Hundert (100) Jahre Thüringisches Oberverwaltungsgericht. Gedenkschrift anlässlich der Arbeitsaufnahme des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts Jena (1912) und der Errichtung der Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit (1992), hg. v. Schwan, Hartmut. Boorberg, Stuttgart 2012. 175 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Da der Mensch eine Vergangenheit hat, gehört es zu seinem Wesen, sich ihrer zu besinnen. Für das thüringische Verwaltungsgericht geschieht dies dankenswerterweise im vorliegenden schmalen, aber gediegenen, vom Präsidenten des Gerichts herausgegebenen Band. Zu Recht weist der amtierende Justizminister Holger Poppenhäger in seinem Grußwort darauf hin, dass der Liberalismus die Überprüfbarkeit der administrativen Handlungen des Staates gegenüber den Bürgern durch die Gerichtsbarkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte, in der es noch kein geeintes Thüringen gab, in der aber 1897 das Herzogtum Sachsen-Meiningen in Meiningen ein eigenes Oberverwaltungsgericht einrichtete und zwei Jahre später Sachsen-Coburg-Gotha folgte.

 

Am 1. Oktober 1912 nahm dann das thüringische Oberverwaltungsgericht mit Sitz in Jena seine Arbeit auf, obgleich das unter den Wettinern zersplitterte Land erst 1920 zu einem einheitlichen Land des Deutschen Reiches zusammengefasst wurde. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Thüringer Landesherrschaften bis zur Arbeitsaufnahme des thüringischen Oberverwaltungsgerichts schildert dabei Gerhard Lingelbach im ersten der insgesamt sechs Beiträge des Sammelwerks auf der Grundlage der Entstehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland überhaupt. Im Anschluss hieran geht er auf den dafür notwendigen Staatsvertrag über die Errichtung des gemeinsamen thüringischen Oberwaltungsgerichts detailliert ein und erörtert seinen Inhalt.

 

Die Vorbereitungsmaßnahmen bis zur Arbeitsaufnahme behandelt Barbara von Saldern, die dafür die Ausführungsgesetze der beteiligten Staaten heranzieht. Danach verfolgt sie die Geschichte des Gerichts zwischen 1912 und 1919, von 1919 bis 1933 und über die Machtergreifung bis zum Zusammenbruch zu Beginn der Besatzungszeit. Den Beschluss des durch zwei Anlagen (u. a. Text des Staatsvertrags zwischen Sachsen, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt) und ein Literaturverzeichnis abgerundeten Werkes bildet dann Gerhard Lingelbachs und Elisabeth Ottos Betrachtung der Zeit zwischen dem Juni 1946 und der Auflösung im Jahre 1952, der auf Grund der politischen Entwicklung in der früheren Deutschen Demokratischen Republik eine verwaltungsgerichtliche Lücke bis 1992 folgte, ehe an die erfolgreiche rechtsstaatliche Tradition wieder angeknüpft werden konnte (vgl. dazu auch Otto, E., Das Verwaltungsrecht in der SBZ/DDR, 2012).

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler