Rüdiger, Gisela/Rogall, Gudrun, Die 111 Tage des Potsdamer Bürgerkomitees „Rat der Volkskontrolle“ 1989/80 (= Brandenburgische historische Hefte 20). Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Potsdam 2009. 127 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Anliegen des Buches ist es nach der kurzen Einleitung der beiden Verfasserinnen, in dem eng begrenzten Zeitfenster von Dezember 1989 bis April 1990 Geschehnisse und herausragende Ereignisse in der damaligen Bezirkshauptstadt Potsdam während der friedlichen Revolution dieser Zeit zu schildern. Das Bürgerkomitee bestand vom 6. Dezember bis zum 26. April und hatte wie andere Bürgerkomitees die Aufgabe der Kontrolle der Auflösung der Bezirksverwaltungen des Ministeriums für Staatssicherheit und ihrer Zweigstellen. Gisela Rüdiger (Wittenberge 1948) war nach dem Lehramtsstudium für Mathematik und Physik als Programmiererin tätig und wurde von 1991 bis 2009 Leiterin der Außenstelle Potsdam der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Gudrun Rogall (Potsdam 1949) war nach Studium und Promotion bis 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Pflanzenschutzforschung und im internationalen Patentrecht und wechselte danach in den öffentlichen Dienst Brandenburgs.

 

Gegliedert ist das mit verschiedenen Abbildungen veranschaulichte Werk außer in Einleitung und angehängte Dokumente in sechs Abschnitte. Die Grundlage bilden eine Charakteristik der Stadt Potsdam, die Ereignisse 1989 in Potsdam, die Besetzung der Bezirksverwaltung am 5. Dezember 1989 und die Einsetzung der Regierungskommission. Sehr ausführlich wird danach der Rat der Volkskontrolle von der Gründung über Anliegen und Zielsetzung, Zusammensetzung, Arbeitsweise und Organisation, Anliegen der Bürger (Zahl, Gegenstand, Beispiele) und Arbeitsschwerpunkte in den Sitzungen (Stadtverwaltung, Wirtschaft, Wehrbezirkskommando und Grenztruppen, Postzollamt, Einkünfte der Parteien, Auflösung der Bezirksveraltung des Ministeriums für Staatssicherheit, Wahlfälschung, Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaften, Verantwortlichkeit von SED und MfS sowie Rechtsextremismus) bis zur Auflösung untersucht.

 

Zwanzig Jahre danach ziehen die Bearbeiterinnen insgesamt ein positives Resümee, obwohl die Arbeit durch mangelnde Kooperation der staatlichen Stellen und Einrichtungen erschwert wurde und der Rat durch ehemalige inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit unterwandert worden war (sechs von 27 prägenden Teilnehmern). Einige Grundanliegen wurden in den Einigungsvertrag aufgenommen und nach dem 3. Oktober 1990 gesetzlich geordnet. Als entscheidenden Gewinn sehen die Verfasserinnen überzeugend die von vielen - darunter einigen sehr mutigen - Bürgern errungene Freiheit auf einem mühsamen, in der Chronologie ausgewählter Ereignisse zeitlich festgehaltenen Weg an.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler