Schilling, Ruth, Stadtrepublik und Selbstbehauptung. Venedig, Bremen, Hamburg und Lübeck im 16.und 17. Jahrhundert (= Städteforschung, Reihe A Darstellungen 84). Böhlau, Köln 2012. IX, 445 S. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von der Humboldt-Universität Berlin 2007 angenommene, von Heinz Schilling durch die europäische Ausrichtung seiner im Literaturverzeichnis ausführlich dokumentierten Forschungen im intellektuellen Rahmen geprägte, von Heinz Schilling und Wilfried Nippel begutachtete Dissertation der vom evangelischen Studienzentrum Villigst e. V. und dem deutschen Studienzentrum Venedig e. V. großzügig unterstützten, während der Schriftfassung am Sonderforschungsbereich 640 (Repräsentationen sozialer Ordnung im Wandel) beschäftigten, danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin (Charité) tätigen, dem von Heinz Schilling bis zu seiner Emeritierung 2010 bekleideten Lehrstuhl für Geschichte der frühen Neuzeit der Humboldt-Universität als assoziiertes Mitglied angehörigen Verfasserin. Sie betrifft den interessanten Vergleich zwischen vier Stadtrepubliken. Von ihnen liegen Bremen, Hamburg und Lübeck verhältnismäßig dicht beieinander und auch eng verflochten nebeneinander, während Venedig nicht durch engere Beziehungen verbunden ist.
Die Untersuchung gliedert sich in sechs Kapitel, von denen das erste Wandel und Kontinuität politischer Ordnungsvorstellungen in Stadtrepubliken in der ersten Hälfte der frühen Neuzeit betrifft und hauptsächlich den Untersuchungsgegenstand, den zugehörigen Forschungsstand, die Quellenauswahl und die Methodik beschreibt. Danach untersucht die Verfasserin die Inszenierung der Herrschaftslegitimität (Wahlen, Amtssetzungen, Begräbnisfeierlichkeiten, rituelle Selbstdarstellung) und die politische und religiöse Selbstdarstellung (Stadt und Kirche etwa bei Fronleichnamsprozessionen oder Bestattungen). Von hier aus geht die Verfasserin zu den Gruppen in der Stadt über und betrachtet die Teilhabe der Korporationen an der gesamtstädtischen rituellen Repräsentation.
Dem schließt sie im fünften Kapitel die Außendarstellungen im Ritual an. Im abschließenden Ergebnis betont sie als politische Ordnungsvorstellungen den Wandel im Inneren und die Kontinuität nach außen als Antwort auf das gewandelte politische Umfeld. Städtisch-republikanisch sind die aus Texten wie Bildern von der Verfasserin ermittelten Ordnungsvorstellungen deswegen, weil sie die Vielstimmigkeit des dauernden Austarierens komplexer politischer Ordnungen in den vier einbezogenen Städten zeigen, das nicht in einer Staatsbildung und Konfessionalisierung im Sinne einer polarisierenden Dichotomie von Herrschaftsausübung und Beherrschten endete, sondern mit Hilfe von Regulierung und Verschriftlichung allseits bewahrt wurde.
Innsbruck Gerhard Köbler