Das Duell - Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. v. Ludwig, Ulrike/Krug-Richter, Barbara/Schwerhoff, Gerd (= Konflikte und Kultur 23). UVK, Konstanz 2011. 369 S. 32 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Bei dem zur Besprechung anliegenden Buch handelt es sich um einen aus der Reihe der zahlreichen fächerübergreifend ausgerichteten Tagungsbände, die dankenswerter Weise den wissenschaftlichen Sukkus derartiger Symposien einer breiteren Interessensgemeinschaft zur Verfügung stellen. Zugrunde liegt eine vom Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) unter dem Titel „Das Duell vom Mittelalter bis zur Moderne. Interdisziplinäre und internationale Perspektiven“ ausgerichtete Konferenz, die auf einer Kooperation zwischen dem Dresdener Forschungsprojekt „Das Duell als kulturelle Praktik in der Frühen Neuzeit. Vergleichende Untersuchung zu Kursachsen, Mecklenburg und Schweden“ und dem Teilprojekt C2 „Symbole, Rituale und Gesten in frühneuzeitlichen Konflikten und alltäglichem Handeln“ des Münsteraner Sonderforschungsbereiches 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ basiert. Nach einer erhellenden Einleitung der Herausgeber behandelt der Band in insgesamt sechs Sektionen Ansichten zum Duell und disziplinäre Zugänge (5 Beiträge), mögliche Vor- und Frühgeschichten des Duells (3 Beiträge), unterschiedliche Diskursfelder (5 Beiträge), Duellpraktiken im ständischen Kontext der Fürsten und des Adels (4 Beiträge) sowie des Militärs, der Handwerker und der Studenten (5 Beiträge) und schließlich Konventionen der Darstellung des Duells (2 Beiträge). Teresa Endes und Jürgen Müllers Duelldarstellungen in der bildenden Kunst und im Film behandelnder, ikonographisch analysierender Text ist mit 29 (der insgesamt 32 im Band enthaltenen) Abbildungen illustriert, die in einem eigenen Verzeichnis gut dokumentiert sind. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass der Verlag den Sammelband mit jeweils einem die Einzelbeiträge überspannenden Orts-, Personen- und Sachregister ausgestattet hat, die Verfasser derselben werden indes nicht näher vorgestellt.

 

Inhaltlich ist anzumerken, dass bereits der Zugang zum Thema kontrovers ist, denn was unter einem Duell verstanden sein will, ist nicht so ohne Weiteres zu beantworten. Grundsätzlich kann dabei zwischen einem weiten Verständnis im Sinne einer an einem Bündel von Merkmalen festgemachten analytischen Kategorie und einer engen, an eine spezifische „Idee“ vom Duell gebundenen konzeptionellen Zugangsweise unterschieden werden, die einander zwar nicht ausschließen, aber verschiedene Erkenntnisinteressen reflektieren.

 

Aus der Fülle der Aspekte, die dieses Sammelwerk im umrissenen Kontext aufzeigt, seien zwei der dritten Sektion zugewiesene Beiträge ob ihres rechtsgeschichtlichen Gehalts besonders herausgehoben. Zum einen handelt es sich um Ulrike Ludwigs Abhandlung „Das Recht als Medium des Transfers. Die Ausbreitung des Duells im Alten Reich“ (S. 159 – 173), in der die Verfasserin den Versuch unternimmt nachzuweisen, dass die Ausbildung von Duellgesetzen in den Territorien des Alten Reiches nicht eine Reaktion auf eine „genuin neue Form von Gewalt“, sondern eine Neuetikettierung „für bestimmte Formen von Gewalthändeln“ und „das Ergebnis eines Rechtstransfers“ war (S. 161). Sie stützt sich dabei vornehmlich auf Rechtssetzungsprozesse und Gerichtsakten aus Kursachsen, Mecklenburg und Schwedisch-Pommern von der Mitte des 17. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert. Anhand dieses Materials kann sie zeigen, dass mit der Verwendung des Begriffs „Duell“ zunächst „noch kein abgrenzbares Verständnis der bei Duellen, Kämpfen, Schlägereien oder Balgereien auftretenden Handlungsweisen“ (S. 164) verknüpft war. Für die weitere Entwicklung sei das 1668 auf dem Regensburger Reichstag eingebrachte und von Kaiser Leopold I. bestätigte, aber nie in Kraft getretene Reichsgutachten zum Duell von Bedeutung gewesen, das „zentrale Bestimmungen der bis dahin bestehenden Gesetzgebung im Reich mit Elementen der französischen Duellgesetze zusammen(führte)“ und „in der Folgezeit häufig als Vorlage und wichtiger Bezugspunkt für territoriale Edikte (diente)“, denn über einen regen Rechtstransfer auf Reichsebene wie zwischen den Territorien kam es sowohl zur flächendeckenden Ausbreitung als auch zu einer „sukzessiven Weiterentwicklung“ der Duellgesetze. Dabei ist zu beachten, dass „im Unterschied zu der großen Präsenz von Duellgesetzen […] die Zahl der in den Quellen greifbaren Duelle noch bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert […] ausgesprochen gering (war)“ (S.166ff.). Erst die Aufnahme ausdifferenzierter Bestimmungen zur Sanktionierung von Verbal- und Realinjurien, die in den Rechtstexten als gerichtliche Satisfaktion bezeichnet wurden, in die Duelledikte brachte „die Injurien in einen unmittelbaren und als unumgänglich gedachten Wirkungszusammenhang mit Duellen“ (S. 170). Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts weisen die Gerichtsakten dann eine steigende Zahl von Strafprozessen aus, allerdings kaum gegen Duellanten, sondern überwiegend gegen Injurianten, denn „mit diesen Injurienklagen nach den Duellmandaten konnten die Kläger die für sich beanspruchte Zugehörigkeit zu den satisfaktionsfähigen Gruppen auf dem Rechtsweg wirkungsvoll bestätigen lassen“ (S. 172) und diesen als Distinktionsmittel nutzen, was für die Beklagten bisweilen mit demütigenden Prozeduren, wie dem öffentlichen Kniefall, verbunden war. Die gerichtliche Satisfaktion „kannte damit Sieger und Verlierer“ und leistete paradoxer Weise dadurch der folgenden „Hochphase des Duells“ unbeabsichtigt Vorschub, war diesem doch „die Bestätigung der Statusgleichheit der Kontrahenten ebenso eingeschrieben, wie eine beiderseitige konfliktlösende Wirkung intendiert war“ (S. 172).

 

Die Frage, ob das Versagen rechtlicher Regularien die Duell(un)kultur nachweislich begünstigt haben könnte, steht auch im Zentrum des zweiten, rechtsgeschichtlich relevanten Beitrags, des „Duell und juristischer Ehrenschutz. Zur Rolle des Duells in der Literatur des Ehrverletzungsrechts im 19. Jahrhundert“ überschriebenen Aufsatzes Marc Bors‘. Der Verfasser widerspricht darin der von prominenten Rechtsgelehrten wie Carl Joseph Anton Mittermaier, Carl Welcker, Rudolf von Jhering, Hermann von Bülow, Franz von Liszt, Heinrich Lammasch oder Hans Helfritz zwischen dem späten 18. und dem frühen 20. Jahrhundert mit unterschiedlichen Akzenten immer wieder ventilierten, sogenannten Verbindungsthese, wonach Mängel im Injurienrecht im kausalen Zusammenhang mit einer Konjunktur des Duellwesens stünden. Zwar zielten sowohl der Injurienprozess als auch das Duell auf den Schutz der verletzten Ehre, doch verwirkliche Letzteres als Mittel zur Darstellung sozialer Distinktion, als Möglichkeit der Selbstpräsentation des im Zweikampf das eigene Leben riskierenden Ehrenmanns und als Demonstration des Anspruchs auf autonome, die Kompetenz des Staates negierende Konfliktbewältigung ganz spezifische, der Rationalität eines gerichtlichen Verfahrens wesensfremde Elemente. Unzweifelhaft waren diese Duellzwecke aber auch den Vertretern der Verbindungsthese geläufig, weshalb sich die Frage nach ihren Motiven stelle. Marc Bors ortet eine Instrumentalisierung dieses argumentativen Konstrukts in Verfolgung bestimmter rechtspolitischer Anliegen, dessen sich sowohl die Vertreter der liberalen Injurientheorien als auch deren Kritiker, die „mit dem Mittel des Ehrverletzungsrechts in erster Linie einen Beitrag zur Herstellung von Ruhe und Ordnung in der Bürgerlichen Gesellschaft anstrebten“ (S. 184), gerne bedienten: „Je nach angestrebter Neuordnung des Ehrverletzungsrechts warnten Juristen entweder vor dem ‚Duellgespenst‘ oder bezogen sich auf das ‚Duellfaszinosum‘“. Dass mit dem Verschwinden der Duellsitte im frühen 20. Jahrhundert unweigerlich „ein Argument in der fortwährenden Debatte um die Verbesserung des juristischen Ehrenschutzes verloren (ging)“ (S. 186), ist dem Verfasser Anlass zur Warnung, dass nun andere, kurzweg zum „Missstand“ erklärte Phänomene diese Leerstelle besetzen könnten.

 

In Summe bietet der Band ein breites Spektrum an Denkansätzen an und fordert zu einer globalen Betrachtung des Duells im Sinne der weiten Definition des Begriffes heraus. Eine solche könnte beispielsweise den Blick auch zurück auf die an Zweikämpfen reiche Geschichte und Mythologie der Antike lenken und Befunde der Alten Geschichte und Altertumswissenschaft vergleichend einbinden. Der Beitrag zur medialen Inszenierung des Duells provoziert wiederum Assoziationen zur Dramatik des Western-Genres mit seinen zahllosen Revolverduellen à la High Noon. Es darf angenommen werden, dass eine solche zeitliche wie räumliche Ausweitung des Blickwinkels ihrer Forschungsprojekte von den Herausgebern mit Wohlwollen goutiert werden würde, bekennen sie sich doch nicht zuletzt mit der Aufnahme von Ahmet Topraks und Aladin El-Mafaalanis „Eine Frage der Männlichkeit. Duelle bei muslimischen Jugendlichen in Deutschland“ (S. 49 – 59) betiteltem Beitrag in den Band konkludent sowohl zur Aktualität als auch zur extensiven Nutzung der Begrifflichkeit.

 

Kapfenberg                                                                            Werner Augustinovic