Fasser, Manuel, Ein Tirol - zwei Welten. Das politische Erbe der Südtiroler Feuernacht von 1961. Studienverlag, Innsbruck 2009. 192 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das im Zuge der Völkerwanderung von Bayern besiedelte Gebiet südlich des Brenners bis zur Salurner Klause, dessen Bevölkerung 1918 zu 93 Prozent deutschsprachig, zu 4 Prozent ladinischsprachig und zu 3 Prozent italienischsprachig war, geriet nach der Gründung des Königreichs Italien (1861) in den Interessenbereich dieses neuen Nationalstaats, der es sich von England 1912 bzw. in einem Londoner Geheimabkommen vom 26. 5. 1915 als Lohn für einen Kriegseintritt auf Seiten der Alliierten zusagen ließ, nach dem Sieg der Alliierten 1919 besetzte und unter Ansiedlung von Süditalienern zu italienisieren versuchte (um 1970 mehr als 105000 Italiener in Südtirol). Österreich bekräftigte 1930 die Ansicht, dass die damit aufgeworfene Südtirolfrage eine innere Angelegenheit Italiens sei und Adolf Hitler stellte die Bewohner am 23. 6. 1939 in einem Optionsabkommen mit Benito Mussolini vor die Entscheidung für Italien oder die Aussiedlung in das Deutsche Reich, die etwa 75000 Südtiroler wahrnahmen, von denen allerdings rund 22000 bis 1952 wieder zurückkehrten. In einem bewaffneten Kampf gegen Italien sprengten Mitglieder des Geheimbunds Bundesausschuss Südtirol in der Nacht vom 11. Juni auf den 12. Juni 1961 (nur) 37 von 100 geplanten Strommasten, um die Weltöffentlichkeit auf die Behandlung Südtirol durch Italien aufmerksam zu machen und das Recht auf Selbstbestimmung im Sinne der Vereinigung Südtirols mit Nordtirol und Osttirol durchzusetzen.

 

Mit diesem Vorgang beschäftigt sich der1982 in Ehenbichl bei Reutte im Außerfern Tirols geborene, in Politikwissenschaft und Betriebswirtschaft ausgebildete, mehr als zehn Jahre als Journalist der Tiroler Tageszeitung tätige Verfasser. Er nennt als damals tätige Männer und Frauen Heinrich Klier, Josef Fontana, Sepp Mitterhofer, Luis Gutmann, Sepp Kerschbaumer, Sepp Forer, Norbert Burger, Lothar Dunkel, Peter Kienesberger, Luis Steinegger, Johann Clementi, Georg Klotz, Sepp Innerhofer, Alfons Obermair, Wolfgang Pfaundler, Jörg Pircher, Franz Muther, Martl Koch, Luis Heuser, Anton Gostner, Karl Titscher, Siegfried Steger, Kurt Welser, Hans Stieler, Herlinde Molling, Klaudius Molling, Erhard Hartung, Peter Kienesberger, Helmut Winterberger, Helmut Heuberger, Eduard Widmoser, Rupert Zechtl, Günther Andergassen, Luis Amplatz, Heinrich Oberleitner, Siegfried Carli und Karl Ausserer, als mögliche Sympathisanten Helmut Kritzinger, Hans Dietl, Eduard Wallnöfer, Fritz Molden, Silvius Magnago und Bruno Kreisky. Heimatliebe und Fremdenhass, Wahrheit und Unwahrheit, Geheimnis und Verrat lassen sich dabei nicht sicher trennen, wie etwa auch eine von Helmut Kritzinger an eine Wohnung Wolfgang Pfaundlers in Innsbruck gesandte Namensliste italienischen Verfolgern sehr früh in die Hände gefallen zu sein scheint.

 

Nach einem Vorwort Günther Pallavers über die Lichtung der Nebelwände, einer Vorbemerkung über Hofer und die Treue geht der Verfasser kurz allgemein auf die Geschichte Südtirols ein und wendet sich danach den Frauen und Männern des 11. Juni 1961 zu, deren Gesamtzahl (vor allem wegen namentlich im Dunkel gebliebener Nordtiroler Mitwirkender) unbekannt ist und deren Handeln vom Landeshauptmann, vom Bischof  und dem Presseherrn (aqls Gewinnern) rasch abgelehnt und zügig aus den Medien verdrängt wird und nur die kleinen Leute (als Verlierer) wenigstens anfangs begeistert. Zwischen Aktivisten, Attentätern, Guerilleros, Freiheitskämpfern und Terroristen entscheidet er sich im Ergebnis für die letzte politikwissenschaftliche Kategorie. Nach der Schilderung von Verhaftung, Folter, Gefängnis, Tod, Flucht, Exil oder auch Karriere stellt er als heutige Positionen der damaligen Terroristen auf Grund bon persönlichen Befragungen Kämpfer für das Tirolertum, stille Separatisten, Wahrer der Autonomie und Anhänger der Europaregion nebeneinander und fragt schließlich ohne eindeutiges Ergebnis, ob das damalige Handeln die Sache wert war bzw. ob die später erreichte Autonomie der wegen ausreichenden Wohlstands von Italien gar nicht befreit werden wollenden Südtiroler wegen der so genannten, letztlich nur zum Teilerfolg gelangenden Feuernacht der „Bumser“ oder trotz der Sprengungen erreicht wurde.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler