nicht nur die zahlreichen statistischen Befunde sehr lehrreich, sondern auch der Appell sehr begrüßenswert, andere zu verstehen und sich gemeinsam für den Fortbestand einer freiheitlich-demokratischen Ordnung und Gesellschaft einzusetzen, ohne dass freilich die linke Hälfte des Häuschens unbedingt die Angleichung der rechten Hälfte verursachen sollte.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler