Henkel, Michael, Hermann Hellers Theorie der Politik und des Staates. Die Geburt der Politikwissenschaft aus dem Geiste der Soziologie. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XVIII, 732 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Ignatz Hermann Heller wurde in Teschen in Schlesien als Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts am 17. Juli 1891 geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Wien, Innsbruck und Graz mit abschließender österreichischer Promotion wurde er 1920 bei Gustav Radbruch in Kiel habilitiert und 1921 zum Dozenten in Leipzig und zum Referenten am Institut für ausländisches öffentliches Recht in Berlin ernannt, wo er 1928 außerordentlicher Professor wurde. Er verstand den Staat als sozialen Rechtsstaat und setzte sich für einen national gesinnten Sozialismus ein, musste aber bald nach seiner Berufung an die Universität Frankfurt am Main (1932) wegen seiner Abstammung fliehen und starb wenig später in Madrid am 5. November 1933 im Alter von nur 32 Jahren.

 

Der in Fulda 1967 geborene Verfasser erwarb nach dem Studium von Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Mainz und Bonn 1993 mit der Arbeit Was heißt sozial im Sinne politischer Einstellung und politischer Konzepte? den Grad eines Magister Artium, wirkte danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie (Rolf Gröschner) in Jena und wurde 1997 in Mainz auf Grund der von Hans Buchheim betreuten, mit summa cum laude bewerteten Dissertation Frieden und Politik zum Dr. phil. promoviert. Im Anschluss hieran begann er mit einer von Hans Buchheim angeregten Untersuchung über Hermann Heller, die er gefördert durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft im September 2007unter dem Titel Die Geburt der Politikwissenschaft aus dem Geiste der Soziologie - Hermann Hellers Theorie der Politik und des Staates an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften einreichen konnte. Nach Abschluss des Habilitationsverfahrens im Februar 2009 konnte sie in überarbeiteter und gekürzter Form veröffentlicht werden.

 

Gegliedert ist die gewichtige Untersuchung nach einer Einleitung über die Fragestellung, die Wissenschaft von der Politik in Deutschland vor 1918 sowie Widersprüche und Defizite der Heller-Rezeption in drei chronologisch geordnete Teile. Sie betreffen Hermann Hellers entwickelndes Werk von 1918/1919 bis 1926, die daraus entstandene systematische Theorie der Politik und des Staates sowie schließlich Hellers Politikwissenschaft als Wirklichkeitswissenschaft einschließlich der Frage nach einem deutschen Sonderweg im politischen Denken und den Auswirkungen auf die Gegenwart im Hinblick vor allem auf ein kritisches Selbstbewusstsein der Politikwissenschaft. Im Ergebnis erklärt der Verfasser Hellers vor allem in seiner 1934 von Gerhart Niermeyer in Leiden herausgegebenen Staatslehre geäußerte Vorstellungen als politikwissenschaftliche Gestaltung einer gemeinsam mit Theodor Litt und Hans Freyer ausgebildeten Gesellschaftslehre, die auch in der Gegenwart noch fruchtbare Auswirkungen zeitigt.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler