Bernhardt, Markus, Was ist des Richters Vaterland? Justizpolitik und politische Justiz in Braunschweig zwischen 1879 und 1919/20. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2011. 420 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Markus Bernhardt (geboren 1959) studierte von 1980 bis 1985 Geschichte und Latein an der Universität Gießen, an der er 1989 mit der 1990 erschienenen Dissertation über Gießener Professoren zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik (1945-1957) promoviert wurde. Während der anschließenden Planung einer Untersuchung über die alltägliche Justiz im Nationalsozialismus wurde ihm eine Stelle als Studienrat an einer Gesamtschule in Braunschweig angeboten, so dass er von 1990 bis 1995 in Braunschweig und von 1995 am Gymnasium im Schloss in Wolfenbüttel als Lehrer wirkte, aber gleichzeitig an seinem wissenschaftlichen Vorhaben weiterarbeitete. Im Jahre 2001 erhielt er von Ulrich Mayer die Gelegenheit, seine Ziele als wissenschaftlicher Assistent für Geschichtsdidaktik an der Universität Kassel bis zur Habilitation im Jahre 2007 weiterzuverfolgen, um dann 2008 an die Pädagogische Hochschule in Freiburg im Breisgau und 2011 auf einen Lehrstuhl für Didaktik an der Universität Duisburg-Essen zu wechseln.

 

Die danach vorgelegte Arbeit gliedert sich in drei Teile. Zunächst untersucht der Verfasser die Braunschweiger Justiz im Bundesstaat (1879-1919/1920)). Daran schließt er seine Betrachtung des Personals des Landgerichts in Braunschweig zwischen 1879 und 1924 (Art, Umfang, Repräsentativität der Gruppen der Richter und Staatsanwälte, geographische Herkunft, soziale Herkunft, Ausbildung, Karriere, Parteien und Parlamente, Welfenproblem und politische Tätigkeit, Vereine) und die Strafrechtspraxis der Braunschweiger Landgerichte zwischen 1879 und 1920 im Vergleich an.

 

Auf Grund eindringlicher Befassung mit seinem Sachgegenstand gewinnt er erhebliche Zweifel an den Erkenntnissen der bisherigen Forschung. Nach seinen ansprechenden Befunden war die aus verhältnismäßig wenigen Personen bestehende Braunschweiger Richterschaft eine partikulare Elite. Sie bemühte sich einerseits um gesellschaftlichen Konsens, maß aber die Täter der Eigentumsdelikte, Gewaltdelikte und Sexualdelikte an einem bürgerlich idealisierten Menschenbild und wurde erst seit etwa 1890 einerseits kleinbürgerlicher und andererseits deutscher.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler