Augias, Corrado, Die Geheimnisse des Vatikan. Eine andere Geschichte der Papststadt, aus dem Italienischen von Heymann, Sabine. Beck, München 2011. 496 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dass es für ihn in der Welt Sichtbares und Unsichtbares gibt, weiß der mit dem Gesichtssinn ausgestattete Mensch seit seinen Anfängen. Über das Sichtbare besteht größere Klarheit als über das Unsichtbare. Dies macht sich der Mensch vielfach in der Weise zu Nutze, dass er zur Erhöhung seines Ansehens und zur Steigerung seiner Macht Geheimnisse auch dort schafft oder behauptet, wo Aufklärung dem Wohle vieler vielleicht eher dienen könnte als Verschleierung.

 

Der in Rom 1935 geborene Verfasser ist politischer Journalist, der in Italien auch als Fernsehmoderator, Kriminalschriftsteller und Theatorautor hervorgetreten ist. Nach seinen Geheimnissen Roms (2009) haben nun auch seine Geheimnisse des Vatikans den Weg in die deutsche Sprache gefunden. Kaum etwas interessiert schließlich den Menschen mehr als die Teilhabe an einem ihm zuvor verschlossenen Wissen anderer.

 

Dem Verfasser geht es bei den von ihm geschilderten Ereignissen nicht um den Vatikan ans höchste Institution der katholischen Kirche oder als Symbol des Glaubens, sondern  um den autonomen Staat Heiliger Stuhl mit Staatsorganen, Hoheitsgebiet, Flagge, Hymne, Währung, Armee und diplomatischen Vertretungen in aller Welt. Der Verfasser beginnt mit einem Haus ganz aus Gold bei Nero und der Geburt des Christentums und behandelt in insgesamt 16 Kapiteln danach die kleinste und älteste Armee der Welt, die konstantinische Schenkung, den Petersdom (unter Wahnsinn als Projekt), Franz von Assisi, die Künstler Bernini und Borromini, den Quirinal, , Gräber im Petersdom, den Templerorden, die Jesuiten, den (doch) üblen Geruch des Geldes, Michelangelo, die römischen Juden zwischen Adolf Hitler und Papst Pius XII. (am 16. Oktober 1943), das verschwundene Mädchen Emanuela , die heilige Inquisition und den Kampf gegen die Ketzer sowie das Opus Dei. Beigegeben sind einige Erläuterungen, Literaturhinweise und ein viele Personen von Abdülhamid II. bis zu Ulrich Zwingli umfassendes Personenregister. Insgesamt eröffnen sich dem Leser dabei vielfältige, flüssig formulierte Einsichten zur Geschichte einer verfolgten Sekte auf dem Weg zu einer global bedeutsamen, vom unwirklichen Geheimnis und seiner Mystifizierung zehrenden Macht.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler