Plogstedt, Sibylle, Knastmauke. Das Schicksal von politischen Häftlingen in der DDR nach der deutschen Wiedervereinigung. Psychosozial-Verlag, Gießen 2010. 472 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Sibylle Plogstedt (Berlin *1945) war 1968 gerade für eine Seminararbeit ihres sozialwissenschaftlichen Studiums in Prag, als Truppen des Warschauer Paktes zur Bekämpfung liberaler Bewegungen einmarschierten. Sie suchte Kontakt zu linken Studenten in Prag und wurde deswegen im Dezember 1969 wegen Unterstützung einer Vorläuferorganisation der Charta 77 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt und nach eineinhalb Jahren ausgewiesen. In der Folge wurde sie 1976 Begründerin der Berliner Frauenzeitung Courage und 1986 Redakteurin des Vorwärts in Berlin und wirkt als freie Filmemacherin, Autorin und Soziologin.
Ihr vorliegendes Werk befasst sich mit der interessanten Frage, was aus den politischen Häftlingen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nach Herstellung der deutschen Einheit geworden ist. Aus etwa 200000 Menschen hat sie für ihre Studie 25 (?) ausgewählt. Für sie betrachtet sie die heutige Situation, die Experten und Expertinnen, die Protokolle geteilt nach Haftzeiten zwischen 1945 und 1949 (Roland Bude, Horst Hennig), zwischen 1950 und 1959 (Renate Beckheet, Wolfgang Stiehl, D. S.), zwischen 1960 und 1969 (Angelika Hartmann, Gerald Zschorsch, Hans Georg Peschel, Monika Lutter, Bernd Fischer, Elke Herden, Rolf Buro), zwischen 1970 und 1979 (Bernd Markowsky, Gabriele Stötzer, Marion und Peter Hanke, Marion H., Eleonore Pudenz, Viola Malé) und zwischen 1980 und 1989 (Chris Michael Shirjak, Thomas Reschke, Mathias Tordinic), die Auswirkungen auf die Angehörigen, die Traumafolgen in Zahlen und das weitere Schicksal nach der Herstellung der deutschen Einheit.
Auf der Grundlage einer umfangreicheren Befragung von 802 ehemaligen politischen Häftlingen kann sie zeigen, dass etwa die Hälfte der etwa 200000 politischen Häftlinge (mehr als 85 Prozent Männer, weniger als 15 Prozent Frauen) nach Verbüßung ihrer Haft in der Deutschen Demokratischen Republik verblieben. Heute verdient etwa die Hälfte weniger als 1000 Euro im Monat. Obwohl sich etwa die Hälfte den Neubeginn nach 1989 anders vorgestellt hatte, sehnten sich dementsprechend als Folge der besonderen psychischenErlebnisse (Knastmauke) verständlicherweise weniger als 14 Prozent der Häftlinge die Deutsche Demokratische Republik zurück.
Innsbruck Gerhard Köbler