Brakelmann, Günter, Peter Yorck von Wartenburg 1904-1944. Eine Biographie. Beck, München 2012. 336 S., 55 Abb. Besprochen von Werner Schubert.

 

Peter Graf Yorck von Wartenburg bildete zusammen mit Helmuth James Moltke den Mittelpunkt des Kreisauer Widerstandskreises. Im Gegensatz zu Moltke lag bisher keine Monographie über Yorck vor, was vor allem mit der spärlichen Quellenlage zusammenhängt. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass sich Brakelmann – Prof. em. für Christliche Gesellschaftslehre und Zeitgeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Bochum – der Biographie Peter Yorcks von W. unter Heranziehung bisher nicht zugänglich gewesener Briefe insbesondere an seine Mutter – angenommen hat. Der Ururgroßvater Yorcks war der Generalfeldmarschall Johann Daniel Ludwig Graf Yorck von Wartenburg, der im Dezember 1812 mit der ohne Wissen des Königs abgeschlossenen Konvention von Trauroggen den Widerstand gegen das napoleonische Regime eröffnet hatte. Der Vater Yorcks, der umfassend gebildete Heinrich Graf Yorck – er beherrschte sieben Sprachen – war antidemokratisch eingestellt und hatte sich noch im Januar 1914 als ein „antidemokratischer und antiparlamentarischer preußischer Monarchist gegen politische Veränderungen und drohende Verfassungsreformen“ gestemmt (S. 29). Die Weimarer Republik lehnte er noch kurz vor seinem Tode in einem Aufsatz über „Bismarcks Vermächtnis“ 1923 ab. Über die Einstellung Peter Yorcks zur Weimarer Republik ist unmittelbar nichts bekannt geworden. Wie sein Lehrer Hans Helfritz, der Breslauer Verfassungsrechtler, der der neuen Staatsform ablehnend gegenüberstand, jedoch zum Nationalsozialismus eine kritische Distanz hielt (hierzu ausführlich Thomas Ditt, „Stoßtruppfakultät“ Breslau, Rechtswissenschaft im „Grenzland Schlesien“ 1933-1945, Tübingen 2011, bes. S. 20ff., 231ff.), dürfte auch Yorck in seiner Dissertation von 1926 die Gültigkeit der Weimarer Verfassung nicht in Frage gestellt haben. Nach kurzer Richtertätigkeit trat Yorck in das dem sozialdemokratischen Staatssekretär des preußischen Landwirtschaftsministeriums Hans Krüger unterstehende Kommissariat für die Osthilfe (S. 68ff.) ein, von dem aus er im April 1934 als Justiziar in das Oberpräsidium für (Nieder-)Schlesien wechselte (hier zuständig für Landwirtschaft und Preisfragen). Unter dem neuen Oberpräsidenten Josef Wagner (ab Januar 1935; seit 1922 Nationalsozialist) wurde Yorck alsbald selbständiger Sachbearbeiter und dessen persönlicher Referent. Als Wagner im Dezember 1936 zusätzlich zum Reichskommissar für die Preisbildung beim Beauftragten des Führers für den Vierjahresplan ernannt wurde, wechselte Yorck in diese in Berlin eingerichtete neue Behörde, der er bis Mitte 1942 angehörte. Von da an war er bis zu seiner Verhaftung am 20. 7. 1944 beim Wirtschaftsstab Ost im Oberkommando der Wehrmacht tätig. Brakelmann lässt keinen Zweifel darüber, dass Yorck „Mitwisser des Völkermords durch Einheiten der Einsatzgruppen, der Wehrmacht und verschiedener Behörden“ und aufgrund der Arbeiten in seiner Behörde, „einem Teil des Oberkommandos der Wehrmacht“, gleichzeitig auch ein „Mittäter“ gewesen sei (S. 113).

 

Welche Vorbehalte Yorck gegenüber dem Nationalsozialismus von Anfang an im Einzelnen hatte – er war nicht der NSDAP beigetreten –, lässt sich nicht mehr feststellen. Nach Brakelmann „verdichtete“ sich seine Ablehnung 1938 „zu dem Entschluss, konsequent Widerstand gegen das NS-Regime zu leisten“ (S. 86). Im „Vorfeld einer getarnten Ablehnung“ befand er sich bei der Mitarbeit von Dezember 1940 bis Mai 1943 in der unter Leitung von Günter Schmölders stehenden Arbeitsgemeinschaft der Akademie für Deutsches Recht für Preispolitik, wobei er sich an einer Denkschrift von 1942 beteiligte (S. 102ff.); die Protokolle dieser Arbeitsgemeinschaft waren bisher nicht auffindbar. Im Kreisauer Kreis Moltkes – ein erstes Zusammentreffen mit ihm fand im Januar 1940 statt – hatte Yorck eine führende Stellung und vermittelte mannigfaltige Kontakte zum bürgerlich-militärischen Widerstand. Auch zur katholischen Kirche verfügte Yorck über intensive Kontakte (Münchner Jesuiten; Konrad von Preysing). Von rechts- und verfassungshistorischem Interesse sind die von Brakelmann präzise herausgearbeiteten Stellungnahmen Yorcks zu den Grundlagen der Staatslehre, zur Stellung des Staats gegenüber den Kirchen sowie zur allgemeinen Wirtschafts- und zur Agrarpolitik. An der abschließenden Denkschrift des Kreisauer Kreises vom 8. 8. 1943 war er maßgebend beteiligt. Nach der Verhaftung Moltkes am 19. 1. 1944 intensivierte Yorck seine Kontakte zu Stauffenberg und Goerdeler, in dessen Kabinettsliste er als Staatssekretär des Reichskanzlers vorgesehen war (S. 260). Seine Verurteilung durch den Volksgerichtshof erfolgte am 8. 8. 1944 (S. 280 ff.; vgl. auch Arnim Ramm, Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, Berlin 2007, S. 148ff., 251ff., 369ff.), der am selben Tag noch die Hinrichtung folgte.

 

Das Werk wird abgeschlossen mit einer Biographie zur Geschichte der Familie Yorck von Wartenburg (S. 233ff.) und einem Personenverzeichnis. Im Einzelnen hätte Brakelmann vielleicht noch ausführlicher auf Helfritz und den Vorgesetzten Yorks, Josef Wagner, eingehen sollen, der im November 1941 von Hitler aller Ämter enthoben und 1942 aus der NSDAP ausgeschlossen wurde. Insgesamt hat Brakelmann mit seiner eine gut lesbaren Biographie über Peter Yorck von Wartenburg, der bisher im Schatten Moltkes stand, ein auch für den Rechtshistoriker, der an den rechtspolitischen Grundlagen des Widerstands von 1944 interessiert ist, wichtiges Werk vorgelegt.

 

Kiel

Werner Schubert