Rosenmayr, Leopold, Im Krieg auf dem Balkan. Erinnerungen eines Soldaten an den zweiten Weltkrieg. Böhlau, Wien 2012. 310 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der vom 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945 in Europa und bis zum 2. September 1945 in Ostasien tobende zweite Weltkrieg verursachte schätzungsweise den Tod von mehr als 55 Millionen Menschen, darunter 6 Millionen Juden und 5,3 Millionen Soldaten des Deutschen Reiches. Während jene nur geringe Lebenschancen gegenüber einer bewussten Vernichtungsstrategie hatten, kehrten von den mehr als 15 Millionen deutschen Soldaten immerhin zwei Drittel am Ende mehr oder weniger physisch oder psychisch versehrt wieder in ihre an manchen Stellen ziemlich verwüstete Heimat zurück. Während die meisten von ihnen ihre Erinnerungen schließlich bei ihrem Tode mit in ihr Grab nahmen, entschieden sich einige aus unterschiedlichen Gründen für eine allgemein zugängliche Veröffentlichung.

 

Einer der letzten, der dieses Wagnis noch nach 65 Jahren mit eigener Hand auf sich nehmen konnte, ist der in Wien am 3. Februar 1925 geborene, mit 18 Jahren auf Grund einsichtiger Überlegungen zum Dolmetscher der Wehrmacht des Deutschen Reiches ausgebildete und in den beiden letzten Kriegsjahren in Griechenland tätige Verfasser. Nach dem heil überstandenem Krieg und der Kriegsgefangenschaft studierte er Philosophie, promovierte 1949, gründete nach Auslandsaufenthalten in Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika 1954 eine sozialwissenschaftliche Forschungsstelle an der Universität Wien, habilitierte sich 1955 und wurde 1961 Professor für Soziologie und Sozialphilosophie an seiner Heimatuniversität. Sein wissenschaftliches Leben führte ihn in vielen Schriften sachlich von der Jugendsoziologie zum alten Menschen mit später Freiheit und örtlich zu vielen empirischen Erkenntnissen während langer Forschungsaufenthalte vor allem in Afrika.

 

Nach autobiographischen Notizen über den harten, unsicheren Anfang und einem Bericht über das frühe Erleben und das späte Deuten der Überwältigung (als Dreizehnjähriger) im Jahre 1938 beschreibt er im vorliegenden, einer wunderbaren Frau gewidmeten Werk sein Leben während des Krieges des Mussolini in Griechenland unterstützenden Deutschen Reiches auf dem Balkan, wobei in den Momenten der Erzählung von Erinnerung viele Jahrzehnte nach den Geschehnissen Tränen aus ihm hervorbrachen über sich selbst und das, was die deutschen Soldaten (bzw. wir) im Krieg getan hatten. Gegliedert ist der eindrucksvolle Bericht chronologisch in die drei Teile Griechenland, Balkan und Nachkriegszeit in Österreich. Das Ziel eines Beitrags zur geschichtlichen Wahrheit des 20. Jahrhunderts aus den Augen eines aufgeschlossenen Einzelnen hat der Verfasser in spannender Art zwischen Afroditi, Eleni, Torpedos, Bomben und Verhaftung vorzüglich erreicht, ohne dass die unerbittliche Geschichte es irgendjemandem zulassen kann, zweimal in denselben, dieses besondere Leben zwischen einem grausamen Gestern und einem hoffnungsvollen Morgen lange wahrenden Fluss zu steigen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler