Gedächtnisschrift
für Theo Mayer-Maly - zum 80. Geburtstag, hg. v. Harrer, Friedrich/Honsell,
Heinrich/Mader, Peter. Springer, Wien 2011. IX, 677 S. Besprochen von
Tilman Repgen.
Am
16. August 2011 wäre Theo Mayer-Maly, der am Nikolaustag 2007 in Salzburg
verstorben ist, 80 Jahre alt geworden. Zu seinem Gedächtnis sind die Arbeiten
von 38 Autoren zusammengebunden worden, die Breite und Tiefgang des
wissenschaftlichen Lebens Mayer-Malys widerspiegeln.
Den
Anfang machen sehr persönliche Worte Wolfgang Zöllners, die weithin auf
seinem Nachruf in der ZfA 2008, S. 237ff. aufbauen (1-5). Zöllner nennt
Mayer-Maly einen „Jahrhundertjuristen“. Das ist zwar kein geschützter
Berufstitel, bezeichnet aber eine Ausnahmegestalt. Dabei hebt Zöllner
einerseits auf die rasche Qualifikation mit größtem Erfolg ab, andererseits auf
die Spannweite der wissenschaftlichen Interessen, die vom Arbeitsrecht über die
Dogmatik des allgemeinen Privatrechts zur Rechtsgeschichte, insbesondere der
römischen, und zur Rechtsphilosophie reichte. Das nützliche
Schriftenverzeichnis (S. 625-674) bietet gewissermaßen den Beweis für diese These.
Ludwig
Adamovich bringt einen essayistischen Artikel zum Verhältnis von Staat,
Recht und Politik (S. 7-18), „Gedankensplitter“ (S. 8) zur Demontage des Staates durch Populismus
und Partikularismus, schwindender Akzeptanz von Rechtsnormen u. a. m. – Peter
Apathy informiert handbuchähnlich und abstrakt über „die Rechtsstellung des
debitor cessus bei der Sicherungsabtretung“ (S. 19-33). Letztere hatte die
österreichische Praxis im 19. Jahrhundert neben dem gesetzlichen Modell der
Forderungsverpfändung entwickelt.
Über
die „Entstehung der Rechtsgeschichte“ schreibt Heinz Barta (S. 35-51).
Ausgangspunkt ist die aristotelische Lehre, Einsicht werde sich erst ergeben,
wenn man die Dinge sich von ihren Ursprüngen her entwickeln sehe. Er setzt
damit gewissermaßen den Fachdialog mit Mayer-Maly fort. Rechtsgeschichte ist
für Barta ein, man könnte wohl auch sagen: der
Zugang zum Recht, der es als ein „Orientierungs- und Sinnvermittlungssystem“
(S. 38) nachvollziehbar mache. Leitende Ideen seien dabei Gerechtigkeit,
„Freiheit, Gleichheit, gesellschaftliche Teilhabe am politischen Geschehen,
Solidarität und das von den Griechen anvisierte menschliche und
gesellschaftliche ‚Glück‘“. Die Rechtsgeschichte sei, so meint Barta, letztlich
aus der historischen und vergleichenden Bearbeitung rechtlicher Fragen bei den
griechischen Philosophen hervorgegangen. Vorbild der Rechtsgeschichte sei die
Philosophiegeschichte, die bereits die griechischen Philosophen entwickelt
hätten. Für die Rechtsgeschichte seien unter diesen insbesondere Aristoteles
und Theophrast wichtig (S. 43).
Die
Geschichte von Kants Taube beschäftigt Okko Behrends. Dieser Vogel kommt
im luftleeren Raum mangels Widerstands nicht mehr recht voran. So ergehe es,
meint Behrends, auch dem, der die reine praktische Vernunft zur alleinigen
Beschäftigung macht (S. 53-82). So wenig, wie Behrends glauben möchte, dass
eine intelligente Taube die Luft als Hindernis betrachte, so wenig möchte er
Kant darin folgen, dass das Recht außerhalb der Begriffe „gar nicht
angetroffen“ werde (S. 54f.). Behrends betätigt sich weniger als
Rechtshistoriker, denn als Rechtsphilosoph. Kant ist ihm methodisch gesehen ein
lebendiger Konterpart, der mal Recht, mal Unrecht haben kann (vgl. insbesondere
S. 75, 77). Recht habe Kant damit, dass unbestimmte Rechtsbegriffe nun einmal
nicht der vollständigen Klärung zugänglich seien. Aber es sei falsch, wenn man
diese Begriffe von der praktischen Wirklichkeit abkopple (S. 56). Rechtliches
Handeln lasse sich – entgegen Kant – nicht auf einen „Gehorsam gegenüber einer
aus dem Apriori kommenden Vernunft“ reduzieren (S. 57), denn die
Berücksichtigung konkreter Umstände bei der Ausübung von Ermessen sei mit einer
apriorischen praktischen Vernunft unvereinbar. Savigny kritisiere zurecht, dass
Kant anstelle „einer Willkühr im Einzelnen eine Willkühr im Ganzen“ setze (S. 58). In der „dünne[n] Luft des
Vernunftgehorsams“ fehle der „Zugang zu den mitmenschlichen
Rücksichtsprinzipien der Moral“ (S. 62). Kant habe gemeint, so erklärt
Behrends, wenn alle Menschen streng den Gesetzen der praktischen Vernunft
folgten, ergebe sich gleichsam von allein „ewiger Friede“. Die unerbittliche
praktische Vernunft verlange auch kategorisch stets die Wahrheit zu sagen,
sogar gegenüber dem Häscher, der den im Haus versteckten Freund töten möchte
(cf. Kant, Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen, 1797 =
Akadamie Ausgabe VIII, 423ff.). Wenngleich sich Kant hier konkret mit einer
Äußerung des französischen Philosophen Benjamin Constant beschäftigt, ist die
Fragestellung sehr viel älter. Die unbedingte und ausnahmslose Pflicht zur
Wahrhaftigkeit betrachtete Kant als ein „Prinzip des Rechts“, obgleich man doch
meinen sollte, es sei geradezu ein Wesensmerkmal von Prinzipien, dass sie in
ihrer konkreten Anwendung Ausnahmen dulden würden. Behrends erscheint das
utopisch. Kant habe, so meint er, diese unbedingte Wahrheitspflicht „zu früh“
ausgerufen, sie passe nur zu einer Welt, in der bereits der „ewige Frieden“
herrsche (S. 65). – Der auf diese Weise und wenig sympathisch rekonstruierten
Rechtstheorie Kants stellt Behrends die Rechtstheorie der Stoa gegenüber, die –
trotz rigoristischer Härte (dazu S. 68) – „das Recht als eine in der
Wirklichkeit realisierte, zwischen Eigennutz und Fremdnützigkeit vermittelnde Ordnung
angeschaut“ habe (S. 80f.). Behrends belegt diese These anhand der Haltung der
Stoa zu den Grenzen der Wahrheitspflicht, zunächst mit Bezug auf Quintilian,
Institutiones oratoriae XII 1, 38, wo es genau um den soeben erwähnten Fall des
Häschers geht. Der Gehorsam gegenüber der Vernunft sei, so fährt Behrends fort,
durch die Beschränkungen der Einsicht des Menschen begrenzt. Unbedingt sei er
nur geschuldet, wenn „Einsicht in alle relevanten … Umstände“ (S. 70) bestehe –
ein utopischer Zustand. Für den Fall der Notlüge sei „nicht entscheidend, was
jemand sagt, sondern wie er es sagt, nämlich wie es im Verhältnis zu der von
rechtlichen und moralischen Prinzipien erfüllt gedachten Lage zu bewerten“ sei
(S. 71). So ist es dann nur folgerichtig, dass stets die Handlungsumstände bei
der Bewertung der Handlung mitbedacht werden müssen – ein Thema, dass in der
Privatrechtsdogmatik unter dem Stichwort „clausula rebus sic stantibus“ immer
wieder diskutiert worden ist. Die Stoa hat in den Augen von Behrends also
Recht, wenn und weil sie die konkrete Erfahrung vor dem Hintergrund
mitmenschlicher Werte bei der Beurteilung der Handlung mitberücksichtigt (S.
75). Die Voraussetzung der apriorischen Vernunft bei Kant, die dem Menschen
kategorisch gebiete, sei hingegen, so Behrends, „eine unbeweisbare Annahme, der
man, wenn man will, durchaus die Kennzeichnung schwärmerisch“ geben könne (S.
79). Und so verwundert es den Leser nicht, wenn Behrends schließlich die
kantische Rechtslehre verwirft und die stoische als richtige anerkennt (S. 80),
die sich im römischen Recht wirkmächtig durchgesetzt habe (S. 81), weshalb die
Utopie Kants letztlich Episode bleibe (S. 82).
Einem
Zentralthema Mayer-Malys widmet sich Hans-Peter Benöhr, der sich mit dem
Wucherparagraphen (§ 138 BGB) beschäftigt und das Sittenwidrigkeitsurteil ohne
subjektive Komponente ausreichen lassen möchte, auch um einer größeren
Methodenehrlichkeit willen, da die Rechtsprechung zu Verschuldensfiktionen
führe (S. 83-100). Gerade der mit der subjektiven Seite des Wuchergeschäfts
verbundene persönliche Vorwurf führe in große Schwierigkeiten, weil niemand einen
solchen unwidersprochen passieren lassen möchte (S. 89), wie Benöhr schreibt.
De lege lata spreche für die Beseitigung des Merkmals „Ausbeutung“ in § 138 II
BGB bereits, dass der subjektive Vorwurf systematisch dem Strafrecht entstamme.
Mit reichen Quellenzitaten belegt Benöhr freilich, dass § 138 II BGB genetisch
eine Strafvorschrift sei. Sie passe nur nicht ins Bürgerliche Gesetzbuch. Und
in § 138 I BGB sei ein subjektives Element vollends verfehlt, weil der Schutz
des Schuldners nicht vom Verschulden des Gläubigers abhängig zu machen sei. Mit
Recht erinnert Benöhr daran, dass man die Gesamtrechtsordnung bei der
Beurteilung eines Gesetzes im Auge behalten müsse (S. 98). Die Beweislastfragen
werden von Benöhr nur angedeutet. Hier bliebe manches zu erörtern.
Eine
in ihrer Tragweite noch längst nicht überall realisierte Veränderung des
Zivilrechts im 20. Jahrhundert ist durch die gesetzliche Verankerung der
Grundrechte in den Verfassungstexten eingetreten. Und so ist es bemerkenswert,
dass sich Mayer-Maly in einer seiner ersten wissenschaftlichen Arbeiten mit der
Freiheitsidee befasst hat. Es war die schriftliche Fassung seiner Promotionsrede.
Walter Berka greift diese Überlegungen aus dem Jahr 1955 auf und stellt
sie in den Zusammenhang der österreichischen Grundrechtsdogmatik (S. 101-112).
Berka wertet die historischen Thesen Mayer-Malys als „Wege zu
grundrechtsdogmatischen Erkenntnissen“ (S. 103) und weicht damit einer
Auseinandersetzung über die Fragen nach dem Ursprung der Freiheitsrechte aus,
dabei aber andeutend, dass eine Verortung vor der Zeit des jüngeren Naturrechts
kaum überzeugend sei (S. 103). Das lässt sich hier nicht diskutieren, wäre aber
diskussionswürdig. Berka konfrontiert die These Mayer-Malys, Freiheit sei ein
Recht, mit der im Positivismus abgestumpften Wirkung der Freiheitsforderungen
der Aufklärung, von der nur noch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des
Verwaltungshandelns übrig geblieben sei. Heute jedoch habe die
Grundrechtsdogmatik die Freiheit als konstitutiv für die demokratische Gesellschaft
anerkannt.
Ein
arbeitsrechtliches Thema wählt Martin Binder, indem er „Modifikationen
des zivilen Schadensersatzrechts im Rahmen von Arbeitsverhältnissen“ vorschlägt,
die in einer Kodifikation des Arbeitsrechts innerhalb des Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs stattfinden sollten (S. 113-139). Im Sinne einer Reintegration des
Arbeitsrechts ins allgemeine Zivilrecht wäre das ein nützlicher Zug. – Die
„guten Sitten“ sind der Gegenstand des Beitrags Horst Dreiers
(S. 140-158). Er sieht sie in unterschiedlichen Rollen: manchmal als
Schleuse für die Vermittlung faktisch gewandelter moralischer Anschauungen in
die Rechtsordnung, manchmal als „Bollwerk“ gegen abweichende Realitäten. Die eigene
Position des Autors bleibt zwar undeutlich, doch scheint er die erstere der
Rollen für vorzugswürdig zu halten.
Michael
Geistlinger behandelt die „Präjudizien im Völkerrecht“ (S.
159-186) und kann auch dafür an einen Beitrag Mayer-Malys anknüpfen. Deutlicher
ist der Zusammenhang aber in dem folgenden Aufsatz Peter Gollers zu
„Theo Mayer-Malys Auseinandersetzung mit der sozialistischen
Arbeitsrechtswissenschaft“ (S. 187-205), die viele biographische Details enthält.
– Michael Gruber knüpft mit seinem Aufsatz „Der grundrechtliche Schutz
des Erbrechts“ (S. 207-212) an Mayer-Malys Beitrag zur FS Adamovich (1992) an.
Wie Mayer-Maly sieht er den Inhalt des grundrechtlichen Erbrechtsschutzes in
der Garantie von Testierfreiheit, Intesterbfolge und Pflichtteilsrecht. – Friedrich
Harrer würdigt Mayer-Maly als Handelsrechtler (S. 213-223), eine Rolle, die
er eher en passant – und dies mit eleganter Leichtigkeit, wie Harrer betont –
ausgefüllt hat.
Anders
als in dem oben referierten Aufsatz Heinz Bartas ist für Heinrich Honsell
das antike römische Recht der Ursprung der wesentlichen Institutionen des
Privatrechts (S. 225-235). Gerade die Kenntnis der Rechtsgeschichte bewahre vor
unkritischem Dogmatismus (S. 225). Römische Zivilrechtsdogmatik sei ein ideales
„Propädeutikum des modernen Zivilrechts“. In Zeiten entsprechender Empfehlungen
des Wissenschaftsrats ist es nicht verkehrt, auch solche Bekenntnisse in
Erinnerung zu bringen, was freilich nicht für die Behauptung eines „dunklen“
Mittelalters (S. 226) gilt. Honsell
sieht eine ungebrochene und daher auch unkomplizierte Kontinuität zwischen den
Digesten und dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Schwächen des letzteren erscheinen
ihm als Unvollkommenheit bei der Interpretation der ersteren. Da gerät der
Rücktritt trotz Untergangs der Sache kurzerhand zur „falschen Lösung“ (S. 229).
Und so ist es für ihn konsequent, die Arbeiten an einem Europäischen
Zivilgesetzbuch dafür zu kritisieren, dass sie die „unerreichte Dogmatik“ (S.
234) des römischen Rechts missachten würden. Methodisch will dazu freilich der
Schluss, „Gesetzgeber und Rechtswissenschaft könnten nach Aufklärung über die
Genese einer Rechtsregel von der Tradition abweichen“ (S. 235), für den sich
Honsell auf Klaus Luig beruft, nicht ganz passen.
Georg
Klingenberg konfrontiert die Regel des § 400 ABGB, wonach
der, welcher einen Schatzfund verheimlicht, seinen Anteil zugunsten des
„Angebers“ bzw. des Fiskus verliert, mit der römischrechtlichen „Delation“ (S.
237-256). – Unter der Überschrift „Der Schutz der Menschenwürde im Verfassungsrecht
und im internationalen Recht“ beschäftigt sich Karl Korinek mit der
heterogenen Reichweite der Gewährleistungen der Menschenwürde (S. 257-268). –
„Methodologische Probleme des ‚autonomen Nachvollzugs‘ von EU-Richtlinien durch
die Schweiz“ greift Ernst A. Kramer auf (S. 269-278), der an einer schweizerischen
Selbständigkeit festhält. – Um die Stromversorgungssicherheit geht es im energierechtlichen
Beitrag Heinz Krejcis (S. 279-298). – Luigi Labruna schreibt über
das Berufsbild des Universitätsprofessors (S. 299-307).
Detlef
Liebs setzt sich detailliert mit einigen verfahrensrechtlichen
Fragen des Prozesses gegen Jesus auseinander (S. 309-325), den er für ein
prominentes Beispiel für ein Gerichtsverfahren – nicht eine Polizeimaßnahme (S.
322) – hält, das er zwar für „durchaus auf gesetzlicher Grundlage und rechtlich
vertretbar“ einschätzt, das aber „den Inbegriff eines ungerechten Urteils“
hervorgebracht habe (S. 324). Die Parallelen, die Liebs in einigen
problematischen Fällen US-amerikanischer Verfahren sieht (S. 324f.), wirken
freilich gesucht. Der Aufsatz ist ein interessanter methodischer Versuch,
historische Berichte – als solche liest er die Evangelien – anhand normativer
Rechtskenntnisse zu überprüfen. Richtigerweise bewegt sich Liebs dabei aber vor
allem im hypothetischen Bereich von Wahrscheinlichkeiten.
Carla
Masi Doria beschäftigt sich in einem knappen Aufsatz mit der
staatlichen Immunität anhand eines Textes über das Bellum Iugurthinum des Sallust und der Wiederkehr des Billigkeitsarguments
im Fall Ferrini in Italien 2004 (S. 327-331). – Um ein Problem internationalen
Verfahrensrechts geht es Franz Matscher, der sich mit dem Prinzip De minimis non curat praetor befasst (S.
333-345).
Franz-Stefan
Meissel beginnt seine Überlegungen zu „Vertragspraxis und
Privatrechtsdogmatik. Zum Umgang der römischen Juristen mit Vertragsklauseln am
Beispiel der societas“ mit Reflexionen Mayer-Malys zur Zielsetzung dogmatischer
Rechtswissenschaft (S. 347-362). Mit Recht betont Meissel die gegenseitigen
Bezogenheit von Theorie und Praxis, die keine Parallelwelten seien und
begründet dies mit konkreten Beobachtungen zur Klauselpraxis zum Recht der societas.
Auch
für das Thema „Goethe in der Bergwerkskommission Sachsen-Weimar-Eisenachs“ weiß
der Autor, Werner Ogris, eine Verbindung zu Mayer-Maly zu begründen (S.
363-376). – J. Michael Rainer schreibt über „Das Römische Recht als
Erkenntnisquelle zu Puchtas Lehre vom Gewohnheitsrecht“ (S. 377-394). Er
vertritt die These, dass Puchtas Lehre vom Gewohnheitsrecht auch nach dem Stand
heutiger Forschung aus den römischen Quellen ableitbar sei und dass man heute
noch diese Rechtsquellenlehre akzeptieren könne.
Reinhard
Richardi wendet sich dem kirchlichen Arbeitsrecht zu, das Mayer-Maly
so stark geprägt hat (S. 395-407). – Martin Schermaier liefert als
Schüler Mayer-Malys eine scharfsinnige Kostprobe der Leistungsfähigkeit
historischer Rechtskritik („Was schuldet der Schuldner? Die ‚Pflicht zur Anstrengung‘
im modernisierten Schuldrecht“, S. 409-422). Er erweist, in der Wertung mit
Picker übereinstimmend, das „Pflichtenrecht“ des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes
als „spätabsolutistisch“, als bevormundend, als ein Recht, das der
„Eigenverantwortung der Bürger ebenso wie den Fähigkeiten von Richtern und
Rechtswissenschaftlern“ misstraue und dem veralteten Gesellschaftsbild der
60er- und 70er Jahre anhänge, „in dem es nur Gute und Böse, nur Verbraucher und
Unternehmer“ gebe (S. 422). Das passt trotz der insofern zufälligen Abfolge der
Aufsätze in der Gedächtnisschrift sehr gut zu dem Essay Karsten Schmidts
über „Intellektuelle Moden in Recht und Rechtswissenschaft. Ein Versuch über
den Zeitgeist“ (S. 423-438), der den wissenschaftlichen Juristen die Aufgaben
rechtsethischer Kontrolle, rechtshistorischer und interdisziplinärer
Vergewisserung und teleologischer Systemsicht zuweist (S. 438).
Kurt
Schmoller wendet sich der „Gesichtsverschleierung im Strafprozess“ zu
(S. 439-459), die er entgegen der österreichischen Rechtsprechung für keinen
zulässigen Grund einschätzt, eine(n) Angeklagte(n) aus dem Gerichtssaal zu
entfernen. – Fritz Sturm hält ein Plädoyer für die Anerkennung der
deutschen Staatsangehörigkeit für in Besatzungsgebieten im Krieg gezeugte
Kinder deutscher Soldaten (S. 461-473). – Theodor Tomandl schreibt über
„Zwei Probleme der Arbeitskräfteüberlassung“ (S. 475-488), Andreas Wacke
über „Res iudicata pro veritate accipitur? Die Ziele des römischen
Zivilprozesses zwischen Verhandlungsmaxime und Untersuchungsgrundsatz“ (S.
489-524), also das zentrale Problem der Wahrheitssuche im Prozess. Zentral ist
das Thema nicht zuletzt deshalb, weil Wahrheit und Gerechtigkeit so eng
zusammenhängen. Wacke hebt hervor, dass ein Urteil nur dann als für Dritte
bindend verstanden werden könne, wenn
sein Ergebnis auf materieller Wahrheit beruhe. Im Bereich der
Dispositionsmaxime sei das jedoch gerade nicht gewährleistet, sondern nur dort,
wo der Untersuchungsgrundsatz gelte, in Rom also vor allem bei den Personenstandssachen
(S. 513), nicht aber beim Erwerb durch in
iure cessio (S. 521f.). Hätte Wacke auch den sächsischen Prozess des
Mittelalters in seine Untersuchung einbezogen, so wäre die Vielschichtigkeit
des Problems der Wahrheitssuche im Prozess freilich wesentlich deutlicher
hervorgetreten. – Wilhelm H. Wacker trägt mit einem Aufsatz zu
„Komplexität und Vereinfachung im Steuerrecht“ bei (S. 525-544) und kann auch
damit an Gedanken Mayer-Malys anschließen. – Wolfgang Waldstein
behandelt „Evidenz und Intuition bei den Römischen Juristen“ (S. 545-555). Zurückgreifend
auf Aristoteles entwickelt Waldstein die These, die Intuition im Sinne einer „aktive[n]
Seite des Einleuchtens“, der Evidenz, sei die Instanz, die das im Einzelfall
Gesollte erkenne. Waldstein pflichtet Kaser bei, der meinte, die römischen
Juristen verdankten den „Weg zur richtigen Rechtserkenntnis vornehmlich […]
ihrer genialen Intuition“ (S. 548). – Robert Walter greift als Thema
„Das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst“ auf, dessen
Träger Mayer-Maly war (S. 557-569). – Gunter Wesener äußert sich „Zur
Bedeutung des Usus modernus pandectarum für das österreichische ABGB“ (S.
571-592).
Laurens
Winkel fügt in das von ihm immer wieder maßgeblich gestaltete
„Mosaik“ der Lehre vom Rechtsirrtum ein paar weitere Steine hinzu, indem er
über „Rechtsirrtum im Völkerrecht bei Hugo Grotius“ schreibt und dabei selbstverständlich
auch die spanische Spätscholastik als für Grotius wichtige Quelle mitberücksichtigt
(S. 593-598).
Wiederum
stark biographische Bezüge haben die „Bemerkungen zu Mayer-Malys Österreichischem
Arbeitsrecht von 1970“ aus der Feder von Wolfgang Zöllners (S. 599-607).
Dieses Lehrbuch hält Zöllner für ein Grundlagenwerk, das in einzigartiger Weise
den Blick für „die Grundstrukturen des Rechtsquellengefüges und die Grundideen
der Lösung arbeitsrechtlicher Schutzaufgaben“ öffne und daher für Arbeitsrechtler
eine Pflichtlektüre sein sollte.
Zöllner
trägt also gleich doppelt zu dieser Gedächtnisschrift bei, an deren Ende ein
„Scherzvortrag“ Theo Mayer-Malys selbst aus dem Jahre 1965 steht: „Ius
civile dormientibus scriptum est“, redigiert durch Andreas Wacke (S. 611-624).
Mayer-Maly setzt sich hier in satirischer Weise mit wissenschaftlichen
Vorträgen, mit den Beiträgen von Prüflingen, mit duplex interpretatio, mit Kausalität und Zurechnung,
Interpolationen- und Konjekturalkritik sowie mit den tatsächlichen
Voraussetzungen für ein tieferes „Eindringen ins römische Recht“ auseinander,
zu denen hier Sofa, Kanapee, Zigarre und Bett gezählt werden – ein Beitrag zum
„romanistische[n] Surrealismus“ (S. 623).
Abgeschlossen
wird der Band mit einem Schriftenverzeichnis Mayer-Malys (S. 625-674), das
freilich um den posthum publizierten Scherzvortrag ergänzt gehört.
Gedächtnisschriften
sind wie Festschriften in der Regel nicht dazu gedacht, dass man sie von vorn
bis hinten durchliest. Unterzieht man sich aber dieser Aufgabe in diesem Fall,
so wird man reich entlohnt, nicht nur mit vielfältigen wissenschaftlichen
Erkenntnissen, mit interessanten Belegen für die Unterschiedlichkeit
wissenschaftlicher Arbeiten in Stil und Denkart, sondern es spiegelt sich in
ungewöhnlichem Maße auch die Biographie Mayer-Malys selbst in den Beiträgen
wieder, der so dem Leser geradezu lebendig gegenübertritt. Das ist ein schöner
Erfolg!
Hamburg Tilman
Repgen