Die Protokolle der Regierung der Republik Baden, bearb. v. Furtwängler, Martin, Band 1 Die provisorische Regierung November 1918-März 1919 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Kabinettsprotokolle von Baden und Württemberg, Teil 1, Band 1). Kohlhammer, Stuttgart 2012. IXIC, 357 S., Abb. Besprochen von Werner Schubert.

 

Nachdem die Kommission für die geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg für die Zeit von 1945 bis 1952 die Herausgabe der Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern übernommen hat (erschienen sind für Baden zwei Bände für die Zeit bis 1949), hat sie sich 2008 auch dazu entschlossen, die Protokolle der Regierungen der Republik Baden und des Volksstaates Württemberg von 1918 bis 1933 herauszugeben. Der vorliegende Band erschließt die Protokolle der provisorischen Regierung Badens von November 1918 bis März 1919, die am 9./10. November 1919 aus Mitgliedern der SPD, der USPD, des Zentrums und zwei weiterer Parteien gebildet worden war. Auf eine Bestallung der Minister durch den Großherzog Friedrich II., der erst am 22. 11. 1918 abdankte, wurde verzichtet. Die Regierung, die den Vorrang gegenüber den Räten sowie des Militärs durchsetzte, führte bereits am 5. 1. 1919 die Wahlen zur Badischen Nationalversammlung durch, die das Kabinett am 15. 1. 1919 bestätigte (S. XXI). Der Herausgeber Furtwängler behandelt in der Einleitung (S. IX-XCIX) die Bildung und Anerkennung der provisorischen Regierung, die Schwerpunkte der Regierungsarbeit sowie die Arbeitsweise des Kabinetts und die Biographien der Mitglieder der provisorischen Regierung. Ministerpräsident war Anton Geiß (SPD); Justizminister war Otto Marum (SPD; geb. 1882; 1934 im KZ Kislau ermordet), der auch der Nationalversammlung und dessen Verfassungsausschuss angehörte. Marum, von 1928 bis 1933 Mitglied des Reichstags, trat für eine Humanisierung des Rechtslebens, insbesondere für die Abschaffung der Todesstrafe ein (S. LXVII). Die Kabinettssitzungen hatten bis zur 28. Sitzung vom 21. 12. 1918 (S. 3-131) noch keine feste Tagesordnung; für die folgenden Sitzungen sind die Tagesordnungspunkte als Gliederungselement vorhanden (im Überblick S. 91ff. und im jeweiligen Protokoll enthalten). Die Protokolle halten ab der Sitzung vom 28. 12. 1918 nur die Beratungsergebnisse fest mit zwei Ausnahmen. Am 3. 1. 1919 beriet das Kabinett die Entwürfe zu einer Verfassung, die in der Folgezeit vom Parlament beraten und am 21. 3. 1919 verabschiedet wurde (hierzu Michael Braun, Der Badische Landtag 1918-1933, Düsseldorf 2009, S. 87ff.), und am 19. 2. 1919 über die Freiwilligenbataillone (Volksheer; S. 243ff.). Da die provisorische Regierung, die bis zum 1. 4. 1919 amtierte, endgültige Regelungen weitgehend vermied, kamen im Kabinett nur wenige Gesetzesvorlagen zur Sprache. Am 10. 2. 1919 wurde der Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeinde- und Städteordnung beraten (S. 211ff.). Leider sind die Diskussionen über die Vorlage, die zu erheblichen Änderungen des Entwurfs führten, nicht im Einzelnen dokumentiert. Ferner lag dem Kabinett der Entwurf zu einem Verwaltungsgesetz vor, den die Minister auf die Bestimmungen für die nächste Wahl der Bezirksräte und Kreisversammlungen beschränkten (S. 240f.). Hinzuweisen ist noch auf die im Kabinett behandelten Verordnungen über die Arbeitszeit (u. a. S. 21ff.) und das Gesetz über die Genehmigungspflicht von Grundstücksveräußerungen (S. 293). Weitere wichtige Beratungsgegenstände waren die militärische und wirtschaftliche Demobilisierung und die Versorgung der Bevölkerung (S. XXXIVff.). Die Edition wird abgeschlossen mit umfangreichen Registern (Personenregister, Ortsregister, Sachregister). Da die Edition dem Prinzip der „flachen Kommentierung“ verpflichtet ist (S. LXXVI), fehlen detaillierte Hinweise auf die archivalisch überlieferten Sachakten der Ministerien und die Parlamentsverhandlungen. In Verbindung mit diesen Materialien liegt mit der Edition ein wichtiges Arbeitsinstrument auch für die Verfassungs- und Rechtsgeschichte Badens in der Weimarer Zeit vor, die in den weiteren Bänden der Reihe noch weiter erschlossen werden dürfte.

 

Kiel

Werner Schubert