Die Weimarer Staatsrechtsdebatte. Diskurs- und Rezeptionsstrategien, hg. v. Gangl, Manfred. Nomos, Baden-Baden 2011. 291 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

1922 gründete der in Leipzig 1868 als Sohn eines Prokuristen geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau und Leipzig 1891 über das Interregnum (eine staatsrechtliche Untersuchung) promovierte, 1893 habilitierte, ab 1900 in Tübingen und ab 1913 in Berlin tätige und auf Grund seines langjährigen Wirkens allgemein anerkannte Heinrich Triepel die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, um eine politische Spaltung der Gelehrten seines Faches zu verhindern und einen wissenschaftlichen Gesprächskreis für die Behandlung der seit 1919 bestehenden Verfassungslage zu schaffen. Dementsprechend fanden in Jena 1924, in Münster 1926, in München 1927 und in Halle 1931 Fachtagungen statt. Auf ihnen entwickelte sich eine längerfristige Diskussion, der viele bedeutende wissenschaftliche Leistungen zugeschrieben werden.

 

Deswegen verdient sie auch eine geschichtliche Einordnung noch nach vielen Jahren.. Sie wird von dem 1947 geborenen, 1987 durch eine philosophische Monographie über politische Ökonomie und kritische Theorie (der Frankfurter Schule) und 1994 durch einen Sammelband über Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik hervorgetretenen, als Maître de Conférences in Angers tätigen Herausgeber geboten. Er führt dementsprechend sachkundig in einer ausführlichen Einleitung in den leider nicht durch ein Sachverzeichnis aufgeschlossenen Sachgegenstand ein.

 

Dem folgen neun einzelne Referate. Sie betreffen das Frühwerk Erich Kaufmanns, die Grundlagendiskussion zwischen Rudolf Smend und Hans Kelsen, Hans Kelsen und Carl Schmitt als Antipoden, Carl Schmitts Stellung zum Heidelberger Rechtspositivismus, Julius Binders Weg zum absoluten Rechtspositivismus, den Außenseiter Gustav Radbruch, das Dilemma des Nichtjuristen aus der Sicht Waldemar Gurians, Relativismus, Positivismus und Demokratie bei Kelsen, Thoma und Radbruch sowie schließlich das Erbe Weimars aus der transatlantischen Perspektive Karl Loewensteins und Carl J. Friedrichs. Die mosaikartige Rekonstruktion der von Kelsen, Anschütz, Thoma und Radbruch einerseits und Erich Kaufmann, Smend, Heller und Carl Schmitt andererseits vertretenen Positionen eröffnet in den Details sowohl die Breite unterschiedlicher Staatsverständnisse wie auch deren geschichtliche Bedingtheit, so dass sie es sehr verdient, jenseits ihres konkreten Ablaufs für die gesamte Rechtsgeschichte fruchtbar gemacht zu werden.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler