Akten zur Südtirol-Politik 1945-1958. Eine Aktenedition in sechs Bänden, hg. und bearb. v. Gehler, Michael unter Mitarbeit v. Schimmelpfennig, Andreas/Unterthiner, Evi-Rosa. Band 1 Gescheiterte Selbstbestimmung. Die Südtirolfrage, das Gruber-De Gasperi-Abkommen und seine Aufnahme in den italienischen Friedensvertrag 1945-1947. Studienverlag, Innsbruck 2012. 656 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Durch den Friedensvertrag von Saint Germain (10. 9. 1919) erhielt Italien 1919 als Lohn für seinen 1915 erfolgten Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912, Londoner Geheimabkommen vom 26. 4. 1915) den südlich des Alpenhauptkamms gelegenen Teil Tirols (1918 3 Prozent der Bevölkerung italienisch­sprachig, 93 Prozent deutschsprachig, 4 Prozent Ladiner). In der Folge wurde dieses Gebiet nach der Machtübernahme der Faschisten in Italien am 28. 10. 1922 intensiv italienisiert (Italienisch als einzige Amtssprache, Übersetzung der Namen, Verbot deutschsprachigen Unterrichts, Auflösung von Verbänden und Vereinen, Ansiedlung von Italienern vor allem aus Süditalien, 90 Prozent der staatlichen Stellen mit Italienischsprachlern besetzt). 1930 bekräftigte Österreich (BGBl. Nr. 201/1930) in einem Vertrag mit Italien die Ansicht, dass die Südtirolfrage eine innere Angelegenheit Italiens sei.

 

Obwohl Italien durch Benito Mussolini auf Seiten Adolf Hitlers in den zweiten Weltkrieg eintrat, beschloss nach dem Sturz Mussolinis (1943) die alliierte Außenministerkonferenz in London am 11. 9. 1945, dass die Grenze zwischen Italien und Österreich grundsätzlich nicht geändert werden sollte. Auf internationalen Druck konnte Südtirol allerdings eine Reihe politischer Zugeständnisse Italiens erreichen. Die Akten zur Südtirolpolitik  in den Jahren von 1959 bis 1969 wurden dabei bereits ab 2005 von Rolf Steiniger ediert. Die ältere Lücke schließt nunmehr der früher ebenfalls in Innsbruck tätige Michael Gehler.

 

Der erste Band betrifft die Jahre von 1945 bis 1947 und enthält als Hauptgegenstände die im Untertitel hervorgehobenen Geschehisse. Im Einzelnen werden nach einer kurzen Einleitung des Herausgebers und der Darlegung der Grundsätze der Gesamtedition insgesamt 314 Dokumente von einem Bericht Hans Egarters (Brixen) aus dem Frühjahr 1945 über die Südtiroler Widerstandsbewegung Andreas Hofer bis zu einem Schreiben Hans Kness‘ (Innsbruck) an Josef Schöner (Wien) vom 13. 2. 1947 bzw. einer Teilabschrift vom Februar 1947 (Jahresversammlung der SVP) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Ein kurzes Sachregister von den Åaland-Inseln bis zu Zweisprachigkeit und ein Personenregister von Accioli bis Zuccarini schließen den informativen, eine sichere Grundlage legenden Band benutzerfreundlich auf und eröffnen die Hoffnung auf ein gutes Gelingen des in vielfacher Hinsicht interessanten und wichtigen Unternehmens.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler