Gleichbehandlung -
Entgelt von Universitätsprofessoren - Mittelbare Diskriminierung -
Dienstalterszulage - Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem
Einzelnen durch dem Mitgliedstaat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht
entstanden sind - Einem nationalen Gericht zuzurechnende Verstöße EuGH, Urteil v.
30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich Leitsätze Gründe Urteil
1. Mit Beschluss vom 7. Mai 2001, bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen am 6. Juni 2001, hat das Landesgericht für
Zivilrechtssachen Wien gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen nach der Auslegung
von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) und der sich u.
a. aus den Urteilen vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C-46/93 und C-48/93
(Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029) und vom 17.
September 1997 in der Rechtssache C-54/96 (Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961)
ergebenden Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Vorabentscheidung vorgelegt. 2. Diese Fragen stellen sich im Rahmen einer
Schadensersatzklage, die Gerhard Köbler (im Folgenden: Kläger) gegen die
Republik Österreich wegen Verstoßes gegen eine gemeinschaftsrechtliche
Vorschrift durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs - des obersten
Verwaltungsgerichts - erhoben hat. Rechtlicher Rahmen 3. § 48 Absatz 3 des Gehaltsgesetzes 1956 (BGBl 1956/54) in der
Fassung von 1997 (BGBl I 1997/109, im Folgenden: GG) sieht vor: Soweit
es zur Gewinnung eines Wissenschaftlers oder Künstlers aus dem In- oder
Ausland notwendig ist, kann der Bundespräsident bei der Ernennung zum
Universitätsprofessor (§ 21 des Bundesgesetzes über die Organisation der
Universitäten, BGBl. Nr. 805/1993 - UOG 1993) oder zum Ordentlichen
Universitäts(Hochschul)professor ein höheres als das nach § 48 Abs. 2
gebührende Gehalt gewähren. 4. § 50a Absatz 1 GG bestimmt: Einem
Universitätsprofessor (§ 21 UOG 1993) und einem Ordentlichen
Universitäts.(Hochschul)professor, der eine fünfzehnjährige Dienstzeit in
dieser Verwendungsgruppe im Dienststand an österreichischen Universitäten
(Hochschulen) aufweist und vier Jahre im Dienststand im Bezug der
Dienstalterszulage gemäß § 50 Abs. 4 gestanden ist, gebührt ab dem
Zusammentreffen beider Voraussetzungen eine ruhegenussfähige besondere
Dienstalterszulage in der Höhe der Dienstalterszulage gemäß § 50 Abs. 4. Das Ausgangsverfahren 5. Der Kläger steht seit dem 1. März 1986 als ordentlicher
Universitätsprofessor in Innsbruck (Österreich) in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum österreichischen Staat. Bei
seiner Ernennung wurden ihm die Bezüge eines ordentlichen
Universitätsprofessors der Gehaltsstufe 10 zuzüglich der normalen
Dienstalterszulage eingeräumt. 6. Mit Schreiben vom 28. Februar 1996 beantragte er die
Zuerkennung der besonderen Dienstalterszulage für Universitätsprofessoren
nach § 50a GG. Er machte geltend, dass er zwar keine fünfzehnjährige
Dienstzeit als Professor an österreichischen Universitäten, sehr wohl aber
eine entsprechende Dienstzeit unter Berücksichtigung seiner Tätigkeit an
Universitäten in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft aufzuweisen habe.
Das Erfordernis der fünfzehnjährigen Dienstzeit ausschließlich an
österreichischen Universitäten - ohne Berücksichtigung der Dienstzeit an
Universitäten anderer Mitgliedstaaten - stelle nach dem Beitritt Österreichs
zur Gemeinschaft eine gemeinschaftsrechtlich nicht gerechtfertigte mittelbare
Diskriminierung dar. 7. Im Rechtsstreit, zu dem dieses Begehren des Klägers
führte, richtete der österreichische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom
22. Oktober 1997 ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof, das unter
der Nummer C-382/97 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen
wurde. 8. Mit Schreiben vom 11. März 1998 ersuchte der Kanzler des
Gerichtshofes den Verwaltungsgerichtshof um Mitteilung, ob es im Hinblick auf
das Urteil Schöning-Kougebetopoulou vom 15. Januar 1998 (C-15/96, Slg. 1998,
I-47) noch für notwendig erachtet werde, das Vorabentscheidungsersuchen
aufrechtzuerhalten. 9. Mit Beschluss vom 25. März 1998 forderte der
Verwaltungsgerichtshof die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auf,
sich zum Ersuchen des Gerichtshofes zu äußern, und führte aus, dass er
vorläufig davon ausgehe, dass die den Gegenstand des fraglichen
Vorabentscheidungsverfahrens bildende Rechtsfrage zugunsten des Klägers
gelöst worden sei. 10. Mit Beschluss vom 24. Juni 1998 nahm der
Verwaltungsgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen zurück und wies mit
Urteil vom selben Tag die Beschwerde des Klägers mit der Begründung ab, die
besondere Dienstalterszulage stelle eine Treueprämie dar, die eine Abweichung
von den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer sachlich rechtfertige. 11. In diesem Urteil vom 24. Juni 1998 heißt es u. a.: ...
Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Beschluss vom 22. Oktober 1997, mit
dem das Vorabentscheidungsersuchen gestellt wurde, davon ausgegangen, dass
der .besonderen Dienstalterszulage für ordentliche Universitätsprofessoren
weder der Charakter einer Treueprämie noch einer Belohnung zukommt, sondern
dass es sich um einen Bezugsbestandteil im Rahmen des Vorrückungssystems
handelt. Diese
im Verhältnis zu den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht
verbindlich geäußerte Rechtsauffassung wird nicht aufrechterhalten. ...
Daraus
ist ersichtlich, dass die besondere Dienstalterszulage gemäß § 50a GG 1956
nicht von der im Rahmen des Berufungsverfahrens vorzunehmenden
.Marktwertbildung erfasst ist, sondern ihr Ziel darin zu sehen ist,
Wissenschaftlern, die sich auf einem sehr mobilen Arbeitsmarkt bewegen, einen
positiven Anreiz zu einem Karriereverlauf an österreichischen Universitäten
zu bieten. Sie kann daher nicht Bestandteil der regelhaften Besoldung sein
und sieht wegen ihrer Widmung als Treueprämie als Anspruchsvoraussetzung eine
bestimmte Dauer der Dienstleistung als ordentlicher Universitätsprofessor an
österreichischen Universitäten vor. Dieser Bedeutung steht die Konstruktion
der besonderen Dienstalterszulage als Bestandteil des Monatsbezuges und der
damit verbundene Dauercharakter dieser Treueprämie nicht entscheidend entgegen.
Da
in Österreich - soweit dem im Beschwerdefall Bedeutung zukommt -
ausschließlich der Bund als Rechtsträger von Universitäten auftritt, gilt die
Regelung des § 50a GG 1956 - im Gegensatz zur Situation, die dem Urteil des
EuGH vom 15. Jänner 1998 [Schöning-Kougebetopoulou] in Deutschland zugrunde
lag - nur für einen Arbeitgeber. Die vom Beschwerdeführer geforderte
Berücksichtigung der Einrechnung von Vordienstzeiten erfolgt im Rahmen des
.Marktwertes bei den Berufungsverhandlungen. Die - weitere - Berücksichtigung
solcher Vordienstzeiten für die besondere Dienstalterszulage ist auch bei
österreichischen Wissenschaftlern, die nach einer Tätigkeit im Ausland wieder
in Österreich lehren, nicht vorgesehen und wäre dem vom EuGH als
Rechtfertigung einer an sich gegen das Diskriminierungsverbot verstoßenden
Regelung entsprechenden Gedanken der Honorierung der langjährigen Treue zu
einem Dienstgeber widersprechend. Da
es sich bei dem in Frage stehenden vermeintlichen Anspruch des Beschwerdeführers
auf eine besondere Dienstalterszulage nach § 50a GG 1956 um eine gesetzlich
vorgesehene Treueprämie handelt und eine solche Regelung aus den dargelegten
Gründen vom EuGH als Rechtfertigung einer in einem gewissen
Spannungsverhältnis zum Diskriminierungsverbot stehenden Regelung anerkannt
wird, erweist sich die auf die Verletzung dieses Diskriminierungsverbotes
aufgebaute Beschwerde als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG
abzuweisen ... 12. Der Kläger erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen die
Republik Österreich auf Ersatz des ihm durch die Nichtauszahlung einer
besonderen Dienstalterszulage entstandenen Schadens. Er trug vor, das Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 1998 widerspreche den unmittelbar
anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, wie sie der Gerichtshof in
den Urteilen ausgelegt habe, in denen er festgestellt habe, dass eine
besondere Dienstalterszulage keine Treueprämie darstelle. 13. Die Republik Österreich führte aus, dass das Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 1998 dem unmittelbar anwendbaren
Gemeinschaftsrecht nicht widerspreche. Außerdem könne aus einer Entscheidung
eines letztinstanzlichen Gerichts kein Staatshaftungsanspruch abgeleitet
werden. Die Vorlagefragen 14. Da das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien der
Ansicht ist, dass die Auslegung des Gemeinschaftsrechts in der bei ihm
anhängigen Rechtssache ungewiss, für den Erlass seiner Entscheidung aber
erforderlich sei, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem
Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1.
Ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach es für die
Auslösung der Staatshaftung wegen eines Verstoßes gegen das
Gemeinschaftsrecht gleichgültig ist, welches Organ eines Mitgliedstaats diese
Verletzung zu vertreten hat (z. B. Urteil Brasserie du pêcheur und
Factortame), auch auf jenen Fall anzuwenden, wenn es sich bei dem angeblich
gemeinschaftsrechtswidrigen Organverhalten um ein Erkenntnis eines
Höchstgerichts eines Mitgliedstaats handelt, wie im vorliegenden Fall um den
Verwaltungsgerichtshof? 2.
Falls die Frage 1 bejaht wird: Ist
die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach es Sache der Rechtsordnung jedes
Mitgliedstaats ist, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten zuständig ist, in denen es um individuelle, auf dem
Gemeinschaftsrecht beruhende Rechte geht (z. B. Urteil Dorsch Consult), auch
auf jenen Fall anzuwenden, wenn es sich bei dem angeblich
gemeinschaftsrechtswidrigen Organverhalten um das Urteil eines Höchstgerichts
eines Mitgliedstaats handelt, wie im vorliegenden Fall um den
Verwaltungsgerichtshof? 3.
Falls die Frage 2 bejaht wird: Widerspricht
die im oben dargestellten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs geäußerte
Rechtsmeinung, wonach es sich bei der besonderen Dienstalterszulage um eine
Art Treueprämie handele, einer Norm des unmittelbar anwendbaren
Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem mittelbaren Diskriminierungsverbot des
Artikels 48 EG-Vertrag und der dazu ergangenen einschlägigen und gefestigten
Rechtsprechung des Gerichtshofes? 4.
Falls die Frage 3 bejaht wird: Handelt
es sich bei dieser verletzten Norm des unmittelbar anwendbaren
Gemeinschaftsrechts um eine solche, die für die im Ausgangsverfahren klagende
Partei ein subjektives Recht begründet? 5.
Falls die Frage 4 bejaht wird: Verfügt
der Europäische Gerichtshof aufgrund des Inhalts des
Vorabentscheidungsersuchens über alle Informationen, um selbst beurteilen zu
können, ob der Verwaltungsgerichtshof im geschilderten Sachverhalt des
Ausgangsverfahrens den ihm zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum
offenkundig und erheblich überschritten hat, oder überlässt er die
Beantwortung dieser Frage dem vorlegenden österreichischen Gericht? Zur ersten und zur zweiten Frage 15. Mit den ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind,
möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz, dass die
Mitgliedstaaten zum Ersatz von Schäden, die einem Einzelnen durch ihnen
zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, verpflichtet
sind, auch dann anwendbar ist, wenn der gerügte Verstoß aus einer
Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts folgt, und ob es
gegebenenfalls Sache der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, zu
bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über
diesen Schadensersatz zuständig ist. Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen 16. Der Kläger, die deutsche und die niederländische Regierung
sowie die Kommission sind der Auffassung, dass ein einem Gericht
zuzurechnender Fehler die Haftung eines Mitgliedstaats wegen eines Verstoßes
gegen das Gemeinschaftsrecht auslösen kann. Nach Ansicht beider Regierungen
und der Kommission ist diese Haftung jedoch zu begrenzen und verschiedenen
einschränkenden Voraussetzungen zu unterwerfen, die zu den im Urteil
Brasserie du pêcheur und Factortame bereits aufgestellten hinzukämen. 17. Hierzu machen die deutsche und die niederländische
Regierung geltend, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß im Sinne
dieses Urteils nur dann vorliege, wenn eine gerichtliche Entscheidung in
besonderer Weise erheblich und offensichtlich gegen das geltende
Gemeinschaftsrecht verstoße. In besonderer Weise erheblich und offensichtlich
ist ein Rechtsverstoß eines Gerichts nach Ansicht der deutschen Regierung nur
dann, wenn die Auslegung oder die Nichtanwendung des Gemeinschaftsrechts zum
einen objektiv unvertretbar erscheine und zum anderen subjektiv als
vorsätzlicher Verstoß anzusehen sei. Diese restriktiven Maßstäbe seien zum
Schutz des Grundsatzes der Rechtskraft wie auch der richterlichen
Unabhängigkeit geboten. Darüber hinaus entspreche eine Beschränkung der
Staatshaftung für fehlerhafte Gerichtsentscheidungen einem allgemeinen, den
Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtsgrundsatz im Sinne des
Artikels 288 EG. 18. Die deutsche und die niederländische Regierung nehmen an,
die Haftung des Mitgliedstaats müsse auf gerichtliche Entscheidungen beschränkt
bleiben, gegen die es kein Rechtsmittel gebe, insbesondere weil Artikel 234
EG eine Vorlagepflicht nur für die Gerichte vorsehe, die solche
Entscheidungen erließen. Die niederländische Regierung ist der Ansicht, dass
die Staatshaftung auf Fälle eines offenkundigen und schwerwiegenden Verstoßes
gegen diese Vorlagepflicht beschränkt werden müsse. 19. Die Kommission macht geltend, dass eine Beschränkung der
Staatshaftung für gerichtliche Entscheidungen in allen Mitgliedstaaten
bestehe und dass diese notwendig sei, um die Rechtskraft von
Endentscheidungen und damit den Rechtsfrieden zu gewährleisten. Sie
befürwortet daher, einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen
Gemeinschaftsrecht nur dann anzunehmen, wenn das nationale Gericht seine
Befugnisse ganz offenkundig überschreite oder das Gemeinschaftsrecht in
seiner Bedeutung und Tragweite ganz offenkundig verkenne. Im vorliegenden
Fall sei der geltend gemachte Rechtsirrtum des Verwaltungsgerichtshofs
entschuldbar und diese Entschuldbarkeit sei eines der Kriterien dafür, keine
hinreichend qualifizierte Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. Urteil vom 4.
Juli 2000 in der Rechtssache C-424/97, Haim, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 43). 20. Die Republik Österreich und die österreichische Regierung
(im Folgenden einheitlich: Republik Österreich) sowie die französische
Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs tragen vor, dass ein
Mitgliedstaat nicht für den Verstoß eines Gerichts gegen Gemeinschaftsrecht
hafte. Sie stützen diese Ansicht auf die Rechtskraft von Entscheidungen, den
Grundsatz der Rechtssicherheit, die richterliche Unabhängigkeit, die Stellung
der Judikative in der Gemeinschaftsrechtsordnung sowie den Vergleich mit den
Verfahren vor dem Gerichtshof zur Begründung der Haftung der Gemeinschaft
nach Artikel 288 EG. 21. Die Republik Österreich macht insbesondere geltend, dass
die erneute Überprüfung der Rechtsmeinung eines letztinstanzlichen Gerichts
mit der Funktion dieses Gerichts unvereinbar sei, da dessen Entscheidungen
den Streitfall endgültig bereinigen sollten. Da sich der
Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 1998 ausführlich mit dem
Gemeinschaftsrecht auseinandergesetzt habe, stehe der Ausschluss einer
weiteren Klagemöglichkeit vor einem österreichischen Gericht in Einklang mit
dem Gemeinschaftsrecht. Darüber hinaus dürften die Voraussetzungen für die
Haftung eines Mitgliedstaats nicht von denjenigen abweichen, die für die
Haftung der Gemeinschaft unter vergleichbaren Umständen gälten. Da Artikel
288 Absatz 2 EG nicht auf einen Verstoß des Gerichtshofes gegen
Gemeinschaftsrecht Anwendung finden könne, da dieser in einem solchen Fall
zur Entscheidung über Schäden, die er selbst verursacht hätte, berufen wäre
und damit gleichzeitig als Richter und als Partei aufträte, könnten
Mitgliedstaaten auch nicht für Schäden haften, die ein letztinstanzliches
Gericht verursacht habe. 22. Überdies bezwecke Artikel 234 EG nicht, dem Einzelnen
Rechte zu verleihen. Denn im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor
dem Gerichtshof könnten die Parteien des Ausgangsverfahrens die Vorlagefragen
weder ändern noch für gegenstandslos erklären lassen (vgl. Urteil vom 9.
Dezember 1965 in der Rechtssache 44/65, Singer, Slg. 1965, 1268). Ferner
könne nur der Verstoß gegen eine Bestimmung, die dem Einzelnen Rechte
verleihe, gegebenenfalls zu einer Haftung des Mitgliedstaats führen. Ein
Verstoß gegen Artikel 234 EG durch ein letztinstanzliches Gericht könne sie
daher nicht begründen. 23. Die französische Regierung führt aus, dass die Anerkennung
eines Ersatzanspruchs wegen angeblich fehlerhafter Anwendung des
Gemeinschaftsrechts in einer rechtskräftigen Entscheidung eines nationalen
Gerichts dem Grundsatz der Rechtskraft widerspreche, wie ihn der Gerichtshof
in seinem Urteil vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-126/97 (Eco Swiss,
Slg. 1999, I-3055) anerkannt habe. Insbesondere sei der Grundsatz der
Unantastbarkeit der Rechtskraft in den auf den Vorrang der Gesetze und die
Einhaltung gerichtlicher Entscheidungen gestützten Rechtssystemen von grundlegender
Bedeutung. Dieser Gesetzesvorrang und die Einhaltung gerichtlicher
Entscheidungen würden jedoch durch die Anerkennung der Staatshaftung für
Verstöße eines Gerichts gegen Gemeinschaftsrecht in Frage gestellt. 24. Die Regierung des Vereinigten Königreichs trägt vor, dass
eine Haftungsklage gegen die Krone wegen gerichtlicher Entscheidungen
grundsätzlich nicht möglich sei, abgesehen von Ausnahmen u. a. bei einem
Verstoß gegen ein durch die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete
Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im
Folgenden: EMRK) geschütztes Grundrecht. Der dem Prinzip der Staatshaftung
zugrunde liegende Grundsatz des wirksamen Schutzes der Rechte, die das
Gemeinschaftsrecht verleihe, gelte nicht uneingeschränkt; das zeigten die
Ausschlussfristen. Dieser Grundsatz könne somit nur in seltenen Fällen und
nur im Hinblick auf bestimmte, genau definierte Entscheidungen nationaler
Gerichte eine Schadensersatzklage gegen den Staat begründen. Deshalb sei der
Gewinn, der sich aus der Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs wegen
einer fehlerhaften Gerichtsentscheidung ziehen lasse, gering. Dieser Gewinn
müsse gegen bestimmte überragende Belange abgewogen werden. 25. Zu nennen seien, erstens, die Grundsätze der
Rechtssicherheit und der Rechtskraft. Das Gesetz verhindere, dass wegen
derselben Streitfragen - außer im Wege eines Rechtsmittels - noch einmal
prozessiert werde. Dies geschehe zum Schutz der Interessen der obsiegenden
Partei und diene dem allgemeinen Interesse an Rechtssicherheit. Der
Gerichtshof habe sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, den Grundsatz
eines wirksamen Rechtsschutzes zugunsten der grundlegende[n] Prinzipien des
nationalen Rechtssystems, wie [desjenigen] der Rechtssicherheit und [desjenigen]
daraus abgeleitete[n] Prinzip[s] der Beachtung der Rechtskraft, zu
beschränken (Urteil Eco Swiss, Randnrn. 43 bis 48). Die Anerkennung der
Staatshaftung für judikatives Unrecht würde zu einem rechtlichen
Durcheinander führen und die Prozessparteien in Unsicherheit bezüglich ihrer
Rechtsposition lassen. 26. Die Autorität und das Ansehen der Justiz würden, zweitens,
geschmälert, wenn ein Justizirrtum zu einem Schadensersatzanspruch führen
könnte. Die Unabhängigkeit der Justiz stelle, drittens, einen elementaren
Grundsatz der Verfassungsordnung aller Mitgliedstaaten dar, der aber niemals
als selbstverständlich betrachtet werden könne. Die Anerkennung einer Haftung
des Staates für Rechtsprechungsakte könnte diese Unabhängigkeit in Frage
stellen. 27. Kehrseite der den innerstaatlichen Gerichten eingeräumten
Befugnis, gemeinschaftsrechtliche Sachverhalte selbst zu entscheiden, sei,
viertens, dass gelegentliche Fehlentscheidungen nationaler Gerichte, gegen
die es kein Rechtsmittel gebe und die nicht auf andere Weise korrigiert
werden könnten, hingenommen werden müssten. Dieser Nachteil sei aber immer
als hinnehmbar erachtet worden. Würde die Staatshaftung durch einen Fehler
der Justiz ausgelöst und müsste sich der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens
dazu äußern, so müsste er sich nicht nur zur Richtigkeit von Entscheidungen
nationaler oberster Gerichte, sondern auch zur Schwere und Entschuldbarkeit
eines diesen Gerichten unterlaufenen Fehlers äußern. Das hätte für die
außerordentlich bedeutungsvollen Beziehungen zwischen dem Gerichtshof und den
nationalen Gerichten offenkundig negative Folgen. 28. Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht, fünftens,
geltend, dass es schwierig sein könnte, ein für die Entscheidung über solche Staatshaftungsfälle
zuständiges Gericht zu bestimmen. Das gelte insbesondere im Vereinigten
Königreich wegen des einheitlichen Gerichtssystems und der strikten Anwendung
der Stare-decisis-Doktrin. Wenn die Staatshaftung durch eine Fehlentscheidung
der Judikative ausgelöst werden könne, müsste zudem, sechstens, die Haftung
der Gemeinschaft für Fehler der Gemeinschaftsgerichte in gleicher Weise und
unter denselben Voraussetzungen begründet werden. 29. Spezifisch zur zweiten Vorlagefrage tragen der Kläger sowie
die österreichische und die deutsche Regierung vor, dass es Sache der
Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats sei, zu bestimmen, welches Gericht für die
Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zuständig sei, in denen es um
individuelle, auf dem Gemeinschaftsrecht beruhende Rechte gehe. Diese Frage
sei daher zu bejahen. Antwort des Gerichtshofes Zum
Grundsatz der Staatshaftung 30. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits
entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für
Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das
Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt (Urteile
vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u.
a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 35, Brasserie du pêcheur und Factortame,
Randnr. 31, vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93, British
Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnr. 38, vom 23. Mai 1996 in der
Rechtssache C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 24, vom 8.
Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis
C-190/94, Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 20, vom 2. April 1998
in der Rechtssache C-127/95, Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531,
Randnr. 106, und Haim, Randnr. 26). 31. Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass dieser
Grundsatz für jeden Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht
unabhängig davon gilt, welches mitgliedstaatliche Organ durch sein Handeln
oder Unterlassen den Verstoß begangen hat (Urteile Brasserie du pêcheur und
Factortame, Randnr. 32, vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-302/97, Konle,
Slg. 1999, I-3099, Randnr. 62, und Haim, Randnr. 27). 32. Im Völkerrecht wird der Staat, dessen Haftung wegen
Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung ausgelöst wird, als
Einheit betrachtet, ohne dass danach unterschieden würde, ob der
schadensverursachende Verstoß der Legislative, der Judikative oder der
Exekutive zuzurechnen ist. Dasselbe muss erst recht in der
Gemeinschaftsrechtsordnung gelten, da alle staatlichen Instanzen
einschließlich der Legislative bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die vom
Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Normen, die die Situation des Einzelnen
unmittelbar regeln, zu beachten haben (Urteil Brasserie du pêcheur und
Factortame, Randnr. 34). 33. In Anbetracht der entscheidenden Rolle, die die Judikative
beim Schutz der dem Einzelnen aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen
zustehenden Rechte spielt, wäre die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen
beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte gemindert,
wenn der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen dann keine Entschädigung
erlangen könnte, wenn seine Rechte durch einen Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einer Entscheidung eines
letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats zuzurechnen ist. 34. Hierbei ist von Belang, dass ein letztinstanzliches
Gericht definitionsgemäß die letzte Instanz ist, vor der der Einzelne die ihm
aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehenden Rechte geltend machen kann. Da
eine durch eine rechtskräftige Entscheidung eines solchen Gerichts erfolgte
Verletzung dieser Rechte regelmäßig nicht rückgängig gemacht werden kann, darf
dem Einzelnen nicht die Befugnis genommen werden, den Staat haftbar zu
machen, um auf diesem Wege den gerichtlichen Schutz seiner Rechte zu
erlangen. 35. Im Übrigen ist ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst
nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden
können, insbesondere deshalb nach Artikel 234 EG zur Anrufung des
Gerichtshofes verpflichtet, um zu verhindern, dass dem Einzelnen durch das
Gemeinschaftsrecht verliehene Rechte verletzt werden. 36. Demnach verlangt der Schutz der Rechte des Einzelnen, der
sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, zwingend, dass diesem das Recht
zustehen muss, vor einem nationalen Gericht den Ersatz des Schadens zu
verlangen, der auf die Verletzung seiner Rechte durch eine Entscheidung eines
letztinstanzlichen Gerichts zurückzuführen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil
Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 35). 37. Einige Regierungen, die im Rahmen des vorliegenden
Verfahrens Erklärungen eingereicht haben, haben geltend gemacht, dass der
Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch
Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, nicht auf Entscheidungen
eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts Anwendung finden könne. Sie
haben sich u. a. auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, insbesondere die
Rechtskraft, auf die richterliche Unabhängigkeit und Autorität sowie auf das
Fehlen eines für die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten über die
Staatshaftung aufgrund solcher Entscheidungen zuständigen Gerichts berufen. 38. Hierzu ist festzustellen, dass die Bedeutung des
Grundsatzes der Rechtskraft nicht zu bestreiten ist (Urteil Eco Swiss,
Randnr. 46). Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit
rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach
Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden
Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr
in Frage gestellt werden können. 39. Die Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung für
Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte stellt jedoch die Rechtskraft
einer solchen Entscheidung nicht in Frage. Ein Verfahren zur Feststellung der
Haftung des Staates hat nicht denselben Gegenstand und nicht zwangsläufig
dieselben Parteien wie das Verfahren, das zur rechtskräftigen Entscheidung
geführt hat. Obsiegt nämlich der Kläger mit einer Haftungsklage gegen den
Staat, so erlangt er dessen Verurteilung zum Ersatz des entstandenen
Schadens, aber nicht zwangsläufig die Aufhebung der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung,
die den Schaden verursacht hat. Jedenfalls verlangt der der
Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnende Grundsatz der Staatshaftung eine
solche Entschädigung, nicht aber die Abänderung der schadensbegründenden
Gerichtsentscheidung. 40. Der Grundsatz der Rechtskraft steht demnach der
Anerkennung der Haftung des Staates für letztinstanzliche
Gerichtsentscheidungen nicht entgegen. 41. Auch dem Vorbringen zur richterlichen Unabhängigkeit und
Autorität kann nicht gefolgt werden. 42. Was die richterliche Unabhängigkeit betrifft, so geht es
bei dem genannten Haftungsgrundsatz nicht um die persönliche Haftung des
Richters, sondern um die des Staates. Es ist nicht ersichtlich, dass die
Unabhängigkeit eines letztinstanzlichen Gerichts durch die Möglichkeit, unter
bestimmten Voraussetzungen die Haftung des Staates für
gemeinschaftsrechtswidrige Gerichtsentscheidungen feststellen zu lassen,
gefährdet würde. 43. Zum Vorbringen, die Autorität eines letztinstanzlichen
Gerichts könnte dadurch geschmälert werden, dass seine rechtskräftigen
Entscheidungen implizit in einem Verfahren gerügt werden könnten, das die
Feststellung der Haftung des Staates für diese Entscheidungen ermöglicht, ist
zu bemerken, dass das Bestehen eines Rechtswegs, der unter bestimmten
Voraussetzungen die Wiedergutmachung der nachteiligen Auswirkungen einer
fehlerhaften Gerichtsentscheidung ermöglicht, auch als Bekräftigung der
Qualität einer Rechtsordnung und damit schließlich auch der Autorität der
Judikative angesehen werden kann. 44. Mehrere Regierungen haben außerdem vorgetragen, dass die
Schwierigkeit, ein Gericht zu bestimmen, das für Rechtsstreitigkeiten über
den Ersatz von aufgrund von Entscheidungen eines letztinstanzlichen Gerichts entstandenen
Schäden zuständig sei, ein Hindernis für die Anwendung des Grundsatzes der
Staatshaftung für solche Entscheidungen darstelle. 45. Da der der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnende
Grundsatz der Staatshaftung aus Gründen namentlich des Schutzes der dem
Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechte auch für
Entscheidungen eines letztinstanzlichen Gerichts gelten muss, ist es Sache
der Mitgliedstaaten, es den Betroffenen zu ermöglichen, sich auf diesen
Grundsatz zu berufen, indem sie ihnen einen geeigneten Rechtsweg zur
Verfügung stellen. Die Durchführung dieses Grundsatzes darf nicht durch das
Fehlen eines zuständigen Gerichts verhindert werden. 46. Nach ständiger Rechtsprechung ist es mangels einer
gemeinschaftsrechtlichen Regelung Sache der nationalen Rechtsordnung der
einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das
Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem
Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen
(vgl. Urteile vom 16. Dezember 1976 in der Rechtssache 33/76, Rewe, Slg.
1976, 1989, Randnr. 5, und in der Rechtssache 45/76, Comet, Slg. 1976, 2043,
Randnr. 13, vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 68/79, Just, Slg. 1980,
501, Randnr. 25, Francovich u. a., Randnr. 42, und vom 14. Dezember 1995 in
der Rechtssache C-312/93, Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12). 47. Unter dem Vorbehalt, dass die Mitgliedstaaten für den
wirksamen Schutz der individuellen, aus der Gemeinschaftsrechtsordnung
hergeleiteten Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich sind, ist es nicht
Aufgabe des Gerichtshofes, bei der Lösung von Zuständigkeitsfragen
mitzuwirken, die die Qualifizierung einer bestimmten, auf dem
Gemeinschaftsrecht beruhenden Rechtslage im Bereich der nationalen
Gerichtsbarkeit aufwirft (Urteile vom 18. Januar 1996 in der Rechtssache
C-446/93, SEIM, Slg. 1996, I-73, Randnr. 32, und Dorsch Consult, Randnr. 40).
48. Hinzu kommt, dass Erwägungen im Zusammenhang mit der
Achtung des Grundsatzes der Rechtskraft oder der richterlichen Unabhängigkeit
in den nationalen Rechtsordnungen zwar zu - bisweilen erheblichen -
Beschränkungen der Befugnis, die Haftung des Staates für durch fehlerhafte
Gerichtsentscheidungen verursachte Schäden feststellen zu lassen, geführt
haben, dass diese Erwägungen diese Befugnis aber nicht völlig ausschließen
konnten. Die Geltung des Grundsatzes der Staatshaftung für
Gerichtsentscheidungen ist nämlich - wie der Generalanwalt in den Nummern 77
bis 82 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - in der einen oder anderen Form
den meisten Mitgliedstaaten bekannt, wenn auch unter engen und
verschiedenartigen Voraussetzungen. 49. Weiter kann auch der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte insbesondere nach Artikel 41 EMRK einen Staat, der ein
Grundrecht verletzt hat, zur Entschädigung der verletzten Partei
verpflichten. Nach der Rechtsprechung dieses Gerichtshofs kann er eine solche
Entschädigung auch zusprechen, wenn die Verletzung auf einer Entscheidung
eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts beruht (vgl. EGMR, Urteil
Dulaurans/Frankreich vom 21. März 2000, noch nicht veröffentlicht). 50. Nach alledem ist der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten
zum Ersatz von Schäden verpflichtet sind, die einem Einzelnen durch ihnen
zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, auch dann
anwendbar, wenn der fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines
letztinstanzlichen Gerichts besteht. Es ist Sache der Rechtsordnung der
einzelnen Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung
von Rechtsstreitigkeiten über diesen Schadensersatz zuständig ist. Zu
den Voraussetzungen der Staatshaftung 51. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss ein
Mitgliedstaat Schäden, die einem Einzelnen durch Verstöße gegen das
Gemeinschaftsrecht entstanden sind, ersetzen, wenn drei Voraussetzungen
erfüllt sind: Die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu
verleihen, der Verstoß ist hinreichend qualifiziert, und zwischen dem Verstoß
gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten
Personen entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang
(Urteil Haim, Randnr. 36). 52. Das gilt auch für die Haftung des Staates für Schäden, die
durch eine gemeinschaftsrechtswidrige Entscheidung eines nationalen
letztinstanzlichen Gerichts verursacht wurden. 53. Was des Näheren die zweite dieser Voraussetzungen und ihre
Anwendung bei der Prüfung einer Haftung des Staates für eine Entscheidung
eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts angeht, so sind - wie auch die
Mitgliedstaaten vorgetragen haben, die in dieser Rechtssache Erklärungen
eingereicht haben - die Besonderheit der richterlichen Funktion sowie die
berechtigten Belange der Rechtssicherheit zu berücksichtigen. Der Staat
haftet für eine solche gemeinschaftsrechtswidrige Entscheidung nur in dem
Ausnahmefall, dass das Gericht offenkundig gegen das geltende Recht verstoßen
hat. 54. Bei der Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzung
erfüllt ist, muss das mit einer Schadensersatzklage befasste nationale
Gericht alle Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigen. 55. Zu diesen Gesichtspunkten gehören u. a. das Maß an
Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des
Verstoßes, die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums, gegebenenfalls die
Stellungnahme eines Gemeinschaftsorgans sowie die Verletzung der
Vorlagepflicht nach Artikel 234 Absatz 3 EG durch das in Rede stehende
Gericht. 56. Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ist jedenfalls dann
hinreichend qualifiziert, wenn die fragliche Entscheidung die einschlägige
Rechtsprechung des Gerichtshofes offenkundig verkennt (vgl. in diesem Sinne
Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 57). 57. Die drei in Randnummer 51 des vorliegenden Urteils
genannten Voraussetzungen sind erforderlich und ausreichend, um einen
Entschädigungsanspruch des Einzelnen zu begründen, schließen aber nicht aus,
dass der Staat nach nationalem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen
haftet (vgl. Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 66). 58. Vorbehaltlich des Anspruchs auf Entschädigung, der bei
Erfüllung dieser Voraussetzungen seine Grundlage unmittelbar im
Gemeinschaftsrecht hat, hat der Staat die Folgen des verursachten Schadens im
Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im nationalen
Schadensersatzrecht festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein
dürfen als bei ähnlichen Rechtsbehelfen, die nur nationales Recht betreffen,
und nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie die Erlangung der
Entschädigung praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Urteile
Francovich u. a., Randnrn. 41 bis 43, und Norbrook Laboratories, Randnr.
111). 59. Nach alledem sind die ersten beiden Fragen dahin zu
beantworten, dass der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz von
Schäden verpflichtet sind, die einem Einzelnen durch ihnen zuzurechnende
Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, auch dann anwendbar ist,
wenn der fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines letztinstanzlichen
Gerichts besteht, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem
Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und
zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer
Kausalzusammenhang besteht. Bei der Entscheidung darüber, ob der Verstoß
hinreichend qualifiziert ist, muss das zuständige nationale Gericht, wenn
sich der Verstoß aus einer letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung ergibt,
unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion prüfen, ob
dieser Verstoß offenkundig ist. Es ist Sache der Rechtsordnung der einzelnen
Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten über diesen Schadensersatz zuständig ist. Zur dritten Frage 60. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach
ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung des Artikels 234 EG nicht
befugt ist, über die Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift
mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden. Er kann aber aus den Fragen des
vorlegenden Gerichts unter Berücksichtigung des von diesem mitgeteilten
Sachverhalts das herausschälen, was die Auslegung des Gemeinschaftsrechts
betrifft, um diesem Gericht die Lösung der ihm vorliegenden Rechtsfrage zu
ermöglichen (vgl. u. a. Urteil vom 3. März 1994 in den Rechtssachen C-332/92,
C-333/92 und C-335/92, Eurico Italia u. a., Slg. 1994, I-711, Randnr. 19). 61. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht
wissen, ob die Artikel 48 EG-Vertrag und 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr.
1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) dahin auszulegen
sind, dass sie es untersagen, eine besondere Dienstalterszulage, die nach der
vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 1998 vertretenen
Auslegung eine Treueprämie darstellt, nach Maßgabe einer Bestimmung wie der
des § 50a GG zu gewähren. Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen 62. Der Kläger macht zunächst geltend, dass die besondere
Dienstalterszulage nach § 50a GG keine Treueprämie, sondern einen
gewöhnlichen Gehaltsbestandteil darstelle, wie der Verwaltungsgerichtshof
ursprünglich auch festgestellt habe. Außerdem sei bis zum Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
vom 24. Juni 1998 kein österreichisches Gericht davon ausgegangen, dass es
sich bei dieser Zulage um eine Treueprämie handele. 63. Selbst wenn diese Zulage jedoch eine Treueprämie sei und
eine solche Prämie eine mittelbare Diskriminierung rechtfertigen könnte, gebe
es keine einheitliche und gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofes zu
diesem Thema. Folglich habe der Verwaltungsgerichtshof dadurch, dass er sein
Vorabentscheidungsersuchen zurückgezogen und seine Entscheidung autonom gefällt
habe, seine Kompetenzen überschritten, weil die Auslegung und Definition
gemeinschaftsrechtlicher Begriffe in die ausschließliche Kompetenz des
Gerichthofes fielen. 64. Schließlich sei eine Rechtfertigung der ihm gegenüber
ausgeübten mittelbaren Diskriminierung in Anbetracht der Voraussetzungen für
die Gewährung der besonderen Dienstalterszulage ausgeschlossen. Diese stehe
dem Antragsteller unabhängig davon zu, an welcher österreichischen
Universität er beschäftigt gewesen sei, und verlange nicht einmal, dass er
während der fünfzehnjährigen Beschäftigungsdauer durchgehend innerhalb ein
und derselben Fachrichtung tätig gewesen sei. 65. Da der Gerichtshof das innerstaatliche Recht nicht
auslegen könne, ist die dritte Vorlagefrage nach Ansicht der Republik
Österreich dahin zu verstehen, dass das vorlegende Gericht die Auslegung von
Artikel 48 EG-Vertrag begehre. Diese Vorschrift stehe einem Besoldungssystem,
das die Berücksichtigung von bei anderen in- oder ausländischen Dienstgebern
erworbenen Qualifikationen im Wege der Einstufung von Stellenbewerbern
ermögliche und das daneben eine als Treueprämie zu qualifizierende Zulage
vorsehe, deren Bezug an eine bestimmte Dienstzeit beim selben Dienstgeber
geknüpft sei, nicht entgegen. 66. Da der Kläger als ordentlicher Universitätsprofessor in
einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehe, sei sein Dienstherr der
österreichische Staat. Folglich bleibe der Dienstherr der gleiche, wenn der
Professor von einer österreichischen Universität an eine andere wechsle. In
Österreich gebe es auch Privatuniversitäten. Die dort lehrenden Professoren
seien Arbeitnehmer dieser Einrichtungen und nicht des Staates, so dass ihre
Arbeitsbeziehungen nicht den Bestimmungen des GG unterlägen. 67. Die Kommission macht geltend, dass § 50a GG unter Verstoß
gegen Artikel 48 EG-Vertrag zwischen an österreichischen Universitäten und an
Universitäten anderer Mitgliedstaaten abgelegten Dienstzeiten diskriminiere. 68. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Endurteil die Tragweite
des Urteils Schöning-Kougebetopoulou verkannt. Angesichts neuer offener
Auslegungsfragen aus der Sicht des nationalen Rechts hätte er das
Vorabentscheidungsersuchen in abgeänderter Form fortführen müssen. Der
Gerichtshof habe niemals ausdrücklich festgestellt, dass eine Treueprämie als
Rechtfertigungsgrund für eine Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten
diskriminierende Norm dienen könne. 69. Darüber hinaus könne die im Ausgangsfall in Rede stehende
besondere Dienstalterszulage, selbst wenn sie als Treueprämie anzusehen wäre,
eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht rechtfertigen. Das
Gemeinschaftsrecht verwehre es einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht,
qualifizierte Arbeitnehmer dadurch an das Unternehmen zu binden, dass er Mitarbeitern
Lohnerhöhungen oder Zuschläge auszahle, die an die Dauer der Tätigkeit im
Unternehmen gebunden seien. Die Treueprämie des § 50a GG zeichne sich im
Gegensatz zu Treueprämien, die nur auf der Ebene der einzelnen Unternehmen
wirkten, dadurch aus, dass sie auf der Ebene des betreffenden Mitgliedstaats
im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten wirke und dadurch unmittelbare
Auswirkungen auf die Freizügigkeit der Professoren habe. Außerdem stünden die
einzelnen österreichischen Universitäten nicht nur in Wettbewerb mit den
Universitäten anderer Mitgliedstaaten, sondern auch untereinander. In
letzterem Rahmen zeitige die genannte Vorschrift jedoch keine Auswirkungen. Antwort des Gerichtshofes 70. Die besondere Dienstalterszulage, die der österreichische
Staat als Arbeitgeber den Universitätsprofessoren nach § 50a GG gewährt,
stellt einen finanziellen Vorteil dar, der zum Grundgehalt, das sich bereits
nach dem Dienstalter richtet, hinzu kommt. Ein Universitätsprofessor erhält
diese Zulage, wenn er mindestens 15 Jahre Dienstzeit an einer
österreichischen Universität aufweist und zudem seit mindestens 4 Jahren die
normale Dienstalterszulage bezieht. 71. Demnach schließt § 50a GG jede Möglichkeit aus, bei der
Gewährung der besonderen Dienstalterszulage Dienstzeiten zu berücksichtigen,
die ein Universitätsprofessor in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik
Österreich geleistet hat. 72. Eine solche Regelung kann die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer unter zwei Gesichtspunkten behindern. 73. Zum einen benachteiligt sie Wanderarbeitnehmer aus anderen
Mitgliedstaaten als der Republik Österreich, da Dienstzeiten, die diese als
Universitätsprofessoren in diesen Mitgliedstaaten abgeleistet haben, nur
deshalb nicht anerkannt werden, weil sie nicht an einer österreichischen
Universität abgeleistet wurden (in diesem Sinne, eine vergleichbare
griechische Vorschrift betreffend, Urteil vom 12. März 1998 in der
Rechtssache C-187/96, Kommission/Griechenland, Slg. 1998, I-1095, Randnrn. 20
und 21). 74. Zum anderen behindert diese unbedingte Weigerung, in
anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich abgeleistete Dienstzeiten
eines Universitätsprofessors anzuerkennen, die Freizügigkeit der in
Österreich ansässigen Arbeitnehmer, da sie diese davon abhalten kann, das
Land zu verlassen, um von ihren Freizügigkeitsrechten Gebrauch zu machen.
Denn bei einer Rückkehr nach Österreich würden ihre Beschäftigungsjahre als
Universitätsprofessor in einem anderen Mitgliedstaat, d. h. in Ausübung einer
vergleichbaren Tätigkeit, für die besondere Dienstalterszulage nach § 50a GG
nicht berücksichtigt. 75. Diesen Erwägungen steht entgegen dem Vorbringen der
Republik Österreich nicht entgegen, dass das Gehalt von zugewanderten
Universitätsprofessoren aufgrund des § 48 Absatz 3 GG, wonach ihnen ein
höheres Grundgehalt gewährt werden könne, um die Einstellung von an
ausländischen Universitäten tätigen Professoren zu fördern, oftmals höher sei
als dasjenige, das Professoren an österreichischen Universitäten - auch unter
Berücksichtigung der besonderen Dienstalterszulage - bezögen. 76. Zum einen schafft § 48 Absatz 3 GG nämlich nur eine Chance
und gewährleistet nicht, dass der an einer ausländischen Universität tätige
Professor mit seiner Ernennung zum Professor an einer österreichischen
Universität ein höheres Gehalt als die Professoren an österreichischen
Universitäten mit gleicher Berufserfahrung bezieht. Zum anderen ist die
Ergänzung des Gehalts, die nach § 48 Absatz 3 GG bei der Einstellung
angeboten werden kann, ganz anderer Natur als die besondere
Dienstalterszulage. Diese Vorschrift gleicht demnach die durch § 50a GG
bewirkte Ungleichbehandlung der zugewanderten Universitätsprofessoren
gegenüber den Professoren an österreichischen Universitäten nicht aus, was zu
einer Beeinträchtigung der durch Artikel 48 EG-Vertrag verbürgten
Freizügigkeit der Arbeitnehmer führt. 77. Eine Maßnahme wie die Gewährung der besonderen
Dienstalterszulage nach § 50a GG beeinträchtigt folglich die Freizügigkeit
der Arbeitnehmer, was gemäß Artikel 48 EG-Vertrag und Artikel 7 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 1612/68 grundsätzlich untersagt ist. Eine solche Maßnahme wäre
nur dann zulässig, wenn sie einen mit dem EG-Vertrag vereinbaren legitimen
Zweck verfolgte und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses
gerechtfertigt wäre. Zudem müsste ihre Durchführung zur Erreichung des
verfolgten Zweckes geeignet sein, und dürfte nicht über das hierzu
Erforderliche hinausgehen (vgl. u. a. Urteile vom 31. März 1993 in der
Rechtssache C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32, vom 30. November
1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37, und
vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921,
Randnr. 104). 78. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 24.
Juni 1998 entschieden, dass die in § 50a GG vorgesehene besondere
Dienstalterszulage nach nationalem Recht eine Prämie darstelle, die die Treue
der an österreichischen Universitäten tätigen Professoren gegenüber ihrem
einzigen Dienstherrn, d. h. dem österreichischen Staat, honorieren solle. 79. Es ist daher zu prüfen, ob daraus, dass diese Zulage nach
nationalem Recht eine Treueprämie darstellt, für das Gemeinschaftsrecht
gefolgert werden kann, dass sie auf einem zwingenden Grund des
Allgemeininteresses beruht, der die mit ihr verbundene Beeinträchtigung der
Freizügigkeit rechtfertigen kann. 80. Hierzu ist vorab festzuhalten, dass der Gerichtshof bisher
noch nicht entschieden hat, ob eine Treueprämie eine Beeinträchtigung der
Freizügigkeit der Arbeitnehmer rechtfertigen kann. 81. In den Randnummern 27 des Urteils Schöning-Kougebetopoulou
und 49 des Urteils vom 30. November 2000 in der Rechtssache C-195/98
(Österreichischer Gewerkschaftsbund, Slg. 2000, I-10497) hat der Gerichtshof
das entsprechende Vorbringen der deutschen bzw. der österreichischen
Regierung zurückgewiesen. Der Gerichtshof hat dort nämlich festgestellt, dass
die in Rede stehende Regelung nicht geeignet sei, die Treue eines
Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber zu honorieren, weil der
Gehaltszuschlag, den der Arbeitnehmer für sein Dienstalter erhalte, sich nach
den bei einer Mehrzahl von Arbeitgebern geleisteten Dienstjahren richte. Da
der Gehaltszuschlag in den diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen
keine Treueprämie darstellte, brauchte der Gerichtshof nicht zu prüfen, ob
eine solche Prämie für sich allein eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit
der Arbeitnehmer rechtfertigen könnte. 82. Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof in
seinem Urteil vom 24. Juni 1998 entschieden, dass die in § 50a GG vorgesehene
besondere Dienstalterszulage die Treue des Arbeitnehmers gegenüber einem
einzigen Arbeitgeber honoriere. 83. Zwar ist nicht auszuschließen, dass das Ziel der Bindung
der Arbeitnehmer an ihre Arbeitgeber im Rahmen einer Politik der Forschung
und der Hochschullehre einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses
darstellt. Angesichts der besonderen Merkmale der im Ausgangsverfahren in
Rede stehenden Maßnahme kann die mit ihr verbundene Beeinträchtigung jedoch
nicht mit diesem Ziel gerechtfertigt werden. 84. Zum einen sind alle Professoren an öffentlichen
österreichischen Universitäten zwar Arbeitnehmer eines einzigen Arbeitgebers,
nämlich des österreichischen Staates, jedoch bei verschiedenen Universitäten
beschäftigt. Auf dem Arbeitsmarkt für Universitätsprofessoren stehen die
einzelnen österreichischen Universitäten aber nicht nur mit den Universitäten
anderer Mitgliedstaaten, sondern auch untereinander im Wettbewerb. In
letzterem Rahmen ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme nicht
geeignet, die Treue eines Professors gegenüber der österreichischen
Universität, bei der er beschäftigt ist, zu fördern. 85. Zum anderen soll die besondere Dienstalterszulage zwar die
Treue der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber honorieren, sie entlohnt
aber letztlich Professoren an österreichischen Universitäten, die ihren Beruf
weiterhin in Österreich ausüben. Diese Zulage kann sich damit auf die
Entscheidung dieser Professoren für eine Beschäftigung an einer
österreichischen Universität oder an der Universität eines anderen
Mitgliedstaats auswirken. 86. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende besondere
Dienstalterszulage bewirkt daher nicht nur eine Honorierung der Treue des
Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Sie führt auch zu einer
Abschottung des Arbeitsmarkts für Universitätsprofessoren in Österreich und
widerspricht dem Wesen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. 87. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass eine Maßnahme wie
die besondere Dienstalterszulage nach § 50a GG die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer beeinträchtigt, ohne durch einen zwingenden Grund des
Allgemeininteresses gerechtfertigt zu sein. 88. Demnach ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass
die Artikel 48 EG-Vertrag und 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 dahin
auszulegen sind, dass sie es untersagen, eine besondere Dienstalterszulage,
die nach der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 1998
vertretenen Auslegung eine Treueprämie darstellt, nach Maßgabe einer
Bestimmung wie des § 50a GG zu gewähren. Zur vierten und zur fünften Frage 89. Mit der vierten und der fünften Frage, die gemeinsam zu
behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Mitgliedstaat im
vorliegenden Fall für eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das
Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 1998 haftet. Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen 90. Zur vierten Frage tragen der Kläger, die deutsche
Regierung und die Kommission vor, dass Artikel 48 EG-Vertrag unmittelbar
anwendbar sei und subjektive Rechte für den Einzelnen begründe, die die
nationalen Behörden und Gerichte zu schützen hätten. 91. Die Republik Österreich führt aus, dass die vierte Frage
nur zu beantworten wäre, wenn der Gerichtshof die vorangehenden Fragen nicht
im von ihr vorgeschlagenen Sinne beantworte. Da die vierte Frage nur für den
Fall der Bejahung der - ihrer Ansicht nach unzulässigen - dritten Frage
gestellt worden sei, schlägt sie dem Gerichtshof vor, diese vierte Frage unbeantwortet
zu lassen. Im Übrigen sei die Frage unklar, da der Vorlagebeschluss hierzu
keine Begründung enthalte. 92. Die fünfte Frage ist nach Auffassung des Klägers zu
bejahen, weil der Gerichtshof über alle Elemente verfüge, die ihm erlaubten,
selbst zu entscheiden, ob der Verwaltungsgerichtshof im Ausgangsverfahren den
ihm zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum offenkundig und erheblich
überschritten habe. 93. Die Republik Österreich ist der Ansicht, dass es den nationalen
Gerichten obliege, die Kriterien für die Haftung der Mitgliedstaaten für
Schäden anzuwenden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das
Gemeinschaftsrecht entstanden seien. 94. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage, ob die
Haftung der Republik Österreich begründet sei, selbst beantworten sollte,
führt sie jedoch, erstens, aus, dass Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt: Artikel
234 EG) nicht bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Diese
Haftungsvoraussetzung sei daher nicht erfüllt. 95. Unstreitig sei, zweitens, dass den nationalen Gerichten
bei der Frage, ob sie im Rahmen eines bei ihnen anhängigen Rechtsstreits ein
Vorabentscheidungsverfahren einleiten sollten oder nicht, ein weites Ermessen
zukomme. Da der Gerichtshof in seinem Urteil Schöning-Kougebetopoulou
festgestellt habe, dass Treueprämien nicht grundsätzlich den Bestimmungen
über die Arbeitnehmerfreizügigkeit widersprächen, sei der
Verwaltungsgerichtshof zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass er in dem bei
ihm anhängigen Rechtsstreit die gemeinschaftsrechtlichen Fragen selbst
entscheiden könne. 96. Sollte der Gerichtshof feststellen, dass der
Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 1998 gegen
Gemeinschaftsrecht verstoßen habe, so könne, drittens, das Verhalten dieses Gerichts
jedenfalls nicht als qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht
eingestuft werden. 97. Die Rücknahme der an den Gerichtshof gerichteten Vorlage
durch den Verwaltungsgerichtshof könne, viertens, keinesfalls kausal für den
vom Kläger konkret geltend gemachten Schaden sein. Einer derartigen
Argumentation liege nämlich die völlig unzulässige Annahme zugrunde, dass
eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes im Fall der Aufrechterhaltung des
Vorabentscheidungsersuchens zwangsläufig die Rechtsansicht des Klägers
bestätigt hätte. Mit anderen Worten würde dies bedeuten, dass der Schaden in
Form der Nichtauszahlung der besonderen Dienstalterszulage für den Zeitraum
vom 1. Januar 1995 bis zum 28. Februar 2001 nicht eingetreten wäre, wenn das
Vorabentscheidungsverfahren aufrechterhalten worden wäre und zu einer
Entscheidung des Gerichtshofs geführt hätte. Eine derartige Präjudizierung
der Entscheidung des Gerichtshofes in einem Vorabentscheidungsverfahren im
Sinne des Vorbringens einer Partei sei weder möglich noch sei es zulässig,
darauf gestützt einen Schaden geltend zu machen. 98. Die deutsche Regierung trägt vor, dass die Feststellung,
ob die Voraussetzungen der Haftung des Mitgliedstaats erfüllt seien, dem
zuständigen nationalen Gericht obliege. 99. Nach Ansicht der Kommission haftet der Mitgliedstaat im
Ausgangsverfahren nicht. Denn obwohl der Verwaltungsgerichtshof in seinem
Urteil vom 24. Juni 1998 das Urteil Schöning-Kougebetopoulou falsch ausgelegt
habe und durch seine Feststellung, dass § 50a GG nicht gegen
Gemeinschaftsrecht verstoße, gegen Artikel 48 EG-Vertrag verstoßen habe, sei
dieser Verstoß in gewisser Weise entschuldbar. Antwort des Gerichtshofes 100. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes obliegt die
Anwendung der Kriterien für die Haftung der Mitgliedstaaten für Schäden, die
Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind,
entsprechend den vom Gerichtshof entwickelten Leitlinien (Urteil Brasserie du
pêcheur und Factortame, Randnr. 58) grundsätzlich den nationalen Gerichten
(Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 55 bis 57, British
Telecommunications, Randnr. 411, vom 17. Oktober 1996 in den Rechtssachen
C-283/94, C-291/94 und C-292/94, Denkavit u. a., Slg. 1996, I-5063, Randnr.
49, und Konle, Randnr. 58). 101. In der vorliegenden Rechtssache verfügt der Gerichtshof
jedoch über alle Angaben, um feststellen zu können, ob die Voraussetzungen
für die Haftung des Mitgliedstaats gegeben sind. Der
Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht 102. Die Gemeinschaftsrechtsnormen, deren Verletzung im
Ausgangsverfahren in Rede steht, sind, wie aus der Antwort auf die dritte
Frage hervorgeht, die Artikel 48 EG-Vertrag und 7 Absatz 1 der Verordnung Nr.
1612/68. Diese Vorschriften ziehen die Folgerung aus dem elementaren
Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft und
verbieten jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche
Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten insbesondere bei der
Entlohnung. 103. Diese Vorschriften bezwecken unbestreitbar, dem Einzelnen
Rechte zu verleihen. Der
hinreichend qualifizierte Verstoß 104. Vorab ist an den Ablauf des Verfahrens zu erinnern, das zum
Urteil des Verwaltungsgerichtshof vom 24. Juni 1998 geführt hat. 105. In dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit zwischen dem Kläger
und dem Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst wegen dessen
Weigerung, dem Kläger die besondere Dienstalterszulage nach § 50a GG zu
gewähren, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof mit Beschluss vom
22. Oktober 1997, der unter der Nummer C-382/97 in das Register der Kanzlei
des Gerichtshofs eingetragen wurde, eine Frage nach der Auslegung des Artikels
48 EG-Vertrag und der Artikel 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1612/68 zur
Vorabentscheidung vor. 106. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Beschluss u.
a. aus, dass es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von
entscheidender Bedeutung sei, ob es dem durch Artikel 48 EGV geprägten
Gemeinschaftsrecht widerspreche, wenn der österreichische Gesetzgeber die
besondere Dienstalterszulage für ordentliche Universitätsprofessoren, der
weder der Charakter einer Treueprämie noch einer Belohnung zukomme, sondern
die einen Bezugsbestandteil im Rahmen des Vorrückungssystems darstelle, von
einer 15-jährigen Dienstzeit an einer österreichischen Universität abhängig
mache. 107. Zunächst ist festzustellen, dass aus diesem
Vorlagebeschluss eindeutig hervorgeht, dass der Verwaltungsgerichtshof
seinerzeit der Ansicht war, dass diese besondere Dienstalterszulage nach
nationalem Recht keine Treueprämie darstelle. 108. Sodann trug die österreichische Regierung in ihren
schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache C-382/97 lediglich vor, dass die
dort vorgesehene besondere Dienstalterszulage eine Treueprämie darstelle, um
darzutun, dass § 50a GG keinen Verstoß gegen den in Artikel 48 EG-Vertrag
verankerten Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstelle. 109. Schließlich hatte der Gerichtshof in den Randnummern 22
und 23 seines Urteils Schöning-Kougebetopoulou bereits entschieden, dass eine
Maßnahme, die jede Möglichkeit einer Berücksichtigung von im öffentlichen
Dienst eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten vergleichbaren
Beschäftigungszeiten ausschließt, gegen Artikel 48 EG-Vertrag verstößt. 110. Da der Gerichtshof zum einen bereits entschieden hatte,
dass eine solche Maßnahme gegen diese Vertragsbestimmung verstößt, und zum
anderen die einzige von der österreichischen Regierung vorgetragene
Rechtfertigung in Anbetracht des Vorlagebeschlusses nicht sachdienlich war,
übermittelte der Kanzler des Gerichtshofes dem Verwaltungsgerichtshof mit
Schreiben vom 11. März 1998 das Urteil Schöning-Kougebetopoulou, so dass
dieser prüfen konnte, ob er über die Kriterien für die Auslegung des
Gemeinschaftsrechts verfügte, die er für die Entscheidung des bei ihm
anhängigen Rechtsstreits benötigte, und ersuchte ihn um Mitteilung, ob er es
im Hinblick auf dieses Urteil noch für notwendig erachte, das
Vorabentscheidungsersuchen aufrechtzuerhalten. 111. Mit Verfügung vom 25. März 1998 gab der
Verwaltungsgerichtshof den Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits
Gelegenheit, zur Anfrage des Kanzlers des Gerichtshofes Stellung zu nehmen.
Dabei stellte er vorläufig fest, dass die im betreffenden
Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemachte Rechtsfrage zugunsten des
Klägers gelöst worden sei. 112. Mit Beschluss vom 24. Juni 1998 nahm der
Verwaltungsgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen zurück, da die
Aufrechterhaltung dieses Ersuchens für die Entscheidung des Rechtsstreits
nicht mehr erforderlich sei. Er wies darauf hin, dass die im vorliegenden
Fall entscheidende Frage laute, ob es sich bei der besonderen
Dienstalterszulage um eine Treueprämie handele, und dass diese im Rahmen des
nationalen Rechts zu beantworten sei. 113. Hierzu führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil
vom 24. Juni 1998 aus, dass er in seinem Beschluss vom 22. Oktober 1997, mit
dem das Vorabentscheidungsersuchen gestellt wurde, davon ausgegangen sei,
dass der besonderen Dienstalterszulage für ordentliche
Universitätsprofessoren weder der Charakter einer Treueprämie noch einer
Belohnung zukomme und dass diese im Verhältnis zu den Parteien des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht verbindlich geäußerte
Rechtsauffassung nicht aufrechterhalten werde. Der Verwaltungsgerichtshof
gelangt nämlich in diesem Urteil zu dem Schluss, dass diese Zulage sehr wohl
eine Treueprämie darstelle. 114. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der
Verwaltungsgerichtshof die Klassifizierung der besonderen Dienstalterszulage
nach nationalem Recht abgeändert hat, nachdem ihn der Kanzler des
Gerichtshofes um Mitteilung ersucht hatte, ob er sein Vorabentscheidungsersuchen
aufrechterhalten wolle. 115. Infolge dieser Umklassifizierung der in § 50a GG
vorgesehenen besonderen Dienstalterszulage wies der Verwaltungsgerichtshof
die Beschwerde des Klägers ab. In seinem Urteil vom 24. Juni 1998 leitete er
nämlich aus dem Urteil Schöning-Kougebetopoulou ab, dass diese Zulage, da sie
als Treueprämie zu qualifizieren sei, auch dann gerechtfertigt sein könne,
wenn sie an sich gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 48 EG-Vertrag
verstoße. 116. Wie sich aus den Randnummern 80 und 82 des vorliegenden
Urteils ergibt, hat sich der Gerichtshof im Urteil Schöning-Kougebetopoulou
zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine mit einer Treueprämie
einhergehende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gerechtfertigt sein
könnte, nicht geäußert. Die Erwägungen, die der Verwaltungsgerichtshof aus
diesem Urteil abgeleitet hat, beruhen daher auf einer irrigen Auslegung des
Urteils. 117. Da der Verwaltungsgerichtshof somit zum einen seine
Auslegung des nationalen Rechts durch Klassifizierung der in § 50a GG
vorgesehenen Maßnahme als Treueprämie änderte, nachdem ihm das Urteil
Schöning-Kougebetopoulou übersandt worden war, und der Gerichtshof sich zum
anderen noch nicht zu der Frage geäußert hatte, ob eine mit einer Treueprämie
einhergehende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gerechtfertigt sein
könnte, hätte der Verwaltungsgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen
aufrechterhalten müssen. 118. Der Verwaltungsgerichtshof durfte nämlich nicht davon ausgehen,
dass sich die Lösung der Rechtsfrage einer gesicherten Rechtsprechung des
Gerichtshofes entnehmen oder keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel
lasse (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, CILFIT u.
a., Slg. 1982, 3415, Randnrn. 14 und 16). Er war daher nach Artikel 177
Absatz 3 EG-Vertrag verpflichtet, sein Vorabentscheidungsersuchen
aufrechtzuerhalten. 119. Wie sich aus der Antwort auf die dritte Frage ergibt, geht
mit einer Maßnahme wie der in § 50a GG vorgesehenen besonderen
Dienstalterszulage, selbst wenn sie als Treueprämie qualifiziert werden kann,
eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer einher, die gegen
Gemeinschaftsrecht verstößt. Infolgedessen hat der Verwaltungsgerichtshof mit
seinem Urteil vom 24. Juni 1998 gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. 120. Es ist somit unter Berücksichtigung der nach den
Randnummern 55 und 56 des vorliegenden Urteils zu berücksichtigenden
Gesichtspunkte zu prüfen, ob dieser Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht
offenkundig ist. 121. Hierzu ist, erstens, festzustellen, dass der Verstoß gegen
die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Antwort auf die
dritte Frage sind, an sich nicht als offenkundig eingestuft werden kann. 122. Das Gemeinschaftsrecht regelt nämlich die Frage, ob eine
Maßnahme wie eine Treueprämie, die den Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber
bindet, aber zugleich die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigt,
gerechtfertigt und somit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein kann,
nicht ausdrücklich. Diese Frage war auch in der Rechtsprechung des
Gerichtshofes noch nicht beantwortet worden. Darüber hinaus lag die Antwort
nicht auf der Hand. 123. Diesem Schluss steht, zweitens, nicht entgegen, dass der
Verwaltungsgerichtshof, wie in Randnummer 118 des vorliegenden Urteils
ausgeführt, sein Vorabentscheidungsersuchen hätte aufrechterhalten müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte im vorliegenden Fall nämlich beschlossen,
das Vorabentscheidungsersuchen zurückzunehmen, weil er angenommen hatte, dass
die Antwort auf die zu entscheidende Frage des Gemeinschaftsrechts bereits im
Urteil Schöning-Kougebetopoulou gegeben worden sei. Aufgrund der irrigen
Auslegung dieses Urteils hielt es der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr für
erforderlich, dem Gerichtshof diese Auslegungsfrage vorzulegen. 124. In Anbetracht der Umstände dieses Falles ist daher nicht
davon auszugehen, dass der in Randnummer 119 des vorliegenden Urteils
festgestellte Verstoß offenkundig und somit hinreichend qualifiziert ist. 125. Hinzuzufügen ist, dass diese Antwort die Verpflichtungen
unberührt lässt, die sich für den betreffenden Mitgliedstaat aus der Antwort
des Gerichtshofes auf die dritte Frage ergeben. 126. Die vierte und die fünfte Frage sind somit dahin zu
beantworten, dass ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, wie er sich unter
den Umständen des Ausgangsverfahrens aus dem Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 1998 ergibt, nicht offenkundig ist, wie
es nach Gemeinschaftsrecht Voraussetzung der Haftung eines Mitgliedstaats für
eine Entscheidung eines seiner letztinstanzlichen Gerichte ist. Kosten 127. Die Auslagen der österreichischen, der deutschen, der
französischen und der niederländischen Regierung, der Regierung des
Vereinigten Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem
Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien
des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Aus
diesen Gründen hat
DER GERICHTSHOF auf
die ihm vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluss vom 7. Mai
2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt: 1. Der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz von Schäden
verpflichtet sind, die einem Einzelnen durch ihnen zuzurechnende Verstöße
gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, ist auch dann anwendbar, wenn der
fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts
besteht, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen
Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen
diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer
Kausalzusammenhang besteht. Bei der Entscheidung darüber, ob der Verstoß
hinreichend qualifiziert ist, muss das zuständige nationale Gericht, wenn
sich der Verstoß aus einer letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung ergibt,
unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion prüfen, ob
dieser Verstoß offenkundig ist. Es ist Sache der Rechtsordnung der einzelnen
Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten über diesen Schadensersatz zuständig ist. 2. Die Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) und 7
Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über
die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sind dahin
auszulegen, dass sie untersagen, eine besondere Dienstalterszulage, die nach
der vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni
1998 vertretenen Auslegung eine Treueprämie darstellt, nach Maßgabe einer
Bestimmung wie des § 50a des Gehaltsgesetzes 1956 in der Fassung von 1997 zu
gewähren. 3. Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, wie er sich unter den
Umständen des Ausgangsverfahrens aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
vom 24. Juni 1998 ergibt, ist nicht offenkundig, wie es nach
Gemeinschaftsrecht Voraussetzung der Haftung eines Mitgliedstaats für eine
Entscheidung eines seiner letztinstanzlichen Gerichte ist.
Verkündet
in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. September 2003. Der
Kanzler Der Präsident R.
Grass G. C. Rodríguez Iglesias |
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