Rothacher, Albrecht, Die Kommissare. Vom Aufstieg und Fall der Brüsseler Karrieren. Eine Sammelbiographie der deutschen und österreichischen Kommissare. Nomos, Baden-Baden 2012. 254 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der 1955 geborene Verfasser studierte Sozialwissenschaften in Berlin, Konstanz, New Haven, London, Florenz und Tokio und kennt daher die Welt von vielen Seiten. Nach seiner akademischen Ausbildung fand er den Weg zur Europäischen Kommission, für die er27 Jahre tätig war. Der vorliegende Band verdankt nach der Einleitung seine Entstehung den Unwägbarkeiten der Personalpolitik der Europäischen Kommission, die ihm im Dezember 2010 per e-mail nicht ganz unerwartet die von ihm als stillose Prozedur eingestufte Kunde überbrachte, er werde ab 1. Januar 2011 dem neuen Gemeinsamen Auswärtigen Dienst zugeteilt, womit die Dienstzeit bei der Europäischen Kommission zu Ende sei.

 

Dadurch sah er sich in die unverhoffte Freiheit versetzt, über seine frühere Führungsetage sine ira et studio zu recherchieren und zu schreiben, wofür er ausschließlich öffentlich zugänglich(e) Quellen und persönliche Erinnerungen nutzte, ohne Geheimnisse auszuplaudern. Die meisten der beschriebenen Persönlichkeiten hat er selbst erlebt, selbst wenn die Kontakte notgedrungen oberflächlich und distanziert blieben, weil er nie in einem ihrer Kabinette arbeitete. Erfasst sind nach drei einführenden Kapiteln über die Karrieren (der Kommissare Glück und Ende), Ernennungen, Amtszeiten und Aufgaben sowie Arbeitsweisen, Bewertungen und Lebensstile Walter Hallstein, Hans von der Groeben, Fritz Hellwig, Ralf Dahrendorf, Guido Brunner, Karl Heinz Narjes, Alois Pfeiffer, Peter Schmidhuber, Martin Bangemann, Monika Wulf-Mathies, Michaele Schreyer, Günther Verheugen, Günther Oettinger, Franz Fischler, Benita Ferrero-Waldner und Johannes Hahn.

 

Das zusammenfassende Urteil geht entschieden dahin, dass - in Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten - Deutschland und Österreich seit Jahrzehnten schon zum eigenen Schaden scheinbar (gemeint ist wohl anscheinend) zweitrangiges bis drittrangiges Personal in internationale Organisationen, in erster Linie in die Europäische Union im Allgemeinen und die Europäische Kommission im Besonderen zu schicken pflegen und dass umgekehrt aber auch der Undank des Vaterlands gewiss sei. Im Detail führt dies auch im Einzelfall zu der Aussage, dass einen Kommissar zu seinem Unglück sein Realitätsverlust als traurigen Pausenclown enden ließ. Insgesamt bietet der eines Registers entbehrende, redaktionelle Schwächen nicht vollständig behebende Überblick eine subjektive, unverblümte, interessante, kritische Würdigung von Stärken wie Schwächen wichtiger Vertreter deutscher Politik seit Gründung der europäischen Gemeinschaften.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler