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SA (Sturmabteilung im Nationalsozialismus)

Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus und Arbeitermilieu, 1998

Saar ist das Gebiet um die Saar mit dem Hauptort -> Saarbrücken, das 1918 und 1945 von Frankreich begehrt wird, aber am 13. 1. 1935 und am 1. 1. 1957 zu Deutschland zurückkehrt (Saarland).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E., Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Heinen, A., Saarjahre, 1996

Saarbrücken an der Saar erscheint nach älteren unterbrochenen Siedlungsspuren 999 als vielleicht schon um 850 bestehende Burg. 1321 erhält der Ort Stadtrecht. 1948 wird unter Frankreich (1945-57) eine Universität gegründet.

Lit.: Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992; Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999

Saarland ist das am 1. 1. 1957 aus dem von Frankreich zurückgegebenen Saargebiet gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Es gehört vor 1918 hauptsächlich zu Preußen und vordem zu Nassau (1381).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grenz-Fall: das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997

Sabinianer ist der Angehörige einer nach -> Sabinus benannten Schule der römischen Rechtswissenschaft.

Sabinus, Masurius (1. Jh. n. Chr.), von einfacher Herkunft, wird 22 n. Chr. Haupt der Rechtsschule der -> Sabinianer oder Cassianer und mit 50 Jahren Ritter. Sein Hauptwerk sind (lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis (Drei Bücher römisches Recht) in der aus Nachfolgewerken erschlossenen Reihenfolge Erbe, Personen, Verkehrsgeschäfte, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung.

Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187

sacebaro -> sakebaro

sacer (lat.) geweiht, verflucht

Lit.: Köbler, DRG 27

sacerdotium (lat. [N.]) Priestertum, Kirche

Lit.: Von cacerdotium und regnum, hg. v. Erkens, F. u. a., 2002

Sachbeschädigung ist das rechtswidrige Beschädigen oder Zerstören einer einem anderen gehörigen Sache, das bereits im Altertum Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. -> lex Aquilia

Lit: Kaser § 51 II; Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht, Diss. jur. 1945 (ungedruckt); Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958

Sache (lat. [F.] res) ist der körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn jeder Gegenstand (alles, was nicht Person bzw. Mensch ist). Im Anschluss an das römische Recht vertritt das heutige deutsche Recht einen engen Sachbegriff. Unterschieden werden bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum und beschränkte dingliche Rechte an Sachen.

Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90, 123, 140, 162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993; Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001

Sachenrecht ist die Gesamtheit der Sachen betreffenden Rechtssätze. Ein S. (lat. res [F.Pl.]) sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische Jurist -> Gaius (um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit wieder aufgegriffen (str.), wenngleich die Sache unterschiedlich weit gefasst wird. Im Mittelpunkt des Sachenrechts steht das -> Eigentum als absolutes Herrschaftsrecht.

Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht der Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961 masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1996; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001

Sachhaftung ist die Haftung einer Sache (z. B. eines Pfandes) unabhängig von einer Person.

Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3

Sachmangel ist die Abweichung einer Sache von der von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit. Bereits der römische Marktädil gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache -> Wandlung und -> Minderung. Demgegenüber geht das mittelalterliche Recht außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere von dem Satz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält aber Sonderregeln für den Viehkauf bei.

Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der Sachmängelhaftung, 1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L. Schnorr von Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Niedrig, H., Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche Sachmängelgewährleistungsrecht des Code civil, 1996; Deller, P., Der „nach dem Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch, 1999; Medicus, D., Zur Geschichte der Sachmangelhaftung, in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307

Sachse ist der Angehörige eines um 150 n. Chr. erstmals erwähnten, nach seiner Bewaffnung benannten germanischen Volkes, dessen Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein und Elbe im Frühmittelalter von den -> Franken (Karl d. Große) erobert wird. Im Hochmittelalter ist das Gebiet Herzogtum und später Kurfürstentum (1485 zwischen den Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, 1697 unter August dem Starken Erwerb der Krone des Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die mittlere Elbe (Dresden) bleibt das Land Sachsen (1918 Freistaat) bis zur Gegenwart erhalten. Das sächsische Recht ist in der (lat. [F.]) -> Lex Saxonum und im -> Sachsenspiegel aufgezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 67, 76, 131, 155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v., Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f.  1787f.; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck 1973; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. Lammers, W., 1967; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654, 3,3,2900,3699; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Ahcin, C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuches, 1996; Otto, J., Cognitio et usus juris Romano-saxonici, Studi Senesi 107 (1995), 369; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone, 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen in Deutschland, hg. v. Retallack, J., 2000; Brüsch, T., Die Brunonen, 2000; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Diktatdurchsetzung in Sachsen, hg. v. Behring, R. u. a., 2003

Sachsen -> Sachse

Sachsen-Anhalt ist das am 5. 7. 1945 aus der Provinz Sachsen -> Preußens und aus -> Anhalt gebildete Land der sowjetischen Besatzungszone, das nach seiner Auflösung (1952/7) in der -> Deutschen Demokratischen Republik zum 3. 10. 1990 wieder entsteht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll, B., Sachsen-Anhalt, 1995

Sachsenrecht oder gemeines Sachsenrecht ist das in der frühen Neuzeit auf der Grundlage des -> Sachsenspiegels (1221/4) und der Spruchtätigkeit der Gerichte in -> Sachsen angewendete Recht, das erst durch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 abgelöst wird.

Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980

Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des römischen Rechts in Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des kirchlichen Rechts durch -> Gratian um 1140 zeitlich nachfolgende, vielleicht zwischen 1221 und 1224 von -> Eike von Repgow geschaffene Rechtsbuch (-> Landrecht im Gegensatz zu Volksrecht und Stadtrecht). Der Verf. bezeichnet sein Werk als (mnd.) spigel der Sachsen, in welchem die Sachsen ihr Recht wie sonst Frauen im Spiegel ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. -> speculum [N.] z. B. speculum ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis 1. H. 12. Jh.). Die einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr berücksichtigten zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung der ersten Fassung zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Sie ist in Latein gehalten und mit Ausnahme des Lehnrechts (sog. [lat.] -> Auctor [M.] vetus de beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst stammt noch die bald danach verfertigte völlig neuartige mittelniederdeutsche Übersetzung, die bis 1270 mehrfach erweitert wird. Der S. erfasst das aus verschiedensten Wurzeln erwachsende Recht (Gewohnheitsrecht, Landfriedensgesetze) Ostfalens, bezieht aber auch allgemeinere, selbst biblische und gelehrte Quellen ein. Er ist vermutlich anfangs nur in zwei Teile (Landrecht, Lehnrecht) und Artikel gegliedert. Zitiert wird er als Ssp (LdR bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und Paragraph. Vom Ende des 13. Jh.s an breitet sich der jetzt zusätzlich in drei Bücher (Landrecht) geteilte S. in Hunderten von teilweise noch erhaltenen Handschriften (341 Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte) in einem von Holland bis Polen reichenden Gebiet aus. Es werden Bilderhandschriften (Dresdener, Heidelberger, Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhandschrift), Übersetzungen (in das Lateinische und Mittelhochdeutsche usw.), Bearbeitungen (Glossen u. a. des Johann von -> Buch 1325,  Nikolaus -> Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff) und zahlreiche weitere Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Landrecht 1356, Berliner Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehnrechts E. 14. Jh., sächsisches Weichbild, -> Deutschenspiegel und -> Schwabenspiegel usw.) verfasst. -> Sachsenrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123, 124, 143; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Molitor, E., Der Gedankengang des Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Sachsenspiegel, Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und Anwendung des Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Eike von Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Kisch, G., Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Krause, H., Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Lechezwangs, ZRG GA 93 (1976), 21; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984; Eike von Repgow Sachsenspiegel, hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, in: Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991, 232; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift. hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v. Koolman, 2. A. 1995; Aus dem Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der Sassen Speyghel, Bd. 1f., hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der Sachsenspiegel aus Oppeln und Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996; Kroeschell, K,. Von der Gewohnheit zum Recht, in: Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998, 68; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999; Der Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P., 2002; Der Dresdner Sachsenspiegel, 2002; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H. 2002; ; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61

Sachsenspiegelglosse ist die von gelehrten Juristen seit dem 14. Jh. zum -> Sachsenspiegel erarbeitete -> Glosse (Johann von Buch um 1325, Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff, Stendaler Glosse).

Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der Einfluss der Buchschen Glosse, 1893f.; Sinauer, E., Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über die Glosse zum Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht. Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002

sächsischer Prozess ist die in -> Sachsen in der frühen Neuzeit geltende Form des -> Prozesses, die einige Besonderheiten bewahrt und weiterentwickelt. Der sächsische  Prozess gründet sich auf das 1356 vom Kurfürstentum -> Sachsen erlangte (lat. N.) privilegium (N.) de non appellando (Nicht­evokationsprivileg), sächsische Hofgerichtsordnungen von 1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 und die Prozess- und Gerichtsordnung von 1622. Er ist grundsätzlich mündlich. Der Beklagte kann bei Säumnis und Schlüssigkeit der Klage verurteilt werden. Eine Artikulation findet nicht statt. Die (lat.) litis contestatio (F.) ist einfache Klagebeantwortung. Das selbständige Beweisverfahren endet mit einem selbständig angreifbaren Beweisinterlokut (Beweisurteil). Es gibt nur eine Tatsacheninstanz.

Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico, 1657; Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852; Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274

Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863 verkündete und am 1. 3. 1865 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich -> Sachsen. Es umfasst fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im wesentlichen abgelöst.

Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E., Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553

sächsisches Recht -> Sachsenrecht

Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige Prosachronik. Es ist streitig, ob sie von Eike von Repgow stammt. Auch die Abfassungszeit (1230?, 1260, Magdeburg vor 1276) ist umstritten.

Lit.: Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der Sächsischen Weltchronik, 1972; Wolf, J., Die sächsiche Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000

Sachverhalt ist ein tatsächliches Geschehen. Dementsprechend ist der S. als solcher zumindest so alt wie das Recht. Als rechtlicher Grundbegriff begegnet S. anscheinend erst im späten 19. Jh.

Lit.: Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995

Sachverständiger ist ein Mensch, der auf einem Gebiet besonderes Wissen hat, das er (einem Gericht in einem Rechtsstreit) zur Verfügung stellen kann. Der Sachverständige ist bereits dem Altertum bekannt. In der frühen Neuzeit gewinnt er wieder an Gewicht. In der Regel gewinnt der Sachverständige sein Wissen aus einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit.

Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202; Jessnitzer, K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte des Sachverständigenbeweises, 1984

Säcken ist der Vollzug der Todesstrafe durch Ertränken in einem zugebundenen Sack, wie er sich vor allem im römischen Altertum findet.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

sacramentum (lat. [N.]) Eid

Sacra Rota (F.) Romana (lat.) -> Rota

Lit.: Kroeschell, DRG 2

sacrum imperium (lat. [N.]) heiliges Reich

Saint-German, Christopher (um 1460-1540) wird nach der rechtswissenschaftlichen Ausbildung in Oxford und der rechtspraktischen Ausbildung an der Inner Temple Inn of Court Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.) Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de conscientia (engl. Dialogues between a Doctor of Divinity and a Student of the Common Law, 1530/1, Zwiegespräch zwischen einem Lehrer und einem Studenten des gemeinen Rechts). Darin behandelt er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und des englischen Rechtes und ermittelt die trotz der gegenseitigen Ausschließlichkeit bestehenden gemeinsamen Grundgedanken.

Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Coquillette, D., The Civilian Writers of Doctors’ Common, 1988

Saint Germain en Laye westlich von Paris ist der Ort des Friedensvertrages zwischen den Alliierten des Ersten Weltkrieges und Österreich vom 10. 9. 1919, in dem -> Österreich auf den -> Anschluss an das -> Deutsche Reich verzichten muss und (Gebiete an) Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien verliert.

Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F., Von Schönbrunn bis St. Germain, 1964

Saint-Simon, Claude Henri de (1760-1825) ist ein bedeutsamer Vertreter des frühen Sozialismus in Frankreich.

Lit.: Köbler, DRG 179

Saínz de Andino, Pedro (1786-1863) wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Sevilla Anwalt, Politiker und Staatsanwalt. Er verfasst das erste spanische Handelsgesetzbuch (Código de comercio 1829, nach französischem Vorbild).

Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la codificación mercantil, 1950, 27

saio ist im frühmittelalterlichen gotischen Recht der Beauftragte eines Herrn.

Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960; Morosi, R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 3. A. 1990

saisina (lat.-afrk. [F.]) Ergreifung

sakebaro (lat.-afrk.) ist ein königlicher Amtsträger des fränkischen Frühmittelalters („Streitmann“ als Helfer des Grafen).

Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z.f.d.A. 33 (1889), 13; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983

Sakralrecht ist im römischen Recht das von der Priesterschaft und vom Zensor außerhalb der Gerichtsbarkeit gehandhabte Recht.

Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I 2; Söllner § 5, 6

Sakrament (lat. [N.] sacramentum) ist im antiken Rom das an einem heiligen Ort zu hinterlegende Pfandgeld, im Christentum das in Christus gründende heilige Zeichen. Im Hochmittelalter werden sieben Sakramente angenommen (Taufe, Firmung, Buße, Krankensalbung, Eheschließung, Priesterweihe und Eucharistie). Von ihnen anerkennt die protestantische Kirche nur Taufe und Abendmahl.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Säkularisierung oder Säkularisation (8. Mai 1646 secularisieren) ist die bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung kirchlicher Angelegenheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut (z. B. im -> Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803, 10000 Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen betreffend).

Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in Württemberg, 1902, Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R. Freiin v., 1970; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation und Mediatisierung, 1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v. Crusius, I., 1996; Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997; Säkularisation der Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in Fürstenhand, hg. v. Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a., 2003

sala (ahd. [F.]) Gabe, Übergabe

Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS

Salamanca am Tormes ist seit 1134 (Erwähnung eines Scholasters) bzw. 1218/9 Sitz einer Universität. Im 16./17. Jh. wird auf spätscholastischer Grundlage in der Schule von S. die Erkenntnis des -> Naturrechts besonders gefördert.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de Salamanca, 1990

Salbuch ist im Mittelalter ein Güterverzeichnis (Urbar).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4 (1958), 183

Salbung ist die Einreibung eines Menschen mit Salböl im Zuge einer symbolischen Handlung. Die S. stammt aus dem Orient. 754 salbt Papst Stephan II. den fränkischen König Pippin und seine Söhne Karl und Karlmann.

Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten Testament, 1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f. Diplom. 23 (1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100; Nehlson, J., Politics and Ritual, 1986; Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003

Sale of Goods Act (1893) ist ein das Warenkaufsrecht ordnendes Gesetz des englischen Rechts.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Salerno in Kampanien wird 197 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Über Oströmer und Langobarden kommt es 1077 an die Normannen. Im 11. Jh. (995-1087) entsteht dort als möglicherweise erste Universität des europäischen Mittelalters eine berühmte Schule der Medizin. Nach deren Aufhebung (1812) wird 1944 eine Universität gegründet.

Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989

Salfranke ist der dem salischen Teilstamm angehörende -> Franke. -> Pactus Legis Salicae

Lit.: Köbler, DRG 80

Salgut (N.) Herrengut

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das Salgut, 1862; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt-Wiegand, R., Sali, 1968

Salier ist der Angehörige des von 1024 bis 1125 im Deutschen Reich herrschenden fränkischen Geschlechts (Konrad II., Heinrich III., Heinrich IV., Heinrich V.).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Bosl, K., Die Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Weinfurter, S., Herrschaft und Reich der Salier, 1991; Die Salier und das Reich, hg. v. Weinfurter, S., Bd. 1ff. 1992; Boshof, E., Die Salier, 4. A. 2000; Struve. T., Die Salier und das römische Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002

salische Erbfolge ist die Bevorrechtigung des ältesten Sohnes in der Erbfolge nach fränkischem Recht.

Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge, Diss. phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen, J., L’Empire du roi, 1993

Salland (N.) Herrenland

Salmann ist der -> Treuhänder im mittelalterlichen Recht.

Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

salvatorische Klausel ist eine befreiende Klausel (z. B. in der -> Constitutio Criminalis Carolina von 1532, welche ausdrücklich die hergebrachten Bräuche partikularer Art unberührt lassen will).

Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288

Salzburg an der Salzach wird 739 Bistum und 798 Erzbistum. 1328 erhält das Hochstift ein eigenes Landrecht. 1622 wird S. Sitz einer bis 1818 bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität. 1731/3 werden 10500 Protestanten vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert und gelangt 1805 bzw. 1816 an -> Österreich.

Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v. Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler, 1977, 503; Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich, 1995; Salzburg, hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte Salzburgs, 1998

Salzregal -> Regal

Same ist der Angehörige eines nordskandinavischen Volkes (Lappen in Norwegen und Schweden).

Lit.: Firsching, A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in Schweden und ihre Rechtsstellung im Lichte der Indigenous Peoples weltweit, 2002

Sanhuri, as- (Alexandria 1895-1971) paßt nach dem Rechtsstudium in Kairo und in Frankreich das islamische Recht von -> Saria und -> Megelle im ägyptischen Zivilgesetzbuch modernen Erfordernissen an.

Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987; Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989

Sankt Gallen südlich des Bodensees erwächst aus einer um 612 errichteten Zelle des heiligen Gallus. Im Frühmittelalter ist es einer der bedeutendsten Bildungsorte des deutschen Reichs. 1411/2 bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der Eidgenossenschaft der -> Schweiz zu.

Lit.: Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Ganahl, K., Studien zur Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft Sankt Gallen, 1931; Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Müller, W., Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St. Gallen, 1970; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,456, 3,2,1959; Kommentar zu Ausstellungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren St. Galler Urkunden, hg. v. Borgolte, M. u. a., 1985; Die Kultur der Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2. A. 1992; Robinson, P., Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529, 1995; Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich, W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen im Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P., 1998

San Marino ist eine vielleicht auf eine Siedlung des dalmatinischen Mönchs Marinus (6. Jh.) zurückgehende, seit dem 13. Jh. Eigenständigkeit gewinnende Republik in Mittelitalien mit den Orten Domagnano, Villa, Fiorentino, Montegiardino, Faetano und Serravalle (1371 1000 Einwohner). Die erste überlieferte Fassung des Rechts San Marinos stammt wohl aus dem ausgehenden 13. Jh.

Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v. Iwaneijko, E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof, M., Die Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997

Santiago de Compostela in Galicien, wo um 830 die Gebeine des Apostels Jakobus gefunden worden sein sollen, wird Sitz eines Bischofs, 1120 eines Erzbischofs und 1501 einer Universität. Es ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Santiago, 1993

sapiens (lat.) wissend, weise

Sarazene (M.) -> Araber

Sardinien ist die nach den bereits am Ende des 13. Jh.s v. Chr. in ägyptischen Quellen bezeugten Sarden benannte Insel im Mittelmeer, die über Karthager, Römer, Vandalen, Oströmer und Ostgoten in der Mitte des 11. Jh.s an Pisa gelangt. Nach dem Untergang der -> Staufer wird 1297 Aragonien vom Papst mit S. belehnt. 1713/4 fällt S. über Spanien erbweise an -> Österreich, das es 1718/20 im Tausch gegen Sizilien an Savoyen bzw. Piemont gibt. Das Königreich Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle des am 17. 3. 1861 ausgerufenen König­reichs -> Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F., La Sardegna, 1990

Saria (Scharia, Weg zur Tränke) ist das auf dem -> Koran beruhende, im 7. bis 10. Jh. entstandene islamische Recht. Die S. wird als gottgewollte Ordnung verstanden. Im 19. Jh. wird die S. verschiedentlich durch europäisches Recht zurückgedrängt. Seit der Mitte des 20. Jh.s erfolgt eine Rückbesinnung auf sie. -> Islam

Sassari (1188 Tathari) in Sardinien wird 1236 freie Kommune. 1441 wird es Sitz des Erzbischofs von Torres. 1450 erhält es eine Universität.

Lit.: Castellaccio, Sassari medioevale, 1992

satisfactio (lat. [F.]) Genugtuung

Satzung ist die gemeinsame Festsetzung, im Hochmittelalter vor allem das objektive gesetzte Recht und das vereinbarte -> Pfand, in der Neuzeit das von einer mit Autonomie begabten juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts geschaffene Recht oder -> Statut. Im Rahmen des Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein Besitzpfand und Nutzungspfand, die sog. jüngere S. ein besitzloses Pfand.

Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 10 (1983), 385

Säumnis ist das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem zur notwendigen Verhandlung bestimmten Termin. Dies zieht schon früh nachteilige Folgen für den Säumigen nach sich.

Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966

Savigny, Friedrich Carl von (Frankfurt am Main 21. 2. 1779 - Berlin 25. 10. 1861), aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel, 1791/2 verwaist, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1795, Weiss) und Göttingen 1800 Dozent in Marburg, 1803 außerordentlicher Professor, 1808 nach einer längeren Bildungsreise ordentlicher Professor in Landshut und 1810 an der neuen Universität -> Berlin. Sein im Grunde unhistorisches Buch „Das Recht des Besitzes“ (1803) macht ihn wegen seiner beispielhaften Methodik allgemein bekannt. S. vereinigt dabei -> Kants (1724-1804) Vorstellung, dass als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit bestehe, mit Gustav -> Hugos (1764-1844) Forderung nach begrifflich-systematischer Durchdringung des positiven Rechtsstoffes und ermittelt in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen konstruktiv-systematisch den Besitzwillen als allgemeines logisches konstituierendes Element. Zunehmend versteht er grundsätzlich das Recht als an seine geschichtlichen Voraussetzungen (z. B. Deutschlands an das Fehlen eines tonangebenden Mittelpunkts) gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Damit wird er zum Begründer der -> historischen Rechtsschule, der im sog. -> Kodifikationsstreit des Jahres 1814 mit der seit 1808 theoretisch vorbereiteten Schrift „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ gegen Thibaut ein deutsches Nationalgesetzbuch ablehnt. Auf christlicher Grundlage lehnt er die jüdische Emanzipation ab. Seine späteren Hauptwerke sind die Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter (1815ff.) und das System des heutigen römischen Rechtes (1840ff.). In seiner Vorlesung über das Allgemeine Landrecht (Preußens) unterzieht er dieses einem oft kritischen Vergleich mit dem römischen Recht. In verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. -> Einigung, -> internationales Privatrecht, -> Urheberrecht) wirkt er wegweisend. Wenig sichtbaren Erfolg beschert ihm sein viele Grundlagen schaffendes Wirken als Gesetzrevisionsminister in Preußen (1842-1848).

Lit.: Söllner §§ 16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208, 212, 214; Felgenträger, W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Strauch, D., Recht, Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Flume, W., Savigny und die Lehre von der juristischen Person, FS F. Wieacker, 1978, 340; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Hammen, H., Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die allgemeinen dogmatischen Grundlagen, 1983; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;  Behrends, O., Geschichte, Politik und Jurisprudenz in F. C. v. Savignys System, in: Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985, 257; Ebel, F., Savigny officialis, 1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im Umkreis Savignys, ZRG GA 104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1992; Savignyana. Bd. 1 Pandektenvorlesung 1824, hg. v. Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-42, hg. v. Mazzacane, A., 1993, Bd. 3 Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C., 1994ff.; Rückert, J., Savignys Konzeption von Jurisprudenz und Recht, TRG 61 (1993), 65; Nörr, D., Savignys philosophische Lehrjahre, 1994; Süchting, G., Geschichtlichkeit des Rechts bei Friedrich Carl von Savigny, Rechtstheorie, 1995, 365; Zimmermann, R., Savignys Vermächtnis, 1998; Meder, S., Urteilen, 1999; Rosenberg, M. Frhr. v., Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) im Urteil seiner Zeit, 2000; Savigny, F. v., Politik und neuere Legislationen, hg. v. Akamatsu, H. u. a., 2000; Henne, T./Kretschmann, C., Der christlich funiderte Antijudaismus Savigny, ZRG 120 (2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als Strafrechtspraktiker, 2003

 

Savoyen in den Westalpen entwickelt sich aus einigen Grafschaften des 10. Jh.s. Seit dem 12. Jh. bzw. 1419 ist es mit Piemont verbunden, seit 1720 mit -> Sardinien. Vom Königreich Sardinien-Piemont nimmt die staatliche Einigung -> Italiens (1860, 17. 3. 1861 Königreich) ihren Anfang. S. selbst fällt 1860 an Frankreich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984

scabinus (lat.-afrk. [M.]) Schöffe

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Köbler, LAW

Scaccia, Sigismondo (16./17. Jh.) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem (lat.) Tractatus (M.) de commerciis et cambio (Abhandlung von Handel und Wechsel) erörtert er die Handelsgeschäfte im Hinblick auf das -> kanonische Zinsverbot und das Wechselrecht. Damit wird er einer der Begründer des besonderen -> Handelsrechts.

Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des Handelsrechts, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977

Scaevola, Quintus Cervidius (2. Jh.) ist 175 (lat.) praefectus (M.) vigilum (Wachepräfekt). Er ist der bedeutendste Berater Kaiser Marc Aurels (161-180) und wohl Lehrer des -> Paulus. Seine wichtigsten Schriften sind 40 (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) und 6 libri responsorum (Bücher der Antworten) mit Rechtsgutachten und Einzelentscheidungen.

Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 294f.

scandalum (lat. [N.]) Ärgernis

Schaden -> Schadensersatz

Schadensersatz ist der Ersatz einer unfreiwilligen Einbuße an rechtlich geschützten Gütern auf Grund eines bestimmten Ereignisses durch einen anderen. Erforderlich ist jeweils ein Rechtssatz, der S. gebietet. Der S. ist dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition (-> Kompositionensystem) sich allmählich in das peinliche -> Strafrecht und das private Schadensersatzrecht teilt. Im 19. Jh. wird für einen S. ein Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich die kein Verschulden erfordernde -> Gefährdungshaftung eingeführt (Preußen 1838). Im 20. Jh. geht die allgemeine Entwicklung zur Kommerzialisierung von immateriellen Schäden.

Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953 masch.schr.; Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod interest, 1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in § 249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996

Schadensklage ist im Spätmittelalter eine auf Geldzahlung wegen behaupteten Unrechts lautende Klage (in Ingelheim meist auf 100, 200, 400, 500 oder 1000 Gulden).

Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93

Schaffhausen am Rhein ist ein Handelsplatz, der 1049 an das dort entstandene Benediktinerkloster Allerheiligen gelangt. 1190/1218 wird die hieraus entwickelte Stadt Reichsstadt. 1454 schließt sich S. der Eidgenossenschaft der -> Schweiz als zugewandter Ort an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort bei. Im 19. Jh. kommt das Privatrechtliche Gesetzbuch -> Zürichs zur Anwendung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schib, K., Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457

Schafott ist die Bühne, auf welcher in der frühen Neuzeit der -> Scharfrichter meist auf dem Marktplatz die Todesstrafe der Enthauptung vollzieht. Im 19. Jh. verschwindet das S.

Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Schildt, E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Schandgerät ist ein zur Ausführung einer Schandstrafe verwendetes Gerät (z. B. Halseisen, Pranger, Schandkragen, Schandkrone).

Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901, Neudruck 1970; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Schandstrafe ist eine in einer vorübergehenden Ehrenminderung bestehende Strafe (z. B. Tragen eines Strickes, eines Hundes, eines Rades, eines Steines, Halseisen, Eselreiten) des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909, Neudruck 1970

Schankrecht ist das ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein oder Bier an einem Ort. Das S. wird meist von einem Herrn verliehen.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962

Schard, Simon (Neuhaldensleben 1535 - Speyer 28. 6. 1573) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Basel Beisitzer am -> Reichskammergericht. 1566 veröffentlicht er in (lat.) De jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung usw.) spätmittelalterliche Schriften zum Staat. Posthum erscheint 1582 sein Lexicon iuridicum (Rechtslexikon).

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978

Scharia -> Saria

Scharfrichter ist zwischen Hochmittelalter und 19. Jh. der das Todesurteil Vollziehende.

Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann, H., Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker-Ehrlich, M., Schweizer Scharfrichterkandidaten 1938/39, 1999

Schatz ist eine bewegliche Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Die Behandlung des Schatzfundes im römischen Recht ist streitig (nach Hadrian zur Hälfte an den Finder und den Grundeigentümer). Im Mittelalter hat der König das Schatzregal. Beide Lösungen werden im folgenden vielfach miteinander verflochten.

Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel, MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910), 193; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001

Schatzwurf ist die durch Ausderhandschlagen einer Münze als Abgabensymbol im frühen Mittelalter erfolgende -> Freilassung.

Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1 1931, 240

Scheck ist die der Erleichterung des Zahlungsverkehrs dienende bestimmte Anweisung auf ein Bankguthaben. Im 19. Jh. wird das englische Lehnwort cheque (die auf den Staatsschatz ausgestellte Anweisung) aufgenommen. Ein besonderes Scheckgesetz wird im Deutschen Reich erlassen.

Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117

Scheidebrief (lat. libellus [M.] repudii) ist im spätantiken römischen Recht nach hellenistischem Vorbild die Form der Ehescheidungserklärung.

Lit.: Kaser § 58 VII 2c

Scheidung -> Ehescheidung

Schein -> Rechtsschein

Scheingeschäft ist die einverständliche Abgabe einer empfangsbedürftigen -> Willenserklärung zum Schein. Das S. ist im spätantiken römischen Recht unwirksam. Diese Lösung wird seit dem Spätmittelalter aufgenommen.

Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft, FS H. Hübner, 1984, 337

Scheinprozess ist die Verwendung des Verfahrens zur Erreichung außerprozessualer Ziele. Schon das altrömische Recht kennt die Übertragung einer Sache durch (lat. [F.]) -> in iure cessio. Im Frühmittelalter kann durch S. eine unscheltbare -> Königsurkunde über ein Recht an einem Gut erlangt werden.

Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse, Diss. jur. Göttingen 1968

Schengener Abkommen ist ein am 14. 6. 1985 zwischen den Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs getroffenes Abkommen zum schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem sich seitdem weitere Staaten angeschlossen haben (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Österreich).

Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen, 1996

Schenk ist am fränkisch-deutschen Hof und später auch an landesherrlichen Höfen der für die Getränke zuständige Amtsträger. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist der König von Böhmen Erzschenk.

Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112; Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)

Schenkung ist die Hingabe eines Gegenstandes auf Dauer an einen anderen. Im klassischen römischen Recht ist die (lat. [F.]) donatio zunächst nur ein Rechtfertigungsgrund für eine unentgeltliche Zuwendung, im spätantiken römischen Recht teils ein formbedürftiges Handgeschäft, teils ein Zuwendungsgrund, teils ein Konsensualvertrag. Die S. unter Ehegatten ist verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht nur die gelohnte S. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln seit dem Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum Schutz des Schenkers besonderer Form (z. B. Beurkundung). Die dogmatische Einordnung der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die tatsächliche Bedeutung der S. ist gering.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47, 59 I, 79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991

Scherbengericht -> Ostrakismus

Scheren (N.) -> Haarscheren

Scherge (M.) Büttel, Gerichtsdiener

Schiedsgericht ist eine außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende Entscheidungsstelle. Bereits das römische R. kennt das S. Im Mittelalter erscheint vielleicht unter oberitalienisch-kirchlichem Einfluss das S. im 13. Jh. in Süddeutschland. Es setzt eine Vereinbarung der streitenden Teile, sich dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus. Das Verfahren ist formlos. Im Laufe der frühen Neuzeit tritt das S. zurück, wird aber im 19. Jh. (Berlin 1820) durch die Wirtschaft neu belebt. Durch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/9 wird der Spruch des Schiedsgerichts dem Urteil gleichgestellt.

Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115; Bader, K., Das Schiedsverfahren in Schwaben, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, 1935; Kobler, M., Das Schiedsgerichtsverfahren, 1967; Ziegler, K., Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K., Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v. Brieskorn, N. u. a., 1994, 193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter, 2001; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001

Schifffahrt -> Seerecht

Schikaneeid -> Kalumnieneid

Schilderhebung ist die Erhebung auf einen Schild als Zeichen der Bestimmung zum Anführer oder König bei den Germanen.

Lit.: Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972

Schilling ist seit dem Frühmittelalter eine anfangs nicht ausgeprägte Rechnungseinheit für Geld. Seit dem 13. Jh. wird der S. auch ausgeprägt. Die Geldeinheit wird noch in der Gegenwart verwendet (Großbritannien bis 1971, Österreich seit 1925).

Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Engler, S., Altnordische Geldwörter, 1991

Schilter, Johann (29. 8. 1632 - 14. 5. 1705) wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena und Leipzig Verwaltungsbeamter in Sachsen, 1681 Berater und 1699 ordentlicher Professor in Straßburg. In seinen (lat.) Exercitationes (F.Pl.) ad L libros pandectarum (1672, Übungen zu den 50 Büchern der Pandekten) verbindet er gemeinrechtliche Grundsätze mit geschichtlichen Betrachtungen des einheimischen Rechts. In seinem (lat.) Thesaurus (M.) antiquitatum Teutonicarum (1727/8, Schatz deutscher Altertümer) bietet er auch ein wertvolles Glossar.

Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884, Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 208

Schinder (M.) Abdecker, Henkersknecht, Scharfrichter

Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928, Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994

Schinderhannes (Johannes Wilhelm Bückler) (Miehlen im Taunus 1778? - Mainz 1803), Schinderssohn, wird im fahrenden Volk zum Anführer einer 20 Straßenraube, 30 Einbrüche und dreier Morde beschuldigter Bande.

Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre Geschichte des Johannes Wilhelm Bückler, 1968

Schirm (M.) Schutz

Schisma (N.) Kirchenspaltung (z. B. 1378-1417)

Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene Kampf zweier Heere.

Lit.: Förster, S./Pöhlmann, M./Walter, D., Schlachten der Weltgeschichte, 2001

Schlesien an der mittleren und oberen Oder trägt seinen Namen nach den germanisch-vandalischen Silingen, denen Slawen folgen. Es untersteht im 10. Jh. Böhmen, danach Polen. 1138 entsteht das piastische Teilfürstentum S., das mehrfach teilt. Zahlreiche deutsche Siedler ziehen zu. 1327/9 unterstellen sich viele schlesische Herzöge Böhmen. 1356 entsteht das Landrecht des Fürstentums Breslau. 1526 gelangt S. mit Böhmen an -> Habsburg. 1742/4 gewinnt -> Preußen große Teile von S. 1910 sind 23% der Bevölkerung polnischsprachig. 1918/9 fällt der bei Österreich verbleibende Rest an die Tschechoslowakei, 1919 bzw. 1945/90 der zu Preußen gelangte Teil unter Vertreibung der Deutschen an -> Polen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938; Sommer, F., Die Geschichte Schlesiens, 1987; Loesch, H. v., Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961; Gravert-May, G. v., Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Schlesien, hg. v. Conrads, N., 1994; Schlesien und die Schlesier, hg. v. Bahlcke, J., 1996; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in Schlesien, 2000; ; Bartosz, J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlke, J., Schlesien und die Schlesier, 2000

Schlesisches Landrecht -> Breslauer Landrecht

Schleswig -> Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein ist ein aus Schleswig und Holstein zusammengesetztes Land der Bundesrepublik Deutschland. Davon erscheint Holstein um 800 als nördlicher Teil des Stammesgebietes der -> Sachsen. Schleswig ist seit 1232 Herzogtum. 1326 erzwingt der Graf von Holstein den Ausschluss einheitlicher Herrschaft über Dänemark und Schleswig. 1386 erlangt er Schleswig als Lehen Dänemarks. Seitdem bleiben Schleswig als Lehen Dänemarks und Holstein als Lehen des Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18. Jh. gehören die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber verwaltungsmäßig selbständig. Daraufhin beginnt Dänemark Schleswig von Holstein zu trennen. Am 30. 10. 1864 muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten. Deren gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das Ende des -> Deutschen Bundes aus. Österreich muss sich mit der Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen einverstanden erklären. Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer Volksabstimmung an Dänemark.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff. 1825ff.; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Wohlhaupter, E., Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906; Lange, U., Die politischen Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände, 1980; Krech, J., Das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985; Opitz, E., Schleswig-Holstein, 1988; Bremicker, S., Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die Anfänge des Landes Schleswig-Holstein, 1997

Schlettwein, Johann August (Großobringen bei Weimar 8. 8. 1731 - Dahlen/Mecklenburg 24. 4. 1802) wird nach dem Studium von Theologie, Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in Jena (Darjes) 1763 Hofrat in Baden und Anhänger des Physiokratismus sowie 1777 Professor der ökonomischen Fakultät in Gießen.

Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909; Johann August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981

Schlözer, August Ludwig (Grafschaft Hohenlohe 1735 - Göttingen 1809) wird nach dem Studium der Theologie in Wittenberg und der Sprachen, Geschichte und Staatswissenschaften in Göttingen aufgeklärter Professor in Göttingen.

Lit.: Schlözer, A., Allgemeine StatsRecht und StatsVerfassungsLere, 1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich, B., August Ludwig von Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972

Schlüssel ist ein zum Öffnen eines Schlosses bestimmtes Gerät, das als Rechtssymbol verwendet werden kann.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993

Schlüsselgewalt ist eine durch den Schlüssel verkörperte Handlungsgewalt. In der Kirche steht die Gesamtheit der von Jesus Christus zum Heil der Menschen seiner Kirche gestifteten Gewalten nach Matthäus 16,19 Petrus bzw. seinem Nachfolger zu. In der Ehe hat seit dem Mittelalter die Frau, jetzt jeder Ehegatte im deutschen Recht die Berechtigung, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs einer Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.

Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K., Die Schlüsselgewalt, 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die dingliche Wirkung der Schlüsselgewalt, 1994

Schlyter, Carl Johann (1795-1888) wird nach dem Rechtsstudium in Lund 1816 Dozent und 1838 Professor. Er ist Schwedens erster, von der historischen Rechtsschule geprägter Rechtshistoriker. In 13 Bänden veröffentlicht er die älteren schwedischen Rechtsquellen.

Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar, 1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898

Schmauß, Johann Jacob (Landau/Pfalz 10. 3. 1690 - Göttingen 8. 4. 1757) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Halle (Thomasius, Gundling) Hofrat in Baden-Durlach und 1734 Professor für öffentliches Recht in Göttingen, Halle, Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt das -> Naturrecht von der kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der Geschichte. Sein (lat.) Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des öffentlichen Rechts) dient der praktischen Verbesserung der juristischen Ausbildung.

Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843

Schmerzensgeld ist eine Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden. Seit dem 17. Jh. wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) unter Fortführung einheimischer Vorstellungen auch der bei Körperverletzung entstehende Schmerz durch einen Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) beschränkt den Geldersatz bei Nichtvermögensschäden auf besonders benannte Tatbestände. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird von der Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen Vorschrift unter Berufung auf das deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten Rechtsgüterverletzungen gewährt.

Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider, E./Biebrach, J., Schmerzensgeld, 1994

Schmitt, Carl (Plettenberg 11. 7. 1888 - 7. 4. 1985) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, München und Straßburg Professor für Staatsrecht in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (1928 Handelshochschule), Köln (1933) und Berlin. Im Prozess Preußen contra Reich im Juli 1932 ist ihm in Verbindung mit Kurt von Schleicher die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse das Ziel. 1933 wird er Mitglied der -> Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, 1934 Herausgeber der Deutschen Juristenzeitung. Unter Ablehnung des liberalen Rechtsstaates der durch Parteienzersplitterung gekennzeichneten Weimarer Republik rechtfertigt er die nationalsozialistische Ordnung und bejaht die antidemokratische Selbstbehauptung des starken Staates als Alternative zum Untergang. 1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945 verliert er sein Lehramt.

Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt, C., Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934; Festschrift für Carl Schmitt, hg. v. Barion, H. u. a., 1959; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983; Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 3. A. 1995; Rüthers, B., Carl Schmitt im Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl Schmitt, NJW 1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt, Diss. jur. Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus, 1998; Hernandez Arias, J., Dosnoso Cortes und Carl Schmitt, 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl Schmitts Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?, NJW 1999, 2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999; Gross, R., Carl Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in Nürnberg, hg. v. Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001

Schöffe ist in der Gegenwart der ehrenamtliche Richter. Der S. erscheint zwischen 770 und 780 im fränkischen Reich (Italien 774), als Karl der Große je sieben geschworene Schöffen (lat.-afrk. [M.Pl.] scabini) anstelle der älteren -> Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von Urteilsvorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch (meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im -> Schwurgericht bzw. -> Schöffengericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116, 117, 118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248; Kern, E., Die Gerichtsbeisitzer, FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen und das Kirchenrecht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 64

Schöffenbarfreier ist nach dem -> Sachsenspiegel (1221-4) Eike von Repgows der zur Schöffentätigkeit geeignete Freie. Die Zahl der Quellenbelege ist gering. Die Abgrenzung von Ministerialen einerseits und Edelfreien oder Vollfreien andererseits ist nicht überzeugend zu bewältigen.

Lit.:  Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechtswirklichkeit, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349

Schöffenbuch ist ein von Schöffen seit dem Spätmittelalter z. B. über Urteile geführtes Buch.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935

Schöffengericht ist das mit Schöffen besetzte Gericht, insbesondere das im 19. Jh. mit Schöffen neben Berufsrichtern besetzte Gericht.

Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland, 1974; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241

Schöffenrecht -> Magdeburger Schöffenrecht

Schöffenspruch ist das von Schöffen gefällte Urteil.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v. Goerlitz, T., 1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960

Schöffenstuhl (mnd. Schöppenstuhl) ist eine Bezeichnung für das Schöffengericht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), das teilweise als Oberhof tätig wird (z. B. Halle, Leipzig, Jena). Der S. zu Halle endet 1863 wegen Unterschreitens der Mindestmitgliederzahl von drei Schöffen, der zu Jena 1882.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu Jena, Z. d. Ver. thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl zu Leipzig, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416

Scholastik ist die seit dem Frühmittelalter in kirchlichen Schulen (z. B. Laon, Paris, Chartres) entwickelte Art, die bisher nur weitergegebenen christlichen Glaubensinhalte mit einer besonderen Methode neu zu durchdenken (Denkform). Die scholastische (dialektische) Methode der Wissensbehandlung ist gekennzeichnet durch klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unterscheidung von Begriffen, logisch geformte Beweise und Erörterungen der Gründe und Gegengründe. Den Höhepunkt der S. bilden die Arbeiten des italienischen Dominikaners Thomas von Aquin (1225-74). Überwunden wird die S. durch -> Nikolaus von Kues (1401-1464). Die S. wirkt sich auch auf die mittelalterliche Rechtswissenschaft aus.

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen Spätscholastik, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was ist Scholastik?, 1991; Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001

Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. Sinaitische Erklärungen) sind ein im Sinaikloster überlieferter, von der antiquarisch-klassizistischen Richtung der oströmischen spätantiken Rechtswissenschaft vermutlich in Beryt geschaffener Kommentar zu Ulpian, libri ad Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf Parallelstellen in anderen Texten.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362

Schollenbindung (F.) Bindung eines Menschen an ein von ihm zu bewirtschaftendes Grundstück

Schonen im Süden Schwedens, aber bis 1658 zu Dänemark gehörig, überliefert in zahlreichen Handschriften ein zwischen 1202 und 1216 abgefasstes, in seiner ältesten Handschrift in 241 Kapitel geteiltes -> Rechtsbuch (Schonisches Landrecht, Skanske Lov, Skanelagen) eines unbekannten Verfassers in altdänischer Sprache. Eine lateinische Summe hierzu in 150 Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.) legis Scaniae (Rechtsbuch Schonens) des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von 1202 bis 1216. Neben dem Schonischen Landrecht steht ein schonisches Kirchenrecht (von 1171?). Ein schonisches Stadtrecht (biaerkeraett) in 54 Kapiteln stammt vielleicht aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s.

Lit.: Andersson, I., Skanes Historia, 1947ff.; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88, 94; Anders Sunesen, hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978

Schönfelder

Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler Deutscher Gesetze 1902-1944, 1997

Schoß (1) ist ein Teil des menschlichen Körpers, der rechtssymbolisch verwendet werden kann (z. B. in oder auf den S. setzen, werfen oder fallen).

Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Schoß (2) ist ein mittelalterlicher Name für eine Abgabe oder Steuer.

Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 2. A. 1963, 60

Schottland ist der nördliche Teil der britischen Hauptinsel mit einigen vorgelagerten Inseln. S. ist im Frühmittelalter (um 850) ein eigenes Königreich, dessen Sitz am Ende des 11. Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die Lehnshoheit des Königs von -> England anerkennen muss. 1328 wird die Unabhängigkeit zurückgewonnen. 1603 wird der aus dem Hause -> Stuart stammende König auch König von -> England. Beide Königreiche werden in -> Personalunion, seit 1707 in -> Realunion miteinander verbunden. Nach einer Volksabstimmung (1997) erhält S. zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes Parlament in Edinburgh mit Zuständigkeiten für Gesundheit, Wohnungsbau, Justiz, Verkehr, Landwirtschaft und Bildung. (Zentral bleibt die Verantwortung für Außenpolitik, Verteidigung, soziale Sicherheit und makroökonomische Fragen). Das schottische Recht ist stärker römischrechtlich beeinflusst.

Lit.: Stair, J., The institutions of the law of Scotland, 1693; Stein, P., The Influence of Roman Law on the Law of Scotland, SDHI 23 (1957), 149; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,989, 2,2,501,1431; Kellas, J., The Scottish political system, 3. A. 1983; Sager, P., Schottland, 5. A. 1985; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985; Sellar, W., Legal History in Scotland, ZNR 1987; Walker, D., A Legal History of Scotland, 1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E., General principles of Scots law, 6. A. 1995; Whyte, I., Scotland before the Industrial Revolution, 1995; The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997

Schra (F.) Haut (als Beschreibstoff für eine Rechtsquelle)

Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911

Schranne (F.) Bank, Verkaufsstand

Schreiber ist der Hersteller der geschriebenen Fassung eines Textes. Im Altertum sind S. vielfach gelehrte Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S. zumindest seit dem 8. Jh. grundsätzlich Geistlicher. Mit der allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit der frühen Neuzeit wird der S. an vielen Stellen überflüssig. Für das R. sind insbesondere die Urkundenschreiber, dann die Stadtschreiber und seit dem Spätmittelalter die Gerichtsschreiber bedeutsam.

Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis und Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger Stadtschreiber, 1998

Schreinsbuch -> Schreinskarte

Schreinskarte ist seit dem Hochmittelalter die im Heiligenschrein verwaltete Urkunde über ein Grundstücksgeschäft. Sie findet sich seit etwa 1130 in Köln (Laurenz I), wo sich 1473 insgesamt 23 Schreine befinden. Sie soll im Streitfall den Beweis erleichtern. Im Laufe der Zeit (1220-40) werden die Schreinskarten in Schreinsbücher überführt. Seit dem 15. Jh. bildet die Eintragung eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des zugehörigen Rechtsgeschäfts. -> Grundbuch

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, R., Bd. 1f. 1884ff.; Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, Jb. d. Kölner Gesch. Ver. 56 (1985), 1

Schrift ist eine Gesamtheit von sichtbaren Linien (und Punkten) zur dauerhaften Wiedergabe menschlicher Sprache. Ihre ersten bildlichen Vorstufen entwickeln sich um 5000 v. Chr. Der Übergang vom gesprochenen zum geschriebenen Wort erfolgt bei Griechen und Römern schon früh, während die Germanen über Anfänge kaum je hinausgelangen. Bereits die Zwölftafelgesetze Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich veröffentlicht. In der römischen Kultur ist die Schrift selbstverständlich. Dieser Stand wird nach frühmittelalterlichen Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch) verschriftlicht wird (-> Volksrechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise in Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. wieder erreicht. Seitdem wird Schriftlosigkeit allmählich zu einem abwertenden Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen und schreiben. Seit dem 15. Jh. erfolgt die Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem 19. Jh. das durch Schulpflicht verallgemeinerte Schreiben mit Hilfe von Maschinen. Verschiedentlich bedarf ein rechtliches Verhalten zu seiner Wirksamkeit der S.

Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79, 98, 108; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie, 2. A. 1986; Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte der Schrift, 2. A. 1991; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Haarmann, H., Geschichte der Schrift, 2002

Schriftform ist die durch -> Schrift zu wahrende -> Form menschlichen Verhaltens.

Schriftlichkeit ist das in -> Schrift Gehaltensein. Die S. als Verfahrensgrundsatz setzt sich im gelehrten Zivilprozess des Spätmittelalters durch (lat. -> quod non est in actis non est in mundo, was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt). Der Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S. im Verfahren zumindest der Idee nach zurück. Tatsächlich steigt aus Beweisgründen auch im ausgehenden 20. Jh. die Bedeutung der S. noch.

Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit im frühen Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993

Schriftsasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder einer anderen Zentralbehörde zugeordnete -> Landsasse.

Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche Behörde vom Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-71).

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971

Schröder, Richard (Treptow a. d. Tollense 19. 6. 1838 - Heidelberg 3. 1. 1917), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke) 1866 außerordentlicher Professor in Bonn und 1872 ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und 1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts (1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (1884ff.).

Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII

Schulchan ‘Arukh -> Karo

Schuld ist einerseits die Bewertung eines Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden), andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten (Leistensollen). Die Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet gelassen, wo das Eintreten eines Erfolges bereits eine Folge nach sich zieht. Von daher könnte von einem erst allmählichen Entstehen des Verschuldens auszugehen sein. Verpflichtungen zur Leistung kennt schon das altrömische Recht. Innerhalb des Verschuldens wird im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und weiteren Unterteilungen (unbedingter -> Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe -> Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit) unterschieden. Bei den Verpflichtungen nimmt insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu. Streitig ist das Verhältnis von S. und -> Haftung.

Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240, 263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre des Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S., Kanonistische Schuldlehre, 1935; Rotthaus, K., Redde und Schult, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die zweifelhafte Schuldfährigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach dem Westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000

Schuldanerkenntnis ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, in dem der eine Teil anerkennt, dem anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu schulden. Im prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein S.

Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser Vermögensvollstreckung der Verurteilte in private S. oder später in öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und Frankreichs (1867) die S. beseitigt.

Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Der Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953

Schuldklage ist als Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem Hochmittelalter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Schuldknechtschaft ist die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt des klassischen römischen Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird sie von der -> Schuldhaft abgelöst.

Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8; Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969

Schuldnerverzug -> Verzug

Schuldrecht ist das Recht der Schuldverhältnisse. Es wird als eigenes Rechtsgebiet erst in der Neuzeit erkannt. Sachlich wird es hier stark vom römischen Recht geprägt. Seit dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als allgemeines Schuldrecht ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an Bedeutung stetig zu, weshalb das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S. auch vor dem Sachenrecht einordnet.

Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W., Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur Entscheidung des Schuldrechts, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183 (1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188 (1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines Deutschen Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts, 1995; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996

Schuldübernahme ist die vertragsweise Übernahme einer bestehenden Schuld durch einen neuen Schuldner (neben oder anstatt des bisherigen Schuldners). Im römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozessvertretung möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S. zulässig. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei den bisherigen Schuldner befreiender S. die Zustimmung des Gläubigers.

Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Schuldverhältnis ist das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. erfasst.

Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis, Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997

Schuldversprechen ist das eine -> Schuld begründende einseitige Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27

Schuldvertrag ist der eine -> Schuld begründende Vertrag (z. B. Kaufvertrag).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Schule ist eine Einrichtung zur Förderung der geistig-sozialen Entwicklung von Menschen, insbesondere von Kindern. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt. Im Frühmittelalter wird sie zunächst nur von der Kirche und nur für wenige eingerichtet. Seit dem Hochmittelalter nimmt das Interesse an ihr in den Städten zu, so dass dort städtische und auch deutsche Schulen entstehen. Seit der Mitte des 16. Jh.s wird eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Im 17. Jh. wird der staatliche Schulzwang verordnet (Österreich 1774 6jährige Schulpflicht). Am Ende des 18. Jh.s wird für den Gymnasialabschluss eine staatliche Prüfung (Abitur) vorgeschrieben. Das 19. Jh. beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt bereits aus sozialen Gründen die Einheitsschule. Im 20. Jh. verstärkt sich die Erhöhung der Bildung durch längere Schulzeit (Verschwinden der Hauptschule zugunsten des vereinfachten Gymnasiums).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151, 180; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hg. v. Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N., Education and Society, 1989; Revolution des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a., 1991; Kames, J., Das Elementarschulwesen in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf, W./Titze, H., Deutsche Schulgeschichte, 1993; Schiffler, H./Winkeler, R., Tausend Jahre Schule, 4. A. 1994; Kantwill, W., Neuere Geschichte des hamburgischen Schulrechts, 1995; Busch-Geertsema, B., Schule wird Pflicht, 1996; Schule und Schüler im Mittelalter, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 1996; Geschichte der Erziehung und der Schule in der Schweiz, hg. v. Badertscher, H. u. a., 1997; Führ, C., Deutsches Bildungswesen seit 1945, 1997; Schulliteratur im späten Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K., 2000; Die Volksschule im NS-Staat, hg. v. Apel, H., Neudruck 2000; Schmidt, D., Der pädagogische Staat. Die Geburt der staatlichen Schule aus dem Geist der Aufklärung, 2000; Kistenich, J., Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001, Wachter, A., Dorfschule zwischen Pastor und Schulmeister, 2001; Kirstein, K., Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2002; Damesme, N., Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln (1794-1814), 2003

Schultheiß ist im deutschen Reich ein Amtsträger. Er entsteht vermutlich als Schuldheischer im 7. Jh. im langobardischen Gebiet Italiens. Von hier aus übernimmt er örtlich Aufgaben des Grafen. Als Amtsträger erscheint er für den König oder andere Herren häufig in Städten, aber auch in ländlichen Gebieten. Er sitzt niederen Gerichten vor und ist Ortsvorsteher (Schulze).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Eckert, C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Wrochem, A. v., Der Schultheiß, 1908; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Schulze -> Schultheiß

Schumanplan ist der vor allem von Jean Monnet ausgearbeitete, 1950 verkündete Plan zu Bildung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl des französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg 29. 6. 1886 - Scy-Chazelles 4. 9. 1963). -> Montanunion

Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J., Robert Schuman und die Einigung Europas, 2000

schupfen (stoßen) (als Ehrenstrafe)

Schupfer, Francesco (Chioggia/Venedig 1833 - Rom 8. 9. 1925) wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und Göttingen Professor für italienische Rechtsgeschichte in Innsbruck, nach 1866 in Padua, 1878 in Rom. Seine Hauptwerke sind (ital.) Manuale di storia del diritto italiano (1892, Handbuch der italienischen Rechtsgeschichte) und Il diritto privato dei popoli germanici (Bd. 1ff. 1907ff., Das Privatrecht der germanischen Völker).

Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47 (1927), 896

Schupose (F.), Schuppose, kleineres landwirtschaftlich genutztes Gut im Süden im Mittelalter (Alemannien A. 12. Jh.)

Lit.: Münger, P., Über die Schupose, 1967

Schuschnigg, Kurt (Edler von) (Riva del Garda 14. 12. 1897 - Mutters 18. 11. 1977) wird über die christlichsoziale Partei ab 30. 7. 1934 Bundeskanzler -> Österreichs. Auf Druck Adolf -> Hitlers bestellt er am 12. 2. 1938 den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss-Inquart zum Sicherheitsminister. Am 11. 3. 1938 zwingt ihn Hitler zum Rücktritt. Der neue Bundeskanzler Seyss-Inquart bittet Hitler um Hilfe. Dem -> Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmen 99,73 % der Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich hauptsächlich als Opfer.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223

Schüttung (F.) eigenmächtige Pfändung (fremder Tiere auf eigenem Grund)

Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912, 342

Schutz ist die Fürsorge gegenüber möglichen Gefährdungen (z. B. Staatsschutz, Besitzschutz, Mieterschutz, Kündigungsschutz, Verbraucherschutz, Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutz, Mutterschutz, Jugendschutz, Naturschutz, Namensschutz, Zeichenschutz, Bestandschutz). S. oder S. und Schirm wird in verschiedensten Gestalten von Stärkeren gegenüber Schwächeren geboten (z. B. Lehen, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Geleit, Unfreiheit, Versicherung). In der frühen Neuzeit tritt an die Stelle des Schutzes teilweise die -> Polizei bzw. die staatliche Hoheitsgewalt.

Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen Schutzes, MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45 (1959), 1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16. - 18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für Laienfürsten, 1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982

Schutzbrief ist die einen -> Schutz betreffende besondere -> Urkunde.

Schutzgebiet ist eine Bezeichnung für deutsche -> Kolonien (z. B. Deutsch-Südwest-Afrika, Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea, Karolinen, Marianen, Palauinseln, Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou).

Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 1985

Schutzhaft ist die Haft zum Schutz (angeblich) des Verhafteten im Dritten Reich.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236

Schutzjude ist der (gegen Abgaben) unter den -> Schutz gestellte -> Jude im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Auf der Grundlage älterer Schutzmaßnahmen wird nach den Judenverfolgungen der Pestjahre 1347/9 der Jude in den Kurfürstentümern durch die -> Goldene Bulle (1356) in den besonderen Schutz aufgenommen. Im 19. Jh. beseitigt der Liberalismus zugunsten der vollständigen Emanzipation die Einrichtung der Schutzjuden.

Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866, Neudruck 1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981

Schutzpolizei -> Polizei

Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer Sicherheit, 2003

Schutzstaffel (SS) ist eine 1925 entstandene Schutzeinrichtung hoher Angehöriger der -> Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (1929 Himmler unterstellt, 1934 Hitler, 1939 etwa 240000, als Streitmacht Waffen-SS fast eine Million Mitglieder).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim, H., Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a. , 2000

Schwabe ist der Angehörige eines nach den elbgermanischen Sueben benannten Volkes, dessen Name im 9. Jh. am oberen Rhein und oberer Donau neben dem der Alemannen erscheint. Örtlich bleibt Schwaben infolge des Verschwindens eines Herzogtums Schwaben im späten 13. Jh. (Rudolf + 1290, Johann Parricida) ein bloßer Gebietsname ohne einheitliche Herrschaftsgewalt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1; Weller, K., Geschichte des schwäbischen Stammes, 1944; Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck 1978; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische Herrschaft, Z. f. württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis 1268, hg. v. Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2000; Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus, A., 2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001

Schwaben -> Schwabe

Schwabenspiegel ist ein durch mehr als 400 bekannte, über ganz Süddeutschland (einschließlich Österreichs und der Schweiz) verbreitete Handschriften überliefertes Rechtsbuch (-> Kaiserrecht). Es setzt die noch unvollständige Bearbeitung des in Landrecht und Lehnrecht geteilten -> Sachsenspiegels durch den -> Deutschenspiegel in unmittelbarem Anschluss hieran fort und wird bereits 1276 vom Augsburger Stadtrecht benutzt. s Er verwertet neben dem Deutschenspiegel fränkische Kapitularien, hochmittelalterliche Landfrieden, die Institutionen Justinians, kanonisches Recht und vielleicht Schriften Davids von Augsburg und Bertholds von Regensburg. Es sind so unterschiedliche Fassungen überliefert, dass die Herstellung einer Urfassung (Urschwabenspiegel) Schwierigkeiten bereitet. Eine durchgehend illustrierte Handschrift liegt in Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher (Freising, Bayern, Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von -> Goldast (1609).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120; Lassberg, F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Knapp, H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J. Kohler, 1919, 25; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu den Quellen des Schwabenspiegels, FS K. Hugelmann, 1959, 273; Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka, H, Der Schwabenspiegel, 2002

Schwäbischer Bund ist der am 14. 2. 1488 von Fürsten, Adel und Städten Schwabens auf Veranlassung des Kaisers als erneuertem Herzog von Schwaben abgeschlossene, bis 1534 währende Bund.

Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck 1968; Hesslinger, H., Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000

Schwangerschaft ist der von der Befruchtung bis zur Geburt eines Kindes reichende Zeitabschnitt im Leben einer Frau. Die S. wirkt sich im Recht teilweise bei der Leibesfrucht (lat. [M.] nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B. keine Ladung vor Gericht, aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im römischen Recht, Befreiung vom Fastengebot. Aufschub einer Folter oder Hinrichtung in der frühen Neuzeit). Erst 1908 erhalten Schwangere arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den das Mutterschutzgesetz erweitert.

Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, in: Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993

Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte Burg an der Schwarza in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, diw im 16. Jh. in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt teilen. Die 1697 bzw. 1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion vereinigt. Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Schwarzenberg, Johann Frhr. zu (Schwarzenberg/Mittelfranken 26. 12. 1463 - Nürnberg 21. 10. 1528) wird nach einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit im Gefolge König Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg (1493 Wallfahrt ins Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm verschwägerten Bischofs von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird er Mitglied des Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen von Brandenburg. Auf ihn geht über die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507) die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) zurück. Er ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch interessiert (1534 Teutscher Cicero).

Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Hellner, J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5 (1965), 48; Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, in: Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29

Schweden ist ein nordeuropäischer, zum 1. 1. 1995 der Europäischen Union beigetretener Staat. Sein Gebiet ist vermutlich schon im 2. oder 1. Jt. v. Chr. von -> Germanen (u. a. um 100 n. Chr. [lat. M.Pl.] Suiones) besiedelt. Im Frühmittelalter dehnen dabei die oberschwedisch-upländischen Svear ihre Herrschaft auch auf die Götar aus. Im Hochmittelalter kommt demgegenüber Götaland größere Bedeutung zu. Im Zuge der Christianisierung wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh. festigt sich S. Zwischen 1150 und 1323 wird das von Schweden aus christinaisierte Finnland einbezogen. Um 1350 erstreckt sich das Königreich S. von Kalmar bis Lappland und von der Mündung des Götaälv bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden Landschaftsrechte (landskapslagar) aufgezeichnet (Westgötenrecht bzw. Westgötalagh seit 1220- 2. H. 13. Jh., Ostgötenrecht bzw. Ostgötalagh um 1286 bzw. um 1300, Smalandslagen vor 1296, Södermannalagen bzw. Södermannalagh um 1279-85 bzw. 1327, Uplandslagen bzw. Uplandslagh 1296, Dalalagen bzw. Västmannalagan bzw. Westmannalagh 1298-1347 bzw. um 1330, Hälsingelagen bzw. Helsingelagh 1315-32 bzw. 1329/50). Zu den Landschaftsrechten treten Satzungen auf den Hoftagen und kirchliche Konzilsbeschlüsse hinzu. Von den Stadtrechten ist das sog. Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am bekanntesten. 1347 veranlasst König Magnus Eriksson ein allgemeines, in den einzelnen Landschaften allmählich aufgenommenes Landrecht (Landslag), 1357 (1353-60) ein bis 1734 gültiges Stadtrecht (Stadslag). Dabei steht der aus den Hoftagen entwickelte Reichsrat neben ihm. 1389 erkennt S. die Herrschaft Königin Margarethes von -> Dänemark an. 1442 wird das Landrecht erneuert. 1448 verselbständigt sich S. wieder (König Karl VIII.). 1477 wird eine 1530 bis 1593 geschlossene Universität in -> Uppsala eingerichtet (1632 Dorpat, 1640 Abo, 1668 Lund). 1523 erringt das Haus Wasa das Königtum. 1527 wird die Kirche enteignet und S. wenig später dem Luthertum zugeführt. Am Ende des 16. Jh.s bildet sich der in 4 Stände (Adel, Geistliche, Bürger, Bauern) gegliederte dauernde Reichstag neben König und Reichsrat. Am Ende des 17. Jh.s (1693) setzt der König kurzzeitig den -> Absolutismus durch, doch gewinnen 1718 die Stände die Macht. Am 14. 12. 1734 nimmt der Reichstag das seit 1686 allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch zum 1. 9. 1736 an. 1772 entzieht der König dem Reichstag die gewonnenen Rechte und hebt den Reichsrat auf. 1809 wird der König abgesetzt, die Privilegierung des Adels beseitigt und der Reichsrat neu geschaffen. Finnland gelangt an Rußland. 1810 wird der französische Marschall Bernadotte zum Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen von Dänemark an S. 1866 wird das Zweikammersystem mit einkommensabhängigem Wahlrecht, seit 1921 allgemeinem gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905 verselbständigt sich Norwegen. Zum 1. 1. 1995 tritt S. der -> Europäischen Union bei. 2000 werden Staat und Kirche getrennt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 130; Samling af Sweriges gamla lagar, hg. v. Schlyter, C. u. a., Bd. 1ff. 1827ff.; Amira, K. v., Altschwedisches Obligationenrecht, 1882; Holmbach, A./Wessen, E., Svenska landskapslagar, Bd. 1ff. 1933ff.; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Almquist, J., Svensk juridisk litteraturhistoria, 1946; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA (1965), 316, 85 (1968), 248; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1978; Das Ostgötenrecht, hg. v. Strauch, D., 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,995, 2,2,531,1027, 4,4,235; Den svenska historien, 1983f.; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte des Nordens, 1976; Das schwedische Reichsgesetzbuch von 1734, hg. v. Wagner, W., 1986; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges medeltidslagar, 1988; Austrup, G., Schweden, 1988; Sjöholm, E., Sweden’s Medieval Laws, Scandinavian Journal of History 15 (1990); Sawyer, P., The Making of Sweden, 1984; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus’, FS K.  Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sundell, J., Mittermaier, Maurer und Amira, ZRG GA 114 (1997), 415; Findeisen, J., Schweden, 1997; Nilsen, P., Att stoppa munnen till pa bespottare – den akademiska undervisningen i svensk statsrätt under frihetstiden, 2001; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003

Schweigaard, Anton Martin (Kargero 1808 - Oslo 1870), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach Förderung in Westerholt/Ostfriesland, Rechtsstudium in Oslo und Aufenthalten in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840 Professor in Oslo und Rechtspolitiker. Er veröffentlicht einen Kommentar zum norwegischen Strafgesetzbuch von 1842 (1841ff.) und eine Darstellung des norwegischen Prozesses (1849ff.). Seine Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch des römischen Rechts.

Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards politiske tenkning, 1986

Schweiz ist der zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich liegende, überwiegend deutschsprachige Staat. Die S. nimmt ihren Ausgangspunkt davon, dass der deutsche König zur Sicherung des Gotthardpasses 1231 den Leuten von -> Uri im ehemaligen Herzogtum -> Schwaben die ewige Reichsunmittelbarkeit verspricht und sich wenige Tage nach dem Tod Rudolfs von Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten Leuten von -> Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis gegen die das Privileg missachtenden Grafen von -> Habsburg verbinden. Am 15. 11. 1315 besiegen diese danach als -> Eidgenossen auftretenden Verbündeten die habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald schließen sich weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352, Bern 1353, Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Uechtland 1481/1502 und Solothurn 1481). Nach der tatsächlichen Lösung vom Reich (1499) folgen Basel und Schaffhausen zwangsweise 1501. 1648 wird die rechtliche Trennung vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) herbeigeführt. 1798 entsteht unter dem Einfluss der Französischen Revolution die Helvetische Republik, 1815 ein lockerer Staatenbund mit dauernder Neutralität, aus dem die Verfassung vom 12. 9. 1848 einen Bundesstaat macht. Ihm gehören (heute) 26 Kantone bzw. Halbkantone in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere Zeit durch die großangelegte Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht ist nach einem Personenstands- und Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 Fünftes Buch des Zivilgesetzbuches) und Zivilgesetzbuch (1907/12) für das Privatrecht vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Zum 1. 1. 2000 wird die Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht, Sozialziele, Recht des Kindes).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 201, 202, 216, 229, 242, 244, 255, 258, 261, 274; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; His, E., Die Geschichte des neueren schweizerischen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hg. v. Turler, H. u. a., Bd. 1ff. 1921ff.; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Schultheß, H., Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, 1945; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Hauser, A., Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1961; Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Guldener, M., Über die Herkunft des schweizerischen Zivilprozessrechts, 1966; Peter, H., Vom Einfluss der deutschen Zivilrechtswissenschaft, FS K. Bader 1965, 321; Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. 1f. 1972ff.; Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61,523,972, 2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,3618,3677,3777,3875,4046,4189; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, 1978, Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Kohler, P. u. a., 1981; Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Schnyder, B., Siebzig Jahre schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Drack, W. u. a., Die Römer in der Schweiz, 1988; Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Schultz, H., Vierzig Jahre schweizerisches Strafgesetzbuch, Schweiz. Z. f. Strafrecht 99 (1982); Schwander, M., Schweiz, 1991; Furrer, N., Glossarium Helvetiae Historicum, Ortsnamen, 1991; Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 1991; Böning, H., Der Traum von Freiheit und Gleichheit, 1998; Kästli, T., Die Schweiz, 1998; Bergier, J., Die Schweiz in Europa, 1998; Blickle, P., Ordnung schaffen, HZ 268 (1998), 121; Werkstatt Bundesverfassung, zusammengestellt v. Arlettaz, S., 1998; Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Hettling, M. u. a., Eine kleine Geschichte der Schweiz, 1998; Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 7. A. 2001; Rossi, P., Cours d’histoire suisse (1831-1832), 2000; Die Schweiz und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Unabhängige Expertenkommission, 2001; Hofer, W./Reginbogin, R., Hitler, der Westen und den Schweiz, 2001; Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 1ff. 2002ff.; Bonaparte et la Suisse, hg. v. Monnier, V., 2002

Schwerin -> Mecklenburg

Schwert ist seit dem Altertum eine Stich- und Hiebwaffe, welche tatsächlich (Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei -> Investitur, -> Zweischwerterlehre, -> Schwertmage) verwendet wird.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Schwertbrüder sind ein 1202 in Livland gestifteter kleiner Ritterorden, der 1237 mit dem -> Deutschen Orden verschmolzen wird.

Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875; Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992)

Schwertleite (F.) ein Mannbarkeitsritus, Ritterschlag

Schwertmage ist der durch das -> Schwert versinnbildlichte männliche Verwandte (Mage) im deutschen Mittelalter.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1

Schwurgericht ist die mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (bis 30. 9. 1972 Geschworenen) besetzte Strafkammer bei bestimmten Strafsachen (z. B. Mord), im älteren und ausländischen Recht das mit (1 bzw.) 3 Richter(n) und 12 Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die Geschworenen über die Frage der Schuld und der oder die Richter über die Frage der Strafe entscheiden. Das S. wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter dem Einfluss Frankreichs, im übrigen Deutschland meist nach 1848 eingeführt. 1877/9 wird dies reichseinheitlich geregelt. Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus finanziellen Gründen durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche Justizreform). Eine unmittelbare Kontinuität des deutschen Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen Schöffengericht besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der fränkischen Zeit her, welche der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das spätantiken Vorläufern folgende fränkische Untersuchungsverfahren über Grundbesitzverhältnisse über die Normandie nach England gelangt, wo es König Heinrich II. (1154-89) für Güterstreitigkeiten allgemein eröffnet. Danach soll der Sheriff jeweils 12 Nachbarn auswählen, vereidigen und befragen. 1166 wird dies auf Verfahren wegen Unrechtstaten übertragen.

Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872, Neudruck 1967; Schwinge, E., Der Kampf um die Schwurgerichte, 1926, Neudruck, 1970; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Plucknett, T., Concise History of the Common Law, 2. A. 1956; Böttges, W., Die Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege, Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte, in: The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Canegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988

Schwyz, um 730 Ort einer Kirche, ist der für die -> Schweiz namengebende Urkanton.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Wiget, J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991

scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 193, Nr. 6 (Celsus, um 70 - um 140, Digesten 1, 3, 17)

scultetus (lat.-afrk. [M.]) -> Schultheiß

Seabra, António Luís Visconde de (1798-1895), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra Richter, Rechtslehrer und liberaler Rechtspolitiker. Er entwirft den 1867 in Kraft gesetzten Código civil portuguez.

Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde de Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973

Seckel, Emil (Neuenheim bei Heidelberg 10. 1. 1864 - Todtmoos 26. 4. 1924), Schwiegersohn Hinschius’, wird 1898 Professor in Berlin.

Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E., Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216

Seckendorff, Veit Ludwig von (Herzogenaurach 20. 12. 1626 - Halle/Saale 18. 12. 1692), aus fränkischem Adel, wird nach dem Studium von Philosophie, Geschichte und Recht in Straßburg Rat und Kanzler in Sachsen-Gotha und 1665 in Sachsen-Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der christlich idealisierende Teutsche Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an den Fürsten, teilweise an dessen Amtsträger wendet.

Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1972, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 3. A. 1996

securitas (lat. [F.]) ist die Quittung im spätantiken römischen Recht.

Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62

SED ist die am 21. 4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung von Sozialdemokratischer Partei Deutschlands und Kommunistischer Partei Deutschlands zwecks Ausschaltung der Sozialdemokratie hervorgehende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in der sowjetischen besetzten Zone des Deutschen Reiches, welche in der Deutschen Demokratischen Republik die Politik entscheidend bestimmt und sich nach deren Scheitern am Ende der Deutschen Demokratischen Republik (1989) in Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) umbenennt.

Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente zur Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das Ende der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a., 1997; Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v. Wilke, M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die Signale, hg. v. Hübsch, R., 2002

Seedarlehen -> fenus (N.) nauticum (lat.)

Seelbuch (N.) Totenbuch

Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters, 1971

Seelgerät ist im mittelalterlichen Recht die zum Seelenheil (lat. salus [N.] animae) gestiftete Sache. Die Schaffung geschieht anfangs durch Gabe, seit dem Hochmittelalter auch durch -> Testament.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89

Seelteil -> Freiteil

Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928

Seerecht ist das die See betreffende Recht. Es ist ein Teil des Völkerrechts, soweit die See nicht zum Hoheitsgebiet eines einzelnen Staates zählt. Bedeutsam ist insbesondere das Seehandelsrecht als Sonderprivatrecht der Seeschiffahrt. Dieses erscheint bereits im (lat.) -> Codex Hammurapi (1728-1686 v. Chr.). Weit verbreitet ist im Altertum das nach der Insel Rhodos benannte griechische Seehandelsrecht (lat. lex [F.] Rhodia [de iactu]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten bis in das 15. Jh. fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen Ausgang von Amalfi (lat. Tabula [F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12. Jh.), Venedig (1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private Rechtssammlung in Barcelona um 1350 (1348) ist das -> Consolat del Mar, das bis ins 19. Jh. den Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische Gebiet sind die -> Rôles d’ -> Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders wichtig, deren flämische Übersetzung -> Vonnisse van Damme genannt wird. Diese bildet zusammen mit der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren oder Amsterdam entstandenen -> Ordinancie die Grundlage für die im 15. Jh. verfasste Sammlung Waterrecht. Von den deutschen Seehandelsstädten wirken vor allem Hamburg und Lübeck und ihre Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und 17. Jh. werden in den Niederlanden (1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in Dänemark (1561), Hamburg (1603), der Hanse (1614) und Schweden (1667) bedeutsame Regelungen erlassen, an die sich allmählich eine beachtliche wissenschaftliche Literatur anschließt (-> Stracca, -> Grotius, -> Vinnius).-> Preußen schafft 1727 ein 10 Kapitel mit 361 Artikeln umfassendes Seegesetz, dessen Inhalt in das -> Allgemeine Landrecht (1794) Eingang findet. Frankreichs -> Ordonnance de la marine (1681) erhält der -> Code de commerce (1807) aufrecht, der sich auf Griechenland (1835), Rumänien (1863), die Türkei (1864), Spanien (1829), Portugal (1833), die Niederlande (1838), Belgien (1879) und Italien vollständig oder teilweise auswirkt. Die deutschen Staaten vereinheitlichen ihr S. im -> Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) bzw. im Handelsgesetzbuch (1897/1900).

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957, 335; Telting, A., Die altniederländischen Seerechte, 1907; Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische Seehandelsrecht im 18. Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die hanseatischen Seerechte, in: 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för rättshistorik forskning, 1984, 75; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Landwehr, G., Das preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113; Landwehr, G., Die Bedeutung des lübischen Seerechts, in: Schiffe und Seefahrt, hg. v. Bei der Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des Seerechts, in: Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246; Landwehr, G., Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht, 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Decken, J. v. d., Das Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)

Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen und Sachen gegen die beim Seetransport bestehenden besonderen Gefahren. Sie erscheint erstmals 1319 und ist in Venedig bereits im 15. Jh. von großer tatsächlicher Bedeutung.

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Hammacher, W., Die Grundzüge des allgemeinen Seeversicherungsrechts, Diss. jur. Bonn 1983; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986

Sefarde (M.) Jude im mittelalterlichen Spanien

seisin (F.) Gewere

Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt

Selbständiger ist, wer nicht in einer (beruflichen) Abhängigkeit steht. In der arbeitsteiligen Wirtschaft wird die Zahl der Selbständigen (Unternehmer) immer geringer. Möglicherweise erzwingt die durch hohe Lohnkosten und Rationalisierungsdruck bewirkte Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr Selbständigkeit.

Lit.: Köbler, DRG 225, 252

Selbstbestimmung ist die ausschließliche Entscheidung des Betroffenen über sich selbst. Sie entwickelt sich dort, wo übermäßige Fremdbestimmung aufgeklärtes Freiheitsstreben erwachen lässt. Das ist seit dem 18. Jh. allgemein und seit dem 19. Jh. im überindividuellen Bereich der Fall.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000

Selbsthilfe ist die Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruches durch eigenes Handeln. Die S. ist vor der Entwicklung des staatlichen Durchsetzungsmonopoles selbverständlich (-> Fehde). Schon im römischen Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem Frühmittelalter wird die S. zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) hält sie zwar noch für grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge Voraussetzungen und gewährt ihr nur geringe Möglichkeiten.

Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964; Adler-Rudel, S., Jüdische Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287

Selbstmord (Selbsttötung) ist die gewaltsame Beendung des eigenen Lebens. Der S. wird von der christlichen Kirche vom 6. Jh. bis in das 20. Jh. als Todsünde dadurch bekämpft, dass (noch 1917) die Beerdigung des Selbstmörders in christlichen Formen ausgeschlossen wird. Zeitweise sprechen sich auch weltliche Juristen und territoriale Bestimmungen für eine Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf, Thomasius, Wolff), doch werden nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance weltliche Rechtsfolgen des Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in Preußen 1751 und in Frankreich 1790 von oben her aufgegeben. Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen Orten zu einzelnen Zeiten tatsächlich strafbar.

Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder, 1907; Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, in: Il diritto ecclesiastico, 63 (1952), 497; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der Selbstmord im römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in the Roman Empire, 1986; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1998; Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in the Middle Ages, 1998ff.; Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal History 21 (1999), 57; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999; Mischler, G., Von der Freiheit, das Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J., Selbstmord, 2001; Baumann, U., Vom Recht auf den eigenen Tod, 2001

Selbstverwaltung ist die eigenverantwortliche Wahrnehmung überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch unterstaatliche Träger öffentlicher Verwaltung. S. ist selbstverständlich. Sie wird zu einer politischen Frage seit der frühen Neuzeit, in welcher der erstarkende absolute Flächenstaat alle Entscheidungen zentralisiert. In Abwehr dieser bürokratisch-planstaatlichen Entwicklung setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die kommunale S. durch. Dem folgen eine berufsständische und seit 1883 eine sozialversicherungsrechtliche S. nach.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist, R. v., Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat, 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Croon, H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale Selbstverwaltung im Zeitalter der Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn von Stein, 1979; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel 1985; Gubitzer, L., Geschichte der Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C., Zur Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251; Kommunale Selbstverwaltung, hg. v. Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Bonn 1999

Selden, John (Selvington/Sussex 16. 12. 1584 - Whitefriars 30. 11. 1654), Bauernsohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Clifford’s Inn (1603) bzw. in Inner Temple (1604) 1612 Rechts­praktiker (barrister), Rechtspolitiker und Rechtswissenschaftler. Bereits 1606 verfasst er eine Darstellung der angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht über die englische Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit (lat.) De Diis Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet sich in der Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?) antwortet er auf Hugo Grotius’ (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem (lat.) Mare (N.) clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Gefolge englische Kriegsschiffe die holländische Heringsfischerei in von England beanspruchten Gewässern von Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England eine Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der englischen Rechtsgeschichte gegründet.

Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg, 1943 masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E., John Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden’s Formative Years, 1988

Seldschuke ist der Angehörige einer von Seldschuk (um 1000) gegründeten, von 1040 bis 1157 bedeutsamen Herrschrfamilie der -> Türken.

semel heres semper heres (lat.). Einmal Erbe immer Erbe.

Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4

Senat ist im altrömischen Recht die neben König bzw. Konsuln stehende Versammlung der Alten (lat. [M.Pl.] senes) oder Väter (lat. [M.Pl.] patres) der patrizischen Geschlechterverbände. Diesem S. gehören allmählich alle ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an. Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen ist, erlangt praktische Gesetzeskraft (lat. [N.] senatusconsultum). Seit dem Prinzipat verkümmert der S. zum Stadtrat Roms (bzw. Konstantinopels). In der frühen Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des Spruchkörpers eines Obergerichts, eines politischen Kollegialorganes (z. B. zweite Kammer) oder eines Leitungsgremiums einer Hochschule.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel, 1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus, hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der Bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998

senatusconsultum (lat. [N.]) ist der Senatsbeschluss, welcher im altrömischen Recht praktisch Gesetzeskraft erlangt.

Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4, 6, 14, 15; Köbler, DRG 18, 31

senatusconsultum Claudianum (54 n. Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, nach dem die Römerin versklavt wird, welche gegen den Willen des Herrn mit einem Sklaven geschlechtlich verkehrt.

Lit.: Kaser § 15 II 3

senatusconsultum Iuventianum (129 n.Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, wonach ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist.

Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG 37

senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist ein nach einem Haussohn Macedo benannter römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen an Haussöhne verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter Haussohn seinen Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom Vater geerbtem Geld zu tilgen.

Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das Verbot der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239

senatusconsultum Neronianum (54-68 n. Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, nach dem ein Legat, das in dem vom Erblasser gewählten Typus unwirksam ist, in einer der anderen Arten von Vermächtnis aufrechterhalten wird, wenn sein Inhalt dies zulässt.

Lit.: Kaser § 76 II 4a

senatusconsultum Orfitianum (178 n. Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, der den Kindern ein Erbrecht nach dem Tod der Mutter vor den Agnaten gewährt.

Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38; Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967

senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, welcher der Mutter, die das (lat.) -> ius (N.) liberorum (Recht der Kinder) hat, ein Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. [M.Pl.]) sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt.

Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38; Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967

senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, der den fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt, dass die dem Erben und gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und gegen den Nachfolger unmittelbar als (lat.) -> actiones (F.Pl.) utiles erteilt werden.

Lit.: Kaser § 78 II 2

senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) ist ein römischer Senatsbeschluss, der Frauen verbietet, im Interesse Dritter Verbindlichkeiten (z. B. Bürgschaften) einzugehen.

Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44; Medicus, D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957

Senckenberg, Heinrich Christian (Frankfurt am Main 1704 - Wien 30. 6. 1768), Arztsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen, Halle, Leipzig, Gießen und Göttingen 1736 ordentlicher Professor in Göttingen, 1738 in Gießen und 1751 Reichshofrat. Zu seinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten zählen wichtige Quellensammlungen (z. B. Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 1747ff.).

Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978

Send (M.) -> Sendgericht

sendeve (1297) (Sendvermögen) ist eine spätmittelalterliche nördliche -> Handelsgesellschaft, bei der Gut, das der Geber einem anderen Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil oder sonstige Gegenleistung (mit)gibt, allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers reist. Das s.-Geschäft steht der -> Kommission nahe.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrecht, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1951, 83

Sendgericht (zu lat. [M.] synodus) ist das im Frühmittelalter aus dem Bischof als Richter und aus Sendschöffen als Urteilern gebildete kirchliche Gericht für die Rüge und Verhandlung aller unrechten Taten, die nach christlicher Ansicht Sünde sind. Das S. geht seit dem 11. Jh. vom Bischof auf die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh. wird es allmählich durch den kirchlichen Einzelrichter eingeschränkt, im 17. Jh. endgültig beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75 (1989) 23; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien und die Rechtsprechung im Bistum Konstanz, 1998

Seneschall (lat.-afrk. senescalcus) ist im fränkischen Reich der für die Verpflegung zuständige Truchseß (Altknecht). In Frankreich besteht das Amt am Königshof bis 1191.

Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

senex (lat. [M.]) Alter, senes (M.Pl.) Senat

senior (lat. [M.]) Älterer, Herr

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G., Die Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z f.d.W. 7 (1905), 173

sententia (lat. [F.]) Satz, Urteil

Lit.: Kaser § 84 II

sententiae (F.) Pauli (lat.) (Urteile des Paulus) sind ein Auszug aus echten Schriften des -> Paulus vom Ende des 3. Jh.s.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52

separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung zwischen Nachlass des Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen römischen Recht zwecks Haftungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden kann. -> Erbenhaftung

Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG 37

sequester (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Verwahrer einer im Rechtsstreit befangenen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die siegreiche Partei Herausgabe verlangen.

Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3

Serbien ist das von Morava und Vardar entwässerte südwesteuropäische Gebiet, in das seit dem 5./6. oder 7. Jh. -> Slawen einwandern. Um 1180 wird es von Ostrom bzw. Byzanz unabhängig und 1217 unter päpstlicher Krönung Stefans des Erstgekrönten Königreich. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) wird es von den Osmanen (Türken) abhängig und 1459 Teil des osmanischen Reiches. 1838 wird S. autonom, 1878 unabhängig. 1918 wird es Teil -> Jugoslawiens, von dem sich 1991 selbständige Einheiten ablösen. Sein Recht ist demnach nacheinander römisch, slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich geprägt.

Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M., Sozialgeschichte Serbiens, 1994; ; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2002

Sergeevic, Vasilij Ivanovic (1832-1910) wird nach dem Rechtsstudium 1871 Professor in Moskau und 1872 in St. Petersburg. Mit Aufgaben und Methoden der Staatswissenschaften begründet er 1871 ausgehend von der historischen Schule und vom deutschen Positivismus das russische Staatsrecht. Von 1883 an legt er rechtsvergleichend geprägte Forschungen zur Geschichte des russischen Rechts und russische Rechtsaltertümer (1890ff.) vor.

Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Rußlands, 1961

servitium (lat. [N.]) Dienst, Leistung

Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C., Servitium regis, 1997

servitus (lat. [F.]) ist schon im altrömischen Recht die -> Dienstbarkeit (lat. [N.] iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.] aquaeductus [Wasserleitung]). Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das Gebäude. Ein Personalservitut ist der -> Nießbrauch. Als s. iuris Germanici (deutschrechtliche Dienstbarkeit) versteht die frühe Neuzeit die ein Tun beinhaltende Dienstbarkeit.

Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG 26, 41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998

Servitut -> servitus, -> Dienstbarkeit

Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956

Servius Sulpicius Rufus (um 106 - 43 v. Chr.) ist ein römischer, 51 v. Chr. das Konsulat bekleidender Jurist. Ihm werden 180 (lat. [M.Pl.]) libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene klassisch-institutionelle Richtung der römischen Rechtswissenschaft.

Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son école, 1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602

servus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Sklave. Er ist aus dem (römischen) Recht ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt, Kriegsgefangenschaft und Veräußerung ins Ausland. Der s. untersteht der Hausgewalt seines Herrn und wird wie eine Sache behandelt. Sein Herr kann ihm aber ein Sondergut (lat. [N.] -> peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der -> Unfreie.

Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35; Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A., 1985

sessio (lat. [F.]) Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung

Setzung -> Rechtssetzung, Gesetz

Seuche ist die eine größere Zahl von Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die S. richten sich schon im Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der frühen Neuzeit ergehen umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze.

Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Medizinalwesens, 1908; Lesky, E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln der Menschheit, 1997

Sevilla am Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. [F.]) colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon erobert. 1502 erhält es eine Universität.

Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de Sevilla, 1988

Sexualdelikt -> Sittlichkeitsverbrechen

Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001

Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit

Lit.: Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991; Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach, H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002

 

Sheffield wird im -> Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869

sheriff (M.) (um 1000) königlicher Verwalter, Graf

Lit.: Morris, W., The Medieval English sheriff, 1927

Sichard, Johannes (Tauberbischofsheim 1499 - Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem Studium der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg sowie 1524 ordentlicher Professor des Rechts in Basel. Er veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise auch juristischen Texten (z. B. 1528 -> Lex Romana Visigothorum, 1530 -> Lex Alamannorum, -> Lex Baiuvariorum und -> Lex Francorum). Nach einer fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt.

Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974

Sicherheit ist Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der -> Polizei. 1882 beschränkt das sog. -> Kreuzbergurteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung. Im Nationalsozialismus wird die S. teilweise missbraucht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage der Volksgemeinschaft, 1935; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988

Sicherheitsleistung (lat. [F.] cautio) ist eine in bestimmten Fällen zur Sicherung eines bestimmten Verhaltens zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang mit privatrechtlichen Sicherungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest, Schuldhaft). Als allgemeinere Rechtseinrichtung entwickelt sie die frühe Neuzeit.

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Sicherheitsverwahrung -> Maßregeln der Sicherung und Besserung

Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung, Diss. jur. Kiel 1999

Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache an diesen. Sie ist bereits dem altrömischen Recht als (lat. [F.]) fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch nicht ausgeschlossen. Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser die Sache trotz S. nutzen kann.

Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra legem?, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383

Siebenbürgen im Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen an die -> Ungarn. Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler (-> Sachsen) ins Land, welche mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden. Seit 1526 ist der Fürst von S. zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an -> Habsburg. 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am 8. 1. 1919 schließt es sich -> Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum weitgehend beseitigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Horedt, K., Das frühmittelalterliche Siebenbürgen, 1988; Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Arens, M., Habsburg und Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A. 2003; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003

Siebenhardenbeliebung ist eine von 1426 stammende friesische Rechtsquelle.

Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung, ZRG GA 60 (1940), 300; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 141

Siegel ist ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstückes. Das S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird in der -> Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden, die Unterschrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird auch bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum nachweisbare Siegelring.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999

Siegel, Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4. 1830 - Wien 4. 6. 1899) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg 1858 Professor in Wien. Er begründet die Sammlung österreichischer Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen als Verpflichtungsgrund. Monographien behandeln Erbrecht und Gerichtsverfahren.

Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA 20 (1899), VII; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978

Siete Partidas (Sieben Teile) ist ein 1256-65 in Spanien entstandener Rechtstext. Die S. P. werden unter König Alfons X. von Kastilien-Leon erarbeitet und nach mehrfachen Veränderungen (1265, 1290-1295, um 1300) 1348 unter König Alfons XI. als (span.) Libro (M.) del fuero de las leyes mit subsidiärer Geltung in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile (Rechtsquellen und Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und Kriegsrecht, Gerichtsverfassung bzw. Verfahrensrecht und Königsrecht, Familienrecht und Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht). Quellen sind das (lat.) -> ius (N.) commune, die Glosse des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus, das Decretum Gratians, der Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und des Raymundus de Penyafort, das Speculum des Durantis, die libri feudorum, der kastilische Fuero juzgo, die -> Rôles d’Oleron, Magister Jacobos Doctrinal de las leyes, Bibel, Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte orientalischer Tradition. Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich.

Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen Akademie der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986; Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991

Signet -> Notarsignet

Signoria (F.) autokratische Herrschaftsform in Italien im Spätmittelalter

Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari, 1983

silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 197, Nr. 35 (Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11)

Silvesterpatent ist die Urkunde vom 31. 12. 1851, mit welcher der Kaiser von -> Österreich die von ihm am 4. 3. 1849 gewährte -> Verfassung als unangemessen und unausführbar aufhebt und damit Österreich zum -> Neoabsolutismus führt.

Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher

Simonie ist nach Apostelgeschichte 8,18 der von Simon Magus abgeleitete Handel mit geistlichen Sachen. Die S. breitet sich in der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. aus. In der Mitte des 11. Jh.s wird sie von der kirchlichen Reformbewegung entschieden bekämpft. -> Investiturstreit

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX. und die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter, ZKG 64 (1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Lynch, H., Simoniacal Entry, 1976

Simson, Eduard (Königsberg/Preußen 10. 10. 1810 - 1899), Kaufmannssohn, 1823 evangelisch, wird nach dem Rechtsstudium in Königsberg 1828 mit (lat.) venia (F.) legendi (Lehrbefugnis) promoviert, 1833 zum außerordentlichen Professor und 1836 zum ordentlichen Professor ernannt. Seit 1834 wirkt er auch als Richter (zunächst am Tribunalsgericht in Königsberg), seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker (Präsident der Nationalversammlung, Präsident des Erfurter Unionsreichstags, Präsident des Zollparlaments, Präsident des Reichstages). 1879 wird er als bisheriger Präsident des Appellationsgerichts in Frankfurt an der Oder (bis 1891) Präsident des -> Reichsgerichts. Seine jüdische Herkunft beeinträchtigt sein berufliches und politisches Wirken nicht erkennbar. Seine Einordnung in eine wissenschaftliche Strömung ist mangels Publikationstätigkeit schwierig.

Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900; Meinhardt, G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001

Simultaneum (N.) Gleichzeitigkeit (der katholischen und protestantischen Konfession)

Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995

Singularsukzession (F.) Einzelnachfolge

Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singularsuccession, 1856

Sinti ist eine Bezeichnung für die früher als -> Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe.

Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002

Sinzheimer, Hugo Daniel (Worms 12. 4. 1875 - Overveen/Holland 16. 9. 1945), Kleiderfabrikantensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und Marburg 1903 Rechtsanwalt. 1916 tritt er der sozialdemokratischen Partei bei. 1920 wird er Honorarprofessor in Frankfurt am Main. 1921 verfasst er Grundzüge des Arbeitsrechts. 1937 wird er ausgebürgert.

Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der Rechtswissenschaft, 1953; Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 615; Kubo, K., Hugo Sinzheimer, 1995

Sippe ist im älteren deutschen Recht der um einen Stammvater gruppierte Familienverband. Die rechtliche Stellung der S. im Frühmittelalter ist streitig. Es ist fraglich, ob der S. jemals besondere öffentlich-rechtliche Aufgaben zukommen.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71, 72; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67 (1950), 34; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1; Wiebrock, L., Die Sippe bei den Germanen, Diss. jur. Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures, 1983; Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002

Sippenhaft ist die Anwendung von Maßnahmen gegenüber Angehörigen oder sonstigen Nahepersonen eines Bekämpften oder Verfolgten. Die im Nationalsozialismus geforderte und verwendete S. ist im Rechtsstaat unzulässig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002

Sitte ist der in der Gesellschaft geübte Brauch. Zwischen S. und Recht bestehen stets Wechselwirkungen. Insbesondere kann S. zu Recht werden.

Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2; Hübner; Köbler, DRG; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863

Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens gegen die guten Sitten (lat. boni mores [M.Pl.]). Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der Vorfahren verstoßende Geschäfte von den Juristen und den Kaisern unterdrückt. Dies wird verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen.

Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b; Hübner; Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973; Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur Sittenwidrigkeit von Testamenten, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 451; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001

Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Nach Tacitus werden bei den Germanen bestimmte Sittlichkeitsverbrechen mit dem Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter wendet sich vor allem die Kirche gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch, Inzest, Vergewaltigung, Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der S. durch liberale Vorstellungen teilweise zurückgedrängt (z. B. Homosexualität, anders Kinderpornographie).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6. A. 1911; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des Sexualstrafrechts, 1971; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen, T., Sittlichkeitsverbrechen, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999

Sizilien ist eine Insel am Fuß Italiens. S. wird zuerst von Griechen beeinflusst, dann aber 228/7 von den Römern erobert. In der Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen und Byzanz um die Vorherrschaft. Seit 827 dringen Araber ein, seit 1061 Normannen. 1130 wird S. Teil eines besonderen von Gegenpapst Anaklet II. gechützten, 1139 -> Neapel einbenehmenden unteritalienischen Königreiches der Normannen. Dieses gelangt über die Heirat Heinrichs VI. mit der Erbtochter Konstanze 1186 an das -> deutsche Reich (Friedrich II.), 1266/8 aber durch den Papst an -> Anjou und nach der sizilianischen Vesper (1282) unter Abtrennung von Neapel über eine staufische Erbtochter an Aragon. 1713/4 kommt S. von Spanien an Piemont, 1735 Neapel-S. an die Bourbonen, 1860 an Sardinien-Piemont und damit 1861 an das neue Königreich -> Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Finley, M./Mack Smith, D., A history of Sicily, 1968; Gallas, K., Sizilien, 7. A. 1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218; Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988; Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995; Backman, R., The Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998

Skandinavien ist die zusammenfassende Bezeichnung für die -> Norwegen und -> Schweden bildende Halbinsel, zu der im weiteren Sinn auch -> Dänemark und -> Finnland gezählt werden.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical archive, 1989; Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J., Bibliographie der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v., Europa und der Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im Mittelalter, 2001

Skanske Lov -> nordisches Recht, Schonen

Sklave ist der einem Menschen vollständig gehörende andere Mensch. S. wird man hauptsächlich durch Unterwerfung und Geburt. Der römische S. ist -> servus. Es ist streitig, ob der Unfreie des Mittelalters und der Neuzeit als S. bezeichnet werden darf. Sehr ähnliche Verhältnisse wie im Altertum treten erst wieder in den neuzeitlichen Kolonien (z. B. Amerika, wohin schätzungsweise 40000 Sklavenschiffstransporte aus Afrika erfolgen) auf. Nach einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie Preußen betreten, frei.

Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9, 10, 12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51, 57, 78; Verlinden, C., L’Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to Feudalism, 1991; Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Haenger, P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste, 1997; Klees, H., Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der römischen Rechtsquellen zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1 1999; Klein, H., The Atlantic Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson, D. u. a., The Transatlantic Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des transatlantischen europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Schumacher, L., Sklaverei in der Antike, 2001

Skythe ist der Angehörige eines iranischen, im Altertum nach Westen vordringenden Steppenvolkes.

Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980

Slawe (1. H. 6. Jh.) ist der Angehörige eines slawischen Volkes (z. B. Russe, Pole, Tscheche). Die zur indogermanischen Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung und besiedeln von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie werden überwiegend von -> Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert. Sie bilden verschiedene Reiche (-> Polen, -> Rußland usw.). Ein Panslawismus wird im 19. Jh. sichtbar. Er führt 1918 zur Lösung kleinerer Staaten von -> Österreich (-> Tschechoslowakei, -> Jugoslawien). Ein gemeinslawisches Recht ist nicht bekannt. Erst im 20. Jh. entwickelt sich unter dem Druck der Sowjetunion eine gewisse Einheitlichkeit sozialistischen Rechts.

Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell, DRG 1; Ludat, H., Slaven und Deutsche im Mittelalter, 1982; Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v. Herrmann, J., 1986; Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992; Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H., Die Slaven, 1996; Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke, C., 1998; Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer, B., Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002

Slawonien ist ein Teilgebiet -> Kroatiens.

Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995

Slowakei ist ein mitteleuropäischer Staat. Seit dem 10. Jh. gehört das Gebiet der S. zu Ungarn, welches die Bewohner seit 1867 ungarisiert. Am 28. 10. 1918 wird die S. Teil der Tschechoslowakei, von der sie sich 1993 trennt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dejiny Slovenska, 1986; Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte 2001; Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003

Slowenien ist ein mitteleuropäischer Staat. Das Gebiet Sloweniens löst sich 1918 aus der Herrschaft -> Österreichs und geht danach in Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991 spaltet es sich von dort ab.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und seine Deutschen, 2000; Griesser-Pečar, T., Das zerrissene Slowenien 1941-1946, 2003

Smend, Rudolf (Basel 15. 1. 1882 - Göttingen 5. 7. 1975), Theologieprofessorensohn, wird nach dem Studium von Recht, Philosophie und Geschichte in Göttingen 1909 Professor in Greifswald, Tübingen (1911), Bonn (1915), Berlin (1922) und Göttingen (1935). 1911 veröffentlicht er eine bedeutsame Untersuchung über das -> Reichskammergericht. Sein Hauptwerk über Verfassung und Verfassungsrecht (1928) gründet sich auf die Idee der Integration als des sinnhaften Ineinanders geistiger Vorgänge.

Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen, A., Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621

Smith, Adam (Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von Griechisch, Logik, Metaphysik, Theologie, Mathematik und Philosophie in Glasgow und Oxford 1751 Professor für Logik und 1752 für Moralphilosophie in Glasgow. Nach einer Bildungsreise durch Frankreich (1764-1766) veröffentlicht er 1776 (engl.) Inquiry into the Nature and the Causes of Wealth of Nations (Untersuchung über die Art und die Gründe des Reichtums der Völker), in der er die Freiheit des einzelnen als den Grund des Wohlstandes aller ermittelt. Damit begründet er als Klassiker der Volkswirtschaft den -> Liberalismus.

Lit.: Köbler, DRG 134; Brühlmaier, D., Die Rechts- und Staatslehre von Adam Smith, 1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The Life of Adam Smith, 1995; Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie, 1997; Ross, I., Adam Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums, hg. v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam Smith, 2001

societas (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Gesellschaft. Die privatrechtliche s. ist im klassischen römischen Recht ein der Erbengemeinschaft nachgebildeter Konsensualkontrakt der Gesellschafter. In der frühen Neuzeit wird s. auch für die menschliche Gesellschaft insgesamt verwendet. Das römische Recht der s. wird aufgenommen, im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber durch den Gedanken der -> Gesamthand abgeändert.

Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner § 9; Köbler, DRG 47, 64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936

sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der europäischen Entwicklung der Soziologie bewusst soziologische Erkenntnisse berücksichtigende, im 20. Jh. in den Vereinigten Staaten entwickelte Form der Rechtswissenschaft.

Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967

socius (lat. [M.]) Genosse, Gesellschafter

Södermannalagh ist das Recht der schwedischen Landschaft im Südosten -> Schwedens am Ende des 13. Jh.s (1280 ?, 1300 ?).

Lit.: Hafström, G., Den svenska rättskällornas historia, 1978

Soest in Westfalen entwickelt sich im frühen 12. Jh. zur Stadt, die seit dem 13. Jh. ihr Recht aufzeichnet und verbreitet.

Lit.: Ebel, W., Rechtsgeschichtliches aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester Stadtrecht, 1998; Die Stadt Soest, 2000

Sofia an der Witoscha erscheint im 8./7. Jh. als Siedlung der Thraker. Als Sordica wird es unter den Römern Provinzhauptstadt. 1382 wird es von den Osmanen (Türken) erobert. In Bulgarien erhält es 1888 eine Universität.

Lit.: Serdika-Sredez-Sofia, 1976

Sohm, Rudolph (Rostock 29. 10. 1841 - Leipzig 16. 5. 1917), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock, Berlin und Heidelberg 1870 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1870 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, Straßburg (1872) und Leipzig (1887). 1884 veröffentlicht er Institutionen des römischen Rechts, 1888 einen Grundriß der Kirchengeschichte und 1892 ein Kirchenrecht, wobei er die Ansicht vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem Wesen von Recht in Widerspruch stehe.

Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017; Stutz, U., Nachruf, ZRG GA 38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph Sohm, 1965; Böckenförde, W., Das Rechtsverständnis der neueren Kanonistik, Diss. jur. Münster 1969

Soldat ist der besoldete Krieger bzw. derjenige, welcher auf Grund einer Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Für den Soldaten kann besonderes Recht gelten. Schon das römische Recht kennt ein eigenes Soldatentestament.

Lit.: Kaser § 67 I 2c

Söldner ist der gegen Sold (zu lat. [M.] solidus) kämpfende Krieger. Er tritt insbesondere im spätmittelalterlichen Italien sowie im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England hervor. Die im 18. Jh. eingeführte Wehrpflicht verdrängt ihn wieder.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann, R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Burschel, P., Söldner, 1994

solicitor (M.) außergerichtlich tätiger Anwalt in England

solidus ist eine römische, im Frühmittelalter als Rechnungseinheit fortgeführte Münze.

Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW; Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991

sollizitieren (das Gericht [Reichskammergericht, Reichshofrat] um Tätigwerden bitten, erinnern)

Lit.: Fuchs, B.Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002

Solms ist seit dem Hochmittelalter (1129) eine Grafschaft in Hessen, die 1806 in Hessen aufgeht. 1571 erarbeitet der Frankfurter Stadtsyndikus Johann -> Fichard auf der Grundlage eines Entwurfes des Sekretärs Gerhard Terhell und unter Verwendung zahlreicher Quellen (Mainz 1534, Württemberg 1555, Trier 1537, Köln 1538, Nürnberg 1564, Freiburg 1520, Worms 1499) das sog. Solmser Landrecht (Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist eine stark romanisierende Reformation in schlichter Sprache und mit klarem Aufbau.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571; Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857), 292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30 (1967/9), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 2. A. 1980

Solon (Athen um 640-560) ist ein bedeutender griechischer Gesetzgeber und Staatsmann.

Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Ruschenbusch, Solons nomoi, 1983; Triantaphyllopoulos, Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Holz, H., Die solonische Gesetzgebung, in: Philosophie des Rechts, 1992, 103

Solothurn (Salodurum) ist eine Siedlung, die über Kelten, Römer und Burgund 1218 Reichsstadt wird. 1353 wird S. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz, 1481 Mitglied.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990

solsadire (lat.-afrk.) die Sonne untergehen lassen, Frist bis Sonnenuntergang setzen

Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867

solutio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr geht im altrömischen Recht das förmliche Enthaftungsgeschäft der s. per aes et libram (Lösung durch Erz und Waage) voraus.

Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b, 52 II, 53 I; Köbler, DRG 27, 43, 62

Somme rural ist ein wohl kurz vor 1396 von Jehan -> Boutillier (Jean le Boutillier) kompilatorisch verfasstes -> Rechtsbuch, dessen Aufbau sich grundsätzlich an den Verfahrensgang anlehnt. Es legt hauptsächlich die coutumes (Gewohnheiten) von Tournai, Tournaisis und Vermandois zugrunde, bezieht aber auch die coutumes von Normandie, Picardie, Artois, Flandern, Cambrésis, Champagne und Paris mit ein. Vor allem im Sachenrecht und im Schuldrecht wird römisches Recht verwertet. Hinzu kommt auch kirchliches Recht. Neben der Rechtsliteratur fließt in beachtlichem Umfang die eigene Erfahrung des Verfassers ein.

Lit.: Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951

Sondererbfolge ist die -> Erbfolge eines von mehreren Erben in einen einzelnen Gegenstand z. B. in Gerade und Heergewäte im Mittelalter, in Fürstengut oder Adelsgut, in Erbhöfe oder in Gesellschaftsanteile im 20. Jh. Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen, dem Gleichheitssatz folgenden Gesamtrechtsnachfolge.

Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269

Sondergericht ist das im Rechtsstaat unzulässige besondere Gericht (z. B. im Dritten Reich).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und Todesstrafe, 1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser, F., Das Sondergericht Essen, 2000

Sonnenfels (Perlin), Joseph v. (1732/3 Mikulov bzw. Nikolausburg - 25. 4. 1817), am 18. 9. 1735 getaufter Jude, wird nach dem Studium der Philosophie und des Rechts in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt bzw. Kanzleiangestellter, 1761 Rechnungsführer und 1763 Professor für politische Wissenschaft in Wien. 1765 veröffentlicht er Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz. Er wendet sich aufgeklärt gegen die Folter (1771) und die Todesstrafe.

Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von Sonnenfels, 1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von Sonnenfels, hg. v. Reinalter, H., 1988

Sonnenfrist setzen -> solsadire

Sonntag ist der auf Grund jüdischer Überlieferungen vom Christentum geheiligte siebente Wochentag, der durch staatliches Recht grundsätzlich arbeitsfrei ist.

Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998

Souveränität ist die im Absolutismus der frühen Neuzeit entwickelte höchste und unbeschränkte Staatsgewalt (-> Bodin 1566). Heute bedeutet S. eines Staates dessen Freiheit und Unabhängigkeit nach außen und innen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149; Kelsen, H., Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Hennis, W., Das Problem der Souveränität, 1951, m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; Dennert, J., Ursprung und Begriff der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966; Quint, W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2. A. 1986; Quaritsch, H., Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the Law, 1993; Stolleis, M., Die Idee des souveränen Staates, in: Entstehung und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität und Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157

sowjet (russ.) Rat

sowjetische Besatzungszone ist die Besatzungszone der Sowjetunion im Deutschen Reich seit 1945. -> Deutsche Demokratische Republik

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J. v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland, 1997; Wiedergutmachungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945-1950, hg. v. Mironenko, S. u. a., 1998; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1998; Sowjetisierung und Eigenständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, 2000; Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949, 2000; Mollnau, Marcus, Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk, I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des Scweigens, 2002

Sowjetunion ist der in der Oktoberrevolution 1917 aus -> Russland entstandene Staat. Er wird von der Kommunistischen Partei totalitär geführt. Die Wirtschaft wird verstaatlicht, das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums sozialistisch gestaltet (Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9. 1918, Arbeitsrecht 22. 10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere Deklaration über die Grundsätze des Vermögensrechts privatwirtschaftliches Handeln im Rahmen des sozialistischen Wirtschaftssystems. In der Folge wird das Zivilgesetzbuch Rußlands vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der beweglichen Sachen). Infolge der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg wird die S. Weltmacht. Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie 1970 zum Arbeitsrecht. Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur Liberalisierung. 1991 geht die S. in der losen Gemeinschaft unabhängiger Staaten auf. Russland verselbständigt sich wieder.

Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Rauch, G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Peter, V., Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der Sowjetunion in den deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung der sowjetischen Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrußland, 10. A. 1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion, 1993; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit, A., Imperial Overstretch, 1998; Heinzig, H., Die Sowjetunion und das kommunistische China, 1998; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte Russlands und der Sowjetunion, 2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991, 3. A. 2001; Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000; Wolkogonow, D., Die sieben Führer, 2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003

Sozialbindung ist die Einschränkung eines Rechts (z. B. des Eigentums) aus sozialen Gründen im 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen -> Sozialismus hervorgehende deutsche -> Partei. Ihr gehen der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein Lassalles (1863) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Liebknechts und Bebels (1869) voraus, welche sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei vereinigen. 1878 werden die Sozialisten verboten, 1890 aber als S. P. D. mit marxistischem Erfurter Programm Kautskys (1891) wieder zugelassen. Mit dem Godesberger Programm von 1959, das den Sozialismus als Weltanschauung aufgibt, wird die S. P. D. in Deutschland regierungsfähig (1969 bis 1982).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L., Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger, H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Steinbach, P., Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler und für die Republik, 1989; Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997; Welskopp, T., Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H., Sozialdemokratie – Frau – Familie, 2002

soziale Frage ist die aus der liberalen Industrialisierung erwachsende Gegenüberstellung von vielen besitzlosen Proletariern (Arbeitern, vierter Stand) und wenigen reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre Lösung sieht der liberale Staat des frühen 19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an, weshalb Selbsthilfeeinrichtungen statt seiner handeln (Gewerkschaft, Genossenschaft, Partei). Unter dem tatsächlichen Druck sozialistischer Parteien sieht sich Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung (-> Sozialversicherung) veranlasst.

Lit.: Köbler, DRG 177

soziale Marktwirtschaft ist diejenige Marktwirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, welche sozialen Ausgleich der durch übermäßige Ausnutzung von Freiheit entstandenen gesellschaftlichen Probleme versucht (z. B. Wohngeld für sozial schwache Mieter). In Deutschland beruht sie auf dem am 24. 6. 1948 vom alliierten Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz über Leitsätze.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft, 1997; Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999

Sozialgericht ist nach älteren Vorläufern (1884 Schiedsgericht für Streitigkeiten aus der Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht für Arbeiterversicherung, 1911 verwaltungsinterner Rechtsschutz durch Versicherungsamt, Oberversicherungsamt und Reichsversicherungsamt) in der Bundesrepublik Deutschland das für die Entscheidung über sozialrechtliche Streitigkeiten zuständige Gericht (Sozialgerichtsgesetz vom 3. 9. 1953).

Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J., Sozialgerichtsgesetz, 5. A. 1993

Sozialgeschichte ist die Geschichte der Gesellschaft bzw. der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die S. dient dem Verständnis der Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht beeinflussen sich jeweils gegenseitig.

Lit.: Köbler, DRG 9; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff.; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Alföldy, G., Römische Sozialgeschichte, 3. A. 1984; Boelcke, W., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914; Krause, J., Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, Teil 1 1992; Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, hg. v. Krause, J. u. a., Bd. 1f. 1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur neueren deutschen Sozialgeschichte, 1993; Wehler, H., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1f. z.T. 3. A. 1996ff.; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters, 1996; Ritter, G., Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682; Hering, S./Münchmeier, R., Geschichte der Sozialarbeit, 1999; Perspektiven der Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die Institution der kommunalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische Sozialgeschichte, hg. v. Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001

Sozialgesetzbuch ist in der Bundesrepublik Deutschland das die -> Reichsversicherungsordnung seit (1969 bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in einzelnen Büchern in Kraft tretende Gesetzbuch (I Allgemeiner Teil [1976], III Arbeitsförderung [1998], IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung [1977], V Gesetzliche Krankenversicherung [1989], VI Rentenversicherung [1992], VII Unfallversicherung, VIII Kinder- und Jugendhilfe [1991], X Verwaltungsverfahren [1980/1982], XI Pflegeversicherung [1995]).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre Sozialgesetzbuch, 1995

Sozialhilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland die durch Gesetz vom 30. 6. 1961 geregelte allgemeine Unterstützung sozial Schwacher. Durch das Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze öffentlicher Fürsorge im wesentlichen übernommen.

Lit.: Köbler, DRG 261

Sozialismus ist eine im 19. Jh. ausgebildete Gesellschaftslehre, die sich statt am individuellen Wohl des einzelnen am Gesamtwohl der Allgemeinheit ausrichtet. Angestrebt wird der S. vor allem von sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien. Der nach 1917 in der -> Sowjetunion bzw. nach 1945 in anderen sozialistischen Staaten verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse nur in bescheidenem Umfang.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Kühne, D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V., Kritik der marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989; Klassiker des Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus, hg. v. Bender, G. u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, 2000

Sozialistengesetz ist das seit 21. 10. 1878 die sozialistischen Parteien verbietende Gesetz des Deutschen Reiches, welches 1890 wegen Erfolglosigkeit nicht weiter verlängert wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177; Schümer, G., Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil. Göttingen 1930; Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während des Sozialistengesetzes, 1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des Sozialistengesetzes, JuS 1990, 702; Frerich, J., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z.T. 2. A. 1996; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands -> SED

sozialistisches Recht -> Sozialismus

Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1960; Löbbe, J., Sozialisitische Rechtsanwendung, 1998

Sozialpartnerschaft ist die verständnisvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften im 20. Jh.

Sozialrecht ist das Recht des Ausgleichs individueller Güterdifferenzen durch Leistungen eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Es entsteht nach vereinzelten älteren Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen 1845 Gewerbeordnung mit der Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung Unterstützungskassen für Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh. Es ist im weiten Umfang Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaftliche Vertreter sind Heinrich Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier-Somlo, Walter Kaskel, Alfred Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und Friedrich Kleeis und frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau, Leipzig und Frankfurt am Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G., L’idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v. Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996, 102; Mikešič, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die Anfänge 1918-1933, 2002

Sozialstaat ist der auf Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit verpflichtete Staat. Er entsteht seit dem Ersten Weltkrieg.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252; Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968; Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft, FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in Preußen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Koslowski, S., Die Geburt des Sozialstaats, 1989

Sozialversicherung ist eine im Grundsatz auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung aufbauende, durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 im Deutschen Reich eingeleitete Einrichtung, welche auf die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit abzielt. Sie umfasst Krankheit (15. 6. 1883), Unfall (6. 7. 1884), Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit (Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911 Reichsversicherungsordnung, Angestelltenversicherungs­gesetz, 1923 Reichsknappschaft) sowie Pflege (1995). 1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die gesetzliche Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufgenommen. 1975 werden Studenten und Behinderte in die S. einbezogen. In der Deutschen Demokratischen Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Vereinigung das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer übertragen. Träger der S. sind Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Berufsgenossenschaft, Krankenkasse). Die unsolide Finanzierung der S. bedroht bei ungünstiger Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfähigkeit.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183, 260, 261; Vogel, Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, Die Geschichte der Sozialversicherung, 2. A. 1973; Fröhlich, S., Die soziale Sicherung bei Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß, W., Die Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bogs, W., Die Sozialversicherung, 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Hofmeister, H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und Sozialrecht 22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 1999; Ausschuß für die Reform der Sozialversicherung/für Sozialversicherung (1934-1944). Versorgungswerk und Gesundheitswerk des Deutschen Volkes (1940-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen v. Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge der gesetzlichen Rentenversicherung, 2001; Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2002; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003

Soziologie (F.) Gesellschaftswissenschaft

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997; Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie, 1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145; Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt, H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994

Spanien ist ein im Südwesten gelegener, zum 1. 1. 1986 den Europäischen Gemeinschaften beigetretener Staat. Noch in der Steinzeit wird es von Afrika her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern (Karthagern) und Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der Völkerwanderung erobern die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die Goten, deren Zahl sich auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft, die (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum, für die Romanen die (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigothorum. Im Streit um die Nachfolge im Königtum wendet sich ein Streitteil an die nordafrikanischen Mauren (-> Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den Sieg erringen und seit 714 ein Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat von Cordoba) bilden. Wenig später beginnt von dem niemals von Mauren eroberten Nordwesten, in den sich Teile des westgotischen Adels flüchten, von Asturien, Navarra und Katalonien aus die christliche Rückeroberung (span. -> reconquista), welche 1492 mit der Gewinnung Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in sog. -> Fueros aufgezeichnet. Ein besonders bedeutsames Rechtsbuch sind die -> Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien und Aragon (Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der Neuen Welt (1492) erwirbt S. Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahnsinnigen sein spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als -> Karl V. 1519 König (bzw. Kaiser) des Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), doch wird innerhalb Habsburgs schon 1526 wieder in zwei Linien geteilt. 1561 wird Madrid Hauptstadt. Wenig später (1588 Sieg Englands über die spanische Flotte) tritt S. hinter England und Frankreich zurück. Beim Aussterben der spanischen Linie des habsburgischen Hauses 1701 gelangt S. an die -> Bourbonen. Von 1873 bis 1875 wird S. erstmals Republik, von 1931 bis 1939 zum zweitenmal. Das spanische Recht wird im 19. Jh. nach französischem Vorbild in Gesetzbüchern geregelt (Codigo de comercio 1829, Codigo penal 1848, Codigo civil 1888/9, primäre Geltung nur bezüglich allgemeiner Bestimmungen und Eherecht, im übrigen subsidiäre Gliederung gegenüber den partikularen Rechten).

Lit.: Rauchhaupt, F., Geschichte der spanischen Rechtsquellen, 1923; Kleffens, E. von, Hispanic Law, 1968; Islamische Geschichte Spaniens, hg. v. Hoenerbach, W., 1970; Payne, S., A history of Spain and Portugal, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,890, 2,2,228,847,1271, 3,1,397, 3,2,2403, 3,3,3740,3473,3917,3994,4118; Lalinde Abadía, J., Iniciación historica al Derecho, 3. A. 1983; Garcia Gallo, A., Manual de historia del derecho español, 10. A. 1984; Reconquista und Landesherrschaft, hg. v. Engels, O., 1989; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Spanienlexikon, hg. v. Bernecker, W. u. a., 1990; Indice biografico de Espana, Portugal e Iberoamerica, 1990; Reilly, B., The Medieval Spains, 1992; El tercer poder, ed. por Scholz, J., 1992; Adomeit, K./Frühbeck, G., Einführung in das spanische Recht, 1993; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993; Becker, R., Der Ursprung der Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht, ZEuP 1995, 88; Die Entwicklung des spanischen Zivilprozessrechts, ZEuP 1995, 242; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Spaniens, 2. A. 1996; Richardson, J., The Romans in Spain, 1996; Köbler, Rechtsspanisch, 1997; Miras, A., Die spanischen Könige, hg. v. Bernecker, W. u. a., 1997; Herzog, W., Spanien, 4. A. 1998; Jorzick, R., Herrschaftssymbolik und Staat, 1998; Scholz, J., Eine weltliche Kunst, Ius commune 25 (1998), 219; Bennassar, B./Vincent, B., Spanien, 1999; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la España cristiana – las fuentes juridicas siglos V-XV, 2000; Bernecker, W., Spanische Geschichte, 2002; Kleine Geschichte Spaniens, hg. v. Schmidt, P., 2002; Scholz, J., Gerechtigkeit verwalten. Die spanische Justiz im Übergang zur Moderne, 2003

Sparta

Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge, P./Spawforth, A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos Sparta, 1994; Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E., Sparta, 1998; Meier, M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v. Hodkinson, S. u. a., 1999; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001

Sparkasse ist ein Unternehmen, das Spardarlehen annimmt und verwaltet sowie andere Bankgeschäfte betreibt. Die S. erscheint als Idee in Frankreich 1611. Nach ähnlichen Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse) wird sie am Ende des 18. Jh.s eingerichtet (Hamburg 1778, Oldenburg 1786, Kiel 1796). Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen (Preußen). Seit dem Ende des 19. Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren hundert Sparkassen.

Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen in Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Wysocki, J., Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen, 1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die rheinischen Sparkassen, 2001

Spätantike ist das ausgehende Altertum vom 3. bis zum 6. Jh. Umstritten ist das Fortleben antiker Einrichtungen im -> Mittelalter. -> Kontinuität

Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998; Henning, D., Periclitans res publica, 1999

Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter vom 13. Jh. (Interregnum) bis zum 15. Jh. (Entdeckung der Neuen Welt).

Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl, W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996

SPD (-> Sozialdemokratische Partei Deutschlands)

speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis ignorat Augustinus‘ 354-430)

Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973

Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist ein zwischen 1276 und 1290 entstandenes Rechtsbuch des französischen Geistlichen und Modeneser Rechtslehrers Wilhelm -> Durantis (um 1237-1296), das unter Einbeziehung der Verfahrenswirklichkeit die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit ausführlich darstellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W., Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975

Spedition ist die gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen in eigenem Namen. Sie entsteht im Spätmittelalter. Im frühen 20. Jh. entwickeln die Spediteure erste allgemeine Spediteurbedingungen (Berlin 1919).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Spee (Spee von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2. 1591 - Trier 7. 8. 1635) wird nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631 veröffentlicht er die (lat.) Cautio (F.) criminalis contra sagas (Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen, Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse), in der er sich gegen Verfahrensunrecht im -> Hexenprozess und damit vor allem die -> Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen zeitigt sein Werk erst im 18. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 107; Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963; Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg. v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio Criminalis, übertragen v. Ritter, J., 1939, 6. A. 2000

Spencer, Herbert (Derby 27. 4. 1820 - Brighton 8. 12. 1903) ist ein liberaler Philosoph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu immer besseren Formen sieht.

Lit.: Köbler, DRG 179

Speranskij, Michail Michailovic (Tscherkutino/Wladimir 1772 - St. Petersburg 23. 2. 1839) legt als engster Vertrauter des Zaren für -> Rußland 1808/9 ohne durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zur Änderung der Herrschaftsverhältnisse nach englischem Vorbild vor (1810 Reichsrat). Er erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien (1812) die Schaffung der Gesetze des russischen Reiches (Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii bis 1828/30) und die Zusammenfassung aller geltenden russischen Gesetze (Svod zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln). Damit schafft er eine wichtige Grundlage für die russische Rechtsentwicklung.

Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij, 1957

Speyer am Rhein (kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 als Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den -> Saliern durch Privilegien ausgezeichnete Ort -> Reichsstadt. Von 1526/7 bis 1689 beherbergt S. das -> Reichskammergericht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das Strafrecht, 1900; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet, G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Neumann, H., Sozialdisziplinierung in der Reichsstadt Speyer, 1997

Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung

Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG 34

Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein -> Strafzweck (von -> Grolman 1775-1829, von -> Liszt 1882).

Lit.: Köbler, DRG 204, 269

Sphragistik (F.) Siegelkunde

Lit.: Köbler, DRG 3

Spiegel -> speculum, Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel, Fürstenspiegel, Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel

spiegelnde Strafe ist eine Strafe, welche in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge des Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiß, ihre Bedeutung gering. -> Talion

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Spiel ist eine allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu unterhalten und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet vom mit höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen Würfelspiel der Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem und unerlaubtem S. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils lässt sie es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu (Spielbank, Spielcasino).

Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878; Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische Forschungen 3 (1931), 92; Endrei, W., Spiel und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Macht der Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000

Spießbürger ist der nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache -> Bürger.

Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen) zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen zwecks Demütigung oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt vielfach zum Tod des Läufers.

Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976

Spindelmage (F.) weibliche Verwandte

Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1

Spinoza, Benedictus (Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632 - Den Haag 21. 2. 1677), portugiesisch-jüdischer Kaufmannssohn, wird nach der geistigen Lösung vom Judentum (1656) Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur aus, lässt den Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit seiner vernünftigen Natur lebt, und hält die Demokratie für den besten Staatszustand. Am Ende des 18. Jh.s werden diese Vorstellungen vielfach aufgegriffen.

Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933; Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M. u. a., 2001

spiritualis (lat.) geistlich

Spital (zu lat. hospitalis) oder Hospital ist ein Haus zur Beherbergung von Fremden, Kranken, Alten und Armen. Es entsteht im ausgehenden Altertum. Im Mittelalter geht das S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem Hochmittelalter kommen ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter auch reiche Bürger als Gründer hinzu. Das S. wird als eigene Verbandsperson eingeordnet. Seit dem 18. Jh. wird das allgemeine S. durch besondere Einrichtungen (z. B. Krankenhaus) abgelöst.

Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd. 1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947; Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor law, 1959; Wendehorst, A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986;

Split (Aspalathos) an der Adria entsteht um einen von Kaiser Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr. errichteten Palast. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es eine Universität, die 1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-97) kommt es an Österreich, 1918 zu Jugoslawien.

Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Dusa, J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991

Spolienrecht -> ius spolii

Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das Testamentsrecht, 1958

sponsalia (lat. [N.Pl.]) ist seit dem altrömischen Recht das -> Verlöbnis.

Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22

sponsio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen (Gelöbnis) oder die daraus entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s. eine der drei Formen der -> Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne (versprichst du?) wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben.

Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58 III; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63;

Sprache ist die in Zeit und Raum unterschiedliche lautliche Gestalt menschlicher Gedanken, wobei das durchschnittliche Wortschatzwissen der Gegenwart rund 50000 Einheiten umfasst, semantisch einfach, aber stark vernetzt und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden ist. Das -> Recht kann am ehesten über Sprache wirken. Die an sich vergängliche Sprache kann durch -> Schrift und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen 2000 rund 6500 verschiedene Sprachen, von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben, so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt.

Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Zaunmüller, W., Bibliographisches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958; Sonderegger, S., Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259; Baier, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G., Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992; Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenscahft des 18. Jahrhunderts, hg. v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in die moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 7. A. 1996; Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F., Die Sprachen der Welt, 1997; Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann, H., Kleines Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon der untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen Neuzeit, 2002

Sprichwort -> Rechtssprichwort

Lit.: Thesaurus proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker) 1998

Spruch (M.) Urteil

Spruchkollegium ist ein für ein Urteil zuständiges Kollegium (z. B. juristische Fakultät seit dem 14. Jh., verstärkt im Rahmen der -> Aktenversendung vom 16. bis 19. Jh.).

Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der Hallischen Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942) ff.; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die Rostocker Juristenfakultät, in: Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann, 1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzuchtverfahren in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der Hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.

Spurfolge ist die Verfolgung der Spuren eines Diebes im älteren Recht. Im fränkischen Recht ist S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur in ein Haus führt, dessen Durchsuchung.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002

SS (Schutzstaffel) (1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt)

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung – Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Syndor, C., Soldaten des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v. Smelser, R. u. a., 2. A. 2003

Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Menschen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger (Staatsgewalt), sofern  sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechtswidrigen Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet (Athen, Rom). Im übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jh. -> juristische Person des öffentlichen Rechts. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der -> Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zum -> Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philosophen, deren Gedanken seit der -> Französischen Revolution zum (theoretischen) Übergang der Staatsgewalt auf das Volk (-> Volkssouveränität) und zur Teilung der Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (-> Gewaltenteilung) führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als juristische Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle -> Verfassung (1776) vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesinnung.

Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Below, G. v., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914; Häfelin, U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 11. A. 1987; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Mager, W., Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs, 1968; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986; Weinacht, P., Staat, 1968; Conrad, H., Der deutsche Staat, 2. A. 1974; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Strayer, J., Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, 1975; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht und Staat bei Maria Theresia, ZRG GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker über den Staat, 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Renaissance du pouvoir législatif et gén`se de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Breuer, Der archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat, 1991; Conquest and Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Schulze, H., Staat und Nation, 1994; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994; Demandt, A., Antike Staatsformen, 1995; Truhart. P., Lexikon der historischen Staatsnamen, 1995; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 3. A. 1996; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herzog, R., Staaten der Frühzeit, 2. A. 1998; Hillgruber, C., Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, 1998; Leuthäusser, W., Die Entwicklung staatlich organisierter Herrschaft, 1998; Staatliche Verreinigung, hg. v. Brauneder, W., 1998; Jost, E., Staatsschutzgesetzgebung, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u. a., 2000; Reinhard, W., Verstaatlichung der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons „Staat“, 1999; Demandt, A., Der Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000; Uhlenbruck, H., Der Staat als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der Globus – Staaten und Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden des Palästinenserstaats, 2002

Staatenbund ist ein vertraglich vereinbarter Bund mehrerer Staaten (z. B. Vereinigte Niederlande 1579-1795, -> Deutscher Bund 1815, -> Schweiz 1815-48, -> Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw. 1993).

Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck 1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975; Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999

Staatenhaus ist die Vertretung der Staaten in der Verfassung des geplanten -> Deutschen Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern.

Lit.: Köbler, DRG 194

Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie erscheint nach älteren frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) nach 1800. Seitdem wird sie meist gesetzlich besonders geregelt (z. B. Preußen 1842, Deutsches Reich 1870, 1913 Übergang vom Territorialgrundsatz zum Abstammungsprinzip).

Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Gosewinkel, D., Die Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, in: Offene Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur. Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001

Staatsanwalt ist der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S. findet sich nach französischem Vorbild (-> ordonnance de Villers-Cotterets von 1539) seit 1810 im linksrheinischen Rheinland. Es folgen Baden 1831, Hannover 1841 und Preußen (1. 1.) 1846 unter teilweiser Beschränkung auf bestimmte Verfahren, 1877/9 das Deutsche Reich. Das ursprünglich für den S. geltende -> Legalitätsprinzip weicht seitdem zunehmend dem -> Opportunitätsprinzip.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235; Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971; Schuhmacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v. d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der Gesetze“ oder „Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung der Staatsanwaltschaft, 2000

Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht am Staat (Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines Staats. Der S. wird zwischen 1770 und 1789 allgemein anerkannt. 1919 werden im Deutschen Reich die S. einander gleichgestellt.

Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8 (1969), 41; Bürger und Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme und Staatsbürgertum, 2001

Staatsgebiet -> Staat

Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930

Staatsgerichtshof ist im 19. Jh. das Verfassungsgericht (-> Verfassungsgerichtsbarkeit) einzelner Staaten (Württemberg 1819, Sachsen 1831, Bayern 1848, Sachsen-Weimar-Eisenach 1850, Oldenburg 1852, Baden 1868), 1921 für das Deutsche Reich. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe steht vor allem die -> Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten Länder zu einem -> Verfassungsgericht über.

Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I., Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996

Staatsgewalt -> Staat

Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB. d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die Staatsgewalt, 2000

Staatsgrundgesetz ist eine Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867). Die 5 bzw. 6 österreichischen Staatsgrundgesetze vom 21. 12. 1867 (-> Dezemberverfassung) betreffen die Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, das Reichsgericht, die richterliche Gewalt und die Ausübung der Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt.

Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das Schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985

Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den durch staatliches Verhalten entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits im 18. Jh. allgemein anerkannten Haftung des -> Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten und der Haftung des Staates als juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der Mandatstheorie kann dabei wegen Überschreitung des Mandats rechtswidriges Verhalten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte Amtspflichtverletzungen fest, das preußische Beamtenhaftungsgesetz und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zum Schutz des Beamten den Staat eintreten.

Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879

Staatshaushalt -> Haushalt

Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller, P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989

Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen Römischen Reiches [deutscher Nation], Großbritannien, Schweden, Spanien).

Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche betreffende Recht.

Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul  Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B., Ius reformandi, 2001

Staatslehre ist der seit dem Ende des 18. Jh.s entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der sich mit dem Wesen des Staates als solchem befasst.

Lit.: Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer der frühen Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre, 2. A. 1998

Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 1968 eine Notstandsverfassung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss. jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand im modernen Friedensvölkerrecht, 1988

Staatspolizei -> geheime Staatspolizei

Staatsraison ist die zur Förderung des Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in Italien im 16. Jh. aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jh.s wird sie wegen der Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen.

Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976; Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M., Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Thuau, E., Raison d’Etat, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, in: Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998

Staatsrat ist ein der Staatsleitung dienendes Beratungsorgan (z. B. Österreich 1760, Preußen 1808-1817, 1921-1933). In der -> Deutschen Demokratischen Republik ist der S. zeitweise das Leitungsorgan.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrath (1760-1848), 1879, Neudruck 1972; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M., Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866, 2001

Staatsrecht ist das den Staat im allgemeinen betreffende Recht. Das S. entwickelt sich im Laufe des 19. Jh.s aus dem -> öffentlichen Recht. Dabei strebt das 19. Jh. vor allem nach Verwissenschaftlichung.

Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff., Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriß des allgemeinen deutsch- und bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. z.T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Der Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 Die geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001

Stab ist ein langes dünnes Holzstück, das als Rechtssymbol für Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu übertragenden Gegenstand (z. B. Grundstück).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Stadt ist die größere, gewerbliche Tätigkeit beinhaltende, meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom). Im Mittelalter entsteht sie vielfach auf römischer Grundlage im 11. Jh. unter Förderung durch den Stadtherrn (neu). Reichsunmittelbar ist die -> Reichsstadt. Seit dem 19. Jh. tritt die S. hinter der -> Gemeinde zurück, so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche Bedeutung verliert.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110, 111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50 (1930), 1; Below, G. v., Territorium und Stadt, 2. A. 1923; Rudolph, H., Stadt und Staat im römischen Italien, 1935; Pirenne, H., Les villes, 1939; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Die  Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C., 1969; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980; Modelli di città, hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1988; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1991; The City in the Late Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen Neuzeit, 2. A. 1994; Roux, S., Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince, A., Medieval Towns, 1994; Die Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von Çata Höyük, 1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg. v. Janssen, W. u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das Bild der Stadt in der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B., 2000; Kannowski, B., Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Stadt und Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg. v. Johanek, P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003

Stadtbuch ist das von einer -> Stadt für die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Geschehnisse geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jh. Mit zunehmender Verschriftlichung treten mehrere besondere Bücher nebeneinander.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll. 11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Stadtbuch von Anklam, hg. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher als namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000

Stadtbürger -> Bürger

Städtebund ist der vertragliche Zusammenschluss von Städten zu gemeinsamem Handeln (z. B. lombardische Liga 1167, Rheinischer Städtebund 1254/6, Schwäbischer Städtebund 1376/81, -> Hanse).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Kommunale Bündnisse, hg. v. Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u. a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995

Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jh.s (z. B. das preußische Gesetz vom 19. 11. 1808, das den Städten die -> Selbstverwaltung erneuert).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie und städtische Autonomie, 1997

Stadtgericht ist das in der -> Stadt für die gerichtlichen Angelegenheiten zuständige -> Gericht, dem anfangs meist der Stadtherr vorsitzt.

Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981

Stadtherr -> Stadt

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972

Stadtkommune -> Stadt

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967

Stadtluft macht frei ist ein Rechtssprichwort des 19. Jh.s, das zum Ausdruck bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg 1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher Landflucht im Hochmittelalter anscheinend nicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG O. Gierke, 1901, 1; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek, C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305

Stadtmauer -> Stadt

Stadtrat -> Rat, Stadt

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Stadtrecht ist das besondere Recht einer Stadt. Es entsteht nach römischem Vorbild im Mittelalter am Ende des 11. Jh.s (lat. ius [N.] civile). Am Beginn steht das -> Privileg (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh. kommt die -> Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das S. oft im -> Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine andere übertragen (Stadtrechtsfamilie). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter dringt dieses über Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/84, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520) auch in das S. ein. In der Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120; Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966; Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte, 1901, Neudruck 1965; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961; Köbler, G., Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Dilcher, G., „Hell, verständig für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA 106 (1989), 12; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000

Stadtrechtsbuch ist ein -> Rechtsbuch einer -> Stadt (z. B. Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Silein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld, Preßburg, Freiberg, Frankenberg usw.)

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990

Stadtrichter -> Stadtgericht

Stadtschreiber -> Schreiber

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979; Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990

Stadtschultheiß -> Schultheiß

Stadtstaat (z. B. Athen, Rom, Florenz, Venedig, Nürnberg, Hamburg, Bremen)

Lit.: Söllner § 4; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u. a., 1991

Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808).

Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997

Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein

Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München 16. 1. 1802 - Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kaufmannssohn, 1819 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk ist eine zweibändige Philosophie des Rechts, die sich gegen das -> Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab.

Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C., Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius Stahls, 1999

Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie, Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in -> Schottland.

Lit.: Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106

Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879 - Moskau 5. 3. 1953) ist von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der -> Sowjetunion, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet.

Lit.: Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem Zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier, M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch: Stalin und die Juden, 1998; Marie, J., Staline, 2001

Stamm ist ein Teil eines Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als S. bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings.

Lit.: Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979

Stammesherzogtum ist das im Frühmittelalter aus einem Volk bzw. -> Stamm gebildete -> Herzogtum (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) im Gegensatz zum Territorialherzogtum im Hochmittelalter (z. B. Österreich, Westfalen). Das ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere S. im 10. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 83; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989

Stammesrecht -> Volksrecht

Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856 - Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer Rechtsphilosoph. 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches Rechtsleben in alter und neuer Zeit“ vor.

Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662

Stand ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft. Vom Altertum bis in das 19. Jh. gliedert sich die Gesellschaft in verschiedene Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und Sklaven (lat. [M.Pl.] servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. [M.Pl.]) honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden -> Freie (lat. [M.Pl.] liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch -> Adlige (lat. [M.Pl.] nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese geburtsständische Gliederung durch die berufsständische Einteilung in -> Ritter (lat. [M.Pl.] milites), -> Bürger (lat. [M.Pl.] cives, burgenses, urbani) und -> Bauern (lat. [M.Pl.] rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (-> Ebenbürtigkeit), -> Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht) aus. Seit der Französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger) vertretene, aufgeklärte Grundsatz der -> Gleichheit durch (1918). Hinsichtlich der Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19. Jh. -> Landstände und -> Reichsstände.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132, 135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen Strafrecht, 1934; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1967; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen, 1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a., 1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H., 1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997

Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der vor allem die staatlichen Aufgaben der -> Eheschließung und Führung der Personenstandsbücher ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/92) wird ein S. 1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 209

Standeserhöhung ist die Erteilung des -> Adels durch Urkunde (seit 1346, -> Briefadel).

Standesherr ist im 19. Jh. der Angehörige eines der etwa 80 1803/6 mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesichert, die zwischen 1848 und 1918 aber verschwinden.

Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 2. A. 1964; Schier, R., Standesherren, 1977; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Furtwängler, M., Die Standesherren in Baden, 1996

Ständestaat ist der durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des 13. bis 19. Jh.s. Zwischen 1934 und 1938 versteht sich -> Österreich nochmals als S. -> Landstand, -> Reichsstand

Lit.: Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985

Standgericht ist das im Stehen bzw. sofort abgehaltene Gericht im Heereswesen. Es findet sich bereits im römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet. Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht.

Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F., Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904

Standrecht -> Standgericht

Stang, Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt in Deutschland versucht er eine Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts. In der Rechtspolitik setzt er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener Einzelgesetze (1907 Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzahlungsgesetz) ein.

Lit.: Solem, E., Frederik Stang, Tidsskrift for Rettsvidenskap, 1942, 1

Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1. 1623 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapelholmer Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter einem Landvogt gekennzeichneter Landschaft zwischen unterer Eider, Treene und Alten Schleswig.

Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623, Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a., 1968

Stapelrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen, ihre Waren am Ort zum Verkauf aufzustellen.

Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939

Stasi (F.) Staatssicherheitsdienst der -> Deutschen Demokratischen Republik

Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der Staatssicherheit, 2001

Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung von massenhaften Gegebenheiten. Sie erfolgt in wissenschaschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jh.

Lit.: Grundlagen der Historischen Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., Westdt. Verlag 1991 388S.; Melchers, A., Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H., Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997

stat pro ratione voluntas (lat.). Der Wille steht für die Begründung.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 201, Nr. 64 (Juvenal, um 67 - um 140, Satiren 6, 223)

Statthalter ist der Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in den -> Maximilianischen Verwaltungsreformen).

Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963

status (lat. [M.]) -> Stand, Zustand

Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996

Statut ist das gesetzte Recht bzw. die im internationalen Privatrecht anwendbare Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa, Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s ausführliche Zusammenfassungen erfahren. Im Verhältnis zum -> gemeinen Recht gewähren die Juristen des 14. Jh.s den Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng auszulegen sind (lat. statuta [N.Pl.] sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich.

Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1826ff.; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G. Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten, Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995

statuta sunt stricte interpretanda (lat.). -> Statuten sind eng auszulegen.

Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H. Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 201, Nr. 65 (Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977

statute law ist das vom König und dem Parlament vor allem im 13., 16./17. und 19. Jh. gesetzte Recht in England im Gegensatz zum common law (Richterrecht).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche Bezeichnung des 19. Jh.s für ein Gesetz des deutschen Reiches von 1. 5. 1231, in dem den Fürsten von Friedrich II. die rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte bestätigt werden (z. B. Verbot der Anlage von Reichsburgen, Gewährleistung der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994

Staub, Samuel Hermann (Nikolai/Oberschlesien 21. 3. 1856 - Berlin 2. 9. 1904), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau und Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach) Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des Handelsrechts (seit 1893) und als „Entdecker“ der sog. -> positiven Forderungsverletzung oder Vertragsverletzung (1902) hervor.

Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385

Staufer ist der Angehörige eines in der ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten Heiratsverbindung mit den -> Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (u. a. Friedrich I. Barbarossa, Friedrich II.) hält und 1268 im Mannesstamm ausstirbt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Engels, O., Die Staufer, 7. A. 1998; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002

Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben.

Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht 3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001

Steiermark ist das im 8. Jh. von Bayern besiedelte, 1180 zum Herzogtum erhobene und 1186/92 durch die -> Georgenberger Handfeste an -> Österreich gelangte südöstliche Grenzgebiet (-> Mark) des deutschen Reiches.

Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Mell, A., Grundriß der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist. Ver. d. Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; 800 Jahre Steiermark und Österreich, hg. v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle der Steiermark, 2000; Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000; Binder, D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001

Stein (als harter Bestandteil der Materie) kann im einzelnen Stück als Rechtssymbol verwendet werden (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Stein, Karl Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757 - Cappenberg 24. 6. 1831), Geheimratssohn, wird nach dem Studium des Rechts und der Staatswissenschaft in Göttingen preußischer Beamter. 1807/8 reformiert er die Verwaltung -> Preußens.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211; Botzenhart, E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Die Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977

Stein, Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815 - Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der Staatswissenschaften und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für politische Ökonomie. In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung der Verwaltungslehre (1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt er die Aufgabe, durch staatliche Leistung die im Liberalismus eingetretenen gesellschaftlichen Missstände zu beseitigen.

Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem Ancien Régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991

Stein-Hardenbergsche Reformen -> Stein, Hardenberg

Steinigung ist die im Altertum verbreitete Tötung eines Menschen durch Bewerfen mit Steinen.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906

Steinkreuz ist ein aus Stein geschaffenes Kreuz. Es erscheint im Mittelalter als sichtbares Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen Geschehens.

Lit.: Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Steinzeit ist die Zeit in der Geschichte des Menschen, in welcher dieser hauptsächlich Werkzeuge aus Stein verwendet. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von Metallwerkzeugen beendet. Rechtsgeschichtliche Erkenntnisse aus der S. sind gering und unsicher.

Lit.: Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit, 1999

stellionatus (lat. [M.] Bereicherung durch falschen Eid) ist im klassischen römischen Recht ein Straftatbestand, der als Vorläufer des -> Betruges bis in das 19. Jh. fortwirkt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967; Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends, O., 1978, 281

Stellvertretung (Vertretung) ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für eine andere (Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das römische Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit andere Wege, um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. -> peculium des Sklaven). Im Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht, nach der im Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeutender Kaufleute üblich wird.

Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423; Hölzl, F., Savignys Lehre, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211; Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002

Stempel ist das bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Schriftstücken dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht durch die Verallgemeinerung des -> Siegels. Seit 1624 (Niederlande) erhebt der Staat für die Stempelung von öffentlichem Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder aufgegeben wird.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G., Stempelrecht, 1778

Stendal in der Altmark wird um 1160 von Albrecht dem Bären als Stadt gegründet. In S. entsteht im 15. Jh. unter Verwendung zahlreicher Schriften die (altmärkische oder) -> Stendaler Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868; Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Stendaler Glosse (altmärkische Glosse) ist eine im 15. Jh. (vor 1410) in -> Stendal teils deutsch und teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur zum lateinischen und mittelniederdeutschen Text des -> Sachsenspiegels (1221-4), zur Petrinischen Glosse, zum Magdeburger Weichbild in 6 Büchern und ansatzweise zum Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria zum römischen Recht, zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel, der Kirchenväter, klassisch lateinischer Autoren, der Buchschen Glosse, Magdeburger Schöffensprüche und märkischer Gewohnheiten.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Stephanskrone (Krone Stephans I. von -> Ungarn [997-1038])

Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18. 2. 1128 - Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrundeliegenden Vorläufer durch tiefere Durchdringung des Stoffes.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum kanonistischen Werk Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349

Sterbefall ist der Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem Mittelalter grundherrschaftliche Abgaben (z. B. -> Besthaupt). Diese werden spätestens im 19. Jh. beseitigt.-> Erbschaftsteuer

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2

Steuer ist eine einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als Grundsteuer (lat. [N.] stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum [N.] capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. Im Mittelalter entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung und dem Übergang zur Geldwirtschaft seit dem 13. Jh. In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung durch -> Steuerrecht stetig aus. Insbesondere benötigt die Leistungsverwaltung zusätzliche Einnahmen. Im 20. Jh. gelangt sie mit Umverteilungszielen an die Grenzen der Belastbarkeit der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Umsatzsteuer).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83, 110, 111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/3; Mitchell, S., Taxation in Medieval England, 1951; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 2. A. 1963; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16. Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97 (1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der europäischen Staaten, 1979; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7 (1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der Einkommensbesteuerung, 1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1983; Pausch, A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit, 1989; Brown, A., The Governance of Late Medieval England, 1989; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A., „Ohne Steuer kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung, 1999; Hackl, B., Die Theresianische Steuerrektifikation, 1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003

Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der -> Landstände zur Steuererhebung durch den Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3

Steuerrecht ist die Gesamtheit der die -> Steuer betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993

Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden Rechtssätze des -> Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der Steuerlast zunehmende Bedeutung.

Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 2. A. 1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld und Strafe, 1997

Steward -> Stuart

Steyr -> Landlauf von Steyr

Stiernhöök, Johann Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig, Jena, Wittenberg und Rostock 1630 Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in Turku. 1674 veröffentlicht er eine Darstellung des schwedischen, nicht von der Rezeption erfassten Rechts (De iure Sveonum et Gothorum, Vom Recht der Schweden und Göten).

Lit.: Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4 (1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modeer, K., 1996

Stift ist ein Kollegium von kanonisch lebenden Klerikern in einer Kirche. Es entsteht im Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es Verbandsperson.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K., Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelische Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum weltlichen Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium, 1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v. Crusius, I., 2001

Stiftung ist die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechtsgeschäft. Sie ist bereits dem römischen Recht im Ansatz bekannt. Im Mittelalter fördert die Kirche die mildtätige S. Als juristische Person wird die S. im 19. Jh. anerkannt. Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S. eine Möglichkeit der Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen.

Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im Stiftungsrecht, 1938; Liermann, H., Handbuch des Stiftungsrechts, 1963; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA 105 (1988), 71; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Borgolte, M., „Totale Geschichte des Mittelalters?“, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien, in: Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R., Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten, hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Reich, 2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht, 2003

stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare Innengesellschaft. Sie findet sich bereits im Hochmittelalter. Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) wird die s. G. von der -> Kommanditgesellschaft geschieden.

Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999

stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976

Stimmrecht ist das Recht, an einer Abstimmung einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es gewinnt insbesondere im 19. Jh. allgemeine Bedeutung.

Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971

Stintzing, Roderich von (Altona 8. 2. 1825 - Südtirol 13. 9. 1883), Arztsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854 ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum 100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312

stipendium (lat. [N.]) Steuer, Grundsteuer, Unterstützung

Lit.: Köbler, DRG 32

stipulatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es stellt eines der wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht der eine ein Angebot (lat. centum mihi dari spondesne [versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere zustimmt (lat. spondeo [ich verspreche]). Die vielseitig verwendbare S. ist im klassischen römischen Recht -> Verbalkontrakt. Bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird der besondere Wortformalismus nicht übernommen.

Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38 II, 40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Wolf, J., Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der Stipulationsklausel, 1964  

stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.) geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen Stipulation zusammenfassende Stipulation (Ausgleichsquittung).

Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29, 44; Sturm, F., Stipulatio Aquiliana, 1972

stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das Doppelte

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46

Stipulation (Versprechen) -> stipulatio

Stobbe, Johann Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831 - Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft in Königsberg, Leipzig und Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg außerordentlicher Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau, 1872 in Leipzig. Er veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts.

Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002

Stock (M.) Gefängnis, Pranger

Stockholm am Mälarsee erscheint 1252. Im 17. Jh. wird es Hauptstadt Schwedens. Im 19. Jh. erhält es eine 1960 verfestigte Universität.

Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988

Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. Im Gegensatz zum römischen Recht erscheint es im Mittelalter seit dem 12. Jh. Am Ende des 19. Jh.s wird seine Neubildung ausgeschlossen. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle.

Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling, 1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigentum in Baden, Z. f. d. Notariat in Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in Bayern, ZRG 116 (1999), 384

Stolgebühr ist die nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis).

Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Stölzel, Adolf (Gotha 28. 6. 1831 - Berlin 19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887 Honorarprofessor. 1872 legt er eine Untersuchung über die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung.

Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919), 393

Stracca, Benvenuto (Ancona 1509 - 1578), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Jurist in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu mercatore (Abhandlung vom Handel oder Kaufmann), der mit der Behandlung des Kaufmanns und seiner Geschäfte die erste wissenschaftliche Darstellung des -> Handelsrechts bildet.

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1, 1977

Strafaussetzung zur Bewährung ist die im 20. Jh. nach amerikanischem Vorbild eingeführte Aussetzung der Vollstreckung einer -> Freiheitsstrafe unter der Bedingung, dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236

Strafe ist ein dem Täter einer Straftat von der Allgemeinheit zuzufügendes Übel. Im altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend mit den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen Fällen (Landesverrat, Magistratsverletzung) mit einer öffentlichen Strafe (Enthauptung und Vermögenseinziehung, später auch Geldstrafe) belegt. Demgegenüber dringt seit dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung, Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern 47 und 48 der -> Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen, ist zweifelhaft (Aufhängen bei Volksverrat, im Moor Versenken bei Unzucht). Im Frühmittelalter überwiegt das -> Kompositionensystem. Erst seit dem 11. Jh. erscheint die S. in -> Landfrieden, setzt sich dann aber rasch durch. Sie ist meist in Geld ablösbar. Eine allgemeinere ausführliche Regelung bringt die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532). Danach stehen Todesstrafen und Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch die -> Freiheitsstrafe schon auf. Für sie entwickelt sich im 16. Jh. der Erziehungsgedanke (-> Zuchthaus). Im 19. Jh. wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund gerückt (-> Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden überdacht und im 20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende -> Geldstrafe ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87, 91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die römische Kapitalstrafe, 1931; Achter, V., Geburt der Strafe, 1951; Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970; Abdulmegid Kara, M., The Philosophy of Punishment in Islamic Law, 1977; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273; Nehlsen, H., Entstehung des öffentlichen Strafrechts, FS H. Thieme, 1983, 3; La Peine, 1989; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche 1993; Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im frühen Mittelalter, in: Überlieferung, Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1; Wadle, E., Die peinliche Strafe, in: Träger und Instrumente des Friedens, 1996, 229; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J., Die Entwicklung von Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000; Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter, hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002

Strafgesetzbuch ist das das -> Strafrecht kodifizierende Gesetzbuch (z. B. Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen 1838, Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840, Sachsen-Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen 1844, Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [, Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, Deutsches Reich 1871). Es wird in Deutschland 1969 in seinem Allgemeinen Teil verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die Übertretungen werden überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/1974 werden die Sexualdelikte liberalisiert, 1976 wird die Wirtschaftskriminalität erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die Computerkriminalität.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229; Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner, A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung, 1933, Neudruck 1973; Theo, M., Die drei großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a. , Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002

Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt.

Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992

Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in welchem über das Vorliegen einer Straftat verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im altrömischen Recht vom Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten Prozess in den Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese Unterscheidung erneut aufgegriffen. Dabei stehen -> Akkusationsprozess und -> Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen Untersuchung samt -> Folter gekennzeichnete, vorherrschende Inquisitionsprozess mit seinem -> endlichen Rechtstag wird von der Aufklärung bekämpft und zu Beginn des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechtsstaatliches Verfahren ersetzt (Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem Untersuchung (-> Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind.

Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg 1904; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E., Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Sellert, W., Borgerlike, pinlike und misschede klage, in: Überlieferung, Bewahrung, 1993, 321; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das Bayerische Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur. Saarbrücken, 1998; Friedländer, H., Interessante Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The Origins of Adversary Criminal Trial, 2003

Strafprozessordnung ist das das Strafverfahren bzw. den Strafprozess ordnende Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die -> Constitutio Criminalis Carolina von 1532 dar, die auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind aber die Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code d’instruction criminelle Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich 1850/1853/1873, Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/9).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kleinheyer, H., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Schubert, W./Regge, J., Entstehung und Quellen der Strafprozessordnung von 1877, 1989; Bottenberg, F., Die Hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998

Strafprozessrecht -> Strafprozess, Strafprozessordnung

Strafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände mit -> Strafe bzw. Strafandrohungen verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln entstehen wohl gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden aber auch Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Landfriede). Eine erste Zusammenfassung bieten die Bücher 47 und 48 der -> Digesten, im Spätmittelalter die Halsgerichtsordnungen, vor allem die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532). Die besonderen Strafgesetzbücher folgen dem erst im 18. bzw. 19. Jh. nach. In ihrer Zeit wird bereits ein allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, welcher die allgemeinen Bestandteile einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus bemühen sich um ein rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetzbuch). Die rechtstatsächliche Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem späten 19. Jh. einsetzenden Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters groß.

Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Stephen, A history of the criminal law of England, Bd. 1ff. 1883; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Liszt, F./Schmidt, E., Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. A. 1927; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske strafferett, Bd. 1 1937; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft, 1954; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Neusel, Höchstrichterliche Strafgerichtsbarkeit, 1972; Roldán Verdejo, R., Los delitos contra la vida, 1978; Laingui, A./Lebigre, A., Histoire du droit pénal, Bd. 1f. 1979f.; Crime and Law, hg. v. Gatrell u. a., 1980; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1 1982; Schroeder, F., Das Strafrecht des sozialen Realismus, 1983; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme, 1986, 43; Lüken, E., Der Nationalsozialismus und das materielle Strafrecht, Diss. jur. Göttingen, 1987; Brauneder, E., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Werle, G., Das Strafrecht als Waffe, JuS 1989, 952; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur Geschichte des deutschen Strafrechts, Bd. 1f. 1989ff.; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990; Carbasse, J., Introduction historique au droit pénal, 1990; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Gauvard, C., „De grace especial“, 1991; Volk, K., Napoleon und das deutsche Strafrecht, JuS 1991, 281; Histoire et criminalité, hg. v. Garnot, 1992; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Limbach, A., Das Strafrecht der Pauls­kirchenverfassung 1848/49, 1995; Cheng, Y., Die Ausnahme bestimmt die Regel, 1995; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1900, 1995; Bauman, R., Crime and Punishment in Ancient Rome, 1996; Robinson, O., The criminal law, 1996; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ZRG GA 113 (1996), 217; Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der östererichischen Erbländer, hg. v. Reiter, I., 1996; Perspektiven der Strafrechtsentwicklung, 1996; Hettinger, M., Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, 1996; Caenegem, R. van, Notes on twelfth-century English criminal law, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Hamm, R., 50 Jahre NJW: Das Strafrecht, NJW 1997, 2636; Glöckner, H., Quellen zur neueren Strafrechtsgeschichte, Ius commune 34 (1997), 249; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1998; Buschmann, A., Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, 1998; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Strafrechtsdenker der Neuzeit, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999; Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Willoweit, D., 1999; Weber, R., Die Entwicklung des Nebenstrafrechts, 1999; Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher Forschung, hg. v. Schlosser, H. u. a., 1999; Riggsby, A., Crime and Community in Ciceronian Rome, 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2000; Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, hg. v. Eser, A. u. a., 2000; Radbruch, G., Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, U., 2000; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000; Overdijk, D., De gewoonte is de beste uitleg van de wet, 2000; Naucke, W., Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2000; Thulfaut, G., Kriminalpolitik und Strafrechtslehre bei Edmund Mezger (1883-1962), 2000; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Richstein, C., Das belagerte Strafrecht – Kriegsstrafrecht, 2000; Radbruch, G., Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, u., 2001; Geus, E., Mörder, Diebe, Räuber, 2002; Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Die Durchsetzung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Lüderssen, K., 2002; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Silva Sánchez, J., Die Expansion des Strafrechts, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Hoheeitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Nedden, C. zur, Die Strafrechtspflege im Königreich Westphalen, 2003.

Straftheorie ist die Überlegung über den -> Strafzweck.

Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters.

Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993), 1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Strafverfahren -> Strafprozess

Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001

Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt im Strafprozess. -> Verteidiger

Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987

Strafvollzug ist die Vollstreckung der -> Strafe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter durch den Richter und den -> Henker oder -> Scharfrichter als seinen Vollstreckungsgehilfen. Seit dem 16. Jh. wird das besondere -> Zuchthaus eingerichtet. Im 20. Jh. wird der S. mehr und mehr verrechtlicht (Deutschland 16. 3. 1976).

Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefangenenwesen, hg. v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988; Strafvollzug im „Dritten Reich“, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in Deutschland, 2001; Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Europa, 2003

Strafzweck ist der von der -> Strafe verfolgte Zweck. Im Mittelalter scheinen Vergeltung und Unschädlichmachung die hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für -> Kant im 18. Jh. (1797) und -> Binding im 19. Jh. bildet allein die Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund der Strafe (absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straftheorien das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es dabei um die Abschreckung des Straftäters (->  Spezialprävention, v. -> Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung Dritter (-> Generalprävention, -> Feuerbach 1775-1833). Nach  Franz von -> Liszt (1851-1919, Marburger Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen, weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unterschieden werden soll. Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring, Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999

Stralsund gegenüber der Insel Rügen ist eine Hansestadt -> lübischen Rechts (1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert.

Lit.: Der Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund, 2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999)

Strandrecht ist das Recht, sich das am Strand angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird im Laufe der Zeit eingeschränkt (u. a. 1874 Strandungsordnung).

Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955

Straßburg am Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches Argentorate gegründet, ist seit dem 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1146/7 ein Stadtrecht gewährt, und seit 1621 Sitz einer Universität (1793 vorübergehend aufgelöst). 1681 wird die Reichsstadt S. von Frankreich besetzt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R., 1941; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967; Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u. a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung, 1999

Straße ist der planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. Im römischen Altertum besteht ein hervorragendes Straßensystem. Im Mittelalter erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst im 13./14. Jh. Eine Verdichtung erfährt das Straßenrecht seit dem 19. Jh. Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt, Bitumen und Beton den modernen Straßenbau ein.

Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, Zum deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay, M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg. v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, 2000

Streik ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitnehmern. Der S. erscheint nach älteren Vorläufern im 18. Jh. (z. B. in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus im 19. Jh. vor. Er verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen unter Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v. Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H., Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997

Streitbefestigung -> litis contestatio

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202

Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von dort aus wird sie auch im gelehrten Prozessrecht behandelt.

Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973

stricti iuris (lat.) strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für den Richter

Lit.: Köbler, DRG 42, 62

Stromregal ist im Hochmittelalter das Recht des Königs am schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158). Es geht rasch auf die Landesherren über.

Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949

strudis (lat.-afrk. [F.]) Zwangsvollstreckung

Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912

Struve, Georg Adam (Magdeburg 27. 12. 1619 - Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümerssohn, wird nach dem Studium von Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena und Helmstedt (Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in Jena (1667 Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen Rechts in Jena undPräsident des Jenenser Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) -> Iurisprudentia (F.) romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechtswissenschaft, mit unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete Auflage des lateinischen Vorbilds] Jurisprudenz oder Verfassung der landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae secundum ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.). Darin gibt er auf der Grundlage der Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammenfassung des bei den einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechts in vier Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Prozessrecht).

Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani, 1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als Zivilrechtler, 2003

Stryk, Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640 - Halle 23. 7. 1710), Amtmannssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht in Wittenberg (Ziegler) und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er einen Pandektenkommentar mit dem Titel (lat.) Specimen (N.) usus moderni pandectarum (Beispiel des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er das römische Recht mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen Rechtssätzen.

Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S. Gagnér, 1991

Stuart ist ein aus der Bretagne kommendes, im 11. Jh. erscheinendes schottisches Geschlecht (Steward, -> Seneschall), das 1371 das Königtum in -> Schottland erlangt und 1603 den Tudors in -> England nachfolgt. Die 1688/9 gestürzte Familie scheidet 1714 endgültig aus der englischen Königsherrschaft aus, besteht aber in Nebenlinien fort.

Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die Stuarts, 1999

Student ist der junge Mensch während des -> Studiums.

Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft, 1999

Studium ist die durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende Ausbildung der Studenten an -> Universitäten, dessen Dauer bereits an den spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. -> Jurist

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H., Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike, JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das reich, 2000

Stuhl ist die künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kennzeichen des Richters.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Stundung ist die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche Hinausschiebung der -> Fälligkeit einer -> Forderung.

Lit.: Kaser § 38 III 1

stuprum (lat. [N.]) Unzucht

Lit.: Köbler, DRG 35

Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als Versammlungsschutz der -> Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gegründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa 700000 Mitgliedern.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868 - Berlin 6. 7. 1938) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) 1895 außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation entwickelt er „Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts“ (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich erfolgreich für eine besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein.

Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII

Suárez, Francisco de (1548 - Lissabon 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit Rechtsfragen. Seine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht) beeinflusst Hugo -> Grotius.

Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras, 1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962

subjektives Recht ist das Recht des einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht im Gegensatz zum objektiven -> Recht und zum bloßen Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es am Ende des 18. Jh.s (-> Glück). Vom Nationalsozialismus wird es bekämpft.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, Das subjektive Recht, 1968; Nörr, K., Zur Frage des subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange, 1992, 193

subpignus (lat. [N.]) Unterpfand

Lit.: Kaser § 31 III 2a

subreptio (lat. [F.]) Erschleichung durch Verschweigung

subsidium (lat. [N.]) Unterstützung, Hilfsleistung

Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen Soziallehre (1931) besteht bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen Aufgabenträgers gegenüber dem kleineren Aufgabenträger.

Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Subsidiarität, hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle, P. u. a., 2002

Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zum Ersatzerben)

Subsumtion ist die vergleichende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen Sachverhaltes zu einem allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes. Sie wird im ausgehenden 18. Jh. als solche gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr abhängigen Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes auf den Sachverhalt im Mittelpunkt der Rechtsanwendung.

Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986

Sudetenland ist seit 1912 das Siedlungsgebiet der Bewohner von Deutsch-Mähren, Deutsch-Böhmen und Österreichisch-Schlesien, das am 29. 9. 1938 im Münchener Abkommen von der -> Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten wird (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner). 1945 kommt es unter Vertreibung der Deutschen an die -> Tschechoslowakei zurück.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998; Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., 2000

Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas. -> Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien, Mazedonien, Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Zypern

Lit.: Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U., 2002

Südtirol ist der südlich des Alpenhauptkammes gelegene Teil -> Tirols, den 1919 -> Italien als Lohn für seinen Eintritt in den Ersten Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912) erhält (1918 3 Prozent der Bevölkerung italienischsprachig). Es wird seit 1922 intensiv italienisiert (von Adolf Hitler gebilligt), erhält aber nach 1945 beschränkte Autonomie (Autonomiestatut vom 29. 1. 1948, Südtirolpaket 1971, autonome Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent Deutsche, 27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen, 2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung der nichtitalienischsprachigen Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit, 39 Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei Italien aus).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220, 223; Steininger, R., Los von Rom?, 1987; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R., Südtirol, 1988; Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R., Südtirol 1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik, koord. v. Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000

Suebe ist der Angehörige eines elbgermanischen, in der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volks.

Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos – Schwaben. Das Königreich der Sueben auf der Iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller, E./Laitenberger, H.,1998

 

Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779)

Sühne ist ein Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch das -> Kompositionensystem. An einzelnen Stellen sehen Rechtsregeln einen erfolglosen außergerichtlichen Sühneversuch als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964

sui heredes (M.Pl. [seine Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind alle Menschen, die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden.

Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I; Köbler, DRG 23

sui iuris (lat.) selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt

Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23

Sukzession (F.) Nachfolge

summa (lat. [F.]) ist im juristischen Schrifttum die bereits für -> Irnerius (1060?-1125?) bezeugte zusammenfassende Betrachtung (Summe) des Inhalts eines Textes wie z. B. die s. codicis des Placentinus, die s. des Odofredus oder des Huguccio.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur Entstehung der Azoschen Digestensumme, in: Satura R. Feenstra, 1985, 371; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Summa (F.) Perusina ist ein zwischen dem 7. und 9. Jh. entstandenes Werk zum -> Codex.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

summarisch (zusammenfassend und dadurch beschleunigend)

summarischer Prozess ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung beschleunigte gelehrte Prozess. Der unbestimmte summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und Verringerung der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitzprozess, Rechnungslegungsprozess, Bauprozess), der bestimmte summarische Prozess durch die vorläufige Einengung der Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B. Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechselprozess, Exekutivprozess). Der summarische Prozess wirkt noch im 20. Jh. nach.

Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791; Bayer, H., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914

summarisches Verfahren -> summarischer Prozess

Summe -> summa

Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchenrechts bis 1918.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht.

Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 203, Nr. 79 (Cicero, 106-43, De officiis 1 § 33)

Sünde ist die Verletzung eines christlichen Gebotes oder Verbotes.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

sunnis (lat.-afrk. [F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor Gericht).

supan (slaw. [M.]) Führer, Dorfmeister

Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161

superficies solo cedit ist eine bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte römische Rechtsregel, nach welcher das Recht am Grundstück die Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten Dingen (Bauwerke, Pflanzen) bestimmt. Ihr widersprechen das -> Stockwerkseigentum und das -> Wohnungseigentum.

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 203, Nr. 82 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann, J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J., Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327

superflua non nocent (lat.). Überflüssige Worte schaden nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 203, Nr. 84 (Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27)

Supplik (F.) Bittschrift

Lit.: Suppliche e <<gravamina>>. Politica, amministrazione, giustizia in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002

Supplikation ist die Einreichung einer Bittschrift. Im spätantiken römischen Recht ist die formfreie (lat. [F.]) supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein Rechtsmittel gegen Urteile des Appellationsgerichts. Mit der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts wird die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600 gegen Endurteile der Obergerichte). Seit dem 18. Jh. übernimmt die S. teilweise die Aufgaben der -> Revision. Im 19. Jh. verdrängt die Revision die S.

Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194

Supplikationsausschuß ist ein für Bittschriften zuständiger Ausschuß eines Gremiums (z. B. des Reichstages des Heiligen Römischen Reich [deutscher Nation] von 1521 bis zum frühen 17. Jh.).

Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuß, 1977

suum cuique (lat.). Jedem das Seine.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 204, Nr. 89 (Gellius, um 120 - um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.)

Suzeränität (F.) Herrschaft des Lehnsherrn über Lehnsmannen im Gegensatz zur -> Souveränität des Landesherrn über Untertanen.

Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb (Schweidnitz 27. 2. 1746 - Berlin 14. 5. 1798), Advokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Wolff) Oberamtsregierungsrat. 1780 wechselt er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin. Dort bereitet er unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechts das -> Allgemeine Landrecht (1794) Preußens vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl Gottlieb Svarez, 1885; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez: Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180

Svod zakonov ist die in -> Rußland 1832 durch Michail Michailovic -> Speranskij erreichte Zusammenfassung aller geltenden Gesetze.

Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff, M., Michail Speranskij, 1957

Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen

Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003

Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von Vertragsleistungen

Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000

Syndikat (N.) Kartell

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Syndikatsklage ist im gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig urteilenden -> Richter (-> Rechtsbeugung).

Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater

Synodalstatut (N.) in einer -> Synode geschaffenes -> Statut

Synode (zu lat. synodus) ist die kirchliche Versammlung, welche auch Rechtsfragen entscheidet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L., Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997

Syrisch-römisches Rechtsbuch ist ein spätantiker oströmischer Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen, arabischen, armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuches, 1964; Selb, W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002

syssel ist eine norwegisch-dänische Landschaftsbezeichnung (z. B. Vendsyssel).

Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en stat, 1974

System ist das wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die systematische Betrachtung des Rechts erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem 16. Jh. bzw. seit Leibniz [1646-1716] und Wolff). -> Rechtssystem

Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H., Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen „Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111

Szeged an der Mündung der Maros in die Theiß geht auf antike Grundlagen zurück. 1498 wird es königliche Freistadt Ungarns. 1542 fällt es an die Osmanen (Türken), 1686 an Habsburg. Es ist Sitz einer 1921 neugegründeten Universität.

Szepter -> Zepter

 

T

 

Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/6-116), aus wahrscheinlich ritterlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88 Prätor und  97 Konsul. Seine Schrift (lat.) „De origine et situ Germaniae“ (um 98 n. Chr.) bietet relativ ausführliche, aber tendenziös gefärbte Nachrichten über die -> Germanen.

Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v. Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989

Tafelgut ist das der Versorgung des reisenden deutschen Königs im Mittelalter dienende -> Königsgut. Ein in einer Abschrift von 1165/74 überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt sich vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/3 oder um 1165 (Aachen) bestimmen.

Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis, 1997

Tagelöhner ist der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist insbesondere vom Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung. Seine Rechtsstellung ist schwach.

Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung, 1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978; Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995

Tagessatzsystem ist ein unterschiedliche Vermögensverhältnisse berücksichtigendes System zur Bestimmung der Höhe einer Geldstrafe im späteren 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Tagsatzung ist vom 14. Jh. bis 1848 das gemeinsame Organ der schweizerischen -> Eidgenossen.

Lit.: Joos, R., Die Entstehung und rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925; Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980

Taiding ([N.] aus tageding) ist in Süddeutschland im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Gerichtsversammlung. Im T. wird das -> Weistum ermittelt und vorgetragen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, 1870

Talar -> Robe

Taler ist eine nach Joachimsthal benannte deutsche -> Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. außer Kraft gesetzt. Er lebt im Dollar fort.

Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995

Talion (griech. [N.] gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit dem gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem jüdischen und dem römischen Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem Spätmittelalter vereinzelt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ein. Es berührt sich mit der -> spiegelnden Strafe.

Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965; Ebert, U., Talion und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399

Talmud (Lehre) ist ein Kommentar zur um 220 (endredigierten) -> Mischna der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach 700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jh.) durch. Der T. besteht nur zu seinem kleineren Teil aus Rechtstexten. -> Maimonides (1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen des T. in seiner -> Mischne Tora.

Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des mosaisch-talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823), 419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles of Jewish Law, hg. v. Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. A. 1993; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686

Tancredus (Bologna um 1185 - Bologna um 1236) ist ein mittelalterlicher Jurist (Dekretalist), der um 1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst. Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen).

Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

tanganare (mlat.-afrk.) bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache)

Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971, 143

Tarif ist der einheitliche Preis.

Tarifvertrag ist der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er erscheint in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jh.s (z. B. Buchdruckertarifvertrag 1873), häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch (Verordnung über Tarifverträge vom 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8. 1969).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 241, 242, 273; Hainke, S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss. jur. Kiel 1987; Englberger, J., Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G., Richtungskämpfe, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561

Tat ist die als abgeschlossen angesehene menschliche Verhaltenseinheit. An sie knüpft das Recht von seinen Anfängen an vielfältige Rechtsfolgen.-> Die Tat tötet den Mann ist ein deutsches Rechtssprichwort, das die möglicherweise in den ältesten Zeiten geltende -> Erfolgshaftung zum Ausdruck bringen soll.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380

Tatbestand ist die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw. im Verfahrensrecht die Darstellung des Sachverhaltes. Tatbestände gibt es seit der Entwicklung von Recht. Als Besonderheit erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jh.s.

Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestio, 1968; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985

Täter-Opfer-Ausgleich ist ein kriminalpolitischer Ansatz des späteren 20. Jh.s, bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswidergutmachung einigen, ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht, 1994 im Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Taufe ist die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu.

Lit.: Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Tausch ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich beide Seiten zur Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstandes verpflichten. Der Tausch erscheint schon früh. Er wird zeitweise als Realvertrag eingeordnet. In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung der -> Geldwirtschaft vom -> Kauf rasch zurückgedrängt.

Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.1f. 1985ff.

Tausendschaft ist eine im einzelnen zweifelhafte Untergliederung des Heeres germanischer Völker (Goten, Wandalen) im frühen Mittelalter. Ihre Herkunft ist unklar.

Lit.: Rietschel, S., Die altgermanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Taxis -> Thurn und Taxis

Teeren und Federn ist eine Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt.

Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 152

Teilnahme ist die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber erst am Ende des 18. Jh.s erfasst.

Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J., Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989

Teilnovellen sind in Österreich die das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/2) nach dem deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) modernisierenden Novellen von 1914, 1915 und 1916.

Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274

Teilpacht ist die einen bestimmten Bruchteil (z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrages als Pachtzins festlegende Form der -> Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. Im Hochmittelalter breitet sie sich seit dem 12. Jh. in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh. aber wieder zurück.

Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K., Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228

Teilrecht ist im Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des wiederverheirateten Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die Verfangenschaft der Güter aus der ersten Ehe zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite Ehe einzubringen.

Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967

Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des römischen Rechts (z. B. [lat.] -> actio [F.] familiae erciscundae, -> actio communi dividundo).

Lit.: Kaser § 23 IV 2

Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der Arbeit in den Industriestaaten des ausgehenden 20. Jh.s hervortretenden Form der -> Arbeit.

Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit, 1999

Teixeira de Freitas, Augusto (1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo Rechtsanwalt und kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste umfassende systematische Sammlung des Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das Leis civis), 1860ff. einen vom römischen Recht wie von mehreren europäischen Rechten ausgehenden Entwurf eines Privatrechtsgesetzbuches (Esboco de Código civil). Er wirkt sich im Código civil Argentiniens (1869) aus.

Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas, 1979; Augusto Teixeira de Freitas e il Diritto Latinoamericano, 1938

Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 vom papst aufgehobene geistliche Ritterorden.

Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991

Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen weltlichen Rechte der Kirche im Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen Angelegenheiten oder Rechten).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951

Tengler , Ulrich (Rottenacker bei Ehingen um 1447 - Höchstädt 1511) wird nach Ausbildung in Stadtschule und Stiftsschule 1479-83 Stadtschreiber in Nördlingen und danach pfalz-bayerischer Landvogt in Höchstädt. 1509 gibt er den -> Laienspiegel heraus.

Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411

tenure (mengl.) Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung

Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship, 1994

terra (lat [F.]) Land, Erde

Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996

terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland

Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T. bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem 12. Jh. allgemeine Bedeutung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996

Territorialstaat  ist der auf ein festes Gebiet  (Territorium) bezogene -> Staat. Der T. ist ein Gegensatz zum Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12. Jh. durch (privilegium minus, Reichstag von -> Gelnhausen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 2.A. 1978; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993

territorium (lat. [N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet

Territorium ist das Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit  gilt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in geschlossenen Territorien die Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt  des Landesherrn unterworfen ist. Im 19. Jh. tritt das Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums.

Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der  Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling, A., Bd. 2ff. 1991ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996; Identità territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000

tertia manus (lat. [F.]) dritte Hand -> intertiatio

Tertiogenitur (Drittgeburt) -> Primogenitur

Tessel (F.) Kerbholz

Tessin ist das vom gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer, Ostgoten und Langobarden  an die Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das Herzogtum -> Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der -> Schweiz abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Le fonti del diritto del Cantone Ticino, Bd. 1, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991

Testament ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige, jederzeit frei widerrufliche Willenserklärung, mit der ein -> Erblasser eine Regelung für den Fall seines Todes trifft und dadurch meist die an sich bestehende  Rechtslage abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.] testamentum). 446 lässt Valentinian III. das eigenhändige T. im weströmischen Reichsteil zu. Von der Kirche gefördert, wird das T. im 13. Jh. im deutschen Reich zunächst von der Geistlichkeit aufgenommen und verbreitet sich im 14. Jh. allgemein (z. B. in Lübeck im 13. und 14. Jh. mehr als 2700 Testamente). Es bedarf einer gewissen Form (z. B. vor Rat, vor Notar). Möglich ist ein gemeinschaftliches T. In der frühen Neuzeit wird verstärkt auf das römische Recht zurückgegriffen, ohne dass alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. In der Gegenwart steht das eigenhändige T. im Vordergrund, doch sind auch andere Formen möglich.

Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8, 11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89, 114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 103; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator, Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb. v. Loose, H., 1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Spreckelmeyer, Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente, in: Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort, 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z. f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des eigenhändigen Testaments, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht, 1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin, 1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995; Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Umstätter, A., Das Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der Hansestadt Lübeck, 2000

Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die Errichtung von -> Testamenten und -> Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich vorübergehend aus dem -> Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine Formvorschriften mildert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; Gruchmann, L., Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts, 1989

Testamentsvollstrecker ist ein vom -> Erblasser zur Ausführung seiner -> letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufener Mensch. Das römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. Im deutschen Recht entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

testamentum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der -> Erblasser willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von Einzelgegenständen machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten gekennzeichnet. -> Testament

Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972

testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der Behörde begründete -> Testament.

Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60

testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor den zweimal jährlich zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich zwecks einer Art Kindesannahme errichtete Testament.

Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67 I 2a; Söllner §§ 5, 8; Köbler, DRG 23

testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende -> Testament.

Lit.: Kaser § 70 I 1

testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht das -> Testament vor dem aufgestellten Heer.

Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c; Söllner § 5; Köbler, DRG 23

testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage als Libralgeschäft vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner Gegenstände dienende ->  Testament des altrömischen Rechts.

Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b; Köbler, DRG 23

testamentum (N.) per holographam scripturam ist im spätantiken weströmischen Recht das von Kaiser Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige -> Testament.

Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60

testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament

testatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Zeugenurkunde.

Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43

Testierfreiheit ist die Freiheit, ein -> Testament zu errichten.

Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G., Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983; Landau, P., La libertà di testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56

testis (lat. [M.]) Dritter, Zeuge

testis in uno falsus in nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat, verdient in nichts Glauben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 207, Nr. 20

Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit dem Teufel geschlossene Vertrag.

Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999

Teutone ist der Angehörige eines 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen germanischen Volkes.

Lit.: Köbler, DRG 28, 66

teutonicus (lat.-ahd.) deutsch

texaca (lat.-afrk.) Diebstahl, Diebstahlsbuße

Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

Thaleleios (6. Jh.) ist ein byzantinischer Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werkreste in Scholien zu den Basiliken erkennbar sind.

Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios, ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315

Theoderich der Große (451? - 30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus eher unbedeutender Familie stammend kommt er als Geisel mit dem römischen Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das -> Edictum Theoderici zugeschrieben.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003

Theodosius II. (Konstantinopel 30. 8. 401 – 28. 7. 450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau Athenais veranlasst er die Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. -> Codex Theodosianus.

Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti, J., Princeps christianus, 1998

Theophilos (6. Jh.) ist ein byzantinischer Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten -> Codex Justinians und für die -> Digesten angehört und gemeinsam mit Dorotheos die -> Institutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende kommentierende griechische Institutionenparaphrase. Sie wird als systematische, lateinische Fachwörter weitgehend übernehmende Einführung in das römische Recht verwendet.

Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976), 337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985, 40

Theresiana -> Constitutio Criminalis Theresiana

thesaurus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der nach Hadrian (117-138) je zur Hälfte an den Finder und den Grundstückseigentümer fallende -> Schatz.

Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40

thesei dikaion (griech. [N.]) das gesetzte Recht

Lit.: Köbler, DRG 31

Thessalien ist ein Gebirgsland im mittleren -> Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt. Von der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst.

Lit.: Magdalino, P., Between Romaniae, Mediterranean Historical Review 4 (1989), 87

Thessaloniki (Saloniki) in -> Griechenland wird wohl 316/5 v. Chr. gegründet und ist seit 1925 Sitz einer Universität.

Lit.: Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963

Thibaut, Anton Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772 - Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und Kiel 1798 außerordentlicher Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in Kiel, Jena (1802) und Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen von der römischen Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts. 1814 setzt er sich wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für ein allgemeines bürgerliches Recht in Deutschland ein, unterliegt im sog. -> Kodifikationsstreit aber -> Savigny und der Reaktion.

Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1841; Kiefner, H., Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987

Thing -> Ding

thiuphadus (lat.-got. [M.]) Knechtsherr (str.)

Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Thöl, Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807 - Göttingen 16. 5. 1884), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) 1837 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842 ordentlicher Professor in Rostock und Göttingen (1849). 1841 veröffentlicht er den ersten Band seines romanistisch-systematisch vorgehenden, ein Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden -> Handelsrechts. Mit ihm begründet er eine durch -> Puchta beeinflusste, streng begrifflich ausgeführte, kritische Handelsrechtswissenschaft.

Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und Rechtswissenschaft im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980), 21; Kern, B., Georg Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986

Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel 1224/5 - Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274), aus dem Geschlecht der Grafen von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte Cassino (1230) und dem Studium in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden (1244) und weiteren Studien in Paris und Köln 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in Italien und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wissenschaftlichem Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und Wissen strebende (lat.) Summa (F.) theologiae  (Summe der Theologie) (1266-73). Für das Recht  bejaht T. v. A. ein auf natürliche Vernunft gegründetes und durch praktische Vernunft zu verwirklichendes -> Naturrecht. Leben, Freiheit und Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte.

Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger, R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998

Thomasius, Christian (Leipzig 1. 1. 1655 - Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn, wird nach dem Studium der Philosophie (1669) und des Rechts (1672) in Leipzig und Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen „Monatsgespräche“ als Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit im Denken, Lehren und Schreiben ausgerichteten Vorstellungen. Nach einem Lehrverbot im Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in -> Halle (1694 Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen Kurs einführt. 1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der Zauberer und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen der Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht er die Folter als unchristlich an. Sein Hauptwerk sind seine aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen Herrscher gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht ausschließt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157, 158, 160, 186, 205; Bloch, E., Christian Thomasius, 1953; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Cattaneo, M., Delitto e pena, 1976; Christian Thomasius, hg. v. Schneiders, W., 1989; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 3. A. 1996; Christian Thomasius (1655-1728), 1997; Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001

Thora -> Tora

Thorn an der unteren Weichsel entsteht um die 1233/4 vom Hochmeister des -> Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der Stadtschreiber Walther Ekhardi -> Neun Bücher Magdeburgischen Rechts. Von 1793 bis 1920 ist T. bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T. eingerichtet.

Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts, 1865; Biskup, M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51

Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918.

Lit.. Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky, H., Bischofsstuhl und Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation des Papstes, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Thronfolge ist die Nachfolge im Herrscheramt, welche teils nach Erbrecht, teils nach Wahlrecht erfolgt.

Lit.: Turba, G., Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1981; Schneider, R., Königswahl und Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln, 1987

thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem Malberg, im 8. Jh. vom Grafen verdrängt

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E. Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Thurgau ist das zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene, über Räter und Römer im 5. Jh. an die Alemannen (und damit an die -> Franken) gelangte, seit 741 als T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1 erobern die Eidgenossen der -> Schweiz den T. und verwalten ihn als gemeine Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich 1798 der Helvetischen Republik bzw. 1803 der Schweiz eingliedert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit im Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus, 1943; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460

Thüringen -> Thüringer

Thüringer ist der Angehörige des germanischen, um 400 mit einem Königreich zwischen Donau und Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch im deutschen Bundesland Thüringen nachwirken. Für sie wird 802 die -> Lex Thuringorum aufgezeichnet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert Thüringen unter den -> Wettinern territorial, wird aber 1920 nochmals zusammengefasst.

Lit.. Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 75; Köbler, Historisches Lexikon; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, ZRG GA 75 (1958), 108; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Patze, H., Bibliographie zur thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W., Geschichte Thüringens, 1967; Hessen und Thüringen, 1992; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002

Thurn und Taxis ist eine im 13. Jh. in Oberitalien nachweisbare Familie, welche seit der Neuzeit (1490) allmählich das Postwesen des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) erlangt (1595 Reichsgeneralpostmeister). 1792 erlässt die Familie in ihrem Reichsfürstentum Friedberg-Scheer ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. 1793 wird ein Strafgesetzbuchentwurf erstellt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z. f. württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die Fürstlich Thurn und Taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998

Tiara ist die außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in konischer, von drei Kronreifen umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine persisch-phrygische Mütze zurück. Seit dem 8. Jh. lässt sie sich für den Papst nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet.

Lit.: Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35 (1914), 481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen Tiara, 1975

Tie ist seit dem Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor allem zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg).

Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz 1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt. Sprachforschung 101 (1978), 158

Tier ist ein Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache und von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsvermögen unterscheidet. Es wird seit dem römischen Recht als -> Sache behandelt. Im Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und zur Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988, Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im römischen Recht die Noxalhaftung (lat. noxae datio [F.]), im deutschen Recht die später als -> Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters).

Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269; Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E., The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff, H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Sellert, W., Das Tier in der abendländischen Rechtsauffassung, in: Studium generale. Vorträge zum Thema Mensch und Tier der Tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A., Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985), 109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das Tierschutzrecht, 1999; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung, 2002

Tierepos ist das ein -> Tier als Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte Beispiele des T. sind der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich (1180/91).

Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos, 1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J., 1987

Tierhalterhaftung -> Tier

Tipoukeitos (griech. was wo steht) ist ein repetierendes byzantinisches Rechtsbuch des M(ichael?) Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken.

Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Grae­co-Romani delineatio, 1985, 102

Tiraqueau (Tiraquellus), André (Fontenay-le-Comte 1488 - 1558), adliger Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohnheitsrecht von Poitou. 1560 veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De privilegiis piae causae).

Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de la renaissance, 1937

Tirol im von Natur aus unwirtlichen Herzen der Alpen wird 15 v. Chr. von den Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria) besetzt, die seit dem 5. Jh. germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) weichen. 1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König zur Sicherung des Weges nach Italien Grafschaften im Gebirge an die Bischöfe von -> Trient und -> Brixen, welche diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen Grafengeschlechtern setzen sich die nach der Burg T. bei Meran benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert 1190-1253, Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). 1363 geht das sich von -> Bayern allmählich verselbständigende, von vielen Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch unter Unterstützung seitens jüdischer Geldgeber an -> Habsburg über. Nicht unbedeutsam ist die spätmittelalterliche maximilianische Verwaltungsreform, welche Regiment und Raitkammer einführt. 1499 schafft König Maximilian für T. eine Halsgerichtsordnung (Malefizordnung). 1504/6 werden als Gewinn aus dem bayerischen Erbfolgestreit Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1526 erreicht T. eine von Michael Gaismair geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). Im Absolutismus erfolgt eine verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat Österreich. 1803 werden die Hochstifte -> Trient und -> Brixen eingegliedert. In napoleonischer Zeit versucht Andreas -> Hofer vergeblich die Befreiung von der Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns. 1919 müssen Deutschsüdtirol (vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das Trentino an -> Italien gegeben werden.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170, 220; Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des römischen Rechtes in Tirol, 1895; Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des Landes Tirol, 1955; Fontana, J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff. 2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Kathrein, I., Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Köbler, G., Vom Tiroler Recht, in: Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993, 3; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König, Kirche, Adel – Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R. u. a., 1999

Tisch ist ein aus einer auf Beinen ruhenden Platte bestehendes Möbelstück, welches als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und Bett).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Titel ist eine besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines Werkes bzw. Werkteiles. Die T. von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem Altertum in kaum überschaubarer Vielfalt.

Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973; Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio III, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1988

Titelherzogtum ist das als bloßer -> Titel verliehene Herzogtum.

Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225

titulus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbes. Nach der späteren Lehre (Johannes -> Apel 1485-1536) erfordert eine Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. B. Kauf, Schenkung) und einen (lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies wird in Deutschland im 19. Jh. durch -> Savigny verändert. -> Einigung

Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

Tobitschau in Mähren ist ein Ort, nach dem ein 1481 vom Hofrichter und Landeshauptmann Ctibor von Cimburk und Tovacovská (T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften überliefertes, in 224 Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmittelalterlichen mährischen Landesrechtes benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská). Es betrifft Verfassungsrecht, Prozessrecht, Erbrecht, Vormundschaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der Einfluss des deutschen Rechts ist gering, ein Einfluss des römischen Rechts fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung verwertet.

Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H., Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931

Tocco -> Karolus de Tocco, -> Lombarda

Tod ist das Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die -> Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus entstehenden Fragen befasst sich bereits früh vor allem das -> Erbrecht. Im Strafvollzug ist der T. die angestrebte Rechtsfolge der -> Todesstrafe.

Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23 u.ö.; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990; Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u. a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999

Todeserklärung ist die Feststellung des Todes eines Verschollenen auf Grund eines Aufgebotsverfahrens. Sie entwickelt sich aus der im Spätmittelalter sichtbaren Todesvermutung im 18. Jh. in Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird ein eigenes deutsches Verschollenheitsgesetz erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakai, Italien und Spanien.

Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A. 1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Todesstrafe ist die in der Tötung eines Menschen bestehende -> Strafe. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist streitig. Vom ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh. findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in den hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Gestalt ist unterschiedlich (Hängen, Enthaupten, Ertränken, Vierteilen, Lebendigbegraben, Verbrennen, Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern, Erschießen, Steinigen). Vollzogen wird sie meist vom -> Henker oder -> Scharfrichter (im Spätmittelalter in Konstanz jährlich durchschnittlich 3-4 Hinrichtungen, meist an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch Stadtverweisung ersetzt). Seit dem 18. Jh. lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764) die T. ab (z. B. Toskana 1786-1790, Österreich 1787-1795). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen Verfahren am 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der Schweiz, 1949 in der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der Deutschen Demokratischen Republik und 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan, 1998 in Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der Todesstrafe fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen, vor allem in China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von Amerika), während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden). Das zweite Fakultativprotokoll des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das sechste Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention streben die Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats auf Abschafftung der T. auch im Kriegsfall.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71, 87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Wettstein, E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren, in: Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109; Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergmann, M., Dödsstraffet, 1996; Lott, A., Die Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg. v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl, B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839), 2000 ; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002

Todesurteil ist das auf die -> Todesstrafe erkennende Urteil.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Toleranz ist geduldige Hinnahme (andersartiger) Anschauungen und  Verhaltensweisen anderer. Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der frühen Neuzeit (Reformation von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zum Calvinismus übergetretene Kurfürst von Brandenburg den Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt Preußen den Hugenotten. 1781 gewährt Joseph II. in Österreich den Anhängern der (lutherischen) Augsburgischen und Helvetischen Konfession sowie den orthodoxen nicht unierten Griechen in einem Toleranzpatent gewisse T. Dieses bleibt bis 1849 bzw. 1861 in Kraft.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg. v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984; Schabas, W., The abolition of the death panaltry, 1997; Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999;Berghahn, K., Grenzen der Toleranz, 2000

Tomii, Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon von 1885 bis 1902 und von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich bei dem nach deutschem Vorbild geschaffenen japanischen -> Bürgerlichen Gesetzbuch mit. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (1903ff.).

Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E., Minpô ronshû, Bd. 5 1986, 145

Tonti oder Tontine ist ein nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630-1695) benanntes, in den romanischen Ländern verbreitetes Gewinnverteilungssystem, bei welchem Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit den noch Überlebenden der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder Rente ausgeschüttet werden.

Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963

Topik ist die Lehre von den gängigen, allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie ist bereits der griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut. In der Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z. B. Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-88]).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 5. A. 1974; Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W. Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft und Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988

Tora, Thora (hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die jüdische Bezeichnung hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das fünfte Buch. Die T. steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz des jüdischen Gottes.

Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992; Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei Philon von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001

Tortur (F.) Folter

Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926, Neudruck 1983; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f. 1953f.; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1

Tory (M.) Konservativer in England (Schimpfname, vielleicht von whig „dünnes Bier“ oder von whigman „Antreibestock“, um 1680)

Toskana (2. Jh. n. Chr. Tuscia, vorher Etruria) ist eine lange Zeit zum Heiligen Römischen Reich zählende Landschaft in Italien. Seit 1765 ist sie mit Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur, in welcher bedeutsame Gesetzesvorhaben entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten, konstitutionelle Monarchie anstrebenden -> Verfassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus dynastischen Gründen die unmittelbare Zuordnung zu Österreich wahrscheinlich wird). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien und damit mit -> Italien (1861) vereinigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P., Großherzogtum Toskana, 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Pesendorfer, F., Die Habsburger in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati, M., 1992; Graf, G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999

Totalitarismus ist eine im 20. Jh. verwirklichte, auf vollständige Unterdrückung angelegte Herrschaftsform.

Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totilitarismus, hg. v. Söllner, A. u. a., 1997; Totalitarimustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999

tote Hand ist eine Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, welche das von ihnen erlangte Vermögen nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen schon in den mittelalterlichen Städten. Im 19. Jh. verschwindet die vermögensrechtliche Einschränkung der toten Hand.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990

Totenteil -> Freiteil

tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 208, Nr. 25 (Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)

Totschlag ist die nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht im Frühmittelalter die Verpflichtung zur Leistung von -> Wergeld, später eine -> Strafe nach sich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Dilcher, G., Mord und Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002

Totteilung ist in Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige Aufteilung des Gutes einer -> Gesamthand an ihre Mitglieder.

Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264

Tötung ist die Verursachung des -> Todes eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Unterschiedliche Formen eines Tötungsdeliktes sind insbesondere -> Mord, -> Totschlag, Kindestötung und fahrlässige T.

Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984

Toul an der Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker, wird im 4. Jh. im Römischen Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz der im 13. Jh. errungenen Reichsunmittelbarkeit (Reichsstadt) an Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht aufgezeichnet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, J., Sur le droit urban de Toul, in: Economies et sociétés au Moyen Age, 1973, 273; Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995

Tours an der Loire, ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jh. Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T. eine Formelsammlung bekannt.

Lit.: Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985

tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht

Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8 (1928), 69

traditio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht die formlose -> Übergabe einer -> Sache auf Grund einer Zweckabrede wie Erfüllung, Kauf oder Tausch. Im Frühmittelalter wird der Wortgebrauch unscharf. Nach der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter ist t. meist der (lat.) -> modus (M.) acquirendi (Erwerbsart).

Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta, 1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen, P., 1977

traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Tradition ist das von Generation zu Generation übergebene Geistesgut bzw. im Frühmittelalter die Übergabe eines Gegenstandes in körperlicher oder symbolischer Gestalt bzw. die sie verkörpernde -> Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.

Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4, 81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O., Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F., Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Molitor, S., Das Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002

Traditionsbuch -> Tradition

Traktat (M.) Abhandlung

transactio (lat. [F.]) ist im römischen Recht als formlose Abrede, einen Streit oder eine Ungewißheit über ein Recht durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden (-> Vergleich), nur ein Fall des vereinbarten -> Erlasses.

Lit.: Kaser § 53 II 3c

transcriptio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht der beim nur kurzzeitig üblichen -> Litteralkontrakt die -> Obligation begründende Schriftakt.

Lit.: Köbler, DRG 45

translatio (F.) imperii (lat.) ist die Vorstellung von der Übertragung der von den Römern (und später oströmischen Griechen) innegehabten Weltherrschaft durch den Papst auf den fränkischen König (Karl den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jh. erkennen.

Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958; Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987

transmissio (lat. [F.]) ist im spätantiken römischen Recht die Vererbung des Rechts des Außenerben auf seine Erben.

Lit.: Kaser § 72 IV

Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende -> Werkvertrag.

Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag, 1987

Transsilvanien -> Siebenbürgen

trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei geben

Lit.: Kaser § 15 II 3

Trauung ist die Form der -> Eheschließung. Sie entwickelt sich aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die -> Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875 erfolgt die weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem -> Standesbeamten (Zivilehe).

Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe, ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991

Trennung von Justiz und Verwaltung -> Gewaltenteilung

Trennung von Staat und Kirche ist die von der Aufklärung geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest im Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer) verwirklicht.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996

tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht keine -> Appellation mehr erhoben werden kann.

Lit.. Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 169

tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 209, Nr. 34 (Marcellus, um 115 - um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9 - nach 133)

trespass (engl. [N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff, Beschädigung

Treue ist die innere feste Bindung eines Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken. Es ist streitig, inwieweit die T. eine besondere germanisch-deutsche Eigenheit ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. im Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte steht zum Staat in einem besonderen Treueverhältnis.

Lit.. Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrages, 1914; Hueck, A., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W., Untertaneneid und Treue­vorbehalt in Frankreich und England, 1954; Graus, F., Über die sog. germanische Treue, 1959; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 157, 183; Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht –Treuebindung, 2002

treuga (F.) Dei (mlat.) ist die durch die Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe Gottes. -> Gottesfriede

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101

treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg im Juli 1224 durch König Heinrich (VII.) erreichter -> Landfriede (für das Reich?).

Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952

Treuhand ist ein Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz oder teilweise im Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T. ist dem klassischen römischen Recht bekannt (Vormund, Pfleger). Sie tritt in einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch im deutschen Recht (Affatomie, Testamentsvollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19. Jh. wird daraus aber eine allgemeine Einrichtung entwickelt, welche vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Im englischen Recht ist der -> trust bedeutsam.

Lit.. Kaser §§ 11 III, 52 I 3, 54 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Beyerle, F., Die Treuhand im Grundriß des deutschen Privatrechts, 1932; Otten, G., Die Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der „Träger“ als Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der Treuhand, 1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G., 1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998

Treuhandanstalt ist eine 1990 nach dem Beitritt der -> Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland geschaffene, 1995 aufgelöste Anstalt zur Überführung von Volkseigentum in Privateigentum.

Lit.: Köbler, DRG 249

Treu und Glauben ist ein Verhaltensmaßstab, der das Verhalten eines redlich und anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) -> bona fides (F.), welche im römischen Recht für bestimmte Schuldverhältnisse zu beachten ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter belegen. Innerhalb des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) entwickelt sich T. u. G. zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1; Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974

Trialismus ist in Österreich im 19. Jh. die erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staatsteil zu schaffen.

Lit.: Baltl/Kocher

Tribonian (? - 541/3?, oder um 545?) ist ein aus Kleinasien (Pamphylien) stammender griechischsprachiger, unter -> Justinian zu hohen Ämtern (Kanzleileiter, Justizminister) aufsteigender, oströmischer Jurist. Er ist 528/9 Mitglied der Kommission für den -> Codex, seit 530 Mitglied einer Kommission für die -> Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei anderen Rechtslehrern die -> Institutionen.

Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978

tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun

Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer

Lit.: Köbler, DRG 32

Tridentinum (lat. [N.]) ist ein in Trient zwischen 1545 und 1563 tagendes Konzil der katholischen -> Kirche. Es versteht sich als Reformkonzil und stärkt die Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor.

Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd. 1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Jedin, H., Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001

Trient an der Etsch, das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1004/27 Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich dort -> Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an -> Tirol, 1919 mit Südtirol an -> Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001

Trier an der Mosel wird 16-13 v. Chr. von Augustus im Gebiet der Treverer gegründet und entwickelt sich im 4. Jh. zur größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60-70000 Einwohner). Im 6. Jh. bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, im 13. Jh. Kurfürst. 1473 erhält T. eine von 1798 bis 1970 aufgelöste Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung am einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/6 gelangen die meisten Güter an -> Preußen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts, 1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H., Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk Trier, 1989; Trier im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998

Trifels bei Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und 1273 die -> Reichskleinodien aufbewahrt werden.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939; Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971

Triftrecht -> Trittrecht

trinoctium (lat. [N.]) Zeitraum von drei Nächten

Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22

tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechts

Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29

Trittrecht, Triftrecht ist ein mittelalterliches Wegerecht (Viehtriebsrecht).

Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957

Trizone ist das am 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende Gebiet des -> Deutschen Reichs.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245

Trödelvertrag (lat. contractus [M.] aestimatorius) ist ein bereits dem römischen Recht bekannter Vertrag (Innominatrealkontrakt), bei dem innerhalb einer bestimmten Zeit entweder ein Preis geliefert oder eine übergebene Sache zurückgegeben werden soll.

Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der Trödelvertrag, in: Innominatverträge, 1988, 95

Troja (Troia) ist der Schauplatz des vom griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen Kriegs zwischen Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schliemann) auf dem 20 Meter hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Westtürkei) in zahlreichen Siedlungsschichten (ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und Silberfunden (Schatz des Priamos) ergraben wird.

Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann, M./Mannsperger, D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003

Tromsö im nördlichen Norwegen wird im 9. Jh. angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt. Nach Neubesiedlung im 18. Jh. erhält es 1968 eine Universität.

Truchseß oder -> Seneschall ist der mit der Verpflegung des fränkischen-deutschen Königshofes betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen Höfen ein T.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Trucksystem ist im 19. Jh. von England kommend ein System der Entlohnung eines Arbeiters mit vom Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten noch im 19. Jh. unzulässig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Trunkenheit ist der durch Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird seit dem 13./14. Jh. rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die T. im Straßenverkehr entschiedener bekämpft.

Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht, 1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck 1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im Mittelalter, 2002

trust (M.) Treuhandverhältnis, -> Treuhand

trustis (lat.-afrk. [F.]) Schar, Anhang, Gefolge

Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie 1974, 534

Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten -> Böhmen und -> Mähren unter zwangsweisem Einschluss der dort lebenden Deutschen gebildete, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte und danach annektierte, 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der Deutschen wiederhergestellte, 1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zugeführte, 1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220, 223, 246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918-1965, 1966; Maly, K., Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, in: Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie 1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Beyer, B., Die Beneš-Dekrete, 2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete, 2002; Payrleitner, A., Österreicher und Tschechen, 2003

Tübingen am Neckar erscheint im 7. Jh. als Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1477 eine Universität gründet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sydow, J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Festschrift 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H., Bd. 1ff. 1977ff.; Pill-Rademacher, I., ... zu nutz, 1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001

Tübinger Rechtsbuch ist ein in acht Handschriften überlieferter, 135 Auszüge aus dem Gesetzgebungswerk -> Justinians enthaltender, vielleicht um 1160 im Dauphiné entstandener Rechtstext.

Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft, 1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Tudor ist ein seit 1232 nachweisbares walisisches Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den Königsthron -> Englands erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I. 1558-1603).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Tuhr, Andreas von (St. Petersburg 1864 - Zürich 1925), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig (Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer in Basel (1891), Straßburg (1898) und Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts“.

Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257; Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938

Tür ist der bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude oder einen Raum. Die T. kann als Rechtssymbol verwendet werden.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Turin in der Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. Im 5. Jh. wird ein Bistum eingerichtet. Über Langobarden und Franken kommt T. 1048 an -> Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich städtische Selbstverwaltung. 1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird eine Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens.

Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a., 1993

Türke ist der Angehörige eines (in den Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus Ostasien (Mongolei) in den Westen kommenden, im 11. Jh. unter den -> Seldschuken nach Kleinasien (1071 Sieg über Byzanz) eindringenden Volkes. Nach dem Übertritt zum -> Islam seit Ende des 8. Jh.s werden die Türken im 14. Jh. unter den -> Osmanen geeint. 1453 wird Konstantinopel erobert. 1529 stehen die Türken vor Wien. Zur Abwehr der Türken versucht das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) mehrfach erfolglos, Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die Türken allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (-> Griechenland, Bulgarien, Walachai, Moldawien, Serbien, Bosnien, Herzegowina). 1917 verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich auch Palästina und Syrien ab. 1922 wird der Sultan abgesetzt. Am 29. 10. 1923 wird in der Türkei die -> Republik ausgerufen. Schrift (Lateinschrift) und Recht (Einehe) werden unter Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbuches (1925) verwestlicht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s bemüht sich die Türkei um den Zugang zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131; Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die frühen Türken, 1992; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v. Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bospurus, 1998; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002

Türkei -> Türken

Lit.: Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess, 1984; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000

Turku (Abo) in -> Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines Bischofs. Danach wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität (Akademie) eingerichtet, an welcher seit 1773 auch der bekannteste finnische Rechtswissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher Professor der juristischen Fakultät lehrt.

Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917

Turnier (N.) ritterliches Kampfspiel im Mittelalter

Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989

turpitudo (lat. [F.]) Schändlichkeit

Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2

tutela (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Vormundschaft.

Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I 2a, 20 I 1, 58 IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler, LAW

tutor (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der -> Vormund. Ihn erhalten der nicht einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben bis 14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zur Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.] -> auctoritas) des t. Tutor ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder, Bruderssohn), hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser. Der Hausvater kann im Testament einen t. bestimmen, der die Übernahme ablehnen kann.

Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57

Typenzwang ist die Bindung an bestimmte vorgegebene Rechtsverhältnisse. Im klassischen römischen Recht besteht bei den Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im Vulgarrecht aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die Typengebundenheit des römischen Rechts nicht übernommen. Dagegen geht das Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen Rechtsverhältnissen aus.

Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623

Tyrann ist der in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher.

Lit.: Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998

 

U

 

Überbau ist die Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines -> Grundstückes. Der Ü. muss im römischen Recht in engen Grenzen geduldet werden. Im übrigen hat der Eigentümer des überbauten Grundückes einen Beseitigungsanspruch wegen der Verletzung seines Eigentums. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt weitergehend jeden rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechtswidrigen Ü.

Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff, M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141 (1935), 183

Übereignung ist die Übertragung des -> Eigentums an einer -> Sache. Sie erfolgt im altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.) mancipi (handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) -> mancipatio, sonst durch (lat. [F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. -> sala (Gabe) und giwerida (-> Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis zueinander völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die Eintragung in -> Schreinskarten für Grundstücksübereignungen vor. Der Sachsenspiegel (1221-24) erfordert für Eigen und Leute -> Erbenlaub und Vornahme vor Gericht. In der frühen Neuzeit setzt sich die Lehre vom (lat.) -> modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch. -> Savigny entwickelt demgegenüber den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der -> Einigung (abstrakte Einigung und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Bei Grundstücken wird die -> Eintragung in das Grundbuch unabdingbar (Einigung und Eintragung). -> Abstraktion

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163, 174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung, Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Überfall ist im Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüberfallende -> Frucht. Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den Ü. jeden zweiten Tag vom fremden Grundstück holen. Nach der Sachsenspiegelglosse (14. Jh.) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü.

Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281

Übergabe ist die Verschaffung des unmittelbaren -> Besitzes an einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt. Als (lat. [F.]) traditio, welche -> Eigentum verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits im altrömischen Recht. Sie hat für die Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart Bedeutung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung und Ü. oder Übergabesurrogat verschafft.

Lit.. Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat, 1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Überhang ist die von einem Nachbargrundstück eingedrungene Wurzel oder der herüberragende Zweig. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte Nachbar vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst handeln. Nach dem Sachsenspiegel (1221-4) darf kein Ast zum Schaden des Nachbarn über die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Regelungen gewährt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn einen Beseitigungsanspruch, der durch -> Selbsthilfe verwirklicht werden kann.

Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281

Überküren (afries. urkera) sind 7 neue -> Küren des friesischen Rechts, welche u. a. die Verfassung des Bundes von -> Upstallsbom enthalten.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57 (1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im Frühmittelalter dadurch, dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) verlaufende Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des frühmittelalterlichen lateinischen Wortes kann dabei dadurch erleichtert werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums durch Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog. Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt.

Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P., Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996

übersiebnen ist den Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer überführen im Mittelalter. Die Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern zurückgehen. Das Ü. findet bei -> handhafter Tat und -> landschädlichen Leuten statt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute, 1918; Wakasone, K., Zur Entstehung des Übersiebnungsverfahrens, FS L. Carlen, 1989, 211

Übertragung ist der gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer Rechtsstellung auf eine andere Person. -> Übereignung, -> Abtretung, -> Einigung, -> Übergabe

Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG GA 56 (1936), 1; Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Übertretung ist zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird im 18. Jh. mit der ein vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt im formellen Sinn von der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach französischem Vorbild steht sie als (franz. [F.]) contravention neben -> Verbrechen und -> Vergehen. Nach -> Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü. aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes Recht der -> Ordnungswidrigkeit überführt.

Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f. 1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd. 1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987

Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat verpflichtet oder berechtigt fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner Überzeugung kann er milder bestraft werden.

Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter, 1975

ubi cessat ratio legis, cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 211, Nr. 3

ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde, dort verlange ich sie heraus.

Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 212, Nr. 18

ubi societas ibi ius (lat.). Wo es eine Gesellschaft gibt, da gibt es auch Recht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 213, Nr. 19 (Cocceji, H. v., 1644-1719)

Ukraine ist ein 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen -> Polen und -> Rußland geteiltes, am Ende des 18. Jh. um Teile Polens erweitertes Gebiet, in dem am 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird. Danach wird das sozialistische Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der -> Sowjetunion als zweitgrößter Staat Europas wieder verselbständigte U. eine demokratische Verfassung.

Lit.: Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923, 2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa, hg. v. Besters-Dilger, J., 2003

Ulm an der Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird im 13. Jh. (1258?, 1274?) -> Reichsstadt. Sein 1376 im Roten Buch aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U. an -> Württemberg.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm, 1977; Göggelmann, H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984

Ulpian (Ulpianus), Domitius (Tyros in Phönizien 170? - Rom 223) ist wie -> Paulus vielleicht seit 203/5 Assessor des Gardepräfekten -> Papinian(us), danach Leiter der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und 222 Getreidepräfekt. Die -> Digesten, welche zu einem Drittel aus Ulpianfragmenten bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdarstellungen wiederzugeben und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus, 29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl., Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.) institutiones (F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von 426. Von U. stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) -> iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechts sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben). Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.

Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré, T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987

ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können wird niemand verpflichtet.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 213, Nr. 21

Umbrien ist eine mittelitalienische Binnengebirgslandschaft, die von den Römern an die Langobarden übergeht (Herzogtum Spoleto). 1549 gelangt U. an den -> Kirchenstaat. 1860 geht es in -> Italien auf.

Lit.: Conti, P., Il Ducato di Spoleto, 1982; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995

Umdeutung ist die Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein anderes, nicht gewolltes, aber in seinen Voraussetzungen gegebenes zulässiges Rechtsgeschäft. Die U. erscheint verschiedentlich bereits im römischen Recht.

Lit.: Kaser § 9 I 3

Ume, Kenjirô (1860-1910), Arztsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-9) und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890 Professor in Tokio. Er verfasst mit Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch -> Japans von 1896/8 und mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von ihm stammt ein wichtiger Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Minpô Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er gilt als bedeutendster Jurist Japans.

Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917; Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992

Umfahrt ist die Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im fränkischen Frühmittelalter (z. B. 533). -> Umritt

Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991

Umgehungsgeschäft ist ein Geschäft, durch welches die Beteiligten einen Zweck erreichen wollen, den sie wegen des Verbotes oder der Folgen eines anderen Geschäftes mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U. ist bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen wird etwa das -> kanonische Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte (z. B. lat. [F.] -> in iure cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig, setzt sich aber in manchen Fällen durch.

Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985

Umritt ist der Ritt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im Mittelalter (z. B. 508, 1024). -> Umfahrt

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1944, Neudruck 1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, in: Vorträge und Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991

Umsatzsteuer ist die Steuer vom zu versteuernden und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher überwälzte -> Verbrauchsteuer. Im Deutschen Reich wird 1916 ein Vorläufer der U. geschaffen. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt die U. (als Mehrwertsteuer) an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis erkennbar ist. -> Akzise, -> Ungeld

Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2. A. 1962; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

Umstand ist im Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit der Menschen im Frühmittelalter. Das -> Urteil bedarf der auch durch Schweigen möglichen Genehmigung durch den U. Schon im Frühmittelalter und Hochmittelalter (Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße -> Öffentlichkeit aus der Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus.

Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Umwelt ist die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) gefährdet. Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B. Wassergesetz Preußens vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland seit 1975) und ein Umwelthaftungsrecht (1991) entwickelt.

Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Hager, G., Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher, T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umweltschützende Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J., Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS 1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur – Abwasser, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschuz im 19. Jahrhundert, 2002

UN-Kaufrecht ist das am Ende des 20. Jh.s von den -> Vereinten Nationen zur Erleichterung des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991; Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378

Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer bisherigen Kolonie vom Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden Gewalt). Die U. des Richters wird im 18. Jh. als Notwendigkeit erkannt (England 1701). Sie setzt sich im 19. Jh. (1848, Preußen 1850) durch.

Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960; Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der Bundesrepublik und in der DDR, 1999

unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)

unehelich ist eine durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im römischen Recht ist zunächst das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris (Person eigenen Rechts). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die -> Kirche die Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat. Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940. 1969 wird das Wort u. durch -> nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung inhaltlich verbessert, doch erfolgt erst 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede.

Lit.: Kaser §§  13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Kling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die Unehelichen, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg. v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998

unehrlich ist eine durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete Bestimmung. Im römischen Recht ist der (lat.) infamis von Prozesshandlungen und Ämtern ausgeschlossen. In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Henker). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben.

Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A. 1979

unerlaubte Handlung (Delikt) ist die vom Recht nicht erlaubte Handlung, welche bei einem -> Schaden eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründet. Die u. H. ist seit den Anfängen des Rechts bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern gehören vor allem der Körper und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung). Eine bedeutsame Regelung des Rechtsbereichs bringt die (lat.) -> lex (F.) Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils -> Wergeld und Buße vor, bis sich am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) -> Strafe und Schadensersatz trennen. Im 19. Jh. werden für die u. H. Handlung, Rechtswidrigkeit und Schuld gefordert. Die gesetzliche Regelung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) findet sich in den §§ 823ff. Sie geht von einzelnen, geschützten Rechten und Rechtsgütern aus. Über die Haftung für eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungshilfen), für Tiere und für Sachen (z. B. Bauwerk) erfasst.

Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Unfall

Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolutuin, 2001

Unfallversicherung ist die von Berufsgenossenschaften verwaltete -> Sozialversicherung gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie vertritt eine an sich sinnvolle -> Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit 1925 erfasst sie auch die Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des 19. Jh.s sichert sie rund 38 Millionen Menschen in Deutschland.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W., Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169 (1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung, 1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157

Unfreier ist der die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem -> Sklaven des römischen Rechts vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt ihn bereits für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und einen selbständigen Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit im Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine Tötung neben derjenigen der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6. Jh. ein Tötungsrecht des Herrn und erkennt im 10. Jh. Ehen unter Unfreien ohne weiteres an. Wirtschaftlich ist der im einzelnen unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein in die -> Grundherrschaft eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung nach der (Freilassung ermöglichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die berufsständische Gliederung nach Rittern, Bürgern und -> Bauern überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen 1807).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970), 257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der Unfreiheit, Z.f.d.A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman, P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997

Ungar ist der Angehörige eines um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien in das Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden Volkes, das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (955) seßhaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen Königs der Ungarn. 1290 stirbt das Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit mit Habsburg setzt sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). Vor 1514 erstellt Stephanus -> Werböczy eine erstmalige Sammlung des Gewohnheitsrechts des Königreiches Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis durchsetzt. 1526 fällt das inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an -> Habsburg. 1867 muss -> Österreich im sog. -> Ausgleich seine Herrschaft über Ungarn lockern. 1878 wird eine 1900 verbesserte Strafprozessordnung geschaffen. 1918 verselbständigt sich das Land, das nach dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion (1945-1989) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union (1993) sucht.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher; Timon, A., Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 2. A. 1909; Miskolczy, J., Ungarn in der Habsburger Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, in: Das ungarische ZGB, 1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, in: FS H. Lentze, 1969, 339; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561, 3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990; Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger, P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2, hg. v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u. a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte Ungarns, 1999; Lendvai, P., Die Ungarn, 1999; Fata, M., Ungarn, 2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, 2000; The Hungarian State 1000-2000, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History of Hungary, 2001; Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001

Ungarn -> Ungar

Lit.: Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn, ZRG GA 113 (1996), 362; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht aus europäischer Sicht, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M., 1997; Die Elemente der ungarischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Máthé, G./Mezey, B., 2000; Németh, I., Ungarische Geschichte, 2003

ungeboten (ohne besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. ungebotenes -> Ding

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Ungefährwerk ist eine wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten Unrechtserfolg im älteren deutschen Recht (z. B. fehlgehender Pfeil führt zum Tod eines Menschen). -> Fahrlässigkeit

Lit.: Köbler, DRG 91; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964

Ungehorsam -> Widerstand

Ungeld ist seit dem Hochmittelalter bis ins 19. Jh. eine vielfach städtische -> Verbrauchsteuer. -> Akzise

Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

ungemessen (nicht durch ein Maß bestimmt)

Unger, Joseph (Wien 2. 7. 1828 - 2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und 1856 in Wien (1857 ordentlicher Professor). Seit 1870 wendet er sich der Politik zu. 1881 wird er Präsident des Reichsgerichts in -> Österreich. Sein ursprüngliches Eintreten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes (1855) wandelt sich später in einen Aufruf zur Revision des österreichischen -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durch einzelne Teilnovellen. Seit 1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die zivilrechtlichen Urteile des Obersten Gerichtshofes. Sein System des österreichischen allgemeinen Privatrechts wird mehrfach aufgelegt.

Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177

Ungerechtfertigte Bereicherung ist die nicht durch einen rechtlichen Grund gerechtfertigte -> Bereicherung einer Person. Sie ist nach dem Vorbild des römischen Rechts (lat. [F.] -> condictio) herauszugeben. Die Beschränkung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch -> Duarenus, dem -> Glück folgt.

Lit.: Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003

Ungericht (N.) Unrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898

Union (F.) Vereinigung, -> Europäische Union, -> Personalunion, -> Realunion

unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen, -> Einkindschaft

Universalsukzession (F.) Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei einem Erbfall)

Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr. v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der Universalsukzession, 1922

universitas (lat. [F.]) Einheit

Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und Rezeption, 1980

Universität ist die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh. erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (-> Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät die drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der Fakultät ist der Dekan. Frühe bekannte europäische Universitäten entwickeln sich in -> Paris (Statuten von 1215), -> Oxford (nach 1139), -> Cambridge (seit 1209), -> Montpellier (seit etwa 1170), -> Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, -> Padua (1222) oder -> Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in -> Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen -> Wien (1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,) -> Heidelberg (1386), -> Köln (1388), -> Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,)-> Leipzig (1409), -> Rostock (1419), -> Freiburg im Breisgau (1425), -> Greifswald (1456), -> Löwen (1425 bzw.1457), -> Basel (1460), -> Ingolstadt (1472), -> Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), -> Tübingen (1477) und -> Mainz (1477). Die Zahl der Studierenden nimmt beständig zu (im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger). Die Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die Professionalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung (1650 Stiftungshochschchule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden -> Halle (1694), -> Göttingen (1734) und -> Berlin (1810) (um 1800 190 Universitäten weltweit). Im 19. Jh. werden naturwissenschaftliche Fächer eröffnet. In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jh.s führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechtswissenschaft, um 1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit).

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151, 154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Kaufmann, G., Die Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg, F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936; Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a., 1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher, 1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; Müller, A., Geschichte der Universität, Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N., Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani, I., 1994;  Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’ Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995; Schlange-Schöningen, Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert, 1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R., Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, hg. v. Connelly, John/Grüttner, Michael. 2002; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung – Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u. a., 2003

Universitätsgerichtsbarkeit ist die besondere Gerichtsbarkeit der Universität (bzw. des Rektors) über die Universitätsmitglieder. Sie findet sich nach älteren Ansätzen zumindest zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Basel, Freiburg im Breisgau und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren Verbrechen ausgenommen. Endgültig abgeschafft wird die U. im Deutschen Reich 1877/9. Ihr folgt teilweise eine besondere Disziplinargerichtsbarkeit.

Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891; Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als Richter, 1987

Universum

unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als eigenständiger, vom Strafrecht gelöster Fragenbereich wird der unlautere Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In Frankreich finden die Art. 1382, 1383 -> Code civil Anwendung, in England die -> equity. Das Deutsche Reich schützt am 12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und am 7. 6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen Unlauterkeit.

Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064

Unlust (F.) Nichtzuhören im -> Ding

Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne ein drittes vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit)

Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202

Unmöglichkeit (lat. [F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer Leistung. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr begrenzt bedeutsamen lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio (zu Unmöglichem besteht keine Verpflichtung) dehnt -> Donellus in der frühen Neuzeit ausdrücklich auf alle Verträge aus. -> Pufendorf erweitert die zunächst nur für die besonderen -> Innominatkontrakte anerkannten Regeln über das Freiwerden bei unverschuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge. Im 19. Jh. baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen ein System der anfänglichen bzw. nachträglichen und subjektiven oder objektiven U. auf, das über -> Windscheid in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) Eingang findet.

Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165, 214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Unmündigkeit ist das Fehlen der -> Mündigkeit.

Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57, 87, 121

Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss geschehenes U. nachträglich ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz).

Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg. v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff.

Unrecht Gut gedeiht nicht.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151

Unschuldseid -> Reinigungseid

Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und Grafschaften streben schon die Reichtagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an. Dennoch werden die Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jh.  hinaus tatsächlich geteilt. Seit dem 14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356) für die Kurfürstentümer und andere Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich 1358/9 Fälschung, Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg 1495) die U. fest.

Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240; Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R., Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982

Untereigentum ist ein Teil des geteilten -> Eigentums (z. B. des Lehnsmannes). Es wird seit dem Hochmittelalter entwickelt und im 19. Jh. beseitigt.

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985

Unterhalt ist die Gesamtheit der für den Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen. In einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame Lebensführung Nahestehender so selbstverständlich, dass der U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v. - 14 n. Chr.) aber in der (lat.) extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus Pius (?) besteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K. betrifft dies nur die Mutter und ihre Verwandten. Eine Rechtspflicht zu U. unter Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Im Mittelalter fördert die Kirche die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern. Dem folgen im Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit dem 16. Jh. vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung weiterer Verwandter zunehmend abgelehnt. Dem schließen sich die großen Zivilrechtsgesetzbücher überwiegend an.

Lit.: Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtstellung der Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Wiesner, J., Über die Rechtstellung des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unterhaltspflichten in rechtshistorischer Sicht, in: Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Laubach, B., Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2003; Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003

Unterhaus -> House of Commons

Unterkauf ist der im Spätmittelalter und Frühneuzeit in Städten verbotene Zwischenhandel.

Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961

Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.

Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung, 1999

Unterlassung ist die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird erst allmählich der Handlung angenähert.

Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler DRG 242

Unternehmen ist im Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht. Seit dem 20. Jh. gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den Mittelpunkt des Handelsrechts zu stellen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 707; Bauer, C., Unternehmen und Unternehmensformen, 1936; Recht  und Entwicklung von Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte, 1989; Conradi, J., Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an sich“, 1996; Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M., 1998; Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000

Unterpfand (meist gleichbedeutend wie) Pfand

Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37

Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. vom ->  Diebstahl erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s. (Kleinschrod, Sachsen 1838).

Lit.: Köbler, DRG 158; His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß, H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973

Unterschrift ist der zum Zwecke der Anerkennung des Inhaltes unter den Text einer Urkunde gesetzte, eigenhändig geschriebene -> Name eines Menschen. Das römische Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die merowingische Königsurkunde weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf, an deren Stelle später das Monogramm oder das -> Siegel (11 Jh.) tritt. Seit der frühen Neuzeit verdrängt die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstverständlichkeit der Schreibfähigkeit wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche Reichsgericht die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.

Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907, Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Saupe, L, Die Unterfertigung der lateinischen Urkunden, 1983

Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. Im Zivilprozess ist er selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichtsordnung).

Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Richter, M., Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999

Untertan ist der der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit unterstehende Mensch in der frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der Aufklärung der Staatsbürger oder Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).

Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht der Untertanen, 1911; Feller, H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981; Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999

Unterwalden ist das Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit -> Luzern und 1291 ein Bündnis mit Uri und -> Schwyz gegen die Grafen von -> Habsburg schließt und 1309/24 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der Urkantone der -> Schweiz.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000

Untreue ist ein durch Mangel an zu erwartender Treue gekennzeichnetes Vermögensdelikt. Die U. wird lange durch den Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie verselbständigt (Bayern 1813).

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Kiefner, H., Zur zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestandes (§ 266 StGB), in: Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205

Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustandes. U. begründet im römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.

Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958

Unzucht ist seit dem 18. Jh. eine allgemeine Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sittlichkeit, welche 1973 vom deutschen Gesetzgeber aufgegeben wird.

Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W., Sexualität und Obszönität, 1990; Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996

Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw. das Fehlen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit eines Handelnden. Die U. wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich 1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). -> Zurechnungsfähigkeit

Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99; Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998

Uplandslagh, Upplandslagh ist ein bis 2. 1. 1296 geschaffenes, durch fünf fast vollständige und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften des früheren 14. Jh.s überliefertes schwedisches Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland, Fiärdrundaland), Roslagen und Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeitenden Ausschuß gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zur Annahme vorgelegt und nach Annahme von König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte gegliedert (22 Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist christlich beeinflusst und enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen, Södermannalagen, Västmannalagen, Hälsingelagen und Magnus Erikssons Landrecht, durch welches es 1351/3 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das Reichsgesetzbuch Schwedens die Geltung auch im übrigen.

Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C., Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och germanska element, 1958; Gagner, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988

Uppsala entsteht im 12. Jh. als Östra Aros (östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird eine Universität eingerichtet. Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es durch Brand weitgehend zerstört.

Lit.: Malmström, A., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985

Upstallsbom ist ein bei Aurich gelegener Ort, nach dem der spätmittelalterliche Zusammenschluss friesischer Gaue zwischen Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschworene Abgesandte der einzelnen Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angelegenheiten. 1323 schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue Verfassung des wenig später verfallenden Bundes.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Uradel (1862) ist der besonders alte und (deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte -> Adel im Gegensatz vor allem zum -> Briefadel.

Urbar ist das mittelalterliche und frühneuzeitliche Güterverzeichnis eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, im Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15. - 18. Jh.s).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das Habsburgische Urbar, Bd. 1f. 1894ff.; Die Urbare der Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Das Prümer Urbar, hg. v. Schwab, I., 1983; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G., Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979; Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v. Heeg-Engelhart, I., 1990; Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a., 1998

Urbino in den Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense zurück. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Durch die Pippinische Schenkung (754) fällt es an den Papst. In dem 1443/74 errichteten Herzogtum wird 1506 eine Universität geschaffen.

Lit.: Le città nella storia d’Italia, 1986

Urfehde ist das seit dem 14. Jh. sichtbare und vom 15. Jh. bis zum 17. Jh. verbreitete Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100 Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die -> Fehde endet. Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in Preußen 1796 Abstand genommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden, 1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Boockmann, A., Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000

Urgicht (F.) Geständnis

Urheber ist der Veranlasser oder Hersteller eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen Werkes. Seit der frühen Neuzeit entwickelt sich zu seinem Schutz das -> Urheberrecht.

Lit.: Eggert, A., Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183

Urheberrecht ist die Gesamtheit der den -> Urheber schützenden Rechtssätze. Das U. gewinnt kurz nach der Erfindung des Buchdruckes, der die preiswerte Vervielfältigung von Gedanken ermöglicht, seine erste größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung von privilegierenden Patenten zugunsten einzelner Erfindungen (England um 1350), denen in Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt. Im Gefolge der Aufklärung entsteht die Lehre vom -> geistigen Eigentum, die sich im 19. Jh. nach englisch-französischem Vorbild für einige Jahrhunderte durchsetzt (Preußen 11. 6. 1837, gemeinsame Grundsätze der Bundesversammlung des Deutschen Bunds vom 7. 11. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Literatururhebergesetz 1901, Kunsturhebergesetz 1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis sie durch den pandektistischen, auf körperliche Gegenstände beschränkten Eigentumsbegriff wieder verdrängt wird. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft (1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken. Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel zur wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener Mittelsmänner (z. B. Verlag).

Lit.: Köbler, DRG 184, 205, 218, 272; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys Beiträge zum Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle, E., Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, in: Entwicklung des europäischen Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991; Historische Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E., Geschützte und ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, 1996; Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheberrechtsgesetz, hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des Arbeitnehmererfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische Privilegien, in: Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C., Literary Copyright Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently, L., The Making of Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F., Urheberrecht der Musik in Preu0en, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003

Uri ist ein Ort am Vierwaldstätter See, der 732 erstmals erwähnt wird. 1231 bestätigt König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit. 1291 schließt sich U. mit -> Schwyz und Unterwalden gegen -> Habsburg zusammen. U. ist ein Urkanton der -> Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928 durch Urwahlen ersetzt wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461

Urkunde ist die verkörperte Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist. Da die U. die Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt sie den Germanen im Gegensatz (zu altorientalischen Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie (lat. [N.] instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d.h. dritter Person gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jh. v. Chr. nach griechischem Vorbild als zeugenloses, eigenhändiges, subjektiv gefasstes Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet wird. Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt etwa 700, die der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die Königsurkunde (ca. 4000 im Frühmittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast 10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in Protokoll (Invokation, Intitulation, Inskription, Salutation), Kontext (Arenga, Promulgation, Ereignisbericht, Bitte um Urkundenausstellung, Dispositio, Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubigungsmittel) und Eschatakoll (Actum, Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift, Zeugenunterschriften, Schreiberformel). Im 13. Jh. nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Veröffentlicht sind vor allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestrafung der Urkundenfälschung dienen später besondere Strafvorschriften.

Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der altdeutschen Originalurkunden, begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Tessier, G., Diplomatique royale française, 1962; Chaplais, P., English royal documents, 1971; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979; Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo-Saxon Charters, 1991; Kortüm, H., Zur päpstlichen Urkundensprache, 1995; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache des 13. Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12- Jahrhundert), 1997; Kölzer T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und Urkundenformulare im klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R., 1999Hellmann, M., Tironische Noten in der Karolingerzeit, 1999; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001

Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) -> Urkunde. Die Urkunde ist bereits im römischen Recht Beweismittel im Rechtsstreit und nimmt diese Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei gilt die Königsurkunde als unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle Urkunden oder später allgemein öffentliche Urkunden.

Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971

Urkundenbuch ist seit dem 19. Jh. die moderne wissenschaftliche Ausgabe älterer -> Urkunden eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband usw.) in einem Buch (z. B. der Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.] Germaniae Historica).

Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, G., Einfache Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25; Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998

Urkundenfälschung ist die Herstellung einer echten Urkunde, die Verfälschung einer unechten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der merowingischen Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte -> (lat.) privilegium (N.) maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von 1358/9. Seit 1198 wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird die U. ein Straftatbestand.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H., Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002

Urkundenlehre (Diplomatik) -> Urkunde

Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, Neudruck 1968

Urkundenschelte ist im Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei falsch. Im Rechtsstreit kommt es dann zur Eidesleistung oder zum Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich unangreifbar, ist die Königsurkunde.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Urlaub ist ursprünglich allgemein eine Erlaubnis, seit dem 19. Jh. meist bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen Gesetzen, Tarifverträgen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6 Wochen im Jahr.

Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R., Urlaubsrecht, 1995

Urschwabenspiegel -> Schwabenspiegel

Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975

Urschweiz -> Schweiz

Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941

Urteil ist eine gerichtliche, einer besonderen Form bedürftige Entscheidung. Das U. fällt im altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der Richter (lat. [M.] iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und im Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen. Im Frühmittelalter ist das U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem Ergebnis vom Verlauf eines außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der frühen Neuzeit verdrängt der gelehrte Richter den Laienschöffen aus der Urteilsfällung. Das U. wird schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt. Im 19. Jh. setzt der Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des Laien als Urteiler bzw. Laienrichter durch (-> Schwurgericht usw.). Seit dem Spätmittelalter ist das U. regelmäßig  durch Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar.

Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler, R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil fragen“, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen, 1999

Urteiler ist der vom Richter verschiedene Verfasser eines Urteils im mittelalterlichen Recht (-> Rachinburge, Schöffe).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440

Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils. Die U. findet sich schon im römischen Altertum in etwa einem Drittel der von römischen Juristen überlieferten Fälle. Im Mittelalter begegnet sie eher selten. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr selbstverständlicher bzw. notwendiger Bestand des Urteils (Reichskammergericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen 1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R., Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97

Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen notwendige Bestätigung eines Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B. hängt in Preußen im 18. Jh. ein die Todesstrafe oder eine mindestens zehnjährige Gefängnisstrafe verhängendes Urteil von der Bestätigung des Staatsoberhauptes ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll wirksam. Im 19. Jh. wird die U. beseitigt (Württemberg 1819).

Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 255

Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei, ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von 1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck, Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht -> Mynsinger eine Sammlung von Urteilen des Reichskammergerichts (Gail 1578, Carpzov für Leipzig und Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem  folgen im 18. Jh. Sammlungen der Urteile der meisten Obergerichte. Im 19. Jh. wird dies selbstverständlich (preußische Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von Frundeck, Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2 2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa ( 1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, in: Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403

Urteilsschelte ist die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie führt im Frühmittelalter vermutlich zum Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und Urteilsschelter. Dies hält noch der Sachsenspiegel (1221-4) für möglich, ohne dass die Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle belegt. Vielmehr entscheidet im Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten Gericht die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt die U. der Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592

USA (Vereinigte Staaten von Amerika)

usucapio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die -> Ersitzung des Eigentums nach zivilem Recht, von welcher später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa [F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers bezüglich bestimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit wird die u. im Westen durch eine Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt, während Justinian von u. in drei Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.) longi temporis praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken spricht.

Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I 3, 28 II 1b, 29 I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61

usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschaftsersitzung (im altrömischen Recht)

Lit.: Köbler, DRG 23

usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor [F.] in manu). Im klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten dinglichen Recht.

Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281

ususfructus (lat. [M.]) ist im römischen Recht seit dem 3. Jh. v. Chr. der -> Nießbrauch als ein zunächst höchstpersönliches Nutzungsrecht zur Versorgung abgeschichteter Familienmitglieder, später als beschränktes dingliches Recht.

Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II 7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41

usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten im 16.-18. Jh. (im engeren Sinn seit 1650). Er passt in zeitlicher Parallele zur Verselbständigung der Territorien gegenüber Reich und Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung von der älteren Tradition den Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an. Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage. Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel Stryks (1690 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V priores, erstmals anscheinend verwendt von Stryk 1667). Bedeutende Juristen dieser Zeit sind -> Conring, -> Schilter, -> Struve, -> Stryk, -> Thomasius, -> Böhmer, -> Heineccius, -> Leyser, -> Kreittmayr und -> Höpfner. Nicht wirklich erfasst wird die Kanonistik, die bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt.

Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und Dogmengeschichte des Privatrechts, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. v. Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996; Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der usus modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts. Zur rechtstheoretischen Bedeutung des Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert, in: Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000, 229

Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills)

Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974

utilitas (lat. [F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer -> Dienstbarkeit des römischen Rechts)

Lit.: Kaser § 28 I 3

utlagr (anord.) rechtlos

Utopie ([nirgendwo als Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung) ist im Staatsrecht die Vorstellung eines alle Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden Gemeinwesens.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus, T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994; Seibt, F., Utopia, 1972; Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien des Thomas Morus, 1988

Utrecht ist die am Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum (Übergang am Rhein) entstehende Stadt, die im 8. Jh. Sitz eines Bischofs wird. 1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). 1636 wird eine Universität in U. errichtet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mulders, H., Das Archidiakonat im Bistum Utrecht, 1943; Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van hoogleraren, 1993

UWG ist die Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz gegen den -> unlauteren Wettbewerb.

Lit.: Köbler, DRG 176, 218

uxor (lat. [F.]) Ehefrau

Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert, 1995

 

V

 

Vacarius (Lombardei um 1120 – England nach 1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna um 1143 Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater des Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/80 in Lincoln. In seinem (lat.) Liber (M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus -> Digesten und Codex.

Lit.: The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972; Stein, P., Vacarius and the Civil Law, in: Church and Gouvernment in the Middle Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

vadimonium (lat. [N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette

Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A., Vadimonium to Rome, ZRG RA 114 (1997), 160

vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette

Valencia am Turia wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten (413) und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines selbständigen Königreiches. Das 1102 wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238 von -> Aragonien gewonnen und 1309 mit ihm durch Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707 beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine Universität. -> Furs de V.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274; Guinot, E., Els limits del regne, 1995

Valentinian III. ist ein römischer Kaiser (425-455), unter dem 426 n.Chr. das sog. Zitiergesetz erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die Spätantike, 1988

valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die Anrufung der -> Volksversammlung (Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil im magistratischen Strafverfahren.

Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Valin, René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser des ersten ausführlichen commentaire sur l’Ordonnance de la marine.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977

Valois (1328-1498) -> Kapetinger

valvassor (lat. [M.] ) Aftervassall, Grundeigentümer (A. 11. Jh.), Ritter

Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F., Campagnes lombardes au Moyen Age, 1993

Vandale, Wandale ist der Angehörige eines in der Völkerwanderung wohl von der Ostsee unter Plünderung Roms (455) nach Nordafrika ziehenden, 533/4 von -> Byzanz unterworfenen, germanischen Volkes.

Lit.: Diesner, H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002

vare (mhd.) ist die im Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch Versprechen usw. zu verlieren. Gegen diese v. wird der -> Fürsprecher geschaffen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116

Vasall (M.) Lehnsmann

Vasallität als personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist ein älteres Verhältnis (zu kelt. gwas [M.] Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und Dienste gewährt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Deutinger, R., Seit wann gibt es die Mehrfahc

vassus (lat. [M.] 6. Jh.) Vasall, Mann

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW

Vater ist der Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater im Mittelpunkt der Familie. Im Zweifel wird als V. vermutet, wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit beiwohnt. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre 1969 aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden. -> Familie

Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939; Köbler, DRG 21; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie, 1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129

väterliche Gewalt -> Vater

Vatikan ist eine nach dem Wohnsitz des -> Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die oberste Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). Im V. ist das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv), dessen ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw. nach 1368 verteilt worden sein dürften.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998

Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714 - Neuenburg 28.12.1767), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens (Völkerrecht), in dem er das Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen Nationen, Krieg, Wiederherstellung des Friedens).

Lit.: Manz, J., Emer de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994

Vaud -> Waadt

Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in Valladolid und Salamanca 1551 Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553 Finanzbeamter und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit humanistischen Zügen, der das moderne -> Naturrecht vorbereitet. Er setzt sich für die Freiheit der Meere und für -> subjektive Rechte ein.

Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K., Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979

vectigal (lat. [M.] ) Steuer, Abgabe

Lit.: Kaser § 30 I

Vélez Sársfield, Dalmacio (1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos Aires, Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er am argentinischen Código de Commercio maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild Teixeira de Freitas’.

Lit.: Chaneton, A., Historia de Vélez Sársfield, 1937; Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20

Veme -> Feme

Lit.: Köbler, DRG 11, 117

Venedig entsteht innerhalb vorgelagerter Lagunen am Nordende der Adria wohl auf Grund schon römischer Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568). Für den byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.) Magister (M.) militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751 verselbständigt sich V. trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten Dogen (lat. [M.] dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein besonderer (lat.) usus (M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen 1130 und 1148 erscheint neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium (Rat der Weisen), über welches der Doge bald von der tatsächlichen Entscheidungsgewalt ausgeschlossen wird. Im 13. Jh. wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf Lebenszeit den Dogen und den die über die Signoria die wirkliche Herrschaft ausübenden Kleinen Rat. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs etwa 110000. Im Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem Festland (sog. terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die Entdeckung Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seeweges nach Indien verringern die Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den politischen Zustand Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V. Protektorat -> Österreichs, an welches es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866 gelangt. Danach fällt es an -> Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Battistella, A., La Republica di Venezia, 1921; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982; Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D., Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Rösch, G., Venedig, 1998; Venedig und die Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch, G., Venedig, 2000; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002

Venetien ist das an der oberen Adria gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jh. sind die Veneter mit den Römern verbunden. Im 14./15. Jh. gelangt V. an Venedig, 1815 mit der Lombardei zum österreichischen Königreich Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an -> Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214

Venezia -> Venedig

venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters auf Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. restitutio in integrum)

venire contra factum proprium (nemini licet [lat.]. Keinem ist erlaubt,) sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten (zu) begeben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 216, Nr. 6 (Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten 1,7,25, pr., Azo, um 1150 - um 1230, Brocardica sive generalia juris 10, 28)

Verarbeitung ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot). Im klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter, eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichspflicht wird in der Neuzeit aufgenommen.

Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behrends, O., Die Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der Verarbeitung, 1996

Veräußerung ist die Weggabe eines Gegenstandes an einen anderen, bei der meist eine -> Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B. Tausch). Zu beachten sind Veräußerungsverbote.

Lit.: Kaser §§  5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1; Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu Veräußerungsgeschäften,  FS 500 Jahre Solothurn, 1981

Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter

Verbalkontrakt (M.) -> Verbalvertrag

Verbalvertrag ist im römischen Recht der an die Verwendung bestimmter Wörter gebundene -> Vertrag  (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage, Dienstversprechen).

Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45

Verband ist eine Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als V. angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus loseren Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei allmählich die -> juristische Person. Der V. muss aber nicht juristische Person sein (z. B.  Gewerkschaft).

Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987

Verbannung ist die im älteren römischen und mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser Gemeinschaft beanspruchten Gebiet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995

Verbindung ist die schon im altrömischen Recht mögliche Vereinigung mehrerer Sachen zu einer Einheit (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau), bei welcher Eigentum erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen (z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Die V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen.

Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25

Verbot ist die Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B. im -> Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den frühneuzeitlichen -> Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V.  kann mit -> Strafe oder anderen Folgen bedroht werden.

Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein einer Tat. Der V. wird im deutschen Strafrecht im 20. Jh. entwickelt. Der unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die Strafmilderung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264

verbrauchbar (aufbrauchbar)

Lit.: Köbler, DRG 39

Verbraucher oder Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt. Der V. wird im 20. Jh. als schutzbedürftige Vielzahl von Rechtsunterworfenen entdeckt und z. B. in Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz (1971), das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz (1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz (Deutschland 1991) geschützt.

Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001

Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines Gutes gelegte Steuer (z. B. Tabak). Allgemeine wichtige V. im 20. Jh. ist die Umsatzsteuer.

Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

Verbrechen ist die rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren Strafe (z. B. Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V. sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V. gegen die Menschlichkeit usw. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der Straftaten im Zuge des 18. Jh.s hat praktisch-systematische Gründe.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeitsverbrechen, 8. A. 1925, Neudruck 1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Wächtershauser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Maier-Weigt, B., Der materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl, A., NS-Verbrechen vor Gericht, 1982; Just-Dallmann, B./Just, H., Die Gehilfen, 1988; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112 (1995), 1; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997; Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800),  hg. v. Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003; Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003

Verbrechenskonkurrenz -> Konkurrenz

Verbrennen ist eine durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988

verbum (N.) regis (lat.) Wort des Königs, Huld, Schutz

Verdachtsstrafe ist eine bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme aus dem italienischen Recht sichtbar. Sie wird als eine Art außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die Aufklärung bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V. (lat. -> in dubio pro reo).

Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965; Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193

Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890 - 27. 4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in Wien. Er setzt sich dabei für eine universale Sicht des Rechts ein. Deshalb anerkennt er in seinem „Völkerrecht“ (1937) auch die von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätze als Quelle des Völkerrechts (Universelles Völkerrecht 1976).

Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H., Alfred Verdroß, 1991

Verdun an der Maas wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines Bischofs. 879 kommt es zum östlichen Teil des fränkischen Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird, 1552/1648 aber an Frankreich fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P., Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995

Verein ist eine Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck. Im Privatrecht ist der V. eine auf eine gewisse Dauer berechnete Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, die im Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine gibt es bereits im altrömischen Recht (lat. collegium [N.], sodalitas [F.], sodalicium [N.], corpus [N.]), ohne dass sich die Juristen damit näher befassen. Eine allgemeine Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage älterer unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher  Vereinigungen (z. B. Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem 18. Jh. Innerhalb der Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische Person von der nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht unterworfenen Personenvereinigung zu unterscheiden. Das Recht des rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des Systems der Normativbestimmungen ausführlich im -> Allgemeinen Teil des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) geordnet.

Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der Vereinskonzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im Kaiserreich, 1973; Schraysler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Foerster, C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der „Polizeiverein“, 1983; Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann, O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988; Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003

vereinigter Landtag ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht preußischen Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847 erstmals und am 2. 4. 1848 letztmals zusammengetretene Landtag.

Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte Landtag, Diss. phil. Bonn 1961

Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen Kontinents nach dem die Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci [1451-1512] als Amerika in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im Breisgau 1507) ist der im 18. Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und Spaniens) erwachsende Staat auf dem nordamerikanischen Halbkontinent. In seinem Teilstaat Virginia entsteht am 12. 6. 1776 mit der Virginia Bill of Rights (Menschenrechtserklärung) die erste formelle Verfassung. Im 19. Jh. setzt sich das englische Rechtssystem durch. Im Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen Staaten die Abspaltung der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen Staaten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische Recht alle Rechte in vielfacher Weise.

Lit.: Seagle, W., Weltgeschichte des Rechts, 3. A. 1967; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A. 1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992; Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J., Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Die amerikanischen Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; , Sautter, U., Lexikon der amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V., Einführung in die amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere Rechtsgeschichte in den Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Blumenwitz, D., Einführung in das angloamerikanische Recht, 6. A. 1998; Oxford Guide to United States Supreme Court Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon, J./Horton, L., Von Benin nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der Sklaverei zur Freiheit, 1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in den USA, in: Beiträge zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter, U., Die Vereinigten Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas, Bd. 1ff. 2000ff.; Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20. Jahrhundert, 2000; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der USA, 5. A. 2003; Schmidt, G., Geschichte der USA, 2003

Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt sich im 19. Jh. als Grundrecht.

Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965; Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, in: Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1995

Vereinte Nationen (United Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zum Zweck der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch Kollektivmaßnahmen. Sie entstehen als Nachfolger des Völkerbundes 1945. Grundlage ist die Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind Vollversammlung, Sicherheitsrat und Generalsekretär.

Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen, hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen, 2000

Verfahren ist eine Art oder Weise der Bewältigung einer Aufgabe oder eines Vorhabens, insbesondere eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungsverfahren) oder eines Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit (Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Verallgemeinerung einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius [N.], forum [N.]) gebracht werden kann. Neben den -> Zivilprozess tritt bald der besondere -> Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren (-> legisactio) wird das -> Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch das Kognitionsverfahren (-> cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der -> Volksversammlung statt, im Frühmittelalter vor (lat.-afrk. [M.]) thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. Im 19. Jh. wird das V. liberalisiert und modernisiert und die -> Gerichtsverfassung vereinheitlicht. Es entstehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V. anderer Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt.

Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981

Verfahrensverweigerung  ist die Verweigerung der Durchführung eines -> Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. Im Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem -> Königsbann. Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesversammlung (Bundestag) angerufen werden.

Lit.: Köbler, DRG 92, 200

Verfallspfand ist das im altrömischen Recht verbreitete, später zurückgedrängte, bei Pfandreife und Unterbleiben der Schuldtilgung in das Eigentum des Pfandgläubigers übergehende -> Pfand. Da es dem Pfandgläubiger oft weit mehr als die Schuldtilgung einbringt, ist es in entwickelteren Rechtsordnungen selten.

Lit.: Kaser § 31 II 2

Verfangenschaft  ist die Beschlaglegung eines Gegenstandes zugunsten eines Rechtssubjekts. Im süddeutschen hochmittelalterlichen Ehegüterrecht tritt in der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der Liegenschaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich sind aber rechtsgeschäftliche Teilung oder -> Einkindschaft. Seit dem 15. Jh. verliert die V. ihre Bedeutung.

Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des fränkischen Verfangenschaftsrechts, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht, 1968, 188

Verfassung ist (materiell) der Zustand und (formell) den diese in seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat jede Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Philosophie unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen Monarchie, Aristokratie, Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495 oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555, Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679 Habeas-Corpus-Akte). 1776 wird mit der -> Virginia Bill of Rights in Amerika die erste formelle V. (-> Verfassungsurkunde) geschaffen. Dem folgen (-> Toskana Entwurf 1782, 1787 erweitert auf 145 Artikel) -> Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7. 1807), -> Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12. 1796), die Cispadanische Republik 27. 3. 1797), die Cisalpinische Republik (30. 6. 1797), die Ligurische Republik (2. 12. 1797), die Batavische Republik (17. 3. 1798), die Römische Republik (20. 3. 1798), die Helvetische Republik (12. 4. 1798), die -> Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca (4. 2. 1799), die Parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die Italienische Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), Holland (7. 8. 1806) (, Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809, Sizilien 18. 6. 1812, Norwegen 17. 5. 1814, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Belgien 7. 2. 1831, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw. 26. 7. 1854, Liechtenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6. 1869, Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien 16. 4. 1879) sowie im Gebiet des früheren Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) Frankfurt (10. 10. 1806),Westphalen 15. 11. 1807, Bayern (1. 5. 1808), Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)-> Nassau (3. bzw. 2. 9. 1814), -> Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816), -> Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816), Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3. 1818), -> Bayern (26. 5. 1818), -> Baden (22. 8. 1818), -> Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17. 12. 1820) sowie später Österreich (1848) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe des Volkes an der Macht in einem zur Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die Sicherung von Grundrechten des einzelnen gegen den Staat. Die von der Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/9) tritt nicht in Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871, ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949). Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird dabei die V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788, Sieyès 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit unterschiedlichem Erfolg gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen) auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte Sammung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831; Köbler, DRG 6, 14, 18, 32, 55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222, 227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des österreichischen Kaisertums, 1809; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation, Bd. 1 1918; Verfassungsregister, hg. v. Menzel, E./Groh, F./Hecker,H., 1954ff.; Pfeffer, W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E., Der Verfassungsbegriff, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, in: Ständische Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung, 1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff, 1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse, 1988; Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; 1789 et l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u. a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 3. A. 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der EG-Mitgliedsstaaten, hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der Verfassung, in: Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse der Verfassung der Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. Bayerischen Verfassungsgerichtshof, 1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Verfassungen in Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v. Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v. Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt, C., Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, 2000; Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirch, M. u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung der Verfassungslehre in der Weimarer Republik, 2002; Lechler, F., Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität, 2002; Die Verfassungen der Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1 Europa, hg. v. Dippel, H., 2002ff.

Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner Grundgesetz vom 23. 5. 1949. Seine Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung der wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar, wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit der Vergesellschaftung von Boden und Produktionsmitteln festgelegt wird. An der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung für den demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk ausgeht, durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist die am 7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich konservative, aber weder Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zulassende Verfassung. Sie wird durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. vom 9. 4. 1968 will die inzwischen erreichten sozialen Errungenschaften absichern und gibt in der Neufassung vom 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989

Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zum Schutz eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen (1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal erfolgreich) und Baden.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000

verfassungsgebende Nationalversammlung ist diejenige Abgeordnetenversammlung, welche zur Verabschiedung einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt 1848, Weimar 1919).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610, Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von Amerika 1803) seit dem 19. Jh. (1818, 1834) die die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit der -> Verfassung überprüfende, in einzelnen Staaten aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich 1920, Deutsches Reich [-> Staatsgerichtshof] 1921, Bundesrepublik Deutschland 1951, Italien 1956, Frankreich 1958, Spanien 1980).

Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N.F. 16 (1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, in: Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungsgerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997; Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki, B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern und in Berlin, 2002

Verfassungsgerichtshof ist ein (oberes) Verfassungsgericht (z. B. Österreich 1920).

Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher

Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der -> Verfassung betreffende Teil der Rechtsgeschichte. Grundlegend für Deutschland ist die V. von Georg -> Waitz.

Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff. 1844ff., Neudruck 1953ff.; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di Costanzo, G. u. a., 1998; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 8. A. 2001; Caenegem, R. van, An Historical Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C., Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 4. A. 2001; Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 3. A. 2002; Zuleeg, M., Ansätze zu einer Verfassungsgeschichte der Europäischen Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 1999; Brandt, H., Der lange Weg in die demokratische Moderne, 1998; Oestreich, G., Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2000; Willoweit, D. u. a., Europäische Verfassungsgeschichte, 2002 (Texte)

Verfassungskonflikt ist der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z. B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen 1862-6).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung, Hist. Jb. 100 (1980), 257

Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die -> Verfassung betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966; Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A. 1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996

Verfassungsurkunde ist die eine -> Verfassung schriftlich verkörpernde Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach wissenschaftlicher Konvention) seit 1776 (-> Virginia Bill of Rights).

Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen Verfassungen, Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in der Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen Verfassungsurkunde, 1918

Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates im Gegensatz zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand.

Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126

Verfestung ist seit dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam, welche der -> Acht ähnelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995

Verfügung ist im Privatrecht ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar geändert, aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B. Übereignung). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der -> Verpflichtung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. Im 19. Jh. wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die für den Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. Im öffentlichen Recht ist V. ein -> Verwaltungsakt.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2; Köbler, DRG 123; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64

Verfügungsgeschäft ist das eine -> Verfügung anstrebende bzw. bewirkende -> Rechtsgeschäft.

Vergabung ist das Übertragen eines Gegenstandes an eine andere Person. -> Schenkung

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Vergehen ist eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird das V. nach französischem Vorbild zu Beginn des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813).

Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hanamann, Über die Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, Über die Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915

Vergeltung ist ein -> Strafzweck.

Vergewaltigung  ist die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem dritten (-> Notzucht). Am Ende des 20. Jh.s (1997) wird auch die V. in der-> Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird 1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001

Vergleich (lat. [F.] transactio) ist ein gegenseitiger Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen Recht ein -> Erlass, wird aber von -> Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der V. ist auch im deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das justinianische Recht aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung, 2. A. 1971; Ebel, F., Berichtigung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der Vergleich, 1988

Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines Straftatverdächtigen. Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997

Verhältnismäßigkeit ist ein Grundsatz des Verwaltungsrechtes, dass die Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur diejenige wählen darf, welche den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Der Grundsatz der V. ist an sich naheliegend, wird aber erst im 20. Jh. artikuliert.

Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994

Verhältniswahlrecht ist eine Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien im Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B. Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen im ganzen Reich ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zum Mehrheitswahlrecht. Es kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den politischen Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser.

Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, in: Smend, R., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60

Verhandlung ist die Erörterung eines Gegenstandes durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht unterbreiten.

Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971

Verhör ist die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen andern Menschen zur Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch einen Ermittler.

Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003

Verjährung ist der durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als (lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die -> Verschweigung. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. V. gibt es auch für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.

Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20. Jh.; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602

Verkauf -> Kauf

Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand. Das V. erscheint im Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jh., auf dem Land seit dem 14. Jh. In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet.

Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verkehr ist ausgehend vom Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist im Römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit dem 19. Jh. verdichtet sich der V. immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem Schienenverkehr, dem Straßenverkehr und dem Luftverkehr zu. Für sie werden jeweils besondere Verkehrsregeln entwickelt.

Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A., Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000

Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Verklarung ist im Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über den Hergang eines Unfalles beim zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits römischrechtlichen Ansätzen im Spätmittelalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der allgemeinen Verschweigung ist ungewiß.

Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913

Verknechtung ist der Verlust der Freiheit durch Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener Voraussetzungen.

Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, ZRG RA 75 (1958), 116

Verkündung ist die Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der V. Zur Sicherung der V. werden bereits im römischen Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt. In Ermangelung der Schriftform erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit dem Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jh. wird die Veröffentlichung in Schriftform zur Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes.

Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur Aufzeichnung, in: Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D., Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Verlag ist der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der Tonkunst und Literatur. Der V. erscheint seit dem Spätmittelalter (Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem das Textilgewerbe und das Metallgewerbe und räumlich neben der Stadt auch das Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur (deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184; Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Scherner, K., Handwerker und Verleger, in: Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck, 1988; Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und Großbetrieb, 1994

Verlagsrecht ist objektiv die Gesamtheit der den -> Verlag betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem Verleger vom Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Ausgangspunkt nimmt das V. auf dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den als Folge des Buchdrucks am Ende des Mittelalters zunächst in Italien aufkommenden Druckerprivilegien gegen Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich die Lehre vom -> geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. Im preußischen -> Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz.

Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloft, H., Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991

Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches -> Grundbuch.

Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1

Verletzung -> Körperverletzung

Verleumdung ist die wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet ist, denselben verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Die V. wird am Beginn des 19. Jh.s aus der allgemeineren Beleidigung zu einem besonderen Straftatbestand verselbständigt. Zwischen V. und übler Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuches mit Hilfe des Merkmals „wider besseres Wissen“.

Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967

Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen Sache zu einer Liegenschaft

Verlöbnis ist der Vertrag, durch den sich zwei Menschen verschiedenen Geschlechts gegenseitig versprechen, die Ehe miteinander einzugehen sowie das durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht als ein zunächst zwischen Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. [F.] sponsio -> [N.Pl.] sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform gelöst wird und seine Klagbarkeit verliert. Im spätantiken römischen Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöbnisgabe (lat. arrha [F.] sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten Regeln Anwendung. Hier entsteht seit dem 11. Jh. die Unterscheidung zwischen den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de praesenti (Eheschließung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des Eheversprechens wird im 19. Jh. wieder beseitigt. 1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. Im 20. Jh. verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik Deutschland 1996).

Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Kristein, R., Die Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der Verlobungskuß, 1979

Vermächtnis ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.] -> legatum bzw. -> fideicommissum). Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V. aufgenommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist es Damnationslegat und begründet deshalb nur einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben.

Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111; Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Vermählung -> Eheschließung

vermehrter Sachsenspiegel -> Meißener Rechtsbuch

Vermittlungsausschuss ist ein der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienender Ausschuss. Nach amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag und Bundesrat.

Vermögen ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände von wirtschaftlichem Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt das jeweilige Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf vollstreckt. Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann mit Vermögensteuer besteuert werden.

Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002

Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen oder teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, ereits den Römern bekannte und durch Gesetz vom 15. Juli 1992 in Deutschland eingeführte, aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03. 2002 wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe.

Lit.: Schnieders, R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002

Vermutung ist ein Satz, nach welchem von dem Vorliegen eines bestimmten Umstandes auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll. Die V. ist (als [lat.] praesumptio [F.]) bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem später aufgenommen.

Lit.: Köbler, DRG 29

Vernunft ist die Fähigkeit, nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird die V. für das hierauf gegründete Vernunftrecht.

Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970

Vernunftrecht ist das allein durch die -> Vernunft gerechtfertigte und begründete Recht. Es ist die im 17. und 18. Jh. vorherrschende Art des Naturrechts. Das V. nimmt seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern (Francisco de -> Vitoria 1483/93-1546, Fernando -> Vazquez 1512-1569), welche zwecks Gewinnung einer verlässlichen Lösung für die am Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo -> Grotius 1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich aus dem naturgegebenen Streben (lat. [M.] appetitus) des einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf Gott bezogene Naturrecht verweltlicht und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht. Dem folgt neben David -> Mevius etwa -> Pufendorf (1672), der in geometrischer Art für das private Recht ein Gesamtsystem von einleuchtenden Vernunftsätzen bilden will. Christian -> Wolff (1679-1754) will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch-synthetische Deduktion mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen vernunftrechtlichen Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles kommen. Allerdings werden dabei nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des geltenden Rechts als Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende Ableitung meist logisch nicht einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig später widerlegt Immanuel -> Kant (1724-1804) die Vorstellung eines überpositiven Rechtes ohne geschichtliche Grundlage ganz. Dennoch erfahren preußisches -> Allgemeines Landrecht (1794), -> Code civil (1804) und österreichisches -> Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1811/2) eine bedeutsame naturrechtlich-systematische Prägung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145, 159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3; Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996

Verona an der Etsch wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische (lat [F.]) colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs, später Sitz Theoderichs des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs Alboin. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten aufzeichnet. Über Mailand (1387), Venedig (1405) und -> Österreich (1797) gelangt es 1866 zu -> Italien.

Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976; Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995

Verordnung ist eine behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von Personen für eine unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem Auftreten von Herrschaft, also etwa bereits im römischen Altertum oder im Frühmittelalter (z. B. -> Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber erst seit der frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber. -> Notverordnung

Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J., Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001

verpachten -> Pacht

verpfänden (als Pfand geben)

Verpflichtung (Schuld, Verbindlichkeit)

Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine -> Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im Gegensatz zu dem diese Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung), das -> Verfügungsgeschäft ist.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II, 62 III 2; Köbler, DRG 46

Verrat ist die unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines Geheimnisses. Bereits bei den Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung durch Aufhängen. Im übrigen werden die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat, Landesverrat) im einzelnen unterschiedlich verfolgt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937

Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Mensch, welchem von einer anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder weniger abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsführer hat für vermutetes Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen einzustehen.

Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, Entwicklung der Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior, 2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000

Versailles ist ein südwestlich von Paris gelegener, 1037 erstmals bezeugter und 1561 mit Marktrecht begabter Ort, an dem Ludwig XIV. im 17. Jh. ein Schloß errichten lässt, das dem König von Frankreich als Residenz dient. Am 18. 1. 1871 wird in V. der König von Preußen zum Kaiser von Deutschland ausgerufen. Am 28. 6. 1919 wird in V. der in 15 Teile mit 440 Artikeln gegliederte, von vielen als Diktat betrachtete Friedensvertrag der alliierten Siegermächte des Ersten Weltkrieges mit dem Deutschen Reich unterzeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Berber, F., Das Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles, 1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001

Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich im 19. Jh. zu einem Grundrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei betreibbare Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt. In der Gegenwart wird bei Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen Prozesses auf der Grundlage des Vortrages des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, bei Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen.

Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H., Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa, M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T., Versäumnisurteile in Europa, 1996

Verschollenheit ist das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist und an dessen Fortleben nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die V. wird bereits im römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe, Kriegsverschollenheit [lat. ius postliminii]). Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der -> Todeserklärung eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart im besonderen Verschollenheitsgesetz (15. 1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener vereinbart.

Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237, 266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951; Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199

Verschulden ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits im römischen Recht ein bedeutsames Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. [F.] culpa, [M.] dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von einer -> Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann, dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbstverständlich mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus entgegenkommende Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/8, Hasse 1815, Ihering 1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus -> Gefährdungshaftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen usw.) geschaffen. In der Folge wird im Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht objektiv bestimmt.

Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 128, 209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1

Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähnliche Verbindung durch Heirat (ein Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt)

Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193

Verschweigung ist die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechts, die seit dem Mittelalter meist nach -> Jahr und Tag zum Verlust des Rechts führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von der -> Verjährung und der -> Ersitzung verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln 1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971

Verschwender (lat. [M.] prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben tätigt. Der V. erhält schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden Pfleger (lat. [M.] curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Der V. kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich häufig erfolgt. Seit 1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der -> Entmündigung die -> Betreuung.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996

Versenken im Moor ist eine Art der Tötung, welche nach Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. -> Moorleiche

Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Versicherung ist die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten, insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf eine Schadensausgleichsleistung durch regelmäßige Vorleistungen. Die V. entsteht vielleicht bereits im Frühmittelalter, spätestens im Hochmittelalter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten, Lösegeldzahlung, Schiffsverlust [Italien 14. Jh.]). Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit dem 17. Jh. wird die -> Lebensversicherung möglich. Neben die genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt zwecks allgemeiner Wohlfahrt die Zwangsversicherung (Preußen 1718 Brandversicherung) ein. 1908 wird im Deutschen Reich ein Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden Versicherungen geschaffen, über welche der Staat die Aufsicht führt (Preußen 1781). Neben der Privatversicherung steht die 1881/4 aufgegriffene -> Sozialversicherung.

Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte, 1936; Raynes, H., A History of British Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Koch, P., Bilder zur Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Dreyer, T., Die Assecuranz- und Haverey-Ordnung, 1990; Hofmann, E., Privatversicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor dem Versicherungsvertragsgesetz, 1990; Ebel, W., Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg. v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrages im preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der Versicherungswissenschaft, 1998; Schewe, D., Geschichte der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001

versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache

Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II

Versionsklage (lat. actio [F.] de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das zu einer Bereicherung des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven Verwendete, welche Justinian (527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem Handeln Gewaltfreier erweitert. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die V. in den Bereicherungsansprüchen auf.

Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage, 1965

Versitzung ist der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim Rechtserwerb durch -> Ersitzung.

Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf sozialversicherungsrechtliche Versorgung außerhalb eines aktiven Dienstverhältnisses zwischen zwei Ehegatten im Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland 1976 eingeführt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169

Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des Staates. Sie ist im Rechtsstaat als -> Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig.

Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines Gegenstandes an den Meistbietenden. Die V. ist bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird in den mittelalterlichen Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in der -> Zwangsvollstreckung (-> Zwangsversteigerung).

Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970

Verstümmelung ist die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen Körpers durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand, Ausreißen der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als Strafe bereits im römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt sie im Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und schließlich beseitigt. Als -> Maßnahme der Sicherung und Besserung wird aber die Kastration im -> Dritten Reich wieder durchgeführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd.1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Versuch ist im Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zur Begehung einer Straftat durch Handlungen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar ansetzen, aber nicht zur Vollendung führen. Der V. ist so alt wie die Straftat. Er wird anfangs aber nur als verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z. B. Messerziehen). In der frühen Neuzeit wird er als solcher gesehen (Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) und einschließlich des -> Rücktritts als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973, 157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur. Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur, 1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995

Verteidiger ist der Beistand des Beschuldigten im Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt und gewinnt insbesondere als Folge des neuzeitlichen Inquisitionsverfahrens im Rechtsstaat des 19. Jh.s an Gewicht. -> Strafverteidiger

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264; Henschel, Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der Strafverteidiger, 1996

Vertrag ist das grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig entsprechende Willenserklärungen zustandekommende, zweiseitige -> Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den Anfängen des Rechts (Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Rechtswissenschaft unterscheidet mehrere verschiedene Arten (-> Realkontrakt, -> Verbalkontrakt, -> Litteralkontrakt, -> Konsensualkontrakt). In der hochmittelalterlichen Kirche entwickelt sich entgegen dem römischrechtlichen Ausgangspunkt (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch) die Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrages. Als allgemeine Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.) erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter Einzelheiten im wesentlichen aus dem römischen Recht übernommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im Allgemeinen Teil geregelt. Die Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im wesentlichen auch für den V. zwischen Völkerrechtssubjekten sowie für den öffentlichrechtlichen V. -> Gesellschaftsvertrag

Lit.: Kaser §§  5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67 (1950), 76; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v. Classen, P., 1966; Stoljar, A History of Contract, 1975; Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische Vertrag, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law of contract, ed. by Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen Vertragsschluss-Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist ein von der deutschen Rechtsprechung im späten 20. Jh. (um 1960) entwickelter Vertrag, der bestimmte schützenswerte Dritte in den Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrages einbezieht, um den unzureichenden Schutz des Deliktrechts auszugleichen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270

Vertrag zugunsten Dritter ist der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B. Lebensversicherung zugunsten der Hinterbliebenen). Er wird nach älteren vernunftrechtlichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ausgebildet. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp geregelt.

Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner 548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines Vertrages durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten.

Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968

Vertragsfreiheit (Privatautonomie) ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrages. Sie ist als Grundsatz am Beginn des Rechts vorauszusetzen, wird aber geschichtlich verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft usw.). In der Kirche wird schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Der Liberalismus des 19. Jh.s setzt sich erfolgreich für die V. ein. Der Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschaftspolitischen Überlegungen die V. verschiedentlich ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer, W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, 1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991

Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen -> Vertrag betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995

Vertragsstrafe (lat. [F.] poena) ist eine meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der -> Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nimmt sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen Ermäßigungsmöglichkeit auf.

Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Boye, F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du concept du clause pénale, in: Mélanges Fournier, 1929; Lang, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993

Vertragsverletzung -> Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung

Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss. jur. Hamburg 1967

Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. -> Treu und Glauben

Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003

Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort. Sie ist völkerrechtswidrig.

Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v. Borodziej, W. u. a., Bd. 1 2000; Vertriebene in Deutschland, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung 1938-1945. 2001.

vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar)

Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999

Vertretung -> Stellvertretung

Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald, F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur. Greifswald 1915; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v. Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T., Gesamtvertretung, 1992

Verwahrung (lat. [N.] depositum) ist ein entweder gegenseitiger oder unvollkommen zweiseitiger Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher -> Realvertrag bekannt. Auch im Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen.

Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verwaltung ist die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht. Sie nimmt mit der Ausdehnung des Römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu. Seit dem Übergang zum Prinzipat entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen gekennzeichnete Formen. Demgegenüber betrifft die V. bei den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchseß, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet (z. B. Maximilianische Verwaltungsreformen). Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer vom Polizeigedanken geprägten vielgliederigen Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten, welche mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsverwaltung) in die Freiheit des einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und eher -> Selbstverwaltung fördern, doch fordert die Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (-> Leistungsverwaltung z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht (-> Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V. und damit auch ihre Kosten wachsen unvermindert weiter.

Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232, 251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3. A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn vom Stein, 1971; Damkow­ski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Grundriß der deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, red. v. Dilcher, G., 1991; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz, hg. v. König, K. u.a a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung, 2000

Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid). Der urteilsähnliche V. entsteht mit der -> Verwaltung. Als allgemeine Erscheinung wird er nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto -> Mayer nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland 1976)

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259; Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/6; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, 1971; Hueber, A., Otto Mayer, 1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998; Engert, M., Die historische Ntwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002

Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet sich bereits sehr früh. Sie entfällt mit der Gleichstellung der Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s.

Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994

Verwaltungsgericht ist das verwaltungsrechtliche Streitigkeiten entscheidende Gericht. Das V. wird in der ersten Hälfte des 19. Jh.s zu einer politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche Überprüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungsinterne Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto -> Bähr 1864) oder die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte (Rudolf von -> Gneist 1857, 1872) setzt sich die zweite Ansicht durch. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863, Preußen 1872, Hessen 1874, Württemberg 1876, Bayern 1878, Sachsen 1900). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, welche an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952 geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968; Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht N.F. 33 (1943), 158; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C. Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991; Das Sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50 Jahre Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Sydow, G., Die Verwaltunsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000

Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von -> Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der -> Verwaltungsakt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesundheitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuerrecht, Sozialrecht usw.).

Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/3; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Bülck, Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS Hermann Krause, 1964, 29; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem Ancien Régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori, L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les origines médiévales du contentieux administratif, 2002

Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden -> Verwaltung, wie sie sich bereits im römischen Altertum und dann spätestens wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970

Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (in Kraft 1926) infolge internationalen Drucks zwecks Verwaltungsvereinfachung als Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungsordnung, Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher; Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags, 2000

Verwandter ist ein Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in einem Abstammungsverhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die Verwandtschaft ist vom Beginn des Rechts an von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das -> Erbrecht ist zunächst Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisverweigerungsrecht, Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch -> Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten zwischen -> Agnaten und -> Kognaten.

Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896; Murray, A., Germanic Kinship Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Peters, U., Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999

Verwendung ist eine bereits dem römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, welche einen Erstattungsanspruch begründen kann.

Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D., Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung auf Verwendungsersatz, 2000

Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Geltendmachung.

Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934

Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechts oder eines rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen Rechts bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte auf römische Einreden in hoch- und spätmittelalterlichen Urkunden. Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des Verzichts ist der Erbverzicht.

Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verzug (lat. [F.] mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der Leistung durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als Leistungsstörung bekannt. Seit dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen Einrichtungen verschmolzen. Folgen des Verzuges sind die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz des Verzugsschadens. Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht.

Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990

vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge

vestitura (lat./mlat. [F.]) Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195

Veto ist der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B. Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives V. des Reichsoberhauptes nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, suspensives V. des Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse).

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

vi (lat.) durch Gewalt

Lit.: Kaser § 21 I

via (lat. [F.]) Weg, Wegerecht (als Vorform der [lat. F.] servitus)

Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26

via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre

vicarius (lat. [M.]) ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese. Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende Aufgaben.

Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55, 84; Köbler, LAW

vicinus (lat. [M.]) Nachbar

vicus (lat. [M.]) Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung

Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, in: Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136

Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 erstellt er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch.

Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987, 350

videant consules ne quid detrimenti res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben, dass der Staat keinen Schaden nimmt.

Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109 (1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991, 218, Nr. 24 (Cicero 106-43 v. Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)

vidimus (lat.) wir haben gesehen  (Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter)

Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 14. A. 1994, 96

Vieh ist die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren Haustiere, welche in den älteren Zeiten der wichtigste Vermögensbestandteil sind. Dementsprechend besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem in Viehzucht. Im römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu den (lat.) -> res (F.Pl.) mancipi. Im mittelalterlich-neuzeitlichen Recht werden entgegen der deutschrechtlichen  Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“ bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch als Sachmangel anerkannt. Viehverstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit bei einem anderen.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel, J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Vierteilen ist eine durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile vollzogene -> Todesstrafe.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Vikar -> vicarius

villa (lat. [F.]) Hof, Dorf

Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, in: Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136: Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

villicus (lat. [M.]) Verwalter, Meier, Dorfvorsteher

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Villikation (F.) Fronhof mit abhängigen Höfen in der -> Grundherrschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener, W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989

vindex (lat. [M.] Gewaltsager) ist im altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten (v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen welche der Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

vindicatio (lat. [F.]) Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem, in servitutem, pignoris, rei servitutis, ususfructus)

Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29 I, 31 III; Söllner § 9

vindicta (lat. [F.]) Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe

Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler, DRG 29

Vindikation (lat. [F.] vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen. Zur Zeit der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart des Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch vorhandenen streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. [F.] vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die (lat.) -> legisactio (F.) sacramento durchgeführt. Nach Aufgabe der geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den nichtbesitzberechtigten Besitzer.

Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb mögliche -> Vindikation) des Vermächtnisnehmers gerichtete -> Vermächtnis im Gegensatz zum schuldrechtlich wirkenden -> Damnationslegat.

Lit.: Köbler, DRG 23

Vinding Kruse, Frederik (1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er wirkt maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung eines neuen Grundbuchsystems in Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum (Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.).

Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184

Vinnius, Arnold (Monster 1588 - Leiden 1657) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden 1633 außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden. Unter dem durch seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo -> Doneaus (Donellus) veröffentlicht er 1642 einen Kommentar zu den Institutionen. Darin bietet er mit großem Erfolg eine philologisch-historische Erklärung des Textes mit vielen Angaben zum einheimischen geltenden Recht, so dass er als erster eleganter Jurist angesehen wird.

Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann, M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden 1990, 18

Virginia Bill of Rights ist eine von G. Mason entworfene und am 12. 6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonien Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung, welche als älteste formelle -> Verfassung angesehen wird.

Lit.: Köbler, DRG 191

Virilstimme ist die Einzelstimme eines Mitgliedes im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der mehrere Mitglieder vereinenden -> Kuriatstimme.

Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 24 II 2

vir (M.) inluster (lat.) ist ein spätantik-frühmittelalterlicher hervorhebender Titel.

Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967

vis (lat. [F.]) Gewalt -> vi

Lit.: Köbler, DRG 42, 43

Visby auf Gotland ist eine Hansestadt (1280), die sich im Hochmittelalter zum Mittelpunkt des Handels in der Ostsee entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher Sprache ein in den Jahren 1341-4 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert sich in vier Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln (Verfassung-Verfahren-Strafe, Verfahren, Grundstücke-Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck, Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V. an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine Verbindung von niederländischen und hansischen Rechtsgrundsätzen ohne Zusammenhang mit dem Stadtrecht.

Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853, 1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8), 487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1; Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976

Visitation ist die in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche Überprüfung der Pfarreien durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der Neuzeit finden zwischen 1507 und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch am -> Reichskammergericht statt.

Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984

vis (F.) maior (lat.) ist schon im römischen Recht die höhere Gewalt (z. B. Feuer, Überschwemmung, Erdbeben), welche den Schuldner von einer Haftung befreien kann.

Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989

Vita (lat. [F.]) Lebensbeschreibung

Lit.: Scripturus vitam, hg. v. Walz, D., 2001

Vitoria, Francisco de (Burgos ? 1483/93 - 12. 8. 1546) wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris (1512), Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.) Summa (F.) theologiae des -> Thomas von Aquin gründet er die Schule von -> Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt versteht er das Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Verletzung des Völkerrechts (z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von Christen) berechtigt nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als schutzbedürftige Minderjährige ein.

Lit.: Brown Scott, J., The Spanish Origin of International Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Molinero, R., La doctrina colonial de Francisco de Vitoria, 1993

Viztum, Vitztum (lat. [M.] vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines Herrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic (1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am Lyzeum in Jaroslawl und 1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige Quellensammlung zur russischen Rechtsgeschichte des 10. - 17. Jh.s (Chrestomatij po istorii russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriß (Obzor istorii russkago pravo).

Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F. Vladimirskago-Budanova, in: Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84

Voet, Johannes (Utrecht 1647 - Leiden 1713), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und Partikularrecht aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad Pandectas (Pandektenkommentar), der den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht er Grundrisse zu Pandekten bzw. Institutionen.

Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law Professors, 1974, 35, 69

vogelfrei (frei wie ein Vogel, preisgegeben)

Lit.: Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2 (1992), 189

Vogt (zu lat. [M.] advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit dem Frühmittelalter der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder einer Kirche, der vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/6 wird der V. für die Kirche vorgeschrieben. In der -> Immunität nimmt er die Aufgaben des Immunitätsberechtigten wahr. Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum Landesherrn (z. B. Tirol). Seit dem 13. Jh. ist V. auch ein Amtsträger weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), im Spätmittelalter auch der Vormund. In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei als bloßes Schutzrecht verstanden und die niedere Vogtei als Grundlage einer neben der Landesherrschaft stehenden beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer Reichsglieder. Mit dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) verschwindet 1806 auch der V.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte des Klosters St. Gallen, 1985

Vogtei ist die Stellung als -> Vogt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Waas, A., Vogtei und Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei, 1933; Endemann, T., Vogtei und Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995

Vokabular ist ein Wörterbuch, das es seit dem 12. Jh. auch für den Bereich des Rechts gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420, Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, um 1452). Bei alphabetischer Anlage kann es auch -> Abecedarium heißen. Zum -> Sachsenspiegel sind zwei nichtalphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305

volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht kein Unrecht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 5. A. 1991 (Ulpian, um 170 - um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)

Volk ist die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder politische Entwicklung verbundene umfassende Personenmehrheit. V. sind z. B. Griechen, Römer, Germanen, Franken usw. Im Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als -> Volksrecht auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das deutsche V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem absoluten Herrscher als eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von Untertanen gegenüber. Demgegenüber versteht die Aufklärung (-> Rousseau) das V. als den eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt im Laufe des 19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht. Gegenüber anderen  Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein Nationalstaat angestrebt. Im Nationalsozialismus ist der einzelne nichts, die völkische Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft des ausgehenden 20. Jh.s wird die Bedeutung des Volkes geringer.

Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223, 230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C., Staat, Bewegung, Volk, 1933; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979; Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer, H., Die Souveränität beruht im Volk, 1988; Volk und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002

Völkerbund ist der von 1920 bis 1946 bestehende Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung (Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem Völkerbundrat mit den Hauptweltmächten als ständigen und weiteren nichtständigen Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), Deutsches Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V. am 18. 4. 1946 auf.

Lit.: Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der Völkerbund, 1978; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Fellner, F., Vom Dreibund zum Völkerbund, 1994; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995

Völkermord (Genozid) ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der Zugehörigkeit zu diesem Volk.

Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998

Völkerrecht ist die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze. Das V. reicht in seinen einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahrtausende vor die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.) -> ius (N.) gentium (bei allen Völkern – für alle Rechtssubjekte - geltendes Recht) wegen dessen Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden. In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates im ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco de -> Vitoria 1483/93-1546, Fernando -> Vazquez 1512-69) aus einem als allgemein geltend behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ab. Hugo -> Grotius begründet 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines Recht für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog. französische Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische Zeitalter. Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes’ der Herrscher als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als Bezugspunkt ersetzt. 1758 wendet Emer de -> Vattel in einem bedeutsamen Werk das Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von -> Martens in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige Gliederung und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge vor. Bis zum 19. Jh. bezieht das V. nur die christlichen Staaten Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das Osmanische Reich (Türkei) aufgenommen wird. Seit dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der Vereinten Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen Zwischenstaatsrecht zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem Verantwortungsrecht für Täter (Nürnberger Militärtribunal 1945ff., internationale Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda, Entscheidung des britischen House of Lords im Fall Pinochet 1999). Quellen des Völkerrechts sind hauptsächlich Verträge und Völkergewohnheitsrecht.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; Wegner, A., Geschichte des Völkerrechts, 1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Reibstein, E., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Muldoon, J., Popes, Lawyers and Infidels, 1979; Verdross, A./Simma, B., Universelles Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C., Bd. 1ff. 1969ff.; Fontes historiae iuris gentium, hg. v. Grewe, W., Bd. 2ff. 1988; Nörr, D., Aspekte des römischen Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die Entstehung des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit, in: Die Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u. a., 2000; Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG KA 86(2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001; Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law 1870-1960, 2001

Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern, Teutonen, Helvetier) und besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (-> Türke) aus Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die Gebiete des weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen, Sueben, Alemannen, -> Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die V. endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. Im Ergebnis entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche Wanderungsbewegungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung.

Lit.: Köbler, DRG 67; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E., Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.; Wolfram, H., Die Goten, 1990; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993; Anderson, M., The Rise od Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2001; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002

Volksabstimmung ist die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über eine einzelne Sachfrage. In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen in der -> Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher Weise wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, Helvetische Republik 1798, Deutsches Reich 1919ff.).

Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927; Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995

Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten Zahl von Bürgern eines Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten (Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.)

Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D., Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik, 1989

Volksdemokratie ist im sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jh.s die der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegengesetzte Staatsform, in der die politische Macht in den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemokratien geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als erfolglos zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

volkseigen (dem Volk  [und damit keinem einzelnen] gehörig)

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung des Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund und Boden in der DDR, 1978

Volksgeist ist in Wiedergabe des französischen l’esprit de la nation die Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift in der deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück. -> Savigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der -> historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/9 davon aus, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet -> Puchta den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Überzeugung schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort.

Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J., Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1

Volksgerichtshof ist das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht des Dritten Reiches für Hochverrat und -> Landesverrat. Der V. sichert die nationalsozialistische Herrschaft. Unter seinem Präsidenten Roland Freisler werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten 5243 Todesurteile verhängt. Am 25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag alle Entscheidungen des Volksgerichtshofes als nichtig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974; Im Namen des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H., Der Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989, 17; Schlüter, H., Die Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die Angeklagten des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001; Eder, W., Das italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der deutsche Volksgerichtshof, 2002

Volksgesetzbuch ist das schon im 18. Jh. angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines -> Volkes verständlich zusammenfassende Gesetzbuch. Seit 1938 befasst sich die -> Akademie für deutsches Recht mit einem Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie, Erbe, Vertrag und Haftung, Eigentum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung) gegliederten Volksgesetzbuches. Dieses teils reaktionäre, teils fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) wird im August 1944 eingestellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, J., Das Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und Volksgesetzbuch, Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann, H./Siebert, W., Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch, FS R. Gmür 1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988

Volkshaus ist die Bezeichnung für das Parlament in der nicht verwirklichten deutschen Verfassung von 1849. Seine Abgeordneten sollen durch geheime, direkte, allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt werden.

Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997

Volksheer ist das vom gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen Völkern am Anfang stehen dürfte. Im fränkischen Reich tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/13) und setzt die der Volkssouveränität entsprechende allgemeine -> Wehrpflicht voraus. Im späten 20. Jh. dringt die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor.

Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche Militärgeschichte, 1966

Volkskammer ist das Parlament der -> Deutschen Demokratischen Republik.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982

Volkskunde ist die Lehre von den Wesenszügen eines -> Volkes. Die rechtliche V. bezieht sich dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jh. zurück. 1886/7 erscheint in Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B. Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B. Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der allgemeinen Ethnologie.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Kramer, K., Grundriß einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Volksrecht ist das Recht eines Volkes, insbesondere das Recht eines der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. [F.] lex, ahd. [F.] ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des Altertums ([lat.] Codex [M.] Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten, Burgunder, Franken (ab 507-11?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen, Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (-> Lex, Leges). Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen. Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechts­erfolgsausgleich durch -> Wergeld und Buße (-> Kompositionensystem) und das Verfahren. Die Aufzeichnung der durch -> Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im frühen 9. Jahrhundert (802), die Überlieferung im Hochmittelalter, in welchem das V. durch das -> Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-4) abgelöst wird. Das V. ist bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und Reichsrecht, 1891, Neudruck 1963; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960

Volksrichter ist der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung ausgewiesene, durch Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der -> Deutschen Demokratischen Republik.

Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichterausbildung in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995; Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J., Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen, Kollektive, 1999

Volksschädling ist nach einer besonderen nationalsozialistischen Verordnung des Dritten Reiches (1935), wer den Interessen des deutschen Volkes schadet.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jansen, S. Schädling, 1999

Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken (-> Cicero 106-43 v. Chr.) und mittelalterlichen (-> Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der Souveränitätsvorstellung der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel (1758) und Jean-Jacques -> Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das Volk. Dementsprechend erklärt die -> Virginia Bill of Rights 1776, dass alle Gewalt vom Volk ausgehe. Auch die Französische Revolution behauptet die Verankerung  jeglicher Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker seit etwa 1820, wenn sie die V. dem -> monarchischen Prinzip, dem Gottesgnadentum und der Fürstensouveränität gegenüberstellen. Die Weimarer Reichsverfassung (1919) und die späteren deutschen Verfassungen führen dann uneingeschränkt alle Staatsgewalt auf das Volk zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248; Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213 (1971), 91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M., La souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001

Volkssprache ist die Sprache eines Volkes im Gegensatz zur Sprache anderer Völker bzw. die Sprache des einfachen Volkes im Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder Gelehrten. Im fränkischen Frühmittelalter ist die V. im östlichen Reichsteil germanistisch (z. B. althochdeutsch, altniederfränkisch, altsächsisch), die Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das führt zu einem -> Übersetzungsproblem. Seit dem 13. Jh. dringt die Volkssprache in der Überlieferung vor, in der Aufklärung setzt sie sich gegenüber fremden Sprachen durch. Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz bestehen. Im 20. Jh. macht sich zunehmend angloamerikanischer Einfluss bemerkbar.

Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden, 1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991

Volkstribun (lat. tribunus [M.] plebis) ist im altrömischen Recht ein seit 494 v. Chr. anerkanntes Sonderorgan der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Er leitet die Versammlung der Plebejer und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen Handlungen eines Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse.

Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Volksverrat ist der Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch Aufhängen des Verräters verfolgt.

Lit.: Köbler, DRG 71

Volksversammlung ist die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes. Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des Volkes. Im altrömischen Recht finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata, comitia centuriata und Versammlung der (lat. [F.]) plebs. Die V. entscheidet in allen allgemein wichtigen Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie notwendigerweise zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer Kantone (in Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsversammlungen.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69, 70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848

Volksvertretung -> Parlament

Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.

Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes oder Staates (im Gegensatz zur Wirtschaft des einzelnen Betriebs, Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten Handelshochschule 1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens einzelnen Vorläufern des Altertums und des Mittelalters Merkantilismus, Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Historismus und Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen Neoklassik, Institutionenökonomik, Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie nebeneinander.

Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A. 1954; Kolb, G., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998

Vollbort (F.) Zustimmung

Vollenhoven, Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und Recht Verwaltungsbeamter im niederländischen Kolonialministerium und 1901 Professor für Staatsrecht und Verwaltungsrecht der Kolonien. Er vertritt die Ansicht, dass die europäischen Rechtsvorstellungen nicht den niederländisch-ostindischen Gebieten gemäß seien. Sein Hauptwerk untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch-Ostindiens.

Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A., Cornelius van Vollenhoven, 1992

Volljährigkeit ist dasjenige Lebensalter, mit welchem die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. verdrängt in der frühen Neuzeit die ältere -> Mündigkeit. Sie tritt nach römischem Recht meist mit 25 Jahren ein. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die V. weiter herab (Deutschland 18, Österreich 19).

Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266

Vollmacht ist die durch -> Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo -> Stellvertretung zulässig ist. 1866 weist Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag) und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend dem Abstraktionsprinzip nach.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238, 266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, B., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978

Vollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs oder einer Anordnung. Im altrömischen Recht geschieht die V. im Legisaktionenverfahren mit Hilfe der -> Legisaktion durch Handanlegen (lat. [F.] -> legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch Pfandergreifen (lat. -> legis actio [F.] per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die Magistrate und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht ersetzt die (lat.) -> actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen, wobei hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft). Im Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb. Möglich ist eine Gesamtvollstreckung (-> Konkurs). Bei den Germanen muss die Partei zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmittelalter wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Genehmigung des Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Im Hoch- und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche -> Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die im Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist -> Schuldhaft möglich. -> Arrest und -> Konkurs werden ausgebildet. Die peinliche -> Strafe wird vom Henker als berufsmäßigem Scharfrichter vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammergerichtlicher Urteile den Reichskreisen übertragen. Allmählich befasst sich die Wissenschaft mit ihr. Im 19. Jh. wird das Vollstreckungsverfahren (Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (-> Zivilprozessordnung, -> Strafprozessordnung). Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt.

Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86, 116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren, 1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Schönfeld, W., Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern 1968, 69; Sellert, W., Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D., Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, Diss. jur. Mainz 1997

Vollstreckungsklausel (lat. clausula [F.] executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der Schuldner das Urteil binnen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Vermerk des Urkundsbeamten auf der vollstreckbaren Ausfertigung eines Vollstreckungstitels, der die Vollstreckbarkeit bescheinigt.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878

volonté (F.) génerale (frz.) Allgemeinwille

Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11. 1694 – 30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in England (1726-1729), Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner vielen Schriften einer der wichtigsten Vertreter der -> Aufklärung.

Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J., Voltaire, JuS 1998, 491

Volumen (parvum) (lat. [N.] [kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des -> Codex Justinians, die glossierten Novellen und die Institutionen.

von Gottes Gnaden -> Dei gratia

Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980

Vonnisse von Damme sind eine flämische Fassung der -> Rôles d’Oléron.

Vorarlberg ist ein zwischen Bodensee und Arlberg gelegenes Gebiet, das seit dem Spätmittelalter stückweise an -> Habsburg gelangt und seit 1918 selbständiges Bundesland -> Österreichs ist.

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff.; Witzig, D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998

Voraus ist der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke. Der V. ist dem römischen Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im Spätmittelalter neben -> Heergewäte und -> Gerade. Der eheliche V. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs aufgenommen.

Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten, FamRZ 6 (1959), 84

Vorausvermächtnis (lat. [N.] praelegatum) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben.

Lit.: Kaser § 76 II 3b

Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut eines einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein -> Gesetz abhängig ist.

Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997

Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen Gütergemeinschaft ein besonderes, aus dem Gesamtgut ausgeschlossenes, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltenes Gut. Es findet sich bereits im Mittelalter (z. B. bei -> Morgengabe). Von den vernunftrechtlichen Gesetzbüchern wird es anerkannt.

Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1900, Neudruck 1967

Vorderösterreich ist die Gesamtheit der im deutschen Südwesten gelegenen Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter. Ein Teil hiervon bildet später -> Vorarlberg, ein anderer geht in Baden, Württemberg und Frankreich auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisation Vorderösterreichs, 1977; Vorderösterreich, hg. v. Metz, F., 3. A. 1978; Seidel, K., Der Oberelsaß, 1980; Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989

Voreid ist der vor Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er erscheint bereits im Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Kalumnieneid ist ungeklärt.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Vorerbe ist der Erbe, der in der Weise zunächst zur Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe) wird. Eine Nacherbschaft ist im römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird aber auf dem Weg über ein -> Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der Aufnahme des Testaments im Heiligen Römischen Reich (13. Jh.) wird auch die Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jh.s). Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schränkt aus liberalen Überlegungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren ein.

Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992

Vorkaufsrecht ist das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von dem Verpflichteten zu erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an einen Käufer verkauft. Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst unbekannt, erscheint in unterschiedlichen Einzelfällen aber dann doch. Ihm steht in Deutschland das -> Näherrecht gegenüber. In der frühen Neuzeit wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen Gesetzbücher nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche, teils auch sachenrechtliche Wirkung zu.

Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383

Vorlesung (lat. [F.] praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines Textes (z. B. Digesten) bestehende älteste Lehrveranstaltung der Universität.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K., Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen Vorlesungsverzeicnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982; Blanke, H., Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11 (1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche Quelle, in: Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die Vorlesung, 1999

Vormärz ist die von fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848 im -> Deutschen Bund. Bereits im V. werden verschiedene Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten bedeutende allgemeine Veränderungen ein.

Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt, H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz, hg. v. Strauch, D., 1999

Vormerkung ist die vorläufige Grundbucheintragung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750 in Preußen sichtbar und übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) -> ius (N.) ad rem.

Lit.: Köbler, DRG 212; Günther, P., Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000

Vormund ist, wer durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zur Führung einer amtlich verordneten, verwaltenden Fürsorgetätigkeit für Minderjährige (bzw. Frauen und entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V. (lat. [M.] tutor) ist dem römischen wie germanischen Recht bekannt, doch erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der nächste männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder usw.) V. Er hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem Rechte. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er wegen der Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen Aufsicht (Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das Vormundschaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Seit 1. 1. 1992 gibt es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die -> Betreuung.

Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff.; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1ff. 1862ff.; Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den Kodifikationen, 1960; Tetzlaff, W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main 1965; Pelz, F., Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechtsreformationen, 1966; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119

Vormundschaft -> Vormund

Vorparlament ist eine Versammlung zur Vorbereitung eines Parlamentes (z. B. Frankfurt am Main 1848).

Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606

Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 199

Vorrecht (N.) Sonderrecht, Privileg

Vorsatz (lat. [M.] dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die -> Fahrlässigkeit gegenüber.

Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973

Vorsprecher -> Fürsprech, Fürsprecher

Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B. Inquisition im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen.

Lit.: Köbler, DRG 117, 263

Vorvertrag ist der auf Abschluss eines Vertrages gerichtete, vorbereitende -> Vertrag. Er ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig.

Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss. jur. Münster 1962

votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 346

Vsehrdy, Viktorin Cornelius von (um 1460-1520), Bürgerssohn, wird nach dem artistischen Studium in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs -> Böhmen. Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes Böhmen. Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals.

Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg. v. Jirecek, H., 1874

Vulgarrecht ist das spätantike weströmische Recht (3. - 5. Jh.). Es ist gekennzeichnet durch die durchaus nicht vom Volk, sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise propagandistisch bedingte, vulgare Haltung. Sie zeigt sich in einfachem, unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter rhetorisierter Moralität. Die klassische rechtswissenschaftliche Begrifflichkeit verfällt. Demgegenüber wird sie im Osten von -> Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche Quellen sind etwa die (lat.) -> sententiae (F.Pl.) Pauli, die -> regulae (F.Pl.) Ulpiani, die -> res (F.Pl.) cottidianae, der -> Gaius von Autun, die -> Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum, die -> Consultatio (F.) cuiusdam veteris iurisconsulti, die -> interpretationes (F.Pl.) oder die romanistischen -> Volksrechte der Westgoten, Burgunder und Ostgoten (str.).

Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F., Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss. Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G., Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Vulgarsubstitution ist im römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für den einfachen Fall, dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die regelmäßige V. steht in Gegensatz zur Pupillarsubstitution, bei der einem unmündigen (lat. [M.]) suus (pupillus) für den Fall, dass er als Unmündiger sterben sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird.

Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11

Vulgata -> Vulgathandschrift

Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines Textes (z. B. der -> Digesten)

Lit.: Söllner § 22

 

W

 

Waadt (Vaud, „Wald“) ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See, Alpen und Saarne, das über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen Reich gelangt. Nach 1218 gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen. 1536 fällt es an Bern. 1616 erhält die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798 wird die W. Kanton der Helvetischen Republik, 1803 der -> Schweiz. Die Verfassung der W. stammt von 1885.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Hubler, L., Histoire du Pays de Vaud, 1991

Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs

Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797 - Leipzig 15. 01. 1880), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut) Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher Professor (Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des Oberappellationsgerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor in Leipzig. Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein unvollendetes Handbuch des im Königreich -> Württemberg geltenden Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen Privatrecht.

Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1 1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der internationalprivatrechtlichen Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Zwischen Romanistik und Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000

wadiare (lat.-afrk.) wetten, versprechen

Lit.: Kroeschell, DRG 1

wadium (lat.-afrk. [N.]) Wette, Versprechen, Pfand

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Waffe ist jeder Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W. ist bedeutsam im Kampf. Sie erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffengebrauch bereits seit dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit bedarf er vielfach behördlicher Erlaubnis.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964

Wagatsuma, Sakae (1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927 ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen Haussystems nach dem Zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.

Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a., 1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki, 1993

Wahl ist die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich bereits im Altertum. In der Kirche werden Papst, Bischof, Abt und Pfarrer vielfach gewählt. Im Mittelalter werden König, Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem 12. Jh. ist eine Entwicklung zur Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die letztlich zur Anerkennung des Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. entsteht allmählich die geheime, gleiche, allgemeine und unmittelbare W., zu der auch die Frau zugelassen wird (Österreich 1918, Deutsches Reich 1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in besonderen Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unterschieden werden dabei hauptsächlich Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht.

Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler, WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die Ratswahlen, Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz, A., Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Castorph, B., Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’eglise, 1979; Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R., The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, 1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen, 1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W., Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland,1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001; Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002; Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003

Wähler -> Wahl

Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei (oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiß ist, welcher von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W. wird im Deutschen Reich am 28. 6. 1935 zugelassen.

Lit.: Köbler, DRG 236

Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen folgende Zusage eines Bewerbers an die Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352 [22. 9. 1695 verboten], Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation] 1519). Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten im Namen der Reichsstände die 1711 als ständige W. gefasste W.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E., Storia della promissione ducale, 1888; Iwand, Die Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick, E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers, Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89

Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für eine -> Wahl geltenden Rechtssätze und subjektiv das Recht zu wählen (aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). Im 19. Jh. gilt in Preußen z. B. (bis 1918) das -> Dreiklassenwahlrecht. Frauen erhalten das Wahlrecht in Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, im Deutschen Reich 1918, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946 und in der Schweiz 1971.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A. 1983; Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48 (1985), 719; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Wahlschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte Art der Schuld, bei welcher mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist.

Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wahnsinn ist eine Störung der Geistestätigkeit. -> Geisteskranker

Wahrheit ist ein mit Gründen einlösbarer und insofern haltbarer Geltungsausspruch über einen Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit (lat. in veritate libertas). In Untersuchungsverfahren ist die Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind zur W. verpflichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994

Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter eine landwirtschaftlich verbreitete Art des -> Grundbuches.

Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914

Wahrschaubrief ist ein seit dem 14. Jh. in Nordosteuropa erscheinendes, an Dritte gerichtetes, mit der Wegnahme von Schiff und Gut im Fall der Unterstützung eines Feindes drohendes Handelsverbot.

Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970

Währung ist das in der Gegenwart meist gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In der Zuständigkeit eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z. B. durch Aufwertung oder Abwertung [Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948]). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten durch Vertrag  (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986

Waise ist das teilweise oder gänzlich elternlose -> Kind. Es erhält einen -> Vormund. In der frühen Neuzeit werden besondere Häuser für Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000 Waisen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, Beiträge zur Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003

Waitz, Georg (Flensburg 9. 10. 1813 - Berlin 25. 5. 1886) wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel (1842), Göttingen (1849) und Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (1875-86). Seit 1844 veröffentlicht er eine achtbändige deutsche Verfassungsgeschichte.

Walachai ist das Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in welchem 1330 ein von Ungarn gelöstes Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den -> Osmanen (Türken) abhängig. 1862 geht sie in -> Rumänien auf.

Wald ist die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen. Der W. wird vom Menschen im Altertum nur am Mittelmeer intensiv genutzt und dabei an vielen Stellen beseitigt. Im Mittelalter wird er auch sonst durch Landesausbau bzw. Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich (-> Forst), teilweise grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich bzw. gemeinschaftlich. Im 19. Jh. wird er vielfach in Einzeleigentum aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch.

Lit.: Westermann, H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, Neudruck 1965; Wobst, A., Der Markwald, 1971; Wörlen, R., Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993; Küster, H., Geschichte des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt, A., Über allen Wipfeln, 2002

Wales ist die westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach dem Abzug der Römer im 5. Jh. britische -> Kelten zu halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter die Herrschaft Englands. 1277/1282/4 wird das Gebiet ganz in -> England eingegliedert. 1999 erhält es eine eigene Versammlung mit beschränkten eigenen Rechten (ohne eigenen finanziellen Spielraum).

Lit.: Sager, P., Wales, 1985

Wallis ist ein um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildeter zugewandter Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der -> Schweiz.

Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890; Grenat, P., Histoire moderne du Valais, 1904; Carlen, L., Beiträge zur Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Sulzer, M., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,465, 3,2,1886; Carlen, L., Kultur des Wallis 1500-1800, 1984; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T., Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland, 1987; Carlen, L., Das Wallis vor 150 Jahren, Bll. aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77

Wallonien (französischsprachiges Gebiet Belgiens)

Walser ist ein seit dem 13. Jh. aus dem -> Wallis ausgewanderter, im Süden, in Graubünden und in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem Recht angesiedelter, katholischer Alemanne.

Lit.: Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.; Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Zinsli, P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993

Walther (zu Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516 - Graz 5. 12. 1584), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna (Alciat) und Pavia 1514 Professor in Wien und 1547 Rat in Niederösterreich und 1556 Kanzler. In seinen der Anleitung herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten gibt er eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und ergänzendem römischem Recht.

Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Rintelen, M., Bernhard Walthers privatrechtliche Traktate, 1937; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369

Wandale -> Vandale

Wandlung ist die Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der kurulischen Ädile als Marktaufseher in Rom, welche beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer nach seiner Wahl entweder die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache (lat. -> actio [F.] redhibitoria) oder die Minderung (lat. -> actio [F.] quanti minoris) verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W. aus dem römischen Recht aufgenommen.

Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wappen ist seit dem 16. Jh. die Bezeichnung für die im 12. Jh. entstehenden, seit dem 13. Jh. individualisierten farbigen Erkennungszeichen der gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritter. -> Adler, Heraldik

Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch, neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik, 1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E., Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten Wappenbilder, 1992

Ware ist die bewegliche, vom Kaufmann veräußerte Sache. -> Kauf, -> Handelsrecht

Warenmarke ist eine -> Marke für eine -> Ware. Im 19. Jh. wird das Recht der W. gesetzlich geregelt (Deutsches Reich 1874 Markenschutzgesetz). Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994 ablösende Neugestaltung erfolgt zum 1. 1. 1995.

Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884; Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig, F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988

wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher

Lit.: Unruh, G. v., Wargus, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby, M., wargus, 1974; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472

Warnkönig, Leopold August (1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844 in Tübingen. 1835ff. legt er eine dreibändige Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, 1845 eine dreibändige französische Staats- und Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit das Gedankengut der historischen Rechtsschule nach Belgien.

Lit.: Wild, G., Leopold August Warnkönig, 1961

Warren, Earl (1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953 Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende, einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert er Freiheit und Gleichheit.

Lit.: Pollack, J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl Warren, 1982

Warschau an der mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339 Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von -> Polen. 1815 erhält es im mit Rußland in Personalunion vereinigten Königreich Polen (Kongreßpolen) eine Universität. 1943/4 wird W. weitgehend zerstört.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2 2107,2111, 3,3,3506,3508

Wartburgfest ist das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) am 18. 10. 1817 auf der Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und der Code Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische Verbindungen an den Universitäten.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg. v. Dedner, B., 1994

Wartrecht -> Erbenwartrecht, -> Näherrecht

Was dem einen recht ist, das ist dem anderen billig.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)

Wasser ist die für das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit. Schon früh werden große Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem Staat, kleine Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück einzelnen zugeordnet. Seit dem 19. Jh. wird das W. nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker rechtlich erfasst (Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (ALR, Landeswassergesetze, Wasserverbandverordnung vom 3. 9. 1937, Wasserhaushaltsgesetz 1960) und als schützenswertes Umweltgut angesehen. Im Mittelalter ist die Wasserprobe eine Form des Gottesurteils. -> Meer, -> Mühle, -> Stromregal

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig, A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte des deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das Wasserrecht der Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und Mitteleuropa, 1905; Köttgen, A., Grundprobleme des Wasserrechts, 1925; Breuer, R., Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss. jur. Bonn 1994; Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A. 1995; Olmer, B., Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im römischen Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001

Waterrecht ist eine Fortführung der flämischen -> Vonnisse von Damme.

Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

watschar (mhd.) freigewordener Gemeinschaftsanteil, Abgabe

Lit.: Hübner § 21

Weber, Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870 - Heidelberg 12. 3. 1954), geb. Schnitger, Arzttochter, wird nach der Heirat mit Max -> Weber und dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie die „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“. Ziel ist eine aufklärend-wertende Geschichtsbetrachtung.

Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert, M./Buchholz, S., Marianne Weber, in: Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung, hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides, 2003

Weber, Max (Erfurt 21. 4. 1864 - München 14. 7. 1920), Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen Professor in Berlin (1893), Freiburg im Breisgau (1894), Heidelberg (1897) sowie nach längerer Erkrankung Wien (1918) und München (1919). Im Mittelpunkt seiner überwiegend soziologischen Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von Religion, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er deutend die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den Entwicklungsvorgang der Industriegesellschaft versteht er als Entzauberung.

Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Hennis, W., Max Webers Fragestellungen, 1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950, 2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W., 2001

Wechsel ist eine besonders strengen gesetzlichen Formvorschriften unterliegende Urkunde, in der eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungsverpflichtungen  verbrieft sind. Der W. entsteht im 13. Jh. in Oberitalien zur Sicherung des Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jh.s kann er durch Vermerk auf der Rückseite (-> Indossament) leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung im Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1848) an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz). Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit zurück.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167; Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26 (1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechselordnung ..., 1848; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts, 1890; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Freundt, C., Das Wechselrecht der Postglossatoren, 1899ff.; Holden, J., The History of Negotiable Instruments, 1955; Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio und suftada, Diss. jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wesenberg, G./ Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della Cambiatura, 1994

Wechselrecht -> Wechsel

wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung, Gegenwert

Weg ist die zum regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte Erdoberfläche.

Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890

Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der vorausgesetzten Umstände eines Geschäftes. Der W. d. G. wird in Deutschland im 20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus sic stantibus zur Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270

Wegsperre (lat. via [F.] lacina) ist vor allem im Frühmittelalter ein bußpflichtiges Verhalten.

Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

wehading (ahd. [N.]) Zweikampf

Wehrdienst ist der seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jh.s (Preußen 1814) erscheinende Dienst als Soldat bei den Streitkräften.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999

Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jh. (1743, 1764, 1793, 1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der Verfügbarkeit.

Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3 1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, 1963

Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe am Staat seit dem späten 18. Jh. (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814).

Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel, 1954; Die Wehrpflicht, hg. v. Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, 2001

Weibel (M.) Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener

Weiberlehen ist das seit dem 12. Jh. nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als Abweichung vom Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich 1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär.

Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel 1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G. van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990

Weichbild (lat. forma [F.] vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen Siedlung in Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden später das Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor allem eine besondere Erbleihe angesprochen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell, K., Weichbild, 1960; Köbler, G., Civitas und vicus, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121

Weichbildglosse ist die im 14. Jh. vermutlich in Magdeburg verfasste mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr. decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt zurückführenden, stark römischrechtlich durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5 Handschriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen.

Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75

Weichbildrecht (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung) ist ein vielleicht zwischen 1257-61 (1241-69) in Magdeburg (oder Halle) unter freier Benutzung des -> Sachsenspiegels niedergeschriebenes Rechtsbuch, das später mehrfach ergänzt und im letzten Drittel zur Weichbildvulgata erweitert wird.

Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47

Weichbildvulgata ist ein im letzten Drittel des 13. Jh.s aus -> Weichbildrecht, einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem -> Sachsenspiegel und anderen Quellen entstandenes Rechtsbuch in 136 Artikeln.

Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853; Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47

Weiderecht (Hutrecht) ist das in Mittelalter und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine Weide zu treiben. Es ist vielfach in Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh. werden viele Weiderechte aufgehoben.

Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995

Weidlich, Christoph (Schafstädt bei Magdeburg 1713 – Halle 1781) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen von Juristen seiner Zeit.

Weigel, Erhard (Weiden 16. 12. 1625 - Jena 21. 4. 1699) befasst sich als Professor der Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos [M.] geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei nicht hinausgelangt, beeinflusst er -> Pufendorf und -> Leibniz. Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechtswissenschaft.

Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und Naturrecht, 1972

Weimar an der Ilm ist eine 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des Hauses -> Wettin wird. Berühmt wird W. durch die dortige Tätigkeit -> Goethes. 1919 wird Weimar Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, welche am 14. 8. 1919 eine -> Verfassung für das Republik gewordene Deutsche Reich verabschiedet (Grundrechte).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T., Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000

Weimarer Nationalversammlung -> Weimar

Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo -> Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene und am 14. 8. 1919 von der Weimarer Nationalversammlung verabschiedete Verfassung des Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen Organisationsteil (1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das Reich ein unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren durchführen kann und in allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten) bestimmt. Der Reichstag ist zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichspräsident ist Staatsoberhaupt und regiert durch den Reichskanzler und die Reichsminister, welche des Vertrauens des Reichstages bedürfen. Er hat ein Notverordnungsrecht und kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichsgericht. Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die Grundrechte sind in erster Linie Programmsätze. Die W. R. endet allmählich zwischen dem 28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W., Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997, § 37; Gusy, C., Die Weimarer Reichsverfasung, 1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer, E., 1999; Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A. 1999; Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002;

Weimarer Republik ist ein nichtamtlicher Name für das Deutsche Reich vom 9. 11. 1918 bzw. 14. 8. 1919 bis zur Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler am 30. 1. 1933. Die als Folge des Versailler Vertrages an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst, aber in der politischen Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der Bevölkerung, insbesondere auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem Staat identifizieren. Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung und treiben sie auf der Grundlage der immer weiter um sich greifenden Überzeugung, dass eine vollständige Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei, den extremen Parteien zu, von denen 1932 die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf -> Hitlers stärkste Partei des Reichstages wird. Im Januar1933 versucht der im November 1932 gestürzte Reichskanzler Franz von Papen mit dem durch Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht zurückzukehren. Mit Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des -> Dritten Reiches.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik, Bd. 1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971; Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D., 1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998; Die Weimarer Republik, hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A. 1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die Weimarer Republik, 1999; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, hg. v. Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000; Gessner, D., Die Weimarer Republik, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische Versagen der SPD, 2002

Wein ist das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den Römern bekannte alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die Weinverfälschung. Im Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von Kaufverträgen. Rechtlich wird die Herstellung von W. vor allem seit dem 19. Jh. (1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer geordnet.

Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des Weinbaues, 2. A. 1923; Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht, 1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157; Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972; Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G., Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11 (1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Dippel, H., Hundert Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung im Mittelalter, 2001

Weißenburg im Elsaß ist eine in der zweiten Hälfte des 7. Jh.s gegründete Benediktinerabtei, welche zahlreiche Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/60). Daneben entwickelt sich eine Reichsstadt. 1672 wird W. von Frankreich annektiert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979

Weistum ist das durch mündliche Erklärung alter Männer als bestehend erwiesene Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.) Legis Salicae nimmt man an, dass große Teile der -> Volksrechte als W. zur Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter werden verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen als Weistümer bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung, Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die Setzung kann durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104; Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Badische Weis­tümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917; Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer, 1924, Neudruck 1979; Wiessner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der Weistümer, 1934; Elsässische Weistümer, hg. v. Kollnig, K., 1941; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K., 1954ff.; Pfälzische Weistümer, Bd. 1ff. 1957ff.; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, 1973; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Werkmüller, D., Die Weistümer, in: Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G. Dortumnds 88 (1997), 140

Welcker, Karl Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790 - Heidelberg 10. 3. 1869), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813 Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines deutschen Parlamentes. Zusammen mit -> Rotteck veröffentlicht er von 1834ff. an das den Liberalismus prägende Staatslexikon. 1848 ist er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.

Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A., Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz, H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968; Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985

Welfe ist der Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder fränkischen, vielleicht seit der Mitte des 8. Jh.s nördlich des Bodensees begüterten, 819 erstmals sicher nachweisbaren  Geschlechts. Der bekannteste W. ist -> Heinrich der Löwe (1129-1191), der als Vetter und Gegner Friedrichs I. Barbarossa 1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Den Welfen bleibt das Eigengut Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover) bzw. 1918 (Braunschweig).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler, Historisches Lexikon; Diederich, A., Staufer und Welfen, 1938; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000

Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorganisation).

Lit.: Beise, M., Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001

Weltkrieg ist der die gesamte Welt erfassende Krieg (1914-18, 1939-45).

Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994; Der erste Weltkrieg, hg. v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied vom neunzehnten Jahrhundert, 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im zweiten Weltkrieg, 1999; Borchard, M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The First Woeld war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte Verliererjustiz nach dem Ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik: Der erste Weltkrieg, 2002; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2002; Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2002; Erster Weltkrieg – Zweiter Weltkrieg, hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B., Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003

weltliches Recht (lat. ius [N.] civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende bzw. das von weltlichen Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht (lat. ius [N.] canonicum).

Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, Das Recht im frühen Mittelalter, 1971

Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904 - Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen Handlungsbegriff, der den Vorsatz als subjektiven Tatbestand zum Tatbestand im engeren Sinn zieht. In seiner Rechtsphilosophie fordert er für die Rechtsgeltung die Anerkennung des Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen und demokratische Diskussion.

Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik als Naturrecht?, 2000

Wende ist eine ältere Sammelbezeichnung für den -> Slawen.

Lit.: Die Slawen in Deutschland, hg. v. Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972

Wenger, Leopold (Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874 - 21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher Professor, dann ordentlicher Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg (1908), München (1909) und Wien (1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu und versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte. Innerhalb des römischen Rechts bietet er eine grundlegende Zusammenfassung über „Die Quellen des römischen Rechts“ (1953).

Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII

Wer A sagt, muss auch B sagen.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)

Werböczy, Stephanus (um 1458-1541) wird nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in Ungarn geltenden Gewohnheitsrechts ([lat.] Tripartitum opus [N.] iuris consuetudinarii incliti regni Hungariae. Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn). Obwohl das vom Landtag gebilligte Werk nie in Kraft tritt, gilt es teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich.

Lit.: Frankói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy jog forrástana, in: Jogtudományi Közlöny, 1993, 374

Werfen ist das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann im Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943

Wergeld ist im Mittelalter die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Ausgleichsleistung für die ausgleichspflichtige Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits für die Germanen vermuten. Es fällt teilweise an die Verwandten des Getöteten, teilweise an den König (Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich im einzelnen Fall besonders ausgehandelt. In den Volksrechten erscheinen feste, vom jeweiligen Stand abhängige Schillingbeträge (-> Kompositionensystem z. B. bei einem fränkischen Freien 200 Schillinge d.h. 100 Rinder) als Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen der peinlichen -> Strafe seit dem 11. Jh. verschwindet es allmählich.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119, 120; Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208

Werkvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen Entgelt herzustellen. Der W. ist bereits dem römischen Recht als (lat.) locatio (F.) conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache aus übergebenem Stoff, Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines Sklaven) bekannt. Danach erscheint der W. wieder in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung wird der W. aus der Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur Seite gestellt. Von ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden.

Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des Werkvertrages, 1906; Schubert, W., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der Florentiner Renaissance, 2002

Wertpapier ist eine Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich Brunner zusammengefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen Handelsplätzen seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei der -> Wechsel. In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des 19. Jh.s bildet es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Bund (-> Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird im Deutschen Reich auch der -> Scheck W. Am Ende des 20. Jh.s treten die nur noch elektronisch dokumentierten Rechte vor.

Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167, 218, 272; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer, K., 1988

Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die Geldentwertung. Sie wird im Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche Vertragsklauseln eingeschränkt.

Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior iure)

Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen 1531 - Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und bezieht die Rechtspraxis ein.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199

Westeuropäische Union (WEU) ist ein am 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichteter, erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft getretener Beistandsvertrag zwischen Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland und Italien mit einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als wichtigsten Organ. Am 13. 11. 2000 werden ihre operativen Aufgaben auf die Europäische Union übertragen.

Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der Westeuropäischen Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union, 1999

Westfale ist der im Frühmittelalter (2. H. 8. Jh.s) erkennbare Angehörige eines Teilstammes der Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der Westfalen wird die Gütergemeinschaft hervorgehoben. 1180 wird Westfalen Territorialherzogtum des Erzbischofs von Köln, das 1815 teilweise an Preußen gelangt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256; Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen, 1965; Klueting, H., Geschichte Westfalens, 1998

Westfälischer Friede ist der am 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von Münster und Osnabrück, der den Dreißigjährigen Krieg beendet. Er bestätigt den Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Er schwächt das Reich, weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsaß an Frankreich, Bremen, Verden und Vorpommern an Schweden) und im übrigen den etwa 300 nun vorhandenen Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a. Bündnisrecht) zugesteht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der Nordrhein-Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff.; Dickmann, F., Der westfälische Frieden, 1965; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kremer, B., Der Westfälische Friede, 1989; Dickmann, F., Der Westfälische Friede, 6. A. 1992; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. A. 1997; Der Westfälische Friede, hg. v. Duchhardt, H., 1998; Dr Westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen, K., Der Westfälische Friede, 1999; Der Westfälische Frieden, hg. v. Moorman van Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Ziegler, K., Die Bedeutung des Westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre Westfälischer Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer, A., The Peace of Westphalia, 2002

westfränkisch -> Frankreich

Westgalizien ist der westliche Teil Galiziens, welcher 1795 bei der Teilung Polens an Österreich gelangt. 1796 tritt dort die österreichische -> Allgemeine Gerichtsordnung in etwas veränderter Form als Westgalizische Gerichtsordnung in Kraft. Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der Gesetzgebungsarbeiten an einem Bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches als Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft gesetzt (in Ostgalizien und in der Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798).

Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur-Entwurf, hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399

Westgote ist der Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstammes der Goten. 418/9 gründen die Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse). Vermutlich um 475 wird unter König Eurich im (lat.) -> Codex (M.) Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für die römische Bevölkerung geltende (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigothorum. 507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die Franken und werden auf das inzwischen eingenommene -> Spanien (Toledo) verwiesen. Das Recht der Westgoten wird in der (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum weiter entwickelt (Leovigild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die -> Fueros Eingang. 711 geraten die Westgoten unter die Herrschaft der -> Araber.

Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75, 80; Claude, D., Geschichte der Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; King, P., Law and society, 1972; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 1990; The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999; Heather, P., The Visigoths, 2001

Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgötalagh) ist die älteste, um 1220 beginnende, vor allem in Westergötland (Westgötaland) geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren (Mitte 13. Jh.) eine Handschrift von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis 1300 entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit etwa 1350. Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um 1175-1227).

Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827, Neudruck 1976; Bergin, A., The Law of the Westgoths, 1906; Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson, A., Envig och ära, in: Saga och sed, 1944, 57; Äldere Vastgötalagen, hg. v. Holmbäck, A. u. a., 1946; Ericsson, G., Den kanoniska rätten, 1967; Aquist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988

Westmannalagh, Västmannalagh, (Schweden um 1330) -> nordisches Recht

Lit.: Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978

Westphalen ist ein kurzlebiges, von -> Napoleon errichtetes Königreich (18. 8. 1807 - 1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung vom 15. 10. 1807.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Berding, G., Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973; Code Napoléon. Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des Königreichs Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001

Westzone ist eine von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der westlichen Alliierten Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich) des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen entsteht die -> Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H., Bürgerliches Recht in den Westzonen, in: Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989

Wettbewerb ist das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen können, insbesondere das Streben jedes von mehreren Unternehmen, auf einem gemeinsamen Markt mit möglichst vielen Kunden abzuschließen. In der mittelalterlichen Stadt wird der W. durch die -> Zunft eingeschränkt. Mit der Liberalisierung des 19. Jh.s wird dagegen der W. freigegeben (-> Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um daraus entstehende Missbräuche zu beseitigen wird im Deutschen Reich nach Einzelregeln (1894) ein Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. 5. 896 erlassen, dass 1909 neu gefasst wird. Umgekehrt muss nach einer Kartellverordnung bereits von 2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die aus der steigenden Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen werden, das später noch verschärft wird (1965, 3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976, 1980, 1989).

Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen und Wettbewerb, 1929; Blaich, F., Kartell- und Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Heße, M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 2002

Wette ist ein gegenseitiges, zur Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen mehrerer Vertragspartner dienendes Versprechen dahingehend, dass dem, dessen Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist im römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. Im Frühmittelalter wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem Spätmittelalter wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie weitverbreitet. Der W. wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen.

Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2; Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wetterau ist die Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie ist nacheinander keltisch, römisch und fränkisch. Im Hochmittelalter ist sie königsnah.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kropat, A., Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friedrichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R., Bd. 1 1999

Wettin ist eine Burg bei Halle an der Saale, nach der sich ein Geschlecht benennt, an welches 1423 Sachsen gegeben wird. Die Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (-> Sachsen) und eine ernestinische Linie (-> Thüringen).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse, O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der Wettinische Ständestaat, 1980; Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989

Wetzlar an der Lahn erscheint im 9. Jh. Es wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von 1603 bis 1806 beherbergt W. das -> Reichskammergericht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, 1928; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das Reichskammergericht, 1990

WEU -> Westeuropäische Union

Weyer, Johann (Grave an der Maas um 1515 - Tecklenburg 24. 2. 1588) wird nach dem Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545) und Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und Hexereiaberglauben gerichtetes, humanistisches Hauptwerk (De praestigiis daemonum). Es wird auf den kirchliche Index der verbotenen Bücher gesetzt.

Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemonum“, Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn, 1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992

whig (M.) Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in England (Schimpfname, angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680).

Widerlegung (F.) Ersatzleistung

Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts, 1973, 51, 364

Widerruf ist im Privatrecht eine Willenserklärung, die eine noch nicht endgültig wirksame Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw. im Verwaltungsrecht die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Der privatrechtliche W. ist bereits dem römischen Recht bekannt. Der öffentlichrechtliche W. wird erst mit der dogmatischen Verfestigung des Verwaltungsrechts als solcher geformt.

Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II 5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117

Widersagung (F.) Fehdeankündigung

Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994

Widerspruch ist eine Gegenäußerung (z. B. gegen die Richtigkeit des Grundbuches seit dem 19. Jh.). In Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren Verwaltungsbehörde zur einheitlichen Voraussetzung für eine verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage.

Lit.: Köbler, DRG 263

Widerstand ist eine entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zum W. gegen eine herrschaftliche Maßnahme wird schon früh diskutiert (Manegold von Lautenbach 11. Jh., Magna Charta 1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B. Diktator) ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen  die Staatsgewalt ist seit dem 19. Jh. ein Straftatbestand.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 7. A. 1980; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Ritter, G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v. Müller, K., 2. A. 1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991; Mehringer, H., Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes 1933-1945, hg. v. Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“ 1933-1945, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit, 1999; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v., Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R., Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; BLD; d:; Die weiße Rose, 2003

Wieacker, Franz (Stargard 5. 8. 1908 - Göttingen 17. 2. 1994), Landgerichtspräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außerordentlicher Professor in Leipzig, 1939 ordentlicher Professor in Leipzig, 1948 in Freiburg im Breisgau und danach in Göttingen. Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden Römischen Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale Gelehrte 1952 eine ideengeschichtlich ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte der Neuzeit.

Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDH I 60 (1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C., 2000

Wiederaufnahme des Verfahrens ist eine erneute Durchführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren im 15. Jh. aufgenommene (lat.) -> restitutio (F.) in integrum zurück (Reichskammergerichtsordnung 1495).

Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist eine gerichtliche Entscheidung, durch die eine versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Die W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren (lat. restitutio [F.] in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen (Reichskammergerichtsordnung 1495).

Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichts­prozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996

Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden durch Ausgleich. Die W. ist insbesondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg bedeutsam.

Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a., Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000

Wiederkauf ist der schon im römischen Recht durch besondere Vereinbarung mögliche Verkauf mit Vorbehalt des Rückkaufes. Durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Verkäufers wird dann der Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die Erstattung des Preises zurückzuübertragen.

Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur des 12. - 18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken zum Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf, in: FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wiedertäufer (Anabaptist) ist der Angehörige einer vor allem im 16. Jh. auftretenden, die Erwachsenentaufe anstrebenden christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich um 1520, Münster 1534).

Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs, Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G., 1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980

Wiedervereinigung -> Deutsche Demokratische Republik

Wie du mir, so ich dir.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)

Wiek ist eine Landschaft im Bistum Oesel in Livland. Im 14. Jh. (1322-37?) wird dort aus dem Livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in der Wiek und dem ältesten livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen Handschriften seit dem 16. Jh. überlieferte Rechtssammlung hergestellt. Dieses Wiek-Oeselsche Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die Lehen-Rechte, welches in 5 Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist, findet teilweise Eingang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424), das systematische livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Cruisus’ Des Herzogtums Esthen Ritter- und Landrechte.

Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der Geschichte Livlands usw. 23 (1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163

Wielant, Filips (1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechts in Löwen Anwalt und Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit.

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1996

Wien an der Donau ist eine auf keltischer (Vindobona) bzw. römischer Grundlage errichtete Siedlung (Wenia 881), welche seit 1156 Sitz der -> Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221) wird W. kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-50) und erhält 1365 eine Universität. Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter Benutzung des Schwabenspiegels das in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stadtrechtsbuch in 151 Artikeln aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter, Bergrecht, Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/9 wird W. zum Sitz des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), 1469 Bischofssitz und 1722/3 Erzbischofssitz. Vom 18. 9. 1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog. Wiener Kongreß, auf welchem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet wird (-> Deutscher Bund). Später folgt die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich an, von dem es sich verselbständigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150, 769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts in Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Der Wiener Kongreß 1814/5, hg. v. Dyroff, H., 1966; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes, P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u. a., 1989; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Ogris, W., Vom Galgenberg zum Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red. v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v. Csendes, P. u. a., Bd. 2 2003

Wigle van -> Aytta

wik (M.) Dorf, Siedlung, -> Weichbild

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS; Köbler, G., Civitas und vicus, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976

Wikinger ist der Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger, Dänen) im Frühmittelalter (793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001 Amerika. Als -> Normannen dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl auch nach Rußland vor, gehen aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung auf.

Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935; Vernadsky, G., The Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer, R., Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger, 2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die Wikinger, 2003

Wilda, Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8. 1800 - Kiel 9. 8. 1856), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Hugo, Eichhorn) und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zum Christentum (1825) Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor in Halle, 1842 ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke betreffen das Gildenwesen im Mittelalter (1831) und das Strafrecht der Germanen (1842) (bis zum Frühmittelalter).

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben, 1974; Kern, B., Georg Beseler, 1982

Wildbann (M.) Jagdregal

Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952), 301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001

Wilderei ist die Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt im Frühmittelalter meist die Buße von 60 Schillingen. Erst im Spätmittelalter wird eine peinliche Strafe üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall des Diebstahls, bis 1871 die W. wieder verselbständigt wird.

Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur. Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U., Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im Zeitalter der französischen Revolution, 2001

Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder bestimmten Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In der frühen Neuzeit ist das W. oft streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich aus.

Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock 1898

Wilhelm -> Ockham

Wille ist die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden. Der W. kommt in einem Verhalten zum Ausdruck. Bei dessen Bewertung wird teils nur auf die Erscheinungsform abgestellt, teils auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen.

Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967, 293; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Willebrief ist seit dem 12. Jh. (1177) die Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des Königs. Der W. kommt im 17. Jh. ab.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche Willebriefe, DA 23 (1967), 171

Willenserklärung ist die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung des -> Willens (z. B. Erklärung, ein Buch kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst im 18. Jh. erkannt (vgl. aber bereits Connan, 1508-1551). Die W. kann einen -> Willensmangel enthalten.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der menschlichen Geschichte zeitweise umstritten. Überwiegend wird von der vermuteten W. ausgegangen. Ein rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus.

Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970

Willensmangel ist ein den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung betreffender Mangel. Einzelne Willensmängel berücksichtigt bereits das römische Recht (z. B. -> Irrtum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten Neuzeit statt.

Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1985ff.

Willkür ist die freie, bis zum Belieben reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den Gegensatz zum Recht bilden. In einem anderen Sinn wird als W. im Mittelalter das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529

Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817 - Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852), München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in welchem er das römische Recht seiner Zeit so vorbildlich zusammenfasst, dass das Werk bis 1900 das fehlende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zur Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches beeinflusst er den ersten Entwurf erheblich.

Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989; Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902

Wippe (F.) Gerät zum Fallenlassen eines Täters in eine Flüssigkeit

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Wippen (N.) Prellen, Schnellen, Von der Wippe fallen lassen

Wirtschaft ist die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter und Ackerbauern. Nach der Seßhaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen W. die Plantagenwirtschaft. Von diesen römischen Verhältnissen wird die frühmittelalterliche -> Grundherrschaft stark beeinflusst. In ihr gewinnt das -> Gewerbe (Schmied, Töpfer, Weber) an Bedeutung. Über den Markt entsteht im 11. Jh. -> die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe und Handel. Tauschmittel wird das -> Geld. Bereits am Beginn der frühen Neuzeit werden frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der Landesherr der durch die Entdeckungen belebten W. zu und versucht im -> Merkantilismus möglichst hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem -> Physiokratismus wird vor allem von Adam Smith der -> Liberalismus entwickelt, welcher die Erwerbstätigkeit des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Im 19. Jh. strömt die wachsende Bevölkerung dem Wirtschaftssektor Gewerbe zu, im 20. Jh. dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. In der Auseinandersetzung zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft behält die zweite die Oberhand.

Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173, 217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511; Facius, F., Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschaftspolitik, 1970; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert), 2001

Wirtschaftsgemeinschaft -> Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

Wirtschaftsgeschichte ist der die -> Wirtschaft betreffende Teil der Geschichte.

Lit.: Köbler, DRG 9; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W., Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, 6. unv. A. 1988; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A. 1991; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C., Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Ambrosius, G. u. a., 1996; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd. 2 1996; Schultz, H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E., Spiegelungen wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte,1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P., Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001

Wirtschaftskriminalität ist die die Wirtschaft betreffende Kriminalität, welche seit dem 20. Jh. deutlich zunimmt.

Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H., Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993

Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die Landesherren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20. Jh.s (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem wird der freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Schmelzeisen, G., Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Pleyer, K./Lieser, J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner, H., Das Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, in: Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983; Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988

Wismar an der Ostsee ist ein 1229 erstmals als Stadt erwähnter Ort. W. ist eine Stadt lübischen Rechts. Aus ihr sind zahlreiche Bürgersprachen (Statuten) überliefert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906

Wissenschaft ist die mit einleuchtend erscheinenden Gründen versehene Sammlung menschlichen Wissens. Die Anfänge der W. liegen in der griechischen Philosophie (Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte Wandel der W. vom ausgehenden 16. Jh. bis zum Beginn des 18. Jh.s ist vor allem durch die genauere Beobachtung der Natur und durch Schverhalte prüfende und danach Gesetze ableitende Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft W. ist, ist streitig.

Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions, 1962; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106; Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur Geschichte der wissenschaftlichen Revolution. Birkhäuser Verlag, Basel 2002. 232 S.

Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter Paulskirchenverfassung gewährte Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit.

Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929; Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft, 1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B., Wissenschaftsfreiheit, 1993

Witte, Karl (Lochau bei Halle 1. 7. 1800 - Halle 6. 3. 1883) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in Halle. Auf seinen Hinweis entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der Institutionen des -> Gaius.

Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819

Wittelsbach bei Aichach ist eine Burg, nach welcher sich seit 1116/20 Grafen nennen, die 1180 Herzöge von Bayern werden.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M., Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126

Wittenberg an der Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer Universität. -> Luther

Lit.: Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1983, 1998; 700 Jahre Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996

Wittenwiler, Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist ein 1395 als Advokat und Notar bezeichneter Hinterthurgauer Landadliger, der vielleicht zur Zeit des Konzils von Konstanz (1414-18) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht „Ring“ mit zahlreichen rechtlichen Bezügen verfasst.

Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers Ring, 1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v. Boesch, B., 1970

Wittgenstein an der oberen Lahn ist seit dem 12. Jh. Sitz eines Grafengeschlechtes. Für W. wird 1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Hartnack, W., Das Wittgensteiner Landrecht, 1960; Wittgenstein, hg. v. Krämer, F., Bd. 1f. 1965

Wittum ist seit germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und später an die Braut. Das W. dient der Vorsorge für den Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes. Es steht ohne klare Trennung neben der Morgengabe.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, 1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte Ehe, 1978

Witwe ist der weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemannes. Meist geht die Personalgewalt auf die Verwandten des Mannes über. Die Wiederverheiratung ist möglich.

Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der Wiederverheiratung, 1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995;Jussen, B., Der Name der Witwe, 2000

Woche ist die aus sieben Tagen bestehende, schon im alten Ägypten bekannte Zeiteinheit. Sie findet sich auch im Judentum und danach im Christentum. In jeder W. ist der Sonntag Feiertag. An einem bestimmten Wochentag findet der Wochenmarkt statt.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980

Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zur Erreichung von Wohlstand. Am Ende des 18. Jh.s kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege ab.

Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998

Wohlhaupter, Eugen (Unterwiesenbach/Schwaben 7. 9. 1900 - Tönsheide/Schleswig-Holstein 23. 12. 1946), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München (Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/5) sowie 1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete.

Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987

Wohnsitz ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird seine Begründung und Veränderung formalisiert.

Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im kanonischen Recht, 1992

Wohnung ist das meist aus mehreren Räumen bestehende befriedete Besitztum eines oder mehrerer Menschen zum auf längere Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht findet sich bereits im spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch -> Miete erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herrschaft geschützt. Im 20. Jh. wird zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen staatlicher Zwangswirtschaft unterstellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Nörr, K,. Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd. 1ff. 1997ff.

Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer -> Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden Grundstück. Es ist in Fortsetzung des älteren -> Stockwerkseigentums im Gegensatz zu dem römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (die Oberfläche folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s aus sozialrechtlichen Überlegungen zugelassen.

Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994  

Wo kein Kläger, da kein Richter.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-4, lat. nemo iudex sine actore)

Wolf, Erik (Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902 - Freiburg im Breisgau 13. 10. 1977) wird nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in Frankfurt am Main und Jena Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und Freiburg im Breisgau (1930). Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte (1939).

Lit.: Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33

Wolff, Christian (Breslau 24. 1. 1679 - Halle 9. 4. 1754), Gerberssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Mathematik und Philosophie in Leipzig (Leibniz) Philosophielehrer in Leipzig (1703), Professor für Mathematik in Halle (1706), Professor für Mathematik und Philosophie in Marburg (1723) und Professor für Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle (1740). Auf der Grundlage der Lehren Leibniz’ wie des Gedankens, dass der Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben, stellt er durch Ableitung aus wenigen Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat. Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen Satz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, die Ablösung des -> Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt, Darjes und Nettelbladt.

Lit.: Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S., Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und Institution bei Christian Wolff, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des Privatrechts, in: Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209

Wolff, Martin (Berlin 26. 9. 1872 - London 20. 7. 1953), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordentlicher Professor, 1914 ordentlicher Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin (1921), bis er 1934 aus seinem Amt entfernt wird und nach London auswandert. Sein 1910 veröffentlichtes Sachenrecht gilt als eines der besten privatrechtlichen Werke des 20. Jh.s.

Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900;  Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543

Wolhynien, Wolynien, ist das Gebiet zwischen Bug und Dnjepr. Es bildet im 11./12. Jh. ein unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188 mit -> Galizien vereinigt. 1793/5 kommt es an Rußland, von 1921 bis 1944 teilweise an Polen. Die im 19. Jh. eingewanderten Deutschen werden mehrfach verschleppt und umgesiedelt.

Wöllner Johann Christoph von (1732-1800) wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen Departements. Nach ihm ist ein am 9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den Grundsatz der religiösen -> Toleranz und konfessionellen Parität der drei christlichen Hauptkonfessionen.

Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist. Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975

Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)

Wood, Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703 Doctor of Civil Law und 1704 geistlicher Rektor von Hardwick in Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An Institute of the Laws of England. Beeinflusst von Domat versucht er eine Ordnung und Systematisierung des -> common law nach römischrechtlichen Methoden. Seine Verbindung von römischem und englischem Recht wirkt fast während des gesamten 18. Jh.s prägend.

Lit.: Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938, 418; Coquillette, D., The Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two Institutes of Thomas Woods, American Journal of Legal History, 35 (1991), 432

Worms am Rhein ist eine ursprünglich keltische Siedlung, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien begabte Stadt, in welcher am 23. 9. 1122 nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich im Investiturstreit bringende Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/9 erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer -> Reformation.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte, 1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985

Wormser Konkordat ist der Vertrag zwischen Papst und Kaiser vom 23. 9. 1122, der den -> Investiturstreit vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der Kirche jede Investitur mit Ring und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und freie Weihe. Der Papst lässt zu, dass im deutschen Reich die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Kaisers vollzogen wird und im Falle der Uneinigkeit der Kaiser den klügeren Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die Regalien übertragen. Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher Herrschaft aufgegeben.

Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123

writ ist im englischen Recht das über eine Bitte an den königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zum königlichen Gericht zu kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte verfahrensrechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden. 1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen. Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 bestehen 76 verschiedene Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den -> inn of courts zuverlässig erlernt werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957; Caenegem, R. von, Royal Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 3. A. 1990

Wucher ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwächen eines anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen von solchen Vermögensvorteilen für eine Leistung, welche in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Im Mittelalter erklärt sich das kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte zuständig. Zum Ausgleich für den Wegfall des kanonischen -> Zinsverbotes und der neuzeitlichen Höchstzinssätze im Liberalismus wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Wucherverbot geschaffen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002

Wunder (lat. miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungserwartungen widersprechende erwünschte Geschehen (z. B. Heilung schwerer Krankheiten). Es erweckt Hoffnungen anderer. Es trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zum Wohlstand parasitärer Promotoren von Wallfahrten bei.

Lit.:  Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v. Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Rendtel, C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003

Würde -> Menschenwürde

Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991

Wurm, Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s - Liegnitz nach 1401), Schüler des Johannes von Lignano in Bologna, ist ein gelehrter Jurist, der an verschiedenen Werken Verbesserungen vornimmt wie z. B. an der Buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von Magdeburg (um 1390) und die Blume über den Sachsenspiegel (1397).

Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Wursten ist eine seit dem 6. Jh. von Friesen besiedelte Landschaft an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche Übersetzung der Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht.

Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973

Württemberg ist eine 1081/92 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen, welche die Landesherrschaft in einem Teil Schwabens erreichen (W.). 1555 wird ein durch Sichard romanistisch geprägtes, vierteiliges -> Landrecht (Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das 1567 und 1610 geändert wird und bis 1900 in Geltung bleibt. Am 25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine -> Verfassung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269; Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Erzberger, Die Säkularisation in Württemberg, 1902; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1967; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662, 3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, 1973; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier, H., Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte, Bd. 3 1992; Württembergisches Klosterbuch, 2003

Wurtzins (M.) Hausstättenzins

Würzburg am Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/2 wird es Sitz eines Bischofs. 1410 wird eine 1582 erneuerte Universität eingerichtet. Das Würzburger Landgericht will für das Herzogtum -> Franken zuständig sein.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die Zenten des Hochstifts Würzburg, 1907; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977; Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Geschichte der Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1 2001; Raum und Recht – Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a., 2002

Wüstung ist die zerstörte oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch als Rechtsfolge möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer, H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 3. A. 1976

 

 

X

 

Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert das in den -> Basiliken überlieferte römische Recht.

Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986, 29, 40

 

Y

 

year book ist die Bezeichnung der Jahrbücher, in welchen die Entscheidungen des -> englischen Rechts von jungen Anwälten in -> Law French aufgenommen sind (von 1290 bis 1536 erhalten).

Lit.: Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

 

Z

 

Zabarella, Francesco (Padua 1360-1417), Patriziersohn, wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein.

Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79 (1993), 232

Zachariä (1842 von Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769 - Heidelberg 27. 3. 1843), Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie und des Rechts in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808 veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte „Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten“ vor.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo Zachariaes, 1996

Zachariae, Heinrich Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11. 1806 - Cannstadt 29. 4. 1875) wird 1829/30 Strafprozessrechtler und Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des gemeinen deutschen Criminalprocesses, 1837).

Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266

Zagreb (Agram) an der oberen Save geht auf antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z. an -> Österreich. 1669 erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt -> Kroatiens.

Zahl

Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A. 1991

Zahlung ist die Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jh. zunehmend bargeldlos.

Lit.: Meder, S., Die bargeldlose Zahlung, 1996

Zähringen bei Freiburg im Breisgau ist die namengebende Burg einer alemannischen Familie, welche 1092 den Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Ihr durch viele Stadtgründungen (z. B. -> Freiburg im Breisgau, -> Bern) gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt 1218 an verschiedene Nachfolger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der Herzöge, 1935; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v. Schmid, K. u. a., 1990

Zar (M.) ist der nach lat. Caesar gebildete slawische Herrschertitel (Russland 1547-1917, Bulgarien 1908-1946). -> Kaiser

Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995; Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001

Zalaszowski, Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom und Deutschland Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.) regni Poloniae (Recht des Königreichs Polen).

Lit.: Malinowska, I., Mikolaj Zalaszowski, 1960

Zasius (Zäsy), Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461 - Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadtschreiber in Freiburg, wo er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in Frankreich gegen die herkömmliche italienische Art (lat. -> mos [M.] Italicus) entwickelten humanistisch-philologischen Neuansätze (-> Alciat, lat. -> mos [M.] Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich beeinflussten Stadtrecht (Reformation) -> Freiburgs wirkt er maßgeblich mit. Er ist der erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.

Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius, 1857, Neudruck 1857; Nüwe Stattrechten und Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasuis, 1987; Schroeder, K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97

Zauber ist die Zuhilfenahme von nichtmenschlichen geistigen Kräften zur Verwirklichung menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der Vorgeschichte an. Die christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von Z. und Zauberei und verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit -> Hexen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn, 1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C., 1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994; Clerc, J., Homines magici, 1995; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003

Zauberei -> Zauber

zehn Gebote -> Dekalog

Zehnt ist der bereits den Juden im Alten Testament bekannte, von der Kirche zwischen Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit unter Berufung auf biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrages. Er wird von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der im Zuge der Abwehr des Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des Kirchengutes erneuert. Im 13. Jh. wird er zur Geldleistung. Im 19. Jh. wird der Z. im Gefolge der Französischen Revolution durch die -> Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20. 6. 1875).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern, 1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996

Zeichen -> Marke, Warenzeichen

Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995

Zeiller, Franz von (Graz 14. 1. 1751 - Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem Studium der Philosophie in Graz und des Rechts in Wien (Martini) Hauslehrer Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782 ordentlicher Professor in Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in Justizgesetzsachen. Er bearbeitet das westgalizische Strafgesetzbuch. Sein 1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm umgestalteten Stoff des späteren -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1811/2). Sein 1810 eingeführter Studienplan drängt die Geschichte zugunsten der Systematik auf eine rein dienende Aufgabe zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt.

Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller, 1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980

Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte. In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 als Z. verstanden. Seit etwa 1970 wird auch eine juristische Z. angestrebt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v. Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte, 1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Diestelkamp, B., Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Senn, M., Recht – Gestern und heute, 2002; Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003

Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und anderen begründeten Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen Zeitschrift für deutsches Recht ab 1861 folgende, 1880 in eine germanistische Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte und 1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche Forschungen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste Zeitschrift).

Lit.: Mayer-Maly, T., ZRG RA 100 (1983), 1

Zensor ist ein altrömischer Amtsträger, der wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist.

Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Von 1559/64 bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen die neuzeitlichen Landesherren, bis im 19. Jh. der Liberalismus die -> Pressefreiheit erreicht.

Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich...“, hg. v. Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001

Zensus (M.) Steuerleistung (z. B. als Grundlage eines gestuften Wahlrechts im 19. Jh., in Österreich bis 1907)

Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher

Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der Landgemeinde, 1964

Zentgericht ist das die -> Zent betreffende Gericht.

Lit.: Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002

Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert.

Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum, 1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen Reiches, 1982

Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des -> Deutschen Bundes (1819-28, 1833-48) gegen revolutionäre Umtriebe.

Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970

Zentrumspartei ist im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen Katholizismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968

Zepter (N.) Herrscherstab

Lit.: Vorbrodt, C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992

Zerrüttung ist die Zerstörung durch Erschütterung, im Recht insbesondere die Z. der ehelichen Lebensgemeinschaft, welche in Deutschland 1976 zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H., Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991

Zerreißen ist eine Form der -> Todesstrafe (14.-18. Jh.).

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 131

Zession (F.) Abtretung

Lit.: Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig, K., Zession und Abstraktionsprinzip, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur. Bochum 2000

Zeuge (lat. [M.] testis) ist ein Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat, aussagen soll. Zeugen gibt es, solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Geschäftszeugen (zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint die Pflicht, Z. zu sein.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler, WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1993; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003

Zeumer, Karl (Hannover 31. 7. 1849 - Berlin 18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der deutschen Sprache und Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber wichtiger Quellen (1889 außerordentlicher Professor in Berlin).

Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35 (1914), 646

Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichung Roma oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus Nordindien ausgewanderten, seit dem 15. Jh. im Heiligen Römischen Reich (1399 Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Seutschen Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und Erfassung unterstellt. Im -> Nationalsozialismus wird der Z. ohne totale Tötungsabsicht verfolgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Gilsenbach, R., Weltchronik der Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z.T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996; Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M., Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002

Zins ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals, im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Das kanonische -> Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit 1530 wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848 setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des -> Wuchers eine Schranke.

Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, in: Das Grundeigentum 1937, 135; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand, O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002

Zinsverbot ist das Verbot, einen -> Zins für eine Leistung zu nehmen. Im Mittelalter verbietet die christliche Kirche wegen Lukas 6,35 Christen das Nehmen von Zins für -> Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte entwickelt werden und im übrigen das entgeltliche Darlehensgeschäft von den -> Juden durchgeführt wird. Seit der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchstzinssätzen (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation 1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F., Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und Zinsverbot, FS H. Lange, 1992

Zips ist eine Landschaft unter der Hohen Tatra. 1370 erscheint das Landrecht der Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jh.s überliefert wird. Es umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen, Handel, Verfahren, Verwaltung).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonova, M., Das Recht der Spis, 1992

Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet Österreich-Ungarns.

Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher

Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme und dem heiligen Alberich gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten benediktinischen Reformordens. Wichtige deutsche Niederlassungen sind Kamp, Ebrach und Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlassungen im deutschen Sprachraum).

Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M., Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u. a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994; Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997; Zisterzienser zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998; Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland, hg. v. Rück, P. u. a., 1998; Rüffer, J., Orbis Cisterciensis, 1998; Von Cîteaux nach Bebenhausen, hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2000; Eberl, I. Die Zisterzienser, 2002

Zitelmann, Ernst (Stettin 7. 8. 1852 - Bonn 25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881 in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem mit dem Privatrecht (-> Willenserklärung, -> Irrtum).

Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73

Zitiergesetz ist (nach Gustav -> Hugo) ein 426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und Valentinian III. erlassenes Gesetz, das -> Papinian, -> Paulus, -> Ulpian, -> Modestin und -> Gaius als maßgebliche Juristen benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen vorgetragenen Ansichten formale Entscheidungsregeln für die Richtigkeit einer Lösung festlegt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235

Zivilehe ist die durch weltliche Formen zustandekommende -> Ehe der Neuzeit. Sie erscheint bereits im 16. Jh. in den Niederlanden als Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig sogar als einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie 1792, im Deutschen Reich 1875 verwirklicht.

Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998

Zivilgesetzbuch ist eine Bezeichnung für ein Privatrechtsgesetzbuch (Schweiz 1907/12, Deutsche Demokratische Republik 1975 [Vorarbeiten seit September 1952}]). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1. 1. 1912 in Kraft (Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255; Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der Verwirklichung des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H., Zivilgesetzbücher im deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die Entstehungsgeschichte des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999

Zivilliste (F.) Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England 1689)

Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 3. A. 1883f.

Zivilprozess (Zivilverfahren) ist das öffentliche Gerichtsverfahren zwischen einem Kläger und einem Beklagten in privaten Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits in Rom vom Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen Recht als Legisaktionenverfahren (-> legisactio), danach als -> Formularverfahren und seit der Zeitwende als -> Kognitionsverfahren (-> cognitio). Im Mittelalter spaltet sich das zwar wohl weitgehend einheitliche Verfahren, indem seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Verfahren in sog. (lat.) ordines (M.Pl.) iudiciarii erörtert wird, erst im Hochmittelalter (13. Jh.) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche Sachen (Z.) und peinliche Sachen (-> Strafprozess) auf (str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begehren des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das -> Gericht durch -> Urteil der Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft macht oder das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zum -> Beweis ist (Beweisrecht). Wegen des Urteils können seit dem Spätmittelalter die Akten versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittelalters auf der Grundlage des justinianischen Rechts das römisch-kanonische Verfahren aus, das allmählich vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es beginnt mit der vom Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des Beklagten zu einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Beklagten die Klageschrift mit seiner Rechtsbehauptung. In einem nächsten Termin hat der Beklagte alle verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide Parteien können sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des Gerichts durch Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids und der Streitbefestigung ist der Stoff vom Kläger artikuliert vorzutragen und vom Beklagten ebenso zu beantworten. Die geheime Beurteilung der Beweisergebnisse durch den selbst durch -> Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand entscheidenden -> Richter ist an feste Beweisregeln gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird aufgezeichnet. Der Vollstreckung des kirchengerichtlichen Urteils dient die Exkommunikation. Gegen das Urteil ist -> Appellation und seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen auch Nichtigkeitsklage zulässig. Vor allem über das -> Reichskammergericht setzt sich der gelehrte Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem Vorbild des französischen -> Code de procédure civile von 1806 im 19. Jh. zu -> Mündlichkeit und -> Öffentlichkeit zurück (Baden 1831, Hannover 1850, Preußen Entwurf 1864). Im Deutschen Reich wird auf diesen Grundlagen 1877/9 der Z. in der -> Zivilprozessordnung geregelt (Österreich 1895, in Kraft 1898, mit Verständnis von Rechtsdurchsetzung als Gemeinschaftsaufgabe  zur Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des Richters, weitgehender Übergang zum Einzelrichter 1914). Seit dem ausgehenden 18. Jh. ist im übrigen anscheinend in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Kreditverkehrs die Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine Vereinfachung und Beschleunigung angestrebt wird.

Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Wollschläger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981, 16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts, 1987; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000

Zivilprozessordnung -> Zivilprozess

Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Schubert, W., Die Entstehung und Quellen der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1995; Die Civilprozessordnung für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg. v. Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100 Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000; Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000

Zivilrecht ist das Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.) -> ius (N.) civile, dem für die Römer geltenden Recht im Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist es daneben zumindest aus heutiger Sicht vom öffentlichen Recht zu trennen. Im Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das weltliche Recht im Gegensatz zum kirchlichen Recht, aber auch das besondere Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als bedeutsame politische Kraft im 18. Jh. wird das Z. vorrangig auf sie bezogen. Deswegen enthalten der Code civil, Zivilgesetzbuch oder Bürgerliches Gesetzbuch hauptsächlich das für den Bürger wichtige -> Privatrecht.

Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil 1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der Einfluss Kants, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152; Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a., 1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „... aber im Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001

Zivilsache ist das Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit im Wege des -> Zivilprozesses.

Lit.: Daut, Untersuchung über den Einfluss nationalsozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965

Znaim ist ein 1048 erstmals erwähnter, 1226 mit Stadtrecht begabter Ort an der mittleren Thaya, aus dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist.

Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523, 1992

Zölibat ist im katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode von Elvira (um 306). Seit 1139 sind alle Inhaber höherer Weihen zu einem ehelosen Leben verpflichtet.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978; Denzler, G., Die Geschichte des Zölibats, 1993; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1994; Heid, S., Zölibat in der frühen Kirche, 1997

Zoll ist die meist an der Grenze eines Staates erhobene, bereits dem römischen Altertum bekannte -> Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren. Das entsprechende Zollregal geht vom mittelalterlichen König meist auf die Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht sich der Deutsche -> Zollverein von 1834, im 20. Jh. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft um Beseitigung von Zöllen innerhalb des Gebietes der zusammengeschlossenen Staaten.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer, M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954; Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997; Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002

Zollverein ist ein Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828 vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche Staaten je einen Z., zum 1. 1. 1834 die deutschen Staaten (ohne das 1865 die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen Deutschen Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches von 1871.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H., Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99

Zone ist ein Teil eines größeren Gebietes (z. B. Besatzungszone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Zöpfl, Heinrich (Bamberg 1807 - Heidelberg 1877) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842 ordentlicher Professor in Heidelberg. Seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 92

Zubehör ist eine bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nach der Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem das Eigentum am Z. zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen ab.

Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zuchthaus ist das der zwangsweisen Erziehung von Erwachsenen dienende Gebäude. Die zwangsweise Erziehung in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit als sinnvoll angesehen (Bridewell bei London 1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen, Hamburg, Lübeck, Anfang 17. Jh.). Später setzt sich Z. als Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch, wird aber am 1. 4. 1969 wegen der mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 1950; Stekl, H., Österreichische Zucht- und Arbeitshäuser, 1978; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998

Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zum Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemannes gegenüber der Ehefrau verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2. 1812), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt aber im 20. Jh. mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen 1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von 1951.

Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung, Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des Ehemannes, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des Züchtigungsrechts, 2000

Zufall ist ein Ergebnis, für welches keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der durch Z. eintretende Schaden fällt bereits im römischen Recht grundsätzlich dem zur Last, dem die Sache oder Leistung gebührt.

Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 44; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zug am Zuger See ist ein um 1200 von den Grafen von Kiburg gegründeter, 1273 an König Rudolf I. von Habsburg gelangter Ort. 1352 wird Z. von den umgebenden Orten der Eidgenossenschaft der -> Schweiz zum Eintritt in die Eidgenossenschaft gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz eine Verfassung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v. Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003

Zug auf den Gewähren -> Gewährschaft

Zugewinngemeinschaft ist der durch das deutsche Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 geschaffene Regelgüterstand von Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinnausgleich nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994

Zugrecht -> Näherrecht

Zunft ist der Zusammenschluss von Gewerbetreibenden eines Gewerbes in der hochmittelalterlichen Stadt (z. B. Metzger, Bäcker, Fischer). Die von den Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfassung enthält viele Zwangselemente. Sie wird im 19. Jh. durch die Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791, England 1814, Preußen 1807/10/11/45) seitens des Liberalismus beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Lentze, H., Der Kaiser und die Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Peitsch, D., Zunftgesetzgebung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v. Haupt, H., 2002

Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die Fähigkeit, zusammengehörige Umstände einander überzeugend zuzuordnen. Die moderne Zurechnungslehre im Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf (1632-1694). -> Unzurechnungsfähigkeit

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927; Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996

Zürich am Zürichsee bzw. der Limmat erscheint im Altertum als römisches Turicum. 1218 ist es reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der -> Schweiz. 1833 erhält es eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Gabathuler, M., Die Kanoniker, 1998; Malamud, S./Sutter, P:, Die Betreibungs- und Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich, ZRG 116 (1999), 87; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v. Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2000

Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Recht im Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis die Gegenleistung angeboten wird.

Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden. Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft gestaltet ist.

Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes, ZRG GA 90 (1973), 213

Zustellung ist der in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstückes. 1877/9 übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten Wirkungen der aufgegebenen Streitbefestigung (lat. -> litis contestatio [F.]).

Lit.: Köbler, DRG 202

Zwang (lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits im römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren in diesem Fall die Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43; Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zwangsarbeit ist die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. im Dritten Reich).

Lit.: Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001

Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz geregelte Versteigerung eines -> Grundstückes im Wege der -> Zwangsvollstreckung.

Lit.: Köbler, DRG 184

Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner im Vollstreckungstitel (z. B. -> Urteil) verbrieften Anspruches. Sie steht meist am Ende eines Zivilprozesses. Ihr Ablauf wird im Deutschen Reich 1877/9 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. -> Vollstreckung.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240

Zweigewaltenlehre ist die von Papst (1. 3. 492 – 19. 11. 496) Gelasius I. an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. -> Zweischwerterlehre

Zweikammersystem ist ein durch die Teilung des Parlamentes in zwei Kammern gekennzeichnetes politisches System. Ursprünglich entsprechen die beiden Kammern z. B. in England verschiedenen Ständen (Adel im Oberhaus, Nichtadlige im Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen sichern.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites verwendet. Sein später Ausläufer ist bis zum 19. Jh. das -> Duell.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932

Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der „2+4“-Vertrag, 1997

Zweischwerterlehre ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas 22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung]) anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B. Sachsenspiegel 1221-4) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach kurialistischer Ansicht (z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. -> Zweigewaltenlehre des Papstes

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109

Zweiter Weltkrieg ist der 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die Deutschen entstandene Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich). Er endet mit der Kapitulation (Italiens,) Deutschlands bzw. Japans 1945.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 8. A. 1985; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985

zweizüngiges Urteil ist dasjenige mittelalterliche Urteil, welches den Ausgang des Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70

Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetzgebungsgeschichte stehende Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in Bruchstücken in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus überliefert und danach von der neuzeitlichen Wissenschaft wiederhergestellt. Nach den Vorbildern von -> Lykurg (Sparta 8. Jh. v. Chr.), -> Drakon und -> Solon (Athen 621, 594) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat. [F.] -> lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar fest. Es wird in Bronze, Holz oder Elfenbein auf dem Forum (Markt) aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später die -> Rechtswissenschaft entwickelt. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius).

Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, in: Studi in onore di E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994, 109

Zypern ist die drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im ausgehenden 2. Jt. V. Chr. von Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht es unter gemeinsamer Herrschaft Ostroms (-> Byzanz) und der -> Araber. Über Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwaltung und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des Gebietes im Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt.

Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003