Prodöhl, Ines, Die Politik des Wissens. Allgemeine deutsche Enzyklopädien zwischen 1928 und 1956. Akademie Verlag, Berlin 2010. VIII, 301 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Madeleine Herren betreute, von der Gebert-Rüf-Stiftung geförderte, unter dem Titel „Die Politik des Wissens. Allgemeine Enzyklopädien im >Dritten Reich<, in der Schweiz und in der SBZ/DDR“ von der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommene, für den Druck leicht überarbeitete Dissertation der Verfasserin, die in Zürich im Forschungsprojekt Allgemeinwissen und Gesellschaft ihren Ausgang nahm. Sie befasst sich mit Enzyklopädie, Lexikon, Wörterbuch, Theatrum, Schatzkammer, Nachschlagewerk, Schlag nach oder Dictionnaire benannten Werken , die von sich selbst behaupten Informationsquellen des so genannten Allgemeinwissens zu sein. Sie gehen von der Vorstellung eines frei zugänglichen, allgemeinen Wissens aus, zu dessen Erwerb, abgesehen von der Lesefähigkeit, keine besonderen Qualifikationen benötigt werden.
Die Verfasserin gliedert ihre Untersuchung nach einer ausführlichen Einleitung in vier Kapitel. Dabei beschreibt sie zunächst allgemein die deutschsprachigen Lexika im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Erfolgsmodells Konversationslexikon, der Dynamik des Wissens und des Netzwerks Wissen. Für die nationalsozialistische Zeit geht sie vertieft auf Meyers Lexikon (1936-1942), für die Schweiz auf das Schweizer Lexikon in sieben Bänden (1935-1948) und für die sowjetische Besatzungszone und die Deutsche Demokratische Republik auf F. A. Brockhaus, das Bibliographische Institut und die Bol’šaja Sovetskaja Encikopedija der 1950er Jahre ein.
Im Ergebnis stellt sie auf der Grundlage, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Wissensbestände von Enzyklopädien beeinflussen, ansprechend fest, dass allgemeine Enzyklopädien ein Medium sind, in dem sich eine Gesellschaft ihrer selbst vergewissert, wobei dieser Vorgang freilich auch absichtlich eingeleitet und gelenkt werden kann. Als bedeutsam erweisen sich hierbei kulturpolitische Ziele der Behörden ebenso wie Interessen von Verlegern und Autoren. Tatsächlich zeigt sich im Zuge eines umfassenderen technischen Vorgangs das Druckwerk anscheinend als dem elektronisch vernetzten, gegenwartsfähigeren Onlinewissensprodukt unterlegen.
Innsbruck Gerhard Köbler