Fremd im eigenen Land. Sinti und Roma in
Niedersachsen nach dem Holocaust. Katalog zur Ausstellung des Vereins für
Geschichte und Leben der Sinti und Roma in Niedersachsen e. V. bearb. v. Baaske,
Reinhold/Erchenbrecher, Boris/Mechler, Wolf-Dieter/Schmid, Hans-Dieter. Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh,
2012. 191 S., Abb., CD. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach der kurzen Einleitung beschreiben viele Sinti ihre Lage in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg mit den Anfangsworten des Werktitels. Seit 1940 wurden aus dem Gebiet des heutigen Niedersachsen etwa tausend Sinti und Roma deportiert, von denen nur jeder zehnte zurückkehrte. Dementsprechend fühlte er sich nicht nur verfolgt und entrechtet, sondern auch hoffnungslos verloren, obgleich seine Familie seit vielen Jahren oder Jahrhunderten in Deutschland gelebt hatte.
Hieraus ergaben sich viele Probleme der Anerkennung, Würdigung und Entschädigung der von dem nationalsozialistischen Regime (als Zigeuner) verfolgten Sinti und Roma. Auf sie macht zu Beginn des Paul Morgenstern (1910-1987) gewidmeten Bandes Günter Saathoff als Leiter der fördernden Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft nachdrücklich und umsichtig aufmerksam. Danach wird in 9 sachlichen Abschnitten der Sachgegenstand detailliert dargestellt.
Ausgehend von den Grundlagen und der Vorgeschichte, in der die seit 600 Jahren im deutschen Raum lebende nationale Minderheit als Zigeuner verfolgt und in der nationalsozialistischen Zeit dem (versuchten) Völkermord zugeleitet wurde, wird das Schwergewicht auf die Nachkriegsgeschichte gelegt, in der die anfängliche Freude über die Befreiung der Überlebenden sich bald mit Vorurteilen, Diskriminierung und Kriminalisierung konfrontiert sah, obgleich sie allmählich vom Wandergewerbe zur Sesshaftigkeit wechselte. Die Nachwirkungen des Nationalsozialismus verhinderten lange eine Wiedergutmachung, bis Sinti und Roma zu einer Bürgerrechtsbewegung fanden, aus der regionale Schwerpunkte in Hildesheim, Stade, Osnabrück, Leer, Braunschweig und Hannover geschildert werden. Kultur und Tradition der Sinti, , Roma in Niedersachsen und Aspekte des (überwiegend negativen) Zigeunerbilds der Mehrheitsgesellschaft in der Nachkriegsgesellschaft schließen den durch zahlreiche Abbildungen veranschaulichten, zum Nachdenken aufrufenden, durch Verzeichnisse der Literatur, Autoren, Personen und Orte sowie eine CD vorteilhaft abgerundeten Band eindrucksvoll ab.
Innsbruck Gerhard Köbler